Vier Augen sehen mehr als zwei

tern, denen ich für ihre unermüdliche Geduld und für ihren unbeirrbaren Glau- ben an mich und mein Vorhaben den größten Dank aussprechen möchte. Sie.
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Dr. Jan Hendrik Boland absolvierte ein Lehramtsstudium in den Fächern Deutsch und Wirtschaftswissenschaft. Er unterrichtet an einem Berufskolleg im Ruhrgebiet und ist seit 2010 abgeordneter Lehrer im Fachbereich Germanistik/ Linguistik der Universität Duisburg-Essen.

ISBN 978-3-942158-05-3

Jan Hendrik Boland

Vier Augen sehen mehr als zwei Computergestütztes Peer-Feedback im Deutschunterricht

Boland  •  Vier Augen sehen mehr als zwei

Jeder Schüler kennt das Problem: Ein guter Text schreibt sich nicht von selbst. Ab einem bestimmten Punkt ist man vor allem eines: textblind. Helfen kann da der eigene Mitschüler, denn vier Augen sehen mehr als zwei. Die so genannte Peer-Feedback-Methode ermöglicht Schülerinnen und Schülern, sich über die Qualität ihrer Texte auszutauschen. Besonders einfach geht das mit dem PC. Computergestütztes Peer-Feedback hilft Schülern, ihren eigenen Text im Deutschunterricht selbstständig zu überarbeiten. Ein Blick in die Schulwirklichkeit zeigt, dass computergestützte Textüberarbeitung im Fach Deutsch häufig keine Rolle spielt. Bisherige Untersuchungen befassen sich ausschließlich mit jüngeren Lernern. Diese Studie geht einen Schritt weiter: Erstmals profitieren Schüler der Sekundarstufe II am Berufskolleg in einer eigens entwickelten Unterrichtsreihe vom didaktischen Potential der Peer-Feedback-Methode. Dem Autor gelingt es erfolgreich, wichtige Erkenntnisse der empirischen Schreibforschung auf die Unterrichtspraxis zu übertragen.

UVRR Universitätsverlag Rhein-Ruhr

Jan Hendrik Boland

Vier Augen sehen mehr als zwei Computergestütztes Peer-Feedback im Deutschunterricht

Universitätsverlag Rhein-Ruhr, Duisburg

Die vorliegende Studie wurde als Dissertation von Jan Hendrik Boland, geboren in Tönisvorst (Kreis Viersen), zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) von der Fakultät für Geisteswissenschaften (Germanistik/Linguistik) der Universität Duisburg-Essen angenommen. Gutachter waren: Prof. Dr. Ulrich Schmitz und Priv.-Doz. Dr. Reiner Küpper. Die Disputation fand statt am 24. November 2010. Eingereicht wurde die Studie unter dem Titel: „Der Einfluss von computergestütztem Peer-Feedback auf das Revisionsverhalten jugendlicher Lerner. Analysen am Beispiel von Inhaltsangaben zu literarischer Kurzprosa im prozessorientierten Deutschunterricht eines Berufskollegs“.



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Titelfoto

UVRR / Mike Luthardt © René Mansi, 2009

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.ddb.de abrufbar.

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ISBN 978-3-942158-05-3



Satz



Druck und Bindung



UVRR GGP Media GmbH, Pößneck Printed in Germany

Erstes und letztes Ziel unserer Didaktik soll es sein, die Unterrichtsweise aufzuspüren und zu erkunden, bei welcher die Lehrer weniger zu lehren brauchen, die Schüler dennoch mehr lernen; in den Schulen weniger Lärm, Überdruß und unnütze Mühe herrsche, dafür mehr Freiheit, Vergnügen und wahrhafter Fortschritt […]. Comenius (2007 [1657]: 1)

Meinen Eltern

Danksagung Mein Dank gilt zuerst dem Menschen, der in mir die Begeisterung dafür geweckt hat, spannende schreibdidaktische Forschungsfragestellungen aufzuspüren, diese gründlich zu recherchieren und empirisch orientiert zu bearbeiten: meinem Doktorvater Prof. Dr. Ulrich Schmitz. Ihm danke ich für das Zutrauen einer Dissertation, für die stets engagierte, fachlich kompetente Unterstützung und Beratung während meiner Arbeit. Dass ich mich beruflich in meinem jetzigen Umfeld befinde, ist die Folge seiner umsichtigen wissenschaftlichen Betreuung und Förderung. Ebenso danke ich Herrn Privatdozenten Dr. Reiner Küpper, der meine Doktorarbeit als Zweitgutachter beurteilt hat. Dass er dies mit hoher Sachkenntnis und ehrlichem Interesse an meinem Forschungsthema getan hat, empfinde ich als ein großes Glück. Den Kolleginnen und Kollegen an meiner Schule danke ich für ihr stetiges Interesse an meinem Vorhaben und die praktische Unterstützung während meines Unterrichtsprojekts. Besonderer Dank gilt auch meiner ehemaligen Fachleiterin, Frau Studiendirektorin Brigitte Treude-Haendeler, dafür, dass sie gemeinsam mit mir an die Relevanz der Peer-Feedback-Methode für den Deutschunterricht am Berufskolleg geglaubt hat. Keinesfalls unerwähnt lassen möchte ich den Einsatz der Schülerinnen und Schüler der Höheren Handelsschule. Ohne ihre Bereitschaft, computergestütztes Peer-Feedback im Deutschunterricht umzusetzen, wäre der empirische und damit zentrale Teil dieser Untersuchung nicht möglich gewesen. Auch hätte ich diese Dissertationsschrift gewiss nicht in der vorliegenden Form ohne die Hilfe vieler Menschen in meinem privaten Umfeld abfassen können. Ganz besonders verbunden fühle ich mich deshalb meiner Patentante, die mich während meines gesamten Studiums und der anschließenden Promotionszeit beispiellos unterstützt hat. Meiner langjährigen Freundin Cathrin möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich für die vielen gemeinsamen Unternehmungen danken, die einen Ausgleich zur Promotion schufen, und dafür, dass sie mir stets den notwendigen Rückhalt für meine vielfältigen beruflichen Tätigkeiten und für die Erstellung dieser Arbeit gab. Ein besonderer Platz in dieser Auflistung gebührt zweifelsohne meinen Eltern, denen ich für ihre unermüdliche Geduld und für ihren unbeirrbaren Glauben an mich und mein Vorhaben den größten Dank aussprechen möchte. Sie waren es auch, die die Grundsteine für meinen Weg legten und die mich stets bestärkt haben, wenn ich an mir gezweifelt habe. Ihnen ist dieses Buch gewidmet. Essen, im Januar 2011 Jan Hendrik Boland

Inhalt Danksagung.................................................................................................... 7 1

Einführung und Übersicht .................................................................. 13

1.1 Einleitung............................................................................................. 13 1.2 Begriffsbestimmung............................................................................ 16 1.2.1 Revision................................................................................. 16 1.2.2 Peer-Feedback....................................................................... 16 1.2.3 Computereinsatz im Deutschunterricht ............................... 17 1.3 Fachdidaktische Relevanz und Umfang der Studie ............................ 18 1.4 Aufbau der Arbeit................................................................................ 19 1.5 Abschließende Bemerkungen.............................................................. 20 2

Ausgewählte Befunde der Schreibforschung und ihre didaktische Bedeutung ........................................................................ 21

2.1 Einleitung............................................................................................. 21 2.2 Schreiben als kognitiver Problemlöseprozess..................................... 21 2.3 Kooperation und elektronische Hilfsmittel im Schreibprozess........... 25 2.4 Schreibenlernen aus (sozial-)konstruktivistischer Perspektive: Prozessorientierte Schreibdidaktik ..................................................... 28 2.5 Abschließende Bemerkungen.............................................................. 32 3

Revisionen als Subkomponente im Schreibprozess ........................... 33

3.1 Einleitung............................................................................................. 33 3.2 Modellvorstellungen zum Revisionsprozess ...................................... 33 3.3 Revisionsprozesse erfahrener und unerfahrener Schreiber.................. 45 3.4 Perspektivwechsel als Voraussetzung für produktive Revisionsprozesse................................................................................ 48 3.5 Abschließende Bemerkungen.............................................................. 49 4

Computergestütztes Peer-Feedback als Hilfsmittel im Revisionsprozess............................................................................ 51

4.1 Einleitung............................................................................................. 51

4.2 Überblick über Formen und Funktionen schulischen Peer-Feedbacks ............................................................... 51 4.3 Wirkung von Peer-Feedback auf die Revision und die Qualität von Lernertexten ................................................................... 52 4.4 Computergestütztes schriftliches Peer-Feedback ............................... 55 4.5 Abschließende Bemerkungen.............................................................. 57 5

Forschungsziel und Fragestellungen der Arbeit.................................. 59

5.1 Einleitung............................................................................................. 59 5.2 Untersuchungsziel............................................................................... 59 5.3 Untersuchungsfragen........................................................................... 59 5.4 Abschließende Bemerkungen.............................................................. 61 6 Datenerhebung .................................................................................... 63 6.1 Einleitung............................................................................................. 63 6.2 Experimentelles Design ...................................................................... 63 6.3 Auswahl und Umfang der Stichprobe ................................................ 64 6.4 Untersuchungsplan ............................................................................. 66 6.5 Erhebungsinstrumente......................................................................... 68 6.5.1 Schülerfragebögen ................................................................ 68 6.5.2 Unterrichtsreihe »Inhaltsangaben zu literarischer Kurzprosa«................................................... 70 6.6 Abschließende Bemerkungen.............................................................. 76 7 Datenanalyse ....................................................................................... 77 7.1 Einleitung............................................................................................. 77 7.2 Analyse der Schülerfragebögen........................................................... 77 7.3 Analyse der Qualität der Schülertexte................................................. 78 7.3.1 Das Bewertungsraster .......................................................... 78 7.3.2 Erläuterungen und Hinweise zur Arbeit mit dem Bewertungsraster.................................................... 80 7.4 Analyse der Peer-Feedback-Kommentare........................................... 82 7.5 Analyse der Revisionen....................................................................... 82

7.5.1 Inhalt und Aufbau des Analyserasters.................................. 82 7.5.2 Auswertungsbeispiele zum Gebrauch des Analyserasters.... 87 7.6 Abschließende Bemerkungen............................................................ 111 8 Ergebnisse ......................................................................................... 113 8.1 Einleitung........................................................................................... 113 8.2 Ergebnisse der Eingangs- und Abschlussbefragung.......................... 113 8.2.1 Anzahl, Alter und Geschlecht der Befragten.......................113 8.2.2 Ergebnisse der Eingangsbefragung......................................114 8.2.3 Ergebnisse der Abschlussbefragung................................... 121 8.3 Ergebnisse der Bewertung der Schülertexte...................................... 127 8.4 Ergebnisse der Auswertung des computergestützten Peer-Feedbacks ................................................................................. 129 8.4.1 Art und Anzahl des computergestützten Peer-Feedbacks.................................................................... 129 8.4.2 Sprachliche Form des computergestützten Peer-Feedbacks.................................................................... 130 8.5 Ergebnisse der Auswertung der Textrevisionen ................................ 131 8.5.1 Allgemeine Beschreibungsmerkmale..................................131 8.5.2 Revisionen hinsichtlich der funktionalen Angemessenheit............................................. 133 8.5.3 Revisionen hinsichtlich der sprachsystematischen Richtigkeit........................................................................... 139 8.6 Abschließende Bemerkungen............................................................ 150 9

Ergebnisdiskussion und Folgerungen für die Praxis ........................ 153

9.1 Einleitung........................................................................................... 153 9.2 Antwort auf forschungsleitende Fragen............................................ 153 9.2.1 Vorerfahrungen der Schüler im Überarbeiten und mit dem Computer als Schreibwerkzeug..................... 153 9.2.2 Vorerfahrungen der Schüler mit Feedback zu eigenen Textprodukten................................................... 154 9.2.3 Zusammenhang zwischen Peer-Feedback und dem Revisionsverhalten............................................... 155 9.2.4 Art und sprachliche Form des computergestützten Peer-Feedbacks.................................................................... 157

9.2.5

Zusammenhang zwischen Textrevisionen und Textqualität................................................................... 157 9.2.6 Beurteilung der Peer-Feedback-Methode durch die Schüler ................................................................ 158 9.3 Konsequenzen für den Deutschunterricht.......................................... 159 9.3.1 Intensiverer Einsatz des Computers zu Revisions- und Beratungszwecken..................................... 159 9.3.2 Schaffung von Feedback- und Revisionsanlässen im Unterricht............................................................................ 160 9.3.3 Herauslösen von Peer-Feedback aus Benotungsphasen ..... 160 9.3.4 Einplanen einer separaten Text-Feedback-Phase zur Korrektur sprachformaler Verstöße.....................................161 9.3.5 Vorbereitung der Schüler auf das gegenseitige Peer-Feedback: Didaktisch-methodische Konkretisierungen...................... 162 9.4 Abschließende Bemerkungen............................................................ 166 10 Rückblick und Ausblick..................................................................... 167 10.1 Einleitung........................................................................................... 167 10.2 Zusammenfassung der Studie............................................................ 167 10.3 Geltungsumfang der vorliegenden Studie......................................... 169 10.4 Schlusswort und Ausblick auf weiterführende Forschungen ...................................................................................... 170 Abbildungsverzeichnis............................................................................... 171 Tabellenverzeichnis.................................................................................... 174 Literaturverzeichnis................................................................................... 175 Anhang....................................................................................................... 183

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Einführung und Übersicht

1.1 Einleitung Empirische Untersuchungen in der Grundschule (Held 2006), in der Sekundarstufe I (Fix 2000) und erste Erfahrungsberichte aus der Sekundarstufe II (Schnetzer 2006) legen nahe, dass ein didaktisch inszenierter Austausch zwischen gleichaltrigen Schülerinnen und Schülern – so genannten »Peers« – über selbst verfasste Textentwürfe dazu beiträgt, Lernern ein anschließendes individuelles Überarbeiten zu erleichtern. Peer-Feedback-Verfahren wie die »Schreibkonferenz« (Graves 1983, Spitta 1992) werden zu den „Standardformate[n]“ eines nach »prozessorientierter Schreibpädagogik« ausgerichteten Deutschunterrichts gezählt (Kruse/Ruhmann 2006: 19). Dieser aus dem anglo-amerikanischen Bereich stammende schreibdidaktische Ansatz nutzt die Erkenntnisse der modernen Schreibforschung konsequent dazu, um aus ihnen Handlungsempfehlungen für die schulische Schreibförderung zu entwickeln. Im deutschsprachigen Raum hat dies zu zahlreichen fachdidaktischen Veröffentlichungen1 geführt. Obwohl die Vorstellungen prozessorientierter Schreibdidaktik mittlerweile auch Einzug in die curricularen Vorgaben des Deutschunterrichts gefunden haben (Ossner 1995), hat sich „diese Form des Unterrichts bisher [institutionell] noch nicht durchgesetzt“ (Kruse/Ruhmann 2006: 29). In den letzten beiden Jahrzehnten sind zunehmend die Möglichkeiten des Computers zu Schreib- und Überarbeitungszwecken im Deutschunterricht erörtert worden 2, was in der Folgezeit zu einer medialen Weiterentwicklung traditioneller prozessorientierter Feedback-Verfahren geführt hat.3 Aus Sicht der Deutschdidaktik ist bislang jedoch völlig unerforscht, inwieweit speziell jugendliche Lerner der Sekundarstufe II mithilfe von Peer-Feedback Texte revidieren, wenn die Peer-Kommentare nicht etwa – wie dies üblicherweise in 1

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Veröffentlichungen, in denen sich Vorschläge zu Prozessorientierung im Deutschunterricht finden, sind z. B. Baurmann (1992; 2002), Böttcher & Becker-Mrotzek (2003), Becker-Mrotzek (2004), Ludwig (1989), Ludwig (2003) und Kruse, Berger & Ulmi (2006). Vgl. z. B. Kochan (1992), Blatt (1996), Reuen (1997), Plieninger (2000). Eine Zusammenfassung anglo-amerikanischer Veröffentlichungen zu diesem Thema findet sich bei Cook et al. (2003). Ein gelungenes Beispiel hierfür ist die »Virtuelle Schreibkonferenz« (vgl. BeckerMrotzek et al. 2004), in der Kölner Grundschülerinnen und Grundschüler von speziell geschulten Lehramtsstudentinnen und -studenten per Computer ein Feedback auf ihre Texte erhalten. Dieses Vorgehen entspricht jedoch nicht dem Ansatz der vorliegenden Studie, in der erstmals untersucht werden soll, wie gleichaltrige Sekundarstufe-II-Lerner einander im Deutschunterricht per Computer bei der Textüberarbeitung unterstützen (vgl. Kapitel 1.2.2).