Untitled

Der Konrad-Adenauer-Stiftung danke ich für die Unterstützung meiner Arbeit durch ein Promotionsstipendium. Herzlich danken möchte ich meiner Familie und ...
179KB Größe 2 Downloads 42 Ansichten
Ernst · Das Problem des Wissens

Gerhard Ernst

Das Problem des Wissens

mentis PADERBORN

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG-Wort

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich. Zugl.: München, Univ., Diss., 2001 Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlorfrei gebleichtem und alterungsbeständigem Papier ∞ ISO 9706 © 2002 mentis, Paderborn (mentis Verlag GmbH, Schulze-Delitzsch-Straße 19, D-33100 Paderborn) www.mentis.de Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile desselben sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zulässigen Fällen ist ohne vorherige Zustimmung des Verlages nicht zulässig. Printed in Germany Satz: Plöger, Borchen Druck: WB Druck, Rieden/Allgäu ISBN 3-89785-262-4

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

1. Teil: Analyse 1. Wozu eine Analyse? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

2. Die übliche Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

3. Philosophische und wissenschaftliche Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

3.1. Was ist eine Begriffsanalyse? - Zwei Beispiele . . . . . . 3.2. Der entscheidende Unterschied . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3. Die Prämisse der üblichen Vorgehensweise . . . . . . . .

28 36 41

4. Eine Alternative zur üblichen Vorgehensweise . . . .

47

4.1. Eine modifizierte Prämisse und ein neuer Ansatzpunkt 4.2. Naturalisierung oder Pragmatisierung? . . . . . . . . . . . . 4.3. Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47 52 59

2. Teil: Wissen 1. Drei Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

1.1. Formulierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Überzeugung als Bedingung für Wissen . . . . . . . . . . . 1.3. Wahrheit als Bedingung für Wissen . . . . . . . . . . . . . . .

63 69 79

6

Inhalt

2. Die objektive Variante von Wissen . . . . . . . . . . . . . .

83

2.1. Die Interessen des Wissenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1. Die Interessen des Informationsgebers . . . . . . . 2.1.2. Die Interessen des Handlungserklärers (1) . . . . 2.1.3. Kulturabhängige Interessen? . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Überprüfung der objektiven Variante von Wissen . . . 2.2.1. Weitergehende Interessen? . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2. Zweifelhafte Überzeugungen . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3. Spannungen im Sprachgebrauch . . . . . . . . . . . . 2.3. Vertreter der objektiven Variante . . . . . . . . . . . . . . . . .

84 84 89 92 94 94 99 102 108

3. Die perspektivische Variante von Wissen . . . . . . . . .

114

3.1. Das Interesse des Unwissenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1. Das Interesse des gutgläubigen Informationssuchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2. Das Interesse des zweifelnden Informationssuchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3. Das Interesse des Handlungserklärers (2) . . . . . 3.2. Überprüfung der perspektivischen Variante . . . . . . . . 3.2.1. Die Beispiele der üblichen Vorgehensweise . . . 3.2.2. Bemerkung zu Internalismus und Externalismus 3.2.3. Sachliche und persönliche Rechtfertigung . . . . 3.3. Vertreter der perspektivischen Variante . . . . . . . . . . . .

114

118 123 125 125 134 136 139

4. Der Begriff des Wissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

147

4.1. Zwei Varianten von „Wissen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2. Eine versteckte Mehrdeutigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . .

147 152

114

3. Teil: Skepsis 1. Die Skeptische Herausforderung . . . . . . . . . . . . . . .

159

1.1. Natürliche Zweifel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Das Agrippa-Trilemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3. Skeptische Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

159 161 172

Inhalt

7

2. Wissen und Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

176

2.1. Vier Bemerkungen zum Begriff des Grundes . . . . . . . 2.2. Gründe wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. Die Struktur des Wissens und der Gründe . . . . . . . . .

176 182 188

3. Zweifelhafte Zweifel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

192

3.1. Vernünftige Zweifel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Als begründete Zweifel getarnte Zweifel . . . . . . . . . . . 3.3. Widerlegung des Skeptizismus? . . . . . . . . . . . . . . . . . .

192 196 209

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

215

Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

222

Vorwort

Zwei Fragen stehen im Zentrum des philosophischen Nachdenkens über Wissen: 1. Was ist Wissen? 2. Haben wir Wissen? Das Problem des Wissens besteht darin, daß wir keine befriedigende Antwort auf diese beiden Fragen besitzen. Die erste Frage kann man als eine Frage nach der Natur (oder dem „Wesen“) des Wissens verstehen. Sie wäre beantwortet, wenn wir eine informative Definition des Begriffs „Wissen“ finden könnten. Nach einer solchen hat man gesucht, ohne sie zu finden. Auf die zweite Frage glauben die Skeptiker eine Antwort gefunden zu haben: Verschiedene Überlegungen sprechen dafür, daß wir (nahezu) kein Wissen haben. Das ist nicht das, was wir hören wollten. Wir gehen vielmehr fest davon aus, daß die skeptische These irgendwie falsch oder zumindest übertrieben sein muß. Dementsprechend führte die zweite Frage vor allem zu Versuchen, den Skeptiker zu widerlegen. Ich möchte in dieser Arbeit Antworten auf die beiden Fragen vorschlagen. Zu diesem Zweck betrachte ich zunächst, auf welche Weise man versucht hat, eine Antwort auf die erste Frage zu finden. Ich werde zeigen, daß die übliche Vorgehensweise bei der Analyse von Wissen eine Voraussetzung macht, die man besser nicht machen sollte, und ich werde eine andere Methode vorschlagen. Das ist der Gegenstand des ersten, vorbereitenden Teils der Arbeit. Im zweiten Teil werde ich auf der Grundlage der erläuterten Methode eine Antwort auf die erste Frage entwickeln. Das Hauptergebnis meiner Überlegungen besteht darin, daß Wissen nicht eine Natur hat, son-

10

Vorwort

dern zwei. Weniger kryptisch formuliert: Ich werde zeigen, daß das Wort „Wissen“ in gewisser Weise zweideutig ist und daß darum Schwierigkeiten entstehen, wenn man nach einer Definition von Wissen sucht. Wie nicht anders zu erwarten, handelt es sich um eine sehr versteckte Zweideutigkeit. Im dritten Teil der Arbeit werde ich untersuchen, was aus diesen Überlegungen für die Frage folgt, ob wir Wissen haben. Es wird deutlich werden, warum skeptische Überlegungen so zwingend aussehen und warum wir dennoch recht haben, wenn wir behaupten, Wissen zu besitzen. Ob damit die beiden Ausgangsfragen befriedigend beantwortet sind, muß der Leser entscheiden. Befriedigend oder nicht: die Arbeit wäre jedenfalls weitaus weniger befriedigend (sofern es sie überhaupt gäbe), wenn ich nicht von vielen Seiten Unterstützung erfahren hätte. Ich möchte mich hier vor allem bei meinem Doktorvater Wilhelm Vossenkuhl für seine freundschaftliche und motivierende Betreuung in allen Phasen der Entstehung dieser Arbeit bedanken. Mein Dank gilt auch Ulises Moulines für zahlreiche Anregungen und für seine Bereitschaft zur Übernahme der Zweitkorrektur. Die Teilnehmer der Doktorandenkolloquien beider Professoren haben mir mit vielen hilfreichen Kommentaren zu Vorträgen über diese Arbeit sehr geholfen. Auch Karl Heß, Gerd Haeffner und Georg Süßmann bin ich sehr zu Dank verpflichtet. Für die freundliche Aufnahme bei einem Forschungsaufenthalt in Oxford und für die intensiven Diskussionen möchte ich mich bei Edward Craig, Ralph Walker und besonders bei John Hyman bedanken. Für nicht weniger intensive und hilfreiche Gespräche zu meiner Arbeit gilt mein Dank Stephan Sellmaier und vor allem Erich Ammereller. Der Konrad-Adenauer-Stiftung danke ich für die Unterstützung meiner Arbeit durch ein Promotionsstipendium. Herzlich danken möchte ich meiner Familie und meinen Freunden, insbesondere Erich Ammereller, Constanze Huther, Matthias Moser und vor allem Karin.

1. Teil ANALYSE

1. Wozu eine Analyse?

Der Begriff des Wissens begegnet uns früh und dann sehr häufig in unserem täglichen Leben. „Na, weißt Du schon, wie alt Du bist?“ werden wir bereits gefragt, wenn wir kaum damit angefangen haben, artikulierte Auskünfte über uns selbst zu geben. Und es gehört zu den ersten intellektuellen Erfolgserlebnissen, solches Wissen beanspruchen zu können. Von da an schreiben wir uns selbst und anderen immer wieder Wissen zu. Franz weiß, daß der FC Bayern am Wochenende gewonnen hat, der Physiker weiß, was das Pauli-Prinzip besagt, der Bäcker, wie man die Brötchen backt. Wir fragen einander, ob wir dies oder das schon wissen, noch wissen oder überhaupt nicht wissen wollen. Wir erklären, was wir getan oder unterlassen haben, indem wir darauf hinweisen, etwas gewußt oder nicht gewußt zu haben. Wir suchen jemanden, der etwas weiß, wenn wir eine Auskunft erhalten wollen. Alle Sprachen scheinen Wörter zu enthalten, die etwas Ähnliches wie „Wissen“ bedeuten, und diese Wörter werden häufig verwendet.1 Kann man über die verschiedenen Situationen, in denen man von Wissen spricht, mehr sagen, als daß es „Wissenssituationen“ sind? Lassen sich ihre Gemeinsamkeiten weiter entschlüsseln und besser verstehen? Kann man eine übersichtliche Ordnung der Situationen finden? Um hier Fortschritte erzielen zu können, muß man analysieren, was Wissen ist. Nicht nur im Alltag, auch in der Wissenschaft ist von Wissen die Rede. Neurologen und Psychologen, Verhaltensforscher, Soziologen und andere Wissenschaftler beschäftigen sich mit der Frage, auf

1

Auf den verbreiteten Gebrauch des Wissensbegriffs weist Craig hin. Vgl. Craig Was wir wissen können S. 22 und Craig Knowledge and the State of Nature S. 2.

14

1.Teil: Analyse

welche Weise und durch welche „Mechanismen“ der Mensch und auch manche Tiere Wissen erwerben, verarbeiten und speichern. Sprechen diese Wissenschaftler von derselben Sache wie der Tierfreund, der sagt, sein Hund wisse, wer sein Herrchen ist? Sprechen sie vom gleichen Gegenstand, von dem Aristoteles sagte, er sei das, wonach alle Menschen von Natur aus streben?2 Eine philosophische Analyse des Wissens sollte dazu beitragen, verständlich zu machen, worum es bei der wissenschaftlichen Erforschung von Wissen geht und wie diese Projekte mit unserem alltäglichen Begriff des Wissens zusammenhängen. Wenn wir beanspruchen, etwas zu wissen, dann kann es vorkommen, daß andere unseren Anspruch nicht oder doch nicht sofort anerkennen. Man bezweifelt die Wahrheit unserer Überzeugungen. Wir werden gefragt, woher wir das wissen, beziehungsweise wissen wollen, was wir zu wissen behaupten. Man erkundigt sich, warum wir überzeugt davon sind, recht zu haben. In solchen Fällen werden wir uns bemühen, unseren Wissensanspruch zu rechtfertigen. Wir geben Gründe für unsere Überzeugungen oder erklären, wie wir zu ihnen gekommen sind, aus welchen Quellen also unser Wissen stammt. Unser Wissen beziehen wir beispielsweise aus Büchern oder erwerben es dadurch, daß andere Menschen uns informieren, es ist das Ergebnis von Überlegungen oder resultiert aus eigener Beobachtung. Derjenige, der den Wissensanspruch in Frage stellt, ist häufig durch den Verweis auf solche Quellen zufriedengestellt. Manchmal müssen wir ihn aber auch noch davon überzeugen, daß die Quellen verläßlich sind. Wir versuchen, den Gesprächspartner von unseren Einsichten zu überzeugen, manchmal auch nur, ihn zu überreden. Läßt sich der Gesprächspartner von Gründen, die wir für gut halten, nicht beeindrucken, so halten wir ihn vielleicht für irrational. Umgekehrt hält er uns möglicherweise für unvernünftig, weil wir auf die seiner Ansicht nach schlechten Gründe vertrauen und das für wahr halten, was unter Umständen gar nicht wahr ist. Wie verhalten sich all diese Begriffe zueinander: Wissen, Überzeugung, Wahrheit, Zweifel, Rechtfertigung, Gründe, Erklärung, Quellen des Wissens und Rationalität? Was heißt es, daß eine Überzeugung gerechtfertigt, ein 2

Siehe Aristoteles Metaphysik 980a.