Wegbereiter der bundesdeutschen Umweltpolitik

Die IPA stellte 2013 ihre Arbeit ein. Ihre ursprüngliche Kernkompetenz, die Abgeordne- ten mit Informationen zu versorgen und zu vernetzen, hat sich in Zeiten, ...
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Jürgen Rosebrock

Wegbereiter der bundesdeutschen Umweltpolitik Eine kleine Geschichte der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft DBU-Umweltkommunikation / Band 3

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Buch wurde klimaneutral hergestellt. CO2-Emissionen vermeiden, reduzieren, kompensieren – nach diesem Grundsatz handelt der oekom verlag. Unvermeidbare Emissionen kompensiert der Verlag durch Investitionen in ein Gold-Standard-Projekt. Mehr Informationen finden Sie unter: www.oekom.de © 2014 oekom, München oekom verlag, Gesellschaft für ökologische Kommunikation mbH Waltherstraße 29, 80337 München Umschlaggestaltung: Elisabeth Fürnstein, oekom Umschlagabbildung: picture alliance / dpa Satz: Tobias Wantzen, Bremen Druck: Bosch-Druck GmbH, Ergolding Dieses Buch wurde auf FSC -zertifiziertem Papier gedruckt. FSC (Forest Stewardship Council) ist eine nichtstaatliche, gemeinnützige Organisation, die sich für eine ökologische und sozialverantwortliche Nutzung der Wälder unserer Erde einsetzt. Dieses Buch wurde auf 100%igem Recyclingpapier gedruckt. Alle Rechte vorbehalten ISBN 978-3-86581-683-2

e-ISBN 978-3-86581-885-0

Jürgen Rosebrock

Wegbereiter der bundesdeutschen Umweltpolitik Eine kleine Geschichte der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft

Inhalt Vorwort Einleitung

TEIL I: DIE INTERPARLAMENTARISCHE ARBEITSGEMEINSCHAFT

7 11

15

Eine kleine Geschichte der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft

17

1.1

Die Entstehung der IPA

17

1.2

Der organisatorische Aufbau

21

1.3

»Stärkung der Parlamente« – Zielsetzungen und Arbeitsweise der IPA

25

1.4

Die Conditio sine qua non – Das Konsensprinzip

28

1.5

Ein Kapitel geht zu Ende

31

2

Die IPA als »Keimzelle« der bundesdeutschen Umweltpolitik

35

2.1

Erste Ansätze für ein Problembewusstsein in den 1950er-Jahren

35

2.2

Das »Umweltprogramm« der IPA – Die »Grundsätze« von 1953

36

2.3

Von Naturschutz bis Kernenergie – Die Umweltaktivitäten der IPA

39

2.4

Die IPA und die »umweltpolitische Wende«

47

3

»Naturgemäße Wirtschaft« – Drei Fallbeispiele

51

3.1

Wasserhaushalt und Reinhaltung des Wassers Die »Wasserkalamität« im Wirtschaftswunder Eine Lobby für das Wasser Wider die »Rechtszersplitterung« Das »Schaum-Desaster« auf deutschen Flüssen Gefahren durch das Mineralöl

51 52 56 58 66 69

1

3.2

Die »Verpestung« der Luft Schwarzer Himmel über der Ruhr »Luftgenossenschaften« – Ein erster Anstoß aus dem Ruhrgebiet Ein bundesweites Problem – Eine bundesweite Lösung? Der Widerstand der Industrie Die IPA als Forum und Katalysator der Luftreinhaltungs-Diskussion Der VDI – Eine »neutrale Institution«? Debatten im Bundestag und Bericht der Bundesregierung 1956/57 Ein neuer Anstoß der IPA Nur ein erster Beginn

75 76 79 80 83 84 88 91 92 96

3.3

Raumordnung – »Schreckgespenst« oder »Wunderwaffe« Ein Bundesgesetz für die Landespflege »Das gesamte Staatsgebiet« – Raumordnung auf Bundesebene Die IPA und die Raumordnung: Eine erste Gesetzesinitiative Der IPA -Gesetzentwurf im Bundestag Ein neuer Anlauf Allmählicher Sinneswandel: Das Bundesraumordnungsgesetz kommt

98 101 104 105 110 113 118

4

Ein erstes Resümee

123

TEIL II : TAGUNG »UMWELTGESCHICHTE UND AKTUELLE UMWELTPOLITIK« Zeitzeugen im Gespräch mit heute aktiven Umweltpolitikerinnen und -politikern, 11. Oktober 2012. Ein Tagungsbericht

129

ANHÄNGE

145

Weitere Ergebnisse des Projektes

147

Abkürzungen

149

Bildnachweise

151

Quellen und Literatur

153

Vorwort

7

Vorwort Seit Aufnahme ihrer Stiftungsarbeit im Jahre 1991 fördert die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU ) neben Projekten im Bereich der Umwelttechnik, der Umweltforschung und des Naturschutzes schwerpunktmäßig innovative und modellhafte Maßnahmen zur Umweltkommunikation. Sie tut dies im Wissen darum, dass bei der Lösung von Umweltproblemen Information, Wissen, Bildung und Management eine entscheidende Rolle spielen. Ziel entsprechender Modellvorhaben ist es, das Umweltbewusstsein zu stärken und die Handlungsbereitschaft für den Umweltschutz zu fördern. Die DBU förderte in den vergangenen Jahren deshalb zahlreiche Projekte, die neue Wege der Umweltkommunikation und des Wissensaustausches beschreiten. Dazu zählten beispielsweise der Aufbau von Umweltzentren, die Einrichtung von Schülerfirmen und -laboren oder die Durchführung von Informationskampagnen. »Sender« in der Kommunikation über Umwelt waren und sind Umweltfachleute, »Adressat« war und ist im übertragenen Sinne die breite Bevölkerung. Das Projekt zur Geschichte der »Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft für naturgemäße Wirtschaft« (IPA ) scheint auf den ersten Blick so gar nicht in das typische Feld der Umweltkommunikation zu passen. Ja, es mag geradezu paradox anmuten, dass ausgerechnet in der Reihe »DBU Umweltkommunikation« die Geschichte einer politischen Vereinigung erscheint, die eine aktive Öffentlichkeitsarbeit ganz bewusst vermied. Die 1952 entstandene IPA , ein überfraktioneller Zusammenschluss von Abgeordneten der Länderparlamente und des Bundestages sowie, ab 1979, auch der deutschen Abgeordneten des Europaparlaments, hat es in der Tat vermocht, mehrere Jahrzehnte hindurch fast unbemerkt im Hintergrund erfolgreich zu wirken. Selbst manchen Fachleuten ist die IPA eine unbekannte Größe geblieben. Diese gewollte Anonymität gehörte wesentlich zum Erfolgsrezept der Arbeitsgemeinschaft. Sie sorgte gewissermaßen für einen geschützten Raum, in dem Themen ohne Rücksicht auf (partei-)politische Profilierungszwänge und im echten Bemühen um Konsensfindung debattiert und vorangebracht werden konnten. Andererseits steht der sehr geringe Bekanntheitsgrad der IPA jedoch im krassen Gegensatz zu ihrer politischen Wirksamkeit, die sie in der Bundesrepublik entfaltet hat. Bleibende Spuren hinterließ sie vor allem auf dem Feld der Umweltpolitik, wo sie kontinuierlich die drängenden Probleme des Industriestaates und der Konsumgesellschaft auf die Tagesordnung der Parlamente hievte. Zahlreiche Umweltgesetze Westdeutschlands tragen die Handschrift der IPA . Bereits in den

8

Vorwort

1950er-Jahren, also lange vor dem Entstehen eines breiten Umweltbewusstseins, verfolgte sie eine Politik der Nachhaltigkeit. Ihr Leitbild war eine »naturgemäße Wirtschaft«, mithin ein Umgang mit den begrenzten natürlichen Ressourcen, der auch die Bedürfnisse der kommenden Generationen im Blick haben sollte  – oder in heutiger Terminologie: eine nachhaltige Entwicklung. Wegweisend war die IPA auch in anderer Hinsicht, nämlich im Networking. Sie brachte die Abgeordneten über Partei- und Parlamentsgrenzen hinweg miteinander ins Gespräch und knüpfte darüber hinaus außerhalb der Parlamente ein enges Netz mit gesellschaftlichen Gruppen, Interessenverbänden, wissenschaftlichen Einrichtungen und internationalen Organisationen. Insofern war die IPA  – ungeachtet ihrer Öffentlichkeitsabstinenz – natürlich doch Teil eines breiten Kommunikationsprozesses über Umwelt. Gründe genug also, die IPA ins Scheinwerferlicht zu holen und sie einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Die Voraussetzungen hierfür schuf das von der DBU geförderte Projekt der Stiftung Naturschutzgeschichte, die das umfangreiche Archiv der IPA fachlich erschlossen und ausgewertet hat, sodass nun erstmals ein quellenbasierter Überblick präsentiert werden kann. Das Förderprojekt zielte zugleich darauf ab, die gewonnenen Einsichten in die historische Entwicklung der IPA mit der aktuellen Situation der Umweltpolitik in Deutschland abzugleichen. Eine Tagung im Zentrum für Umweltkommunikation der DBU in Osnabrück am 11. Oktober 2012 versammelte dazu sowohl prominente Zeitzeugen der frühen bundesrepublikanischen Umweltpolitik als auch Abgeordnete, die heute in den Parlamenten Umweltpolitik verantworten. Die IPA stellte 2013 ihre Arbeit ein. Ihre ursprüngliche Kernkompetenz, die Abgeordneten mit Informationen zu versorgen und zu vernetzen, hat sich in Zeiten, da die Parlamente eigene wissenschaftliche Dienste unterhalten, die Abgeordneten sich leicht selbst im Internet Informationen beschaffen können und sich über soziale Netzwerke verknüpfen, historisch überholt. Doch hat sich damit auch das Konzept der Umweltkommunikation der IPA »überlebt«? Auf der Tagung im Oktober 2012 war man entschieden anderer Ansicht. Der Doyen der bundesrepublikanischen Umweltgeschichte, Prof. Dr. Joachim Radkau, plädierte dafür, in Anlehnung an die frühere IPA einen Think-Tank aufzubauen, in dem eine Reihe kompetenter, erfahrener und einflussreicher Leute ohne Profilierungsdruck nach außen umweltpolitische Lösungsvorschläge entwickeln sollte. Hier knüpften die beiden Elder Statesmen der bundesrepublikanischen Umweltpolitik, Prof. Dr. Klaus Töpfer und Dr. Volker Hauff, an. So wie in der IPA in den 1950er- und 1960er-Jahren das Konsensprinzip konstitutiv gewesen sei und den Erfolg der Umweltpolitik maßgeblich befördert habe, müsse auch heute ein parteienübergreifender Konsens über die längerfristigen Entwicklungslinien der bundesdeutschen Umweltpolitik unbedingt angestrebt werden. Vorbildlich in diesem Sinne habe die Ethik-Kommission für eine sichere Energieversorgung gewirkt. Die Diskussionen der Tagung zeigten, dass die Geschichte der IPA immer noch reichlich Stoff für die aktuelle Kommunikation über Umwelt bietet. Die DBU erhofft sich von der

Vorwort

9

vorliegenden Publikation wie auch von dem gesamten Projekt, dass dadurch weitere Debatten angeregt werden und die Ergebnisse im Rahmen der Umweltbildung sowie der Bildung für nachhaltige Entwicklung zum Einsatz kommen.

Dr. Heinrich Bottermann Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt

10

Vorwort

Einleitung

11

Einleitung Einer der renommiertesten deutschen Umwelthistoriker, Joachim Radkau, räumte 2012 freimütig ein, dass die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft (IPA ) auch nach fast sechzig Jahren Wirksamkeit in der bundesrepublikanischen Politik für ihn letztlich ein »mysteriöses Gremium« geblieben sei.1 Zwar finde man schon seit Jahrzehnten »immer wieder in der Literatur, und zwar in einer ganzen Galerie von umwelthistorischen Büchern, ihre Bedeutung in stärksten Worten gewürdigt«, aber obwohl es sich offenbar um ein »Schlüsselgremium« gehandelt habe, wisse man erstaunlich wenig darüber. In der Tat fehlt in kaum einer Darstellung zur Geschichte der Umwelt- und Naturschutzpolitik Westdeutschlands der Hinweis auf die bedeutsame Rolle, die dieser 1952 entstandene interfraktionelle Zusammenschluss von Abgeordneten des Bundestages und der Landtage gespielt habe. So stellte Klaus-Georg Wey bereits 1982 fest, dass die Arbeitsgemeinschaft »von größter praktischer Wirkung« gewesen sei und dass ihre Programmdiskussionen »in den fünfziger und sechziger Jahren die wesentlichen Impulse für politische Fortschritte im Umweltschutz« geliefert hätten. Da sich die einzelnen Parteien in dieser Phase umweltpolitisch noch nicht positioniert hätten, sei in der Folge »Platz für überparteiliche Initiativen« geblieben.2 Hervorgehoben wird in der Literatur die enorme Bandbreite umweltrelevanter Fragen, mit denen sich die IPA befasste. Sie reichte vom klassischen Naturschutz bis zum Schutz der Umweltmedien. Dazu gehörten die Sicherung der Ressourcen und namentlich der Ernährungsgrundlagen und des Wasserhaushaltes, die Reinhaltung der Luft, die Bekämpfung des Lärms, die Abfallbeseitigung, die Kernenergie, der Tierschutz sowie Naturschutz, Landespflege und Raumordnung.3 Auf diesen Feldern wirkte die IPA kontinuierlich »mit Gutachten, Warnungen und Gesetzentwürfen auf die übrigen Parlamentarier und das politische System ein und brachte viele Gesetze auf den Weg«.4 Wohl zu Recht bezeichnete daher Sandra Chaney die IPA als »the organization that deserves the most credit for passing conser-

1 Mitschrift des Vortrages von Radkau auf der Tagung »Umweltgeschichte und aktuelle Umweltpolitik« am 11. 10. 2012 in Osnabrück, S. 11. 2 Wey 1982, S. 156; vgl. auch Müller 1995, S. 53 ff. 3 Vgl. Engels 2006, S. 50 f. 4 Hünemörder 2004, S. 100.

12

Einleitung

vation and environmental legislation«.5 Für Arne Andersen war die IPA fraglos »eine der Keimzellen der Umweltpolitik der 50er und 60er Jahre«.6 Doch trotz der fast unisono vorgetragenen Würdigung der umweltpolitischen Relevanz der IPA bleibt mit Radkau zu konstatieren, dass der Kenntnisstand über diesen Akteur bestenfalls fragmentarisch zu nennen ist. In der Literatur findet man neben den allgemeinen Einschätzungen vor allem Bezüge zu den 1953 verabschiedeten Grundsätzen der IPA , gewissermaßen dem ›Credo‹ der Arbeitsgemeinschaft. Sie werden durchweg als beachtlich modern und vorausschauend charakterisiert.7 Thematisiert werden darüber hinaus einige konkrete Gesetzesinitiativen von IPA -Abgeordneten in den Parlamenten des Bundes und der Länder. Einen umfassenderen Überblick über die Zielsetzungen und Arbeitsbereiche der IPA lieferten erstmals 1981 zwei Insider, darunter der Geschäftsführer Wolfgang E. Burhenne, in der Festschrift für den Richter am Bundesverfassungsgericht, Martin Hirsch, der in seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter einige Jahre als IPA -Vorsitzender amtiert hatte.8 Seither sind keine Darstellungen erschienen, die sich in konzentrierter Form mit der IPA beschäftigt hätten. Die dünne Nachrichtenlage dürfte im Wesentlichen auf zwei Gründe zurückzuführen sein. Zum einen hat die IPA selbst Sorge dafür getragen, indem sie bewusst weitgehend auf eine aktive Öffentlichkeitsarbeit verzichtete. Nur in Ausnahmefällen trat sie an die Presse; die von ihr verbreiteten Informationsmedien, die Rundschreiben und Drucksachen, waren in der Regel nur für den internen Dienstgebrauch gedacht. Ein Kennzeichen der IPA war, dass sie überwiegend hinter den Kulissen agierte und Schlagzeilen und Fensterreden, die ansonsten im Politbetrieb verbreiteten Profilierungstechniken, dezidiert zu unterbinden suchte. Ein zweiter Grund ist dafür verantwortlich, dass bis heute keine wissenschaftliche Untersuchung vorliegt, die die Rolle der IPA in der bundesdeutschen Politik- und Parlamentsgeschichte sowie ihre unbestrittene Bedeutung für die Umweltgeschichte analysieren und erläutern würde. Die für eine solche Studie notwendige Auswertung der schriftlichen Überlieferung der IPA war bisher nicht möglich. Zwar ist diese Überlieferung seit der Gründungszeit weitestgehend erhalten und vorhanden, doch mangels einer Erschließung der Unterlagen waren sie für die Forschung nicht benutzbar. Im Rahmen eines von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU ) geförderten Projektes hat nunmehr die Stiftung Naturschutzgeschichte in Königswinter in den vergangenen Jahren den Aktenbestand der IPA archivfachlich erschlossen und zugänglich gemacht. Mehr als 1.200 Einzelakten mit Korrespondenzen, Protokollen, Rundschreiben und Drucksachen sowie mit Materialsammlungen 5 Chaney 2008, S. 72; vgl. auch Dominick 1992, S. 194. 6 Andersen 1999, S. 104. 7 Vgl. Küppers, Lundgren & Weingart 1978, S. 102 f.; Wey 1982, S. 156 f.; Vierhaus 1994, S. 56 ff. 8 Burhenne & Kehrhahn 1981.

Einleitung

13

zu unterschiedlichsten Sachthemen bilden einen umfangreichen und dichten Quellenfundus. Erstmals sind damit die Grundlagen für eine breite und quellenbasierte Analyse und Darstellung der Geschichte der IPA geschaffen.9 Die vorliegende Publikation dokumentiert die im Zuge der Verzeichnungsarbeiten gewonnenen ersten Erkenntnisse. Sie zeichnet auf dieser Basis die großen Linien im Sinne einer »kleinen Geschichte der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft« nach und bietet einige Vertiefungen im Bereich der Umweltpolitik. Die Darstellung versteht sich als Auftakt zu dem größeren Unternehmen, das von Joachim Radkau so bezeichnete »Mysterium« IPA peu à peu zu enträtseln. Zunächst wird ein kurzer Abriss zur Entstehung und Entwicklung der IPA gegeben. Im Mittelpunkt steht hierbei die Phase der 1950er- und 1960er-Jahre, die als ihre »Blütezeit« gelten kann. Im Anschluss werden die umweltrelevanten Aktivitäten der IPA betrachtet und anhand von drei Fallstudien exemplarisch vertieft. Am Beispiel von Gewässerschutz und Wasserhaushaltspolitik, der Reinhaltung der Luft und der Raumordnung wird ansatzweise untersucht, wie die IPA vorgegangen ist, um Sachthemen, die ihren Mitgliedern auf den Nägeln brannten, auf die politische Tagesordnung zu setzen und möglichst in Gesetze zu gießen. Verfolgt wird dabei vornehmlich der Fortgang dieses Agenda Settings von der ersten Wahrnehmung einer Problemlage über die Einholung wissenschaftlicher Expertise und Beratung sowie die internen Diskussionen in der IPA bis hin zur parlamentarischen Behandlung. Den zweiten Teil des Bandes bildet ein Tagungsbericht. Gemeinsam mit der DBU veranstaltete die Stiftung Naturschutzgeschichte im Oktober 2012 in Osnabrück eine Tagung, die zum einen an die sechzigjährige Geschichte der IPA erinnerte und zugleich die Frage in den Raum stellte, inwieweit der spezifische Politikansatz der IPA , vor allem ihr Konsensprinzip, auch in der aktuellen Umweltpolitik noch praktizierbar und erfolgversprechend sein könnte, oder ob er aus heutiger Sicht nur noch einen Anachronismus darstellt. Prominente Zeitzeugen aus unterschiedlichen Phasen der bundesdeutschen Umweltpolitik, wie die früheren Bundesminister Hans-Dietrich Genscher, Volker Hauff und Klaus Töpfer, diskutierten diese Frage mit aktuellen Umweltpolitikerinnen und -politikern. Im Anhang finden sich Hinweise auf zwei Materialangebote, die im Rahmen des von der DBU geförderten IPA -Projektes für unterschiedliche Zielgruppen zusammengestellt und aufbereitet worden sind. Dabei handelt es sich zum einen um Unterrichtsmaterialien für Schülerinnen und Schüler der 9. bis 12. Klasse für die sozialwissenschaftlichen Fächer, Geschichte und Geografie. Zum anderen wurde für das Deutsche Museum für Naturschutzgeschichte in Königswinter eine interaktive Info-Station zur Geschichte der IPA realisiert. Die Inhalte dieser beiden Teile wurden von Sabine Diemer (Köln) entwickelt.

9 Die in der vorliegenden Darstellung zitierten Akten stammen ausnahmslos aus dem Archiv der Stiftung Naturschutzgeschichte (Königswinter).