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Zur Geschichte des Instituts für Denkmalpflege in der DDR. 13. Vorspiel. Die Landesämter für Denkmalpflege. 13. Versuch. Das Deutsche Institut für Museums-, Denkmal- und Heimatpflege 17. Kompromiß. Die Denkmalschutzverordnung vom 26. Juni 1952. 21. Aufbau. Das Institut für Denkmalpflege in der DDR. 25.
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Denkmalpflege in der SBZ/DDR

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Sigrid Brandt

Geschichte der Denkmalpflege in der SBZ/DDR Dargestellt an Beispielen aus dem sächsischen Raum 1945–1961

Lukas Verlag 3

Abbildung auf dem Umschlag: Willy Rittsche, Entwurf für die Kirche in Lohmen

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.

© by Lukas Verlag Erstausgabe, 1. Auflage 2003 Alle Rechte vorbehalten Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte Kollwitzstraße 57 D–10405 Berlin http://www.lukasverlag.com Umschlag und Satz: Verlag Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen Printed in Germany ISBN 3–931836–83–5

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Inhalt

Einleitung

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Denkmalpflege als Aufgabe der Kulturpolitik

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Zur Geschichte des Instituts für Denkmalpflege in der DDR Vorspiel. Die Landesämter für Denkmalpflege Versuch. Das Deutsche Institut für Museums-, Denkmal- und Heimatpflege Kompromiß. Die Denkmalschutzverordnung vom 26. Juni 1952 Aufbau. Das Institut für Denkmalpflege in der DDR Auflösung. Die »Liquidation« der Zentrale Neufassung. Die Denkmalschutzverordnung vom 28. September 1961 Ausblick. Problemfelder zu Beginn der 1960er Jahre

13 13 17 21 25 30 35 37

Städtebauliche Planung und Denkmalpflege. Die Erfurter Konferenz 1956 Zur Rolle der Bauakademie Die Erfurter Konferenz Geschichte des Städtebaus – methodische Fragen Geschichte des Faches Denkmalpflege Das polnische Modell des Wiederaufbaus Großstadtdenken und Verkehrsprobleme »Stagnation« als Recht und Pflicht – tschechische Entwürfe Anpassung der historischen Stadt an moderne Bedürfnisse – Aufbau in Deutschland Von Erfurt nach Warschau – Resümee und Ausblick

40 40 45 47 55 57 60 61 64 69

Sozialistische Denkmalpflege ? – Inhaltliche Positionen Ideologische Grundlagen, Erbe und Tradition Funktion der Denkmalpflege in der Gesellschaft Denkmalbegriff Klassifizierung nach französischem Vorbild

74 78 87 95 99

Denkmalpflege im Sozialismus. Das sächsische Beispiel

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Vom Landesamt zum Institut. Die Dresdner Denkmalpflege unter Hans Nadler Das Sächsische Landesamt für Denkmalpflege bis 1945 Neubeginn nach Kriegsende

103 103 104

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Strategien denkmalpflegerischer Wirksamkeit. Hans Nadlers Konzept einer »Denkmalgerechtigkeit« Heimatschutz und technische Denkmale Städtebauliche Denkmalpflege Der Fall Görlitz Inventarisierung und Katalogisierung Denkmal – Symbol – Wahrzeichen. Zum Wiederaufbau von Profanbauten Denkmalpflege in der Zwischenkriegszeit – Voraussetzungen »Man sollte sich aber nicht erkühnen, ein Ebenbild zu schaffen.« Der Wiederaufbau der Alten Handelsbörse in Leipzig »[…] daß die Wiederherstellung der ursprünglichen Fassung als einzige Lösung unter den gegebenen Verhältnissen anzusprechen ist.« Die Dresdner Gemäldegalerie zwischen Modernisieren und Restaurieren »[…] nicht Spezialwissenschaft, sondern lebendige Auswirkung zur Wiedergewinnung einer durchgehend höheren Baukultur«. Denkmalpflege im Dienst von Wiederaufbau und Neuordnung

109 116 122 132 149

157 157 166

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Purifizierung und Wertschätzung historischer Polychromie. Sächsische Denkmalpflege an Sakralbauten Organisatorische Strukturen und Bedingungen kirchlicher Baudenkmalpflege Bereinigung, Korrektur, Gestaltung – »im Interesse der Kirche als Gesamtkunstwerk« Wissenschaftlich-Forschendes vor Künstlerisch-Schöpferisches? Die Innenarchitekturen Der Fall der Oberkirche in Cottbus Kirchengerechte Instandsetzung Ausblick: Verwissenschaftlichung und eine neue »Justitia historiae artium«

233 254 264 271

Resümee

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Dokumente

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200 200 204

Anhang

Literatur Abkürzungen Abbildungsnachweis Personenregister

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355 365 365 366

Einleitung Denkmalschutz und Denkmalpflege sind ihrem Wesen nach Verhaltensweisen zur Geschichte, in denen sich vielfältige kulturelle Prozesse spiegeln. Die Frage nach dem Sinn denkmalpflegerischen Handelns stellt sich jeder Generation anders und neu. Im Fach Denkmalpflege verführen die heute vorrangig diskutierten, scheinbar allgemeingültigen Formulierungen der Jahrhundertwende gern zu dem resignierenden Blick, alles sei schon einmal dagewesen. Im vereinigten Deutschland zwingen die Entwicklungen denkmalpflegerische Arbeiten verstärkt in ökonomisches Denken. Die Denkmalpflege ihrerseits bindet das Fach zunehmend in gesamtgesellschaftliche Diskussionen um »Nachhaltigkeit«, »Globalisierung« und ökologisches, d.h. ressourcensparendes Denken ein, um Akzeptanz wiederzugewinnen. Wenn Denkmale, die seit Jahrzehnten verschwunden sind, wiedererrichtet werden sollen, andere dagegen entsorgt oder völlig umgebaut werden, hat dies vor allem mit dem Selbstverständnis dieses Landes zu tun, d.h. mit der Frage, welcher Vergangenheit man sich für den eigenen Weg versichern will. Mit der vorliegenden Arbeit soll der Blick auf eine Zeit gelenkt werden, die zu den ereignisreichsten wie schwierigsten in Deutschland zählt. Die Denkmalpflege in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg stand vor bis dahin ungekannten Aufgaben. Das Ausmaß der Zerstörungen war gewaltig. Moralische Fragen drängten sich auf. Der Wille zum Neubeginn dominierte. Die Schwierigkeiten, denen sich die Denkmalpflege im Osten Deutschlands gegenübersah, werden jedoch zu leichtfertig auf »Arroganz und Dummheit der Macht«1 reduziert. Die Geschichte der Denkmalpflege in der sowjetischen Besatzungszone und späteren Deutschen Demokratischen Republik ist in den Nachkriegsjahren und in den fünfziger Jahren nicht nur eine Geschichte der Verhinderung. Belastet mit dem Vorwurf bürgerlichen Intellektualismus und dem Verdacht, in der Zeit des Nationalsozialismus unterstützend gewirkt zu haben, sucht sie den Weg in die neuen gesellschaftlichen Verhältnisse. Unter den Voraussetzungen der Nachkriegsjahre sind damit Fragen nach theoretischen Grundlagen und der methodischen Herangehensweise denkmalpflegerischen Tuns von besonderer Wichtigkeit: Woran knüpft man an, welche Traditionen brechen ab, welche bestehen in veränderter Form weiter, welche Neuansätze sind zu verzeichnen. Untersuchungen zur Denkmalpflege nach der Beendigung des Zweiten Weltkrieges sind nach den Umbrüchen in Deutschland seit Beginn der 1990er Jahre möglich geworden. Wenngleich das Ende der Nachkriegszeit mit der Vereinigung von BRD und DDR vertraglich besiegelt wurde, ist die historische Distanz weiterhin gering. Der Geschichte im geteilten Deutschland nachzugehen, muß daher als Versuch angesehen werden, diese als Vorgeschichte der jetzigen Situation gewissenhaft nachzuzeichnen und anhand von zugänglichen Quellen die Vorgänge darzustellen. 1 Lerm (1993).

Einleitung

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Die Geschichte der Denkmalpflege ist spätestens seit dem Europäischen Denkmalschutzjahr ins Blickfeld des Interesses gerückt. Stellvertretend seien die Arbeiten von Marion Wohlleben (1979) und Christoph Friedrich Hellbrügge (1989) zur Diskussion um 1900 und zum Leitspruch »Konservieren statt Restaurieren« genannt. Heinrich Magirius legte 1987 eine Geschichte der Denkmalpflege in Sachsen, Peter Findeisen 1990 die für Sachsen-Anhalt vor. Beide Arbeiten sind Teil eines nicht vollendeten Gesamtprojekts zur Geschichte der Denkmalpflege, das noch in der DDR konzipiert wurde. Die genannten Arbeiten schließen in der Behandlung des Gegenstandes mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ab. Mit der denkmalpflegerischen Problematik in den 1930er Jahren befaßt sich eine Publikation Eva Frodl-Krafts von 1997, Susanne Fleischner hat sich in ihrer Dissertation der Thematik »Schöpferische Denkmalpflege« und dem Wirken Rudolf Esterers gewidmet. Burkhard Körners Dissertation von 1999, ebenfalls in Bamberg verfaßt, ermöglicht einen Einblick in westdeutsche Denkmalpflegepraxis nach dem Zweiten Weltkrieg und so eine vergleichende Perspektive für diese Arbeit. Zur Denkmalpflege in der DDR gibt es bislang kaum Untersuchungen. Eine Anzahl von Artikeln Heinrich Magirius’ und Elisabeth Hütters versuchen eine erste Rückschau2, 1991 gab die Zeitschrift »Deutsche Kunst und Denkmalpflege«3 verschiedenen ostdeutschen Autoren die Möglichkeit zu einem skizzenartigen Erlebnisbericht und Resümee. Der Wiederaufbau von vier repräsentativen zerstörten Baudenkmalen in Dresden ist Thema eines 1996 veröffentlichten Artikels ebenfalls von Heinrich Magirius.4 Denkmalpflegerische Leistungen in Osteuropa nach 1945 sind Thema der Arbeiten von Georg Weinberg (1984), Ivo Hlobil (1990) und Michaela Marek (1990).5 Die besondere Situation der Denkmalpflege im Nachkriegsdeutschland wird, und dies darf bei dem Bemühen um historisches Verständnis nicht außer acht gelassen werden, entscheidend geprägt durch den Wettkampf der Systeme. Sowohl der Legitimationsdruck der sowjetisch besetzten und sowjetisch zu prägenden östlichen Zone Deutschlands als auch der Wunsch, gegenüber dem Westen Deutschlands als der »bessere« Teil Deutschlands aufzutreten und anerkannt zu werden, bilden den Hintergrund für vielschichtige Anstrengungen der nun Herrschenden, Denkmalpflege als Teil der Bildungs- und Kulturpolitik verbindlich, d.h. politisch geführt und kontrolliert, in diesen Systemkampf einzubinden. Der Beitrag zur Geschichte des Faches im östlichen Teil Deutschlands, d.h. in der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR, fragt unter den damaligen speziellen Bedingungen zunächst nach kulturpolitischen Voraussetzungen dieses Fachs, da hier wie in einem Brennpunkt exemplarisch grundlegende Mechanismen des »staatszentrierten leninistischen Modells [offenbar werden], das die Trennung von Staat und Gesellschaft negiert, dem Staat das selbstverständliche Recht einräumt, über jedes 2 3 4 5

Hütter/Magirius (1990), Magirius (1990), Magirius (1991). Deutsche Kunst und Denkmalpflege 1/1991. Magirius (1996). Weinberg (1984), Hlobil (1990), Marek (1990).

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Einleitung

Detail gesellschaftlicher Belange zu verfügen und der Gesellschaft gegenüber als universeller Eigentümer aufzutreten«.6 Besonders anhand der Errichtung und Entwicklung des Instituts für Denkmalpflege in der DDR in den 1950er Jahren soll gezeigt werden, wie der Versuch unternommen wurde, die »bürgerliche« Tradition der Denkmalpflege zu überwinden und durch eine »erneuerte«, »sozialistische« zu ersetzen. Dem kulturellen Erbe in der SBZ/DDR wurde eine relativ klar umrissene Aufgabe beigemessen7, dennoch rangiert die ostdeutsche Denkmalpflege in den 1950er Jahren gleichsam in einer Grauzone, einem Zwischenfeld zwischen Baupolitik und Kulturpolitik. Damit zusammenhängend sind Orientierungen nicht leicht und nicht zwingend in sowjetischen Vorbildern zu suchen. Es wird dennoch zu fragen sein, inwieweit denkmalpflegerische Arbeiten in der Sowjetunion und den »Volksdemokratien« wahrgenommen wurden und Anlaß zu eigenen Überlegungen werden konnten. Die genannte Grauzone betrifft gleichermaßen die rechtliche Situation des Faches Denkmalpflege und ihrer Vertreter. Diese versuchten, die Verordnungen, Verfügungen etc., die nach und nach zur Makulatur verkamen bzw. sich wechselseitig aufhoben, durch eigene Initiative und wiederholte Vorschläge an die Regierenden zu verändern. Der Kampf zwischen stalinistischer Politbürokratie und Fachwissenschaftlern, zwischen politischer Indoktrination einerseits und fachlicher Autonomie und Entscheidungsbefugnis andererseits soll hier dargestellt werden. Der fachliche Austausch zwischen den östlichen Ländern wurde vor allem zu Problemen des Städtebaus und der städtebaulichen Denkmalpflege aufgenommen. Die Fragen, wie die neuen Städte nach den Verheerungen des Zweiten Weltkrieges aussehen sollten, wie sie genutzt werden, auch: wie sie entstanden sind, welche Folgen diese Entwicklung für deren Zukunft haben könnte, wurden mit einer Intensität diskutiert, die für andere Themen nicht denkbar war. Anhand der Beiträge der »Erfurter Konferenz« können die divergierenden Auffassungen zu Denkmalpflege und Städtebau nachvollzogen werden. Der zweite Teil der Arbeit untersucht denkmalpflegerische Methoden am Beispiel des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen. Die Dresdner Denkmalpflege gehörte in der SBZ/DDR neben der in Halle zu den stärksten. Sie konnte in der früheren Geschichte der deutschen Denkmalpflege durch einen wichtigen, herausragenden Vertreter, Cornelius Gurlitt, eine wegweisende Rolle übernehmen. In der SBZ/DDR steht das Wirken des Dresdner Amtes für den Versuch, die neue politische und gesellschaftliche Situation produktiv zu machen auch für neue Inhalte denkmalpflegerischer Arbeit. Die Fülle wiederhergestellter und wiederaufgebauter Denkmale bieten die Möglichkeit, Tendenzen und Probleme der praktischen denkmalpflegerischen Arbeit aufzuzeigen. Der sächsische Raum ist in der Arbeit zu verstehen als das Gebiet innerhalb der Grenzen des nach 1945 gebildeten Landes Sachsen. Mit der Zerschlagung der 6 Vgl. Klingenberg (1997), S. 12. 7 Vgl. Schlenker (1977).

Einleitung

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Länderstruktur und der Einführung der Bezirke in der DDR 1952 wurden die bis dahin bestehenden Landesämter für Denkmalpflege ebenfalls neu strukturiert. Der Außenstelle Dresden des nun gebildeten Instituts für Denkmalpflege in der DDR wurden die Bezirke Dresden, Leipzig, Karl-Marx-Stadt und Cottbus zugeordnet. Der Schnittpunkt der zeitlichen Eingrenzung der Arbeit ist mehr als eine aus der politischen Geschichte der DDR willkürlich übernommene Zäsur. Wenige Monate nach dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 wurde mit der »Verordnung über die Pflege und den Schutz der Denkmale« eine neue Grundlage des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege geschaffen, die als vorläufiger Endpunkt der bereits seit Mitte der fünfziger Jahre betriebenen »Demokratisierungstendenzen« angesehen werden muß. Die Verantwortung für Schutz und Pflege der Denkmale wurde nun den Räten der Bezirke, Kreise und Stadtkreise übertragen. Eine Periodisierung der Geschichte der Denkmalpflege in der SBZ/DDR bedeutet dieser, auch im Interesse der Überschaubarkeit der Arbeit gewählte Einschnitt keineswegs. Kontinuitäten in personeller Hinsicht seit den dreißiger Jahren wie auch fließende Übergänge in denkmalpflegerischen Grundsätzen im Verlauf der fünfziger Jahre und darüber hinaus lassen Fragen der Periodisierung generell als schwierig erscheinen. Der Untersuchung von ausgewählten Beispielen ist der Versuch vorangestellt, Hans Nadlers Wirken als Denkmalpfleger zu charakterisieren. Hier stehen seine Anregungen und Anstrengungen zur Verbreitung des Denkmalgedankens, zur Pflege technischer Kulturdenkmale und zu städtebaulicher Denkmalpflege im Vordergrund. Der Wiederaufbau von Profanbauten wird an zwei Bauten exemplarisch analysiert. Die Leipziger Alte Handelsbörse und die Dresdner Gemäldegalerie gehörten zu den Denkmalen, deren Zerstörungsgrad zu grundlegenden Diskussionen zwang. Die mit großer Genauigkeit rekonstruierten Diskussionen spiegeln eindrücklich sowohl die Motive der Beteiligten als auch die denkmalpflegerischen Richtungswechsel während der Entscheidungsfindungen. Die Pflege der kirchlichen Baudenkmäler ist im Aufgabenkanon der Denkmalpflege das traditionsreichste Gebiet. Beiträge zur Geschichte des Faches und seiner Methodik vor 1945 konzentrieren sich daher nicht ohne Grund auf die »klassischen Monumente«. Wenn sie im Rahmen der vorliegenden Arbeit erst an letzter Stelle Berücksichtigung finden, so ist die Reihenfolge nicht als Rangfolge zu verstehen. Gerade die kirchliche Baudenkmalpflege ist in den fünfziger Jahren, und dies insbesondere im Dresdner Denkmalamt, ein wichtiger Bereich, aber dies neben und parallel zu vielen anderen. Das Vorhandensein gefestigter Beziehungen zwischen Kirche und Denkmalpflege, die in neuen organisatorischen Formen ausgebaut werden, personelle Kontinuitäten auf Bauherren-, Architekten- und der denkmalpflegerischen Ebene scheinen jedoch der Garant für eine ungebrochene Weiterführung der bis dahin geübten Praxis und werden von den neuen Aufgaben der Denkmalpflege, denen sich Hans Nadler auf denkmalpflegerisch-städtebaulichem Gebiet und dem Bereich der technischen Denkmäler verpflichtet sieht, in gewisser Hinsicht überlagert.

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Einleitung

Erst in den sechziger Jahren, unter den Vorzeichen der wirtschaftlichen Stabilisierung der DDR und der forcierten Entwicklung zu einem modernen Industriestaat, der unter anderem in einem deutlich gehobenen materiellen Lebensstandard der Bevölkerung seinen Ausdruck finden sollte, verstärkt sich wiederum das denkmalpflegerische Interesse deutlich zugunsten kirchlicher Bauten. Innerhalb der Architektur der »nachgeholten Moderne« und den zeitgenössischen städtebaulichen Überlegungen in der DDR findet die Denkmalpflege zunehmend weniger Raum – erst jetzt beginnt sie, sich zu dem zu entwickeln, wofür sie im Rückblick auf die DDR oft pauschal gehalten wird: zu einer Nische, einem Rückzugsgebiet, einem Feld mehr oder weniger stillen Protestes für Kunsthistoriker, Architekten, Theologen etc. Für die Unterstützung meiner Arbeit durch mündliche oder schriftliche Auskünfte danke ich Ludwig Deiters, Bruno Flierl, Gerhard Glaser, Elisabeth Hütter, Kurt Junghanns, Detlev Karg, Heinrich Magirius, Hans Nadler und Stephan Strauss. Mein Dank gilt den Mitarbeitern der benutzten Archive, besonders Jutta Gaudian vom Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, die mir jederzeit ungehindert die Archivbenutzung ermöglichte, und Susanne Ulbrich, die sich ausdauernd um meine Fotobestellungen bemühte. Für die Möglichkeit, meine Arbeit zur Diskussion zu stellen, bin ich dem Graduiertenkolleg »Kunstwissenschaft – Bauforschung – Denkmalpflege« ebenso zu Dank verpflichtet. Prof. Dr. Ulrich Reinisch hat das Vorhaben stets mit kritischer Sicht und wichtigen Hinweisen unterstützt. Seinem Projektseminar zum Wiederaufbau der Stadt Neuruppin nach 1787 verdanke ich nicht nur die grundsätzliche Ermunterung zur Beschäftigung mit Denkmalpflege, sondern auch den darin mitgeteilten Blick auf Geschichte als Anregung für eigenes Arbeiten. Matthias Schulz hat mir mehr ermöglicht als das ungestörte Abfassen des Textes. Christof Baier, Roman Hillmann und Annelore Reski haben sich dem Lesen des Manuskriptes unterzogen. Die Drucklegung der Arbeit wurde durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz unterstützt. Ihnen allen gilt mein ganz besonderer Dank.

Einleitung

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Denkmalpflege als Aufgabe der Kulturpolitik

Zur Geschichte des Instituts für Denkmalpflege in der DDR

Vorspiel. Die Landesämter für Denkmalpflege Der erste Denkmalpflegetag in der Sowjetischen Besatzungszone findet bezeichnenderweise in Weimar, und nicht wie zunächst geplant in Halle, vom 2. bis 4. April 1946 statt. In der Stadt Goethes und Schillers treffen sich auf Einladung der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung die Landes- und Provinzialkonservatoren der sowjetischen Besatzungszone und der Konservator von Berlin. Über die Themen dieser ersten Zusammenkunft gibt ein kurzer Bericht des Dresdner Denkmalpflegers Richard Konwiarz Auskunft.1 Für Gerhard Strauss als Vertreter der Zentralverwaltung2 ist zum ersten Mal Gelegenheit, grundsätzliche Überlegungen zur Denkmalpflege anzustellen und Richtungsweisungen zu formulieren. Er schien aufgrund seiner Ausbildung (Studium der Kunstgeschichte, Archäologie und Erdkunde in Königsberg, Köln und Wien) und seiner Erfahrungen auf dem Gebiet der Denkmalpflege (1936–39 Denkmalamt Ostpreußen) geradezu prädestiniert, kulturpolitische Aufgaben u.a. in diesem Bereich übernehmen zu können. Zudem war Strauss schon sehr früh, im September 1945, aus dem Kriegsgefangenenlager Stargard, wo er als Leiter der Antifa-Gruppe, der Polit-Abteilung und der Kulturabteilung fungiert hatte, »auf Befehl Major Onischins zwecks Einsatz in Deutschland (Kultur) entlassen als Arbeitsgruppe III« und genoß das Vertrauen des Präsidenten der Verwaltung.3 Strauss plädiert in Weimar für die Weiterführung der Tradition deutscher Denkmalpflege. Es bestehe nicht die Absicht, diese zu negieren, weder in sachlicher noch in organisatorischer Hinsicht. Gleichwohl werden Hintergründe seines Tuns offenbar, wenn er Denkmalpflege und Wiederaufbau mitbeteiligt sehen will an der Umerziehung des Volkes und daher »ein Konnex mit den Hauptträgern der politischen Arbeit Gebot«4 sei. Es entspricht dem analysierenden und taktierenden Kalkül Strauss’, wenn er das Schwergewicht denkmalpflegerischer Arbeit weiterhin bei den Ländern und Provinzen ansiedelt und den Konservator als d i e Denkmalpflegeinstanz seines Landes bzw. seiner Provinz beschreibt. Diese über das Ende des Krieges hinaus übliche Praxis 1 Vgl. Dokumentation, Dokument 1. 2 Deutsche Zentralverwaltung für Volksbildung, eingesetzt von der SMAD für die SBZ, Leitung: Paul Wandel, Abteilung Kunst und Literatur, Leitung: Herbert Volkmann, Referent für Bildende Kunst und Museen: Gerhard Strauss, vgl. Kunstdokumentation 1945–90 (1996), S. 821–834. 3 Vgl. BArch, DR 2/935, Personalunterlagen Gerhard Strauss, fol. 157–165. 4 BArch, DH 2/I/25, Unterlagen der Abt. Denkmalpflege 1946–56, Referat, gehalten auf dem Denkmalpflegetag Weimar 1946.

Denkmalpflege als Aufgabe der Kulturpolitik

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in der unmittelbaren Nachkriegszeit zerschlagen zu wollen, hätte kaum Aussicht auf Erfolg gehabt. Auch wird von Strauss nur vorsichtig formuliert, daß die Zentralverwaltung für Volksbildung in Zukunft als vorgesetzte Fachinstanz der Konservatoren, festgelegt in einem noch zu beschließenden Statut, auftreten könnte. Zu diesem Zeitpunkt betont er besonders die organisatorische Kontinuität der denkmalpflegerischen Arbeit und versteht sich so gewissermaßen als Nachfolger Robert Hieckes.5 »Der alte organisatorische Rahmen ist ohne entscheidende Veränderungen erhalten geblieben, abgesehen von der Dienststelle des ehemaligen Reichs- und Preußischen Landeskonservators, die das Schicksal ihrer im Mai 1945 aufgehobenen zentralen staatlichen Institutionen teilt. Ihre Belange sind für den Bereich der Okkupationszone in etwa übernommen worden durch die Deutsche Zentralverwaltung für Volksbildung in der Sowjetischen Besatzungszone (Referat Bildende Kunst, Museen und Denkmalpflege), wobei das Schwergewicht der Arbeit besonders auf der Wahrnehmung eines Führungseinflusses besteht.«6 In den neu gebildeten fünf Ländern der Sowjetischen Besatzungszone werden nach Kriegsende fünf Landesämter für Denkmalpflege eingerichtet. Dabei können Dresden, Halle und Potsdam auf bereits vor dem Krieg bestehende Strukturen zurückgreifen. Verantwortliche Konservatoren werden Walter Bachmann7 für Sachsen, Gottfried Müller für Potsdam und Wolf Schubert für Halle. In Mecklenburg wird unter Leitung des Landesbaurates Paul Viering ein bis dahin nicht bestehendes und neu zu organisierendes Landesamt für Denkmalpflege eingerichtet. Viering war 1936 Nachfolger des preußischen Provinzialkonservators Balke in Pommern geworden, der zu dieser Zeit ins Brandenburger Amt wechselte. Viering bringt 1945 die ausgelagerten und geretteten Teile der Archivalien des Stettiner Amtes in das neue Amt in Schwerin ein, dessen Leitung er bis zu seiner Emeritierung 1950 innehat.8 Sein Nachfolger wird Heinz Mansfeld, später Walter Ohle.9 In Thüringen hatte seit 1933 ein Landesamt für Denkmalpflege und Heimatschutz bestanden, nach Eingliederung der Denkmalpflege in das Landesamt für 5 Robert Hiecke übernahm 1918 das Amt des Staatskonservators von Hans Lutsch und versah dieses bis 1945. 6 Strauss (1948). 7 Walter Ernst Bachmann (1883–1958): Dr.-Ing, Oberregierungsrat a.D., Architekturhistoriker, Radebeul, Reform-Real-Gymnasium Plauen, 1902–07 Technische Hochschule Dresden (Architektur und Baugeschichte), Promotion 1912, Habilitation 1920 TH Dresden, 1908–14 Assistent bei den deutschen Ausgrabungen in Assur (Mesopotamien), eigene Ausgrabungen in Tulul Akir bei Assur, Forschungsreisen in Zentral-Kurdistan und Hocharmenien, 1920–48 Landesdenkmalpfleger in Sachsen (Oberregierungsrat im Innenministerium). 8 Vgl. Mitteilungen an die ehrenamtlichen Vertrauensleute des Instituts für Denkmalpflege Schwerin, 1. Quartal 1960, Nr. 7, S. 1–2. 9 Walter Ohle: geboren 1904 in Dessau, Neffe des Provinzialkonservators von Sachsen, Max Ohle, Studium der Architektur an der TH Braunschweig, Studium der Kunstgeschichte an den Universitäten in Berlin und Leipzig, 1932 Promotion an der Leipziger Universität »Die protestantischen Schloßkapellen der Renaissance in Deutschland«, kurze buchhändlerische Tätigkeit, 1934 Stipendiat, später wissenschaftlicher Angestellter im Dienst der Pommerschen Denkmalpflege, vgl. dazu: Mitteilungen an die ehrenamtlichen Vertrauensleute des Instituts für Denkmalpflege Schwerin, 3. Quartal 1959, Nr. 6, S. 1–2.

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Denkmalpflege als Aufgabe der Kulturpolitik