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deren Erhaltung einsetzte. Sicherlich trug er dabei dem patriotischen Zeitgeist im Zuge der antinapoleonischen Befreiungsbewegung Rechnung. Doch neben der Wertschätzung als deutsches Kunstwerk wird sein Interesse an den kon- struktiven und technischen Gegebenheiten des Bauwerks deutlich: »Auf dem.
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Herrschaft und Architektur

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Studien zur Backsteinarchitektur Herausgegeben von Ernst Badstübner und Dirk Schumann

Band 2

Dirk Schumann

HERRSCHAFT UND ARCHITEKTUR Otto IV. und der Westgiebel von Chorin

Lukas Verlag 3

Der Umschlag wurde gestaltet unter Verwendung einer Zeichnung aus EICHHOLZ, Paul; HOPPE, Willy: Die Kunstdenkmäler des Kreises Angermünde, Heft III, Kloster Chorin, Berlin 1927.

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Schumann, Dirk: Herrschaft und Architektur : Otto IV. und der Westgiebel von Chorin / Dirk Schumann – Berlin : Lukas Verl., 1997 (Studien zur Backsteinarchitektur ; Bd. 2)

ISBN 3–931836–18–5

© by Lukas Verlag Erstausgabe, 1. Auflage Alle Rechte vorbehalten Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte Kollwitzstr. 57 D–10405 Berlin Lektorat: Livia Cárdenas, Berlin Umschlag und Satz: Verlag Druck und Bindung: Difo-Druck, Bamberg Gedruckt auf umweltverträglich hergestelltem und absolut alterungsbeständigem Papier Printed in Germany ISBN 3–931836–18–5

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Inhalt

Zum Geleit (Ernst Badstübner)

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Einführung

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Voraussetzungen Methodik und Fragestellungen

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Historische und kulturelle Dispositionen und Prozesse

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Die Markgrafen aus askanischem Hause (1134–1319) und die Architektur Albrecht III. und Eberswalde Otto IV. und die höfische Bildung des 13. Jahrhunderts Die Verlagerung der Hofhaltung in die Nähe von Chorin unter Otto IV. Die Gründung des Zisterzienserklosters Mariensee durch Johann I. und seine Verlegung nach Chorin unter Otto IV.

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Die Architektur der Choriner Westfassade

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Der Grundriß Probleme des Aufrisses Beschreibung und Bestand der Westfassade Bauabläufe der Westfassade Strukturelle Überlegungen zur Gestalt der Westfassade Exkurs

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Das askanische »Architekturbild« und seine Funktionen

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Chorin und die imperiale Architekturtradition Chorin als Grablege der askanischen Markgrafen aus johanneischem Hause »Ikonisches« Architekturverhalten zwischen Tradition und Innovation

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Zusammenfassung

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Anhang

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Stammtafel der Markgrafen von Brandenburg aus askanischem Hause Literaturverzeichnis

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Zum Geleit Über Chorin, das ehemalige Zisterzienserkloster in der Mark Brandenburg, eine neue kunst- und architekturhistorische Arbeit vorzulegen, mit dem Anspruch, über das bisher darüber Geschriebene hinauszugehen, erfordert Mut. Immerhin haben Georg Dehio und Wilhelm Pinder, um nur zwei Klassiker der deutschen Kunstgeschichtsschreibung ins Feld zu führen, Chorin und vor allem dem grandiosen Westabschluß seiner Klosterkirche den Platz angewiesen, nachdem die Ruine schon David Gilly und Karl Friedrich Schinkel zu schriftlichen Darlegungen veranlaßt hatte und durch die Aktivitäten Schinkels zu einer Inkunabel deutscher Denkmalpflege geworden war. Franz Kugler und Friedrich Adler haben Chorin als erste eingehender gewürdigt, Wolfgang Schleyer und J.A. Schmoll gen. Eisenwerth das Bauwerk bin in Einzelheiten untersucht und die kunstgeschichtliche Einordnung vorgenommen. Inzwischen fehlt die Kirchenfassade in keinem architekturgeschichtlichen Überblick, von der Literaturschwemme zur Zisterzienserbaukunst oder zur Backsteinarchitektur ganz zu schweigen. Was also könnte Dirk Schumann veranlaßt haben, das Thema abermals aufzugreifen? Zunächst die Ergebnisse der Bauforschung und der Archäologie. Hier hat es in jüngster Zeit Präzisierungen im Detail gegeben sowie die Aufdeckung eines bisher völlig unbekannten Bauteiles: eines Verbindungsganges zwischen Pfortenhaus und Fürstensaal, der vor dem Laienrefektorium verlief – Grund genug, über die Funktion dieser Bau- und Raumteile des Klosters und seiner Kirche neu nachzudenken. Und das führt auf die immer wieder gestellte, aber letztlich doch nicht zu beantwortende Frage, welche Personen denn nun für die baukünstlerische Leistung und für die damit doch offensichtlich gewollte inhaltliche Aussage verantwortlich zu machen sind. Daß es der materiellen Aufwand generell scheuende und als wenig bildfreundlich bekannte Mönchsorden war, der ein solch großartiges bauliches Gebilde, das Herrschaft »verkörpert«, als Abbild zur »Sprache« bringen wollte, ist kaum wahrscheinlich, eher schon, daß er das körperhafte Modell, das dreitürmige Westwerk, tatsächlich als Bild in die Fläche zu projizieren verstand, um sein Verständnis von der Kirchenarchitektur so wenig wie möglich zu verletzen. Der Anreger zu diesem Bild mit solchem Inhalt aber kann nur in der Landesherrschaft zu suchen sein, und Dirk Schumann findet ihn in dem Askanier Otto IV. »dem Langen« oder »mit dem Pfeile«, Markgraf von Brandenburg von 1266 bis 1308, den Minnesänger und Politiker mit expansionistischen 6

Ambitionen. Diese enge Bindung der Baugeschichte und der Baugestalt der Choriner Kirchenfassade an eine Herrscherpersönlichkeit macht die neue Darstellung über die Mitteilung der durch Bauforschung und Archäologie gewonnenen Erkenntnisse hinaus bedeutsam. Sie wird die Diskussionen um die Bau- und Kunstgeschichte des Zisterzienserklosters gewiß wieder aufleben lassen. Und so wird Dirk Schumanns Arbeit auch keineswegs die letzte zu diesem Thema sein, so sehr sich jeder Autor auch wünscht, seinen Gegenstand endgültig erschöpfend behandelt zu haben. Berlin, im September 1997

Ernst Badstübner

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Einführung Kloster Chorin ist keine jener lieblichen Ruinen, darin sich’s träumt wie auf einem Frühlingskirchhof, wenn die Gräber in Blumen stehen; es gestattet kein Verweilen in ihm, und es wirkt am besten, wenn es wie ein Schattenbild flüchtig an uns vorüberzieht. Theodor Fontane (1819–1898)1

Voraussetzungen

Heute von alten Bäumen und stillen Wassern umgeben, liegt das Zisterzienserkloster Chorin innerhalb einer idyllischen Kulisse. Es besitzt den Rang eines der bedeutendsten architektonischen und historischen Denkmäler nicht nur für die Mark Brandenburg. Das, was Fontane als Mangel der Ruine empfand, denn es fehle ihm »das eigentlich Ruinenhafte der Erscheinung, so daß, von gewisser Entfernung her gesehen, das Ganze nicht anders wirkt wie jede andere gotische Kirche, die sich auf irgendeinem Marktplatz irgendeiner mittelalterlichen Stadt erhebt«2, macht den Wert dieses Bauwerkes aus. Denn von den mittelalterlichen Bauteilen haben sich zahlreiche Reste unverändert in ihrer Originalsubstanz erhalten. Dieser Zustand ist nicht zuletzt ein Verdienst Karl Friedrich Schinkels, der sich seit seiner Anstellung in der Oberbaudeputation im Jahre 1810 intensiv mit der Klosterruine beschäftigte und sich für deren Erhaltung einsetzte. Sicherlich trug er dabei dem patriotischen Zeitgeist im Zuge der antinapoleonischen Befreiungsbewegung Rechnung. Doch neben der Wertschätzung als deutsches Kunstwerk wird sein Interesse an den konstruktiven und technischen Gegebenheiten des Bauwerks deutlich: »Auf dem Amte Chorin bei Neustadt-Eberswalde befänden sich bedeutende Überreste alter Klostergebäude, welche in vieler Hinsicht als Werke deutscher Baukunst merkwürdig sind und besonders in Rücksicht auf Konstruktion mit gebrannten Steinen unserer Zeit als Muster dienen können. Alle sind zu ökonomischen Zwecken eingerichtet worden, und zu dem Ende wurde die schöne große 1 Die 1880 erschienene zweite Auflage des dritten Bandes der »Wanderungen durch die Mark Brandenburg« ist mit einem Abschnitt zu Chorin erweitert worden, um »dem mehrere Kapitel umfassenden Abschnitt von der Kolonisation der Mark durch die Zisterzienser wenigstens annähernd einen Abschluß zu geben.« In: FONTANE 1971, S. 97 2 FONTANE 1971, S. 96

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Abb. 1: Chorin, geometrischer Aufriß des Kirchengiebels, Zeichnung von K.F. Schinkel, um 18175

Kirche, welche ihr Gewölbe schon verloren hat, vor mehreren Jahren mit einem neuen Dache versehen und zur Scheune und zum Holzgelaß eingerichtet. Bei der Seltenheit solcher Denkmäler in dieser Provinz wird die Erhaltung eines solchen zur Pflicht«.3 Wie nötig ein Handeln in dieser »Pflicht« war, geht aus einer Korrespondenz zwischen einem Greifswalder Universitätsprofessor und dem Grafen Malte aus dem Jahr 1827 hervor, denn es ist Chorin gemeint, als berichtet wird, daß »Sr. Majestät der König und des Kronprinzen königliche Hoheit vor kurzem einem [...] ärgerlichen Zustande an einem Ort in der Mark Brandenburg hätten abhelfen lassen, wo die Grabstätten einiger Markgrafen in der Ruine einer Kirche den Schweinen preisgegeben gewesen«4 seien. 3

1817 setzte Schinkel dieses Schreiben eigenhändig als Stellungnahme der Oberbaudeputation auf und ließ es von Rothe, Cochius, Funk und Günther unterschreiben. In: KANIJA/MÖLLER 1960, S. 232, siehe dazu auch: BADSTÜBNER 1981, S. 320 4 KARG 1994, S. 5 5 Original im Kupferstichkabinett Berlin, S 79 MXVII No. 5 (nach Wolzogen). Inwieweit diese Zeichnung den vorhandenen Bestand wiedergibt, ist nicht vollständig sicher, denn ob das Maßwerk des mittleren Mittelschiffsfensters wirklich noch so vollständig vorhanden war, ist fraglich, zumal die Wiederherstellung des späten 19. Jh. hier eine andere Maßwerkfigur rekonstruiert. Die Annahme von Berndt, daß die westlichen Kirchenfenster zu dieser Zeit vermauert waren, müßte deutlicher belegt werden, da ihr eine Zeichnung von

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