Viel Vertrauen im Aargau

Der Charme der Gegend im unteren. Aaretal geht ohne Zweifel von den zahl- reichen Rebbergen hoch über dem Aa- reufer aus. Aber auch die unübersehba-.
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18.04.11

Nr. 91

Seite 9

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Teil 01

PERSÖNLICH

Viel Vertrauen im Aargau Peter Hirt ist Gemeindeammann von Döttingen und Zivilschutz-Kommandant in der Atom-Region Beznau und Leibstadt liessen sich nicht mit Fukushima vergleichen, sagt Peter Hirt. Keiner Parteiposition verpflichtet, vertraut der Gemeindeammann von Döttingen der Nukleartechnologie, von der seine Region profitiert. Daniel Fuchs Er ist zwar die Ruhe selbst, strahlt Vertrauen und sogar etwas Autorität aus. Doch trotzdem fallen seine Antworten auf Fragen zu seiner Rolle zwischen den Aargauer Meilern zuweilen etwas ungeduldig aus: Denn die Diskussion um einen Katastrophenfall – um Radioaktivität, die in Beznau oder Leibstadt austreten könnte – ist eine theoretische. Peter Hirt aber ist kein Theoretiker. Er ist ein Schaffer. Und als (parteiloser) Gemeindeammann des 3700-SeelenDorfs Döttingen und als ZivilschutzKommandant der Zivilschutzorganisation Aare-Rhein nimmt der 56-Jährige eine öffentliche Funktion wahr, die im Falle einer atomaren Katastrophe niemand missen wollte.

Eine Randregion Der Charme der Gegend im unteren Aaretal geht ohne Zweifel von den zahlreichen Rebbergen hoch über dem Aareufer aus. Aber auch die unübersehbaren Reaktoranlagen der drei Aargauer Kernkraftwerke faszinieren und beängstigen zugleich: Aarelauf-aufwärts die beiden in die Jahre gekommenen Werke Beznau I und II, flussabwärts – die Aare hat sich da bereits mit dem Rhein vereint – das jüngste Schweizer Kernkraftwerk, Leibstadt. Dazwischen eingeklemmt: eine malerische Region, in ihrem Selbstverständnis eine Randregion im Atom-Kanton Aargau. Döttingen,Böttstein, Full-Reuenthal, Klingnau, Koblenz, Leibstadt, Leuggern, Mandach, Schwaderloch, Stilli, Villigen, Wil und Würenlingen: So heissen die Gemeinden in nächster Umgebung zu den Werken. Ihnen gemein ist, dass jede sich in der kritischen Zone 1 befindet: Der 3 bis 5 Kilometer dicke Gürtel umfasst das Gebiet, in dem bei einem Unfall in den Werken – die Zone 1 ist für Beznau und Leibstadt identisch – eine Gefahr für die Bevölkerung entstehen kann. Die Einwohner leben gut mit und von ihren Werken.

Notfallszenarien im Kopf Zur Schau getragene Gelassenheit in Zeiten des GAUs in Japan? – Im Gemeindehaus von Leuggern befindet sich der Sitz des regionalen ZivilschutzKommandanten. Peter Hirt ist der oberste Zivilschützer der Region AareRhein. Ganz in der Nähe steht der Kühlturm des Kernkraftwerks Leibstadt, dessen Dampfwolke weitherum sichtbar ist. Die Zivilschutzeinheiten in der Region seien gut ausgerüstet und geschult, die Notfallszenarien in den Köpfen, erklärt Hirt. Er unterscheidet zwischen betrieblichen Störfällen und Katastrophenfällen: «Erstere sind vorhersehbar und mit einer genügend grossen Vorwarnzeit verbunden.» Erdbeben oder Flugzeugabstürze taxiert Hirt dagegen als Katastrophenfälle. «Bei einem Erdbeben beispielsweise werden die Kernkraftwerke automatisch ausgeschaltet», erklärt er. In allen Fällen würde aber erst einmal das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) die möglichen Gefahren analysieren. Hält der kantonale Führungsstab – er beurteilt die Situation in Zusammenarbeit mit dem Ensi – Evakuierungen der Bevölkerung für notwendig, so würden entsprechende Aufträge an das regionale Führungsorgan erteilt. Feuerwehr, Polizei und Zivilschutz begännen sodann mit der Evakuierung und Betreuung der Bevölkerung.

Kein Fukushima-Effekt Keiner Partei zugehörig, findet sich der Gemeindeammann Peter Hirt in der privilegierten Lage, abseits ideologischer Grabenkämpfe um die Zukunft der Atomenergie eine für das Dorf pragmatische Politik zu fahren: Die Werke Beznau produzieren ihren Strom auf Döttinger Gemeindeboden und bescheren der Gemeinde einen grossen Teil der Steuereinnahmen bei einer umso tieferen Steuerbelastung. Abgesehen von den positiven finanziellen Effekten: Die Kernkraftwerke stossen auch sonst auf wenig Kritik im unteren Aaretal. «Von einem Fukushima-Effekt kann man in unserer Region nicht sprechen. Die Bewohner vertrauen der Technologie und dem technologischen Fortschritt», erklärt Hirt. Er ist darauf bedacht, Ruhe auszustrahlen. Eine stoische Ruhe? Er bewundere die japanische Bevölkerung und deren Gelassenheit im Umgang mit der Atom-

katastrophe. Die Schweiz lasse sich aber – trotz derselben Technologie in Beznau wie in Fukushima – nicht mit Japan vergleichen. Die Bevölkerung sei mit den Werken in Beznau und Leibstadt eng verbunden. Zwei Drittel der Belegschaft der Werke in Beznau seien schliesslich in der Region wohnhaft. Hirt ist überzeugt, dass sich die Mehrheit der Bevölkerung sogar hinter einen Ersatz – Beznau III – stellen würde. Wäre die Region geologisch für ein Endlager für radioaktive Abfälle prädestiniert, Hirt würde sich für ein solches aussprechen.