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William Holman Hunts Gemälde The Lady of Shalott – eine Beschreibung. 15 .... And by the moon the reaper weary, ... Burn'd like one burning flame together,.
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Das Rätsel der Verstrickten

Meinen Eltern Alfred und Anneliese Zettel in liebevoller Erinnerung

Annabel Zettel

Das Rätsel der Verstrickten Die Illustrationen der Präraffaeliten zu Alfred Tennysons »The Lady of Shalott«

Lukas Verlag

Abbildung auf dem Umschlag: John William Waterhouse: The Lady of Shalott, 1888, Öl auf Leinwand, 153 × 200 cm, Tate Gallery London

Gedruckt mit Hilfe der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein

© by Lukas Verlag Erstausgabe, 1. Auflage 2011 Zugl.: Freiburg, Univ., Diss. 2007 Alle Rechte vorbehalten Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte Kollwitzstraße 57 D–10405 Berlin www.lukasverlag.com Korrektorat und Satzarbeiten: Linda Vogt, Berlin Layout und Umschlag: Lukas Verlag Druck: Elbe Druckerei Wittenberg Printed in Germany ISBN 978-3–86732–091–7

Inhalt

Vorwort 9 Einleitung 11 Alfred Lord Tennyson: The Lady of Shalott

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Die Verflechtung von Text und Illustration: Bildhafte Poesie und poetische Bilder

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William Holman Hunts Gemälde The Lady of Shalott – eine Beschreibung 15 Eine Verschiebung von Blickwinkeln: Hunts langwieriger Schaffensprozess 28 Tennysons Gedicht The Lady of Shalott 52 »A bundle of splendid incongruities« – die Präraffaeliten, Tennyson und die Moxon-Illustrationen 55 Hunts Framing Devices und Tennysons Panel Structure – Bildaufbau und Textstruktur 61 Hunts Organisationsweise: Die Vernetzung der Teile durch Analogien 63 Wortgemälde, Spiegelungen, Assoziationsketten – Tennysons Ornate Poetry im Vergleich 68 Enthüllen und Verbergen – Dante Gabriel Rossettis Tennyson-Illustration 76 Rossettis Details – im Spannungsfeld von Metaphysik und Sinnlichkeit 86 Im Spiegel des geistesgeschichtlichen Kontexts

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Das »naturalistische Ideal« Blakes Bildvisionen und Hogarths Mehrfeldbilder – Strategien künstlerischer Vorläufer Strukturen der Wahrnehmung – die kognitive Erfaßbarkeit der sichtbaren Welt rückt ins Zentrum Das Auge der Macht – photographische Erfassung, mediale Überwachung und künstlerische Ästhetik Zwischen Faszination und Furcht: Tennysons Lady of Shalott und die Kunst der Präraffaeliten im Kontext photographischer Entwicklung

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Verschränkte Motivebenen 131 Hunts Bildnetz und Tennysons »Parabolic Drift« 131 Hunts Bildmotivik im Spiegel zeitgenössischer Dichtung und Malerei 133 Sündenfall und Apokalypse – die religiöse Überformung der Lady of Shalott 142 Inhalt

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Fatale Blicke und bedrohliche Netze – mythologische Motive in Hunts Lady of Shalott 150 Gedankengebäude, Wunderkammern und Archive der Welt – die Bildräume der Präraffaeliten 194 Photographische Illustrationen zu Tennysons Lady of Shalott 210 Nachbarschaftliche Beziehungen – Alfred Lord Tennyson und Julia Margaret Cameron 210 »From Life« – die Aktualisierung der Legende 212 Identifikation, Projektion und Fetisch in den Inszenierungen Camerons und der Präraffaeliten 224 Die Inszenierung des Todes – Camerons tableaux morts 233 »Map-making and skeleton-rendering« – die photographische Illustration im Kreuzfeuer der Piktorialismus-Naturalismus-Debatte 245 Authentizität und Fiktion 252 Werk und Verstrickung – Die Lady of Shalott als Spiegelbild des Künstlers

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»Das Rätsel der Verstrickten« – die Metapher des Webens im Kontext präraffaelitischer Kunstanschauung 257 »To lose the thread of tangled work« – die Verstrickung des Künstlers im eigenen Werk 262 Herkules im Garten der Hesperiden – der Künstler im Dilemma 270 Der Moment der Selbsterkenntnis in Rossettis Interpretation der Lady 277 Der unschuldig-schuldige Verführer – die Figur des Lancelot als alter ego Rossettis 284 Der andere Blick in den Spiegel – die Lady in den Darstellungen zeitgenössischer Künstlerinnen 289 Zusammenfassung 296 Anhang 305 Literatur 306 Bildnachweis 314 Personenregister 315

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Inhalt

Vorwort

Hier schlingen menschen mit gewächsen tieren Sich fremd zum bund umrahmt von seidner franze Und blaue sicheln weisse sterne zieren Und queren sie in dem erstarrten tanze. Und kahle linien ziehn in reich-gestickten Und teil um teil ist wirr und gegenwendig Und keiner ahnt das rätsel der verstrickten. Da eines abends wird das werk lebendig.

Mit diesen Worten beschreibt Stefan George den Teppich des Lebens, in dessen Fäden und Mustern alle Kreaturen auf rätselhafte Weise unentrinnbar miteinander verbunden sind. Ein ähnliches Panorama läßt auch der präraffaelitische Maler William Holman Hunt in seinem vielschichtigen Gemälde The Lady of Shalott vor dem Auge des Betrachters erstehen: Figuren, Dinge und Ornamente verbinden sich hier zu einem universalen Gewebe, beziehen sich in vielfacher Weise aufeinander und werden zu einem Kaleidoskop immer neuer Betrachtungsweisen. Nach den eigenen Worten des Künstlers illustriert dieses Werk die Prinzipien präraffaelitischer Kunst wie kein anderes seiner Bilder. So führt Hunt in seinem letzten großen Gemälde ein Bilderrätsel vor Augen, das über seinen poetischen Kern hinaus Aufschluss über die Ideale der Präraffaeliten zu geben vermag. Für die Bereitschaft, sich mit der Autorin beim Enträtseln dieses Bildes zu verstricken, soll im Folgenden gedankt sein. In ganz besonderer Weise unterstützte mich mein Doktorvater Wilhelm Schlink mit seinem sicheren und kritischen Auge. In den vielen anregenden Freiburger Gesprächen gab er stets wertvollen Rat und eröffnete mir neue Blickwinkel. Seine Lehre war es, die mich durch mein Studium hindurch die Kunstgeschichte erst wirklich entdecken ließ, und nicht zuletzt seinem Engagement ist es zu verdanken, daß diese Arbeit nun »in nützlicher Frist« veröffentlicht werden kann. Meinem Zweitgutachter Günter Schnitzler danke ich für das Interesse, das er meiner Arbeit aus literaturwissenschaftlicher Warte entgegengebracht hat. Dem Cusanuswerk möchte ich für seine großzügige finanzielle Unterstützung danken, den Cusanern, die zu Weggefährten wurden – Hilke Teubert, Anna Kaiser, Till Mettig, Mario Christ und Fabian Bien –, für ihre Begleitung durch Höhen und Tiefen, für weiterführende und begeisternde Diskurse. Bedanken möchte ich mich auch für die Förderung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften, ohne die die Drucklegung dieser Arbeit nicht in der vorliegenden Weise möglich gewesen wäre. Für den freundlichen Empfang, den Zugang zu den Depots und die Bereitstellung von Forschungsmaterialien sei dem Wadsworth Atheneum Hartford, Connecticut und der Tate Gallery London herzlich gedankt. Vorwort

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Mit viel Geduld stand mir Matthias Tedeus nicht zuletzt in praktischen Fragen zur Seite. Durch sein staunenswertes Geschick, seinen beherzten Einsatz und wiederholte Erste-Hilfe-Leistungen bei der Bildbearbeitung und darüber hinaus konnte diese Arbeit bestmöglich ausgestattet erscheinen. Für seine fortwährende Unterstützung bin ich ihm sehr dankbar. Durch den Kreis der Münchner Freunde wurden die gemeinsamen Arbeitstage am Zentralinstitut für Kunstgeschichte zu einer herrlichen und anregenden Zeit. Danken möchte ich für ihre »Mitleidenschaft« Ingo Borges, Marianne von Manstein, Andreas und Alexandra Schumacher, Nicola Gräfin Keglevich und Katharina König, die zu ganz besonderen Freunden geworden sind. Durch sein »toughes« Lektorat hat Detlef Felken dem vorliegenden Text manche Ungereimtheit genommen. Unerschöpflich hat er mit mir nach Worten gesucht. Für seinen bedingungslosen Beistand, für die intensiven Gespräche und die Energie, mit der er sich mir gewidmet hat, und nicht nur dafür, bin ich ihm tief verbunden. München, im Dezember 2010   Annabel Zettel

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Vorwort

Einleitung

»The Lady of Shalott is seen as an illustration of a faculty very desirable not absolute requisite in poetry – painting in words.« So schrieb William Fulford 1856 über Tennysons Gedicht im Oxford and Cambridge Magazine. Die Fähigkeit des Dichters, in seinen Versen schillernde Wortgemälde zu erschaffen, fiel bei den präraffaelitischen Künstlern auf fruchtbaren Boden. In ihren Bildern erzählen sie die Gedichte Tennysons auf ihre Weise neu, transzendieren den Text und führen Nuancen vor Augen, die den Dichter selbst in Erstaunen versetzten. Im Zentrum dieser Arbeit steht deshalb das Verhältnis von Poesie und Malerei im Werk der Präraffaeliten. Ausgehend von den Illustrationen zu Tennysons Gedicht The Lady of Shalott werden die Prinzipien bildlicher Umsetzung und die übergreifende Bedeutung des Themas für die Kunst der Bruderschaft dargelegt. Gegenstand der Untersuchung ist William Holman Hunts 1886 begonnenes Gemälde der Lady of Shalott, das in seinem komplexen Bildaufbau und seiner Motivik den Umgang der Künstlergruppe mit Poesie, Mythologie, Religion und Philosophie exemplarisch widerspiegelt. Darüber hinaus werden die Illustrationen Dante Gabriel Rossettis zur berühmten, 1857 erschienenen Tennyson-Edition des Verlegers Edward Moxon sowie Julia Margaret Camerons photographische Inszenierungen herangezogen, um Aufschluss über die Umsetzung der literarischen Vorlage in unterschiedlichen Medien zu gewinnen. Die Studie widmet sich der Beziehung zwischen Poesie und Illustration zunächst auf formaler Ebene. Im zweiten Teil der Arbeit werden die Ergebnisse der Analyse in den geistesgeschichtlichen Diskurs der Zeit eingeordnet, um vor diesem Hintergrund das künstlerische und weltanschauliche Konzept der präraffaelitischen Bruderschaft aus seinen Wurzeln heraus begreifbar zu machen. Auf thematischer Ebene werden die vielfach verflochtenen Bildmotive untersucht, die anhand des poetischen Stoffes christliche, mythologische und literarische Inhalte aufeinander beziehen und die Figur der Lady of Shalott zum Prisma präraffaelitischer Gedankenwelt werden lassen. Abschließend werden formale Aspekte und thematische Hintergründe zusammengeführt: Die individuellen Darstellungen werden im Kontext künstlerischer Selbstreferenz betrachtet, die Protagonistin als Identifikationsfigur der präraffaelitischen Künstler gedeutet. So soll auf eine bisher nicht in den Blick genommene Weise sichtbar werden, wie wichtig die Rolle der zeitgenössischen Poesie für das Verständnis präraffaelitischer Kunst ist. Die Indienstnahme der Figur der Lady of Shalott erweist sich am Ende als ein Schlüssel zum Verständnis präraffaelitischer Malerei.

Einleitung

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The Lady of Shalott Part I On either side the river lie Long fields of barley and of rye, That clothe the wold and meet the sky; And thro’ the field the road runs by To many-tower’d Camelot; And up and down the people go, Gazing where the lilies blow Round an island there below, The island of Shalott.

Part II There she weaves by night and day A magic web with colors gay. She has heard a whisper say, A curse is on her if she stay To look down to Camelot. She knows not what the curse may be, And so she weaveth steadily, And little other care hath she, The Lady of Shalott.

Willows whiten, aspens quiver, Little breezes dusk and shiver Thro’ the wave that runs for ever By the island in the river Flowing down to Camelot. Four gray walls, and four gray towers, Overlook a space of flowers, And the silent isle imbowers The Lady of Shalott.

And moving thro’ a mirror clear That hangs before her all the year, Shadows of the world appear. There she sees the highway near Winding down to Camelot; There the river eddy whirls, And there the surly village-churls, And the red cloaks of market girls, Pass onward from Shalott.

By the margin, willow-veil’d, Slide the heavy barges trail’d By slow horses; and unhail’d The shallop flitteth silken-sail’d Skimming down to Camelot: But who hath seen her wave her hand? Or at the casement seen her stand? Or is she known in all the land, The Lady of Shalott?

Sometimes a troop of damsels glad, An abbot on an ambling pad, Sometimes a curly shepherd-lad, Or long-hair’d page in crimson clad, Goes by to tower’d Camelot; And sometimes thro’ the mirror blue The knights come riding two and two: She hath no loyal knight and true, The Lady of Shalott.

Only reapers, reaping early In among the bearded barley, Hear a song that echoes cheerly From the river winding clearly, Down to tower’d Camelot; And by the moon the reaper weary, Piling sheaves in uplands airy, Listening, whispers »’Tis the fairy Lady of Shalott.«

But in her web she still delights To weave the mirror’s magic sights, For often thro’ the silent nights A funeral, with plumes and lights And music, went to Camelot; Or when the moon was overhead, Came two young lovers lately wed: »I am half sick of shadows,« said The Lady of Shalott.

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Alfred Lord Tennyson: The Lady of Shalott

Part III A bow-shot from her bower-eaves, He rode between the barley-sheaves, The sun came dazzling thro’ the leaves, And flamed upon the brazen greaves Of bold Sir Lancelot. A red-cross knight for ever kneel’d To a lady in his shield, That sparkled on the yellow field, Beside remote Shalott.

She left the web, she left the loom, She made three paces thro’ the room, She saw the water-lily bloom, She saw the helmet and the plume, She look’d down to Camelot. Out flew the web and floated wide; The mirror crack’d from side to side; »The curse is come upon me,« cried The Lady of Shalott.

The gemmy bridle glitter’d free, Like to some branch of stars we see Hung in the golden Galaxy. The bridle bells rang merrily As he rode down to Camelot; And from his blazon’d baldric slung A mighty silver bugle hung, And as he rode his armor rung, Beside remote Shalott.

Part IV In the stormy east-wind straining, The pale yellow woods were waning, The broad stream in his banks complaining, Heavily the low sky raining Over tower’d Camelot; Down she came and found a boat Beneath a willow left afloat, And round about the prow she wrote The Lady of Shalott.

All in the blue unclouded weather Thick-jewell’d shone the saddle-leather, The helmet and the helmet-feather Burn’d like one burning flame together, As he rode down to Camelot; As often thro’ the purple night, Below the starry clusters bright, Some bearded meteor, trailing light, Moves over still Shalott.

And down the river’s dim expanse Like some bold seer in a trance, seeing all his own mischance – With a glassy countenance Did she look to Camelot. And at the closing of the day She loosed the chain, and down she lay; The broad stream bore her far away, The Lady of Shalott.

His broad clear brow in sunlight glow’d; On burnish’d hooves his war-horse trode; From underneath his helmet flow’d His coal-black curls as on he rode, As he rode down to Camelot. From the bank and from the river He flash’d into the crystal mirror, »Tirra lirra,« by the river Sang Sir Lancelot.

Lying robed in snowy white That loosely flew to left and right – The leaves upon her falling light – Thro’ the noises of the night She floated down to Camelot; And as the boat-head wound along The willowy hills and fields among, They heard her singing her last song, The Lady of Shalott.

Alfred Lord Tennyson: The Lady of Shalott

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Heard a carol, mournful, holy, Chanted loudly, chanted lowly, Till her blood was frozen slowly, And her eyes were darken’d wholly, Turn’d to tower’d Camelot. For ere she reach’d upon the tide The first house by the water-side, Singing in her song she died, The Lady of Shalott. Under tower and balcony, By garden-wall and gallery, A gleaming shape she floated by, Dead-pale between the houses high, Silent into Camelot. Out upon the wharfs they came, Knight and burgher, lord and dame, And round the prow they read her name, The Lady of Shalott.

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Who is this? and what is here? And in the lighted palace near Died the sound of royal cheer; And they cross’d themselves for fear, All the knights at Camelot: But Lancelot mused a little space; He said, »She has a lovely face; God in his mercy lend her grace, The Lady of Shalott.« Alfred Lord Tennyson

Alfred Lord Tennyson: The Lady of Shalott