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Gastraum läuft ein Spiel der All Blacks, der Rugbynatio- nalmannschaft Neuseelands. Durchs geöffnete .... jackets wieder. Schweigend schlüpfen wir in das ...
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Bildnachweis Coverfotos: Sandra Werning Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2011 traveldiary.de Reiseliteratur-Verlag und © 2011 MANA-Verlag, vertreten durch traveldiary.de Reiseliteratur-Verlag, Hamburg. www.traveldiary.de Der Inhalt wurde sorgfältig recherchiert, ist jedoch teilweise der Subjektivität unterworfen und bleibt ohne Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages. Bei Interesse an Zusatzinformationen, Lesungen o.ä. nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf. Umschlagentwurf und Layout: Jürgen Bold, Jens Freyler Satz: Jens Freyler Druck: Books on Demand GmbH ISBN 978-3-937274-73-7

Autoren ohne Grenzen

Die besten Reiseberichte Neuseeland

Vorwort Die besten Reiseberichte. Seit Jahren suchen wir unter dem Label der „Autoren ohne Grenzen“ immer wieder nach den besten Reiseberichten zu besonderen Zielen, Themen oder auch der ganzen Welt. In Zusammenarbeit mit den Australien-NeuseelandOzeanien-Spezialisten des Mana Verlages, haben wir in diesem Jahr „Neuseeland“ als Thema der Ausschreibung ausgewählt. Aotearoa, Land der langen weißen Wolke, war der erste Name, den die Doppelinsel am Rande des Pazifiks gegen Ende des 13. Jahrhunderts von den polynesischen Einwanderern erhielt. Sie gründeten die Maori-Kultur und prägten das Land fast 500 Jahre ohne große äußerliche Einflüsse. Auch heute ist Neuseeland noch eine Inselwelt, die in manchen Dingen europäisch daher kommt und doch mehr als 20.000 km von Deutschland entfernt liegt und „unserer“ Welt entrückt wirken mag. Unsere Autoren erreichen dieses Land als Abenteurer und Entdecker, als Aussteiger und Heimatsuchende, als Reisende und Weltenbummler. Ihre Berichte sind geprägt von ihren eigenen Erlebnissen, sie alle sind geprägt von einer eigenen Faszination vom Land der langen weißen Wolke von Neuseeland.

Inhalt Warum Neuseeland...? Sandra Werning

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Rezept für Abenteuer in Neuseeland Bianca Kaiser

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Stippvisite ins Ungewisse Christine Ihler

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Matrone mit Aussicht Claudia Harfst

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Crucible Lake Katrin Leistner

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Neuseeland-Reisesplitter Anke Reintsch

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Aliens, after all Felix Reid

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Simplify your life Karina Nennstiel

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Warum Neuseeland…? Autorin: Sandra Werning Warum sollte ich nach Neuseeland reisen? Viele Male habe ich die atemberaubende Landschaft in Bildbänden und Reportagen bewundert, zahlreiche Beiträge im Fernsehen verfolgt. Doch lockte es mich nicht dorthin. Schön ist Neuseeland, doch zu europäisch, zu wenig exotisch, redete ich mir ein. Warum flog ich dann dennoch? Ich weiß es nicht. Ich flog einfach, vielleicht weil mir nicht einfiel, wohin ich sonst fliegen sollte. Später würde ich sagen, dass die Eindrücke, die mein liebster Reisegefährte und ich in Neuseeland fanden, noch nie zuvor so gesehen wurden – und auch nicht danach. Mir wurde klar, dass Augenblicke das sind, was sie sind, Momentaufnahmen eben, mit eigenen Augen erblickt, schon tausendmal zuvor, aber in ureigenen Eindrücken immer wieder anders. Fernab von Dokumentationen. Eindrücklich und individuell. Womit füllt man einen letzten Tag in Neuseeland, einen Tag, der uns am Abend noch viele hundert Kilometer zum Flughafen nach Christchurch führen muss? Mit dem Ungeplanten, mit dem, was am Wege liegt und sich in jenem Moment darbietet. Solch ein Sahnestückchen ist in Neuseeland nicht schwer zu finden, selbst dann, wenn es nicht im Reiseführer beschrieben steht. Der Frühling hält Einzug. Der neuseeländische Frühling, wenn im ganzen Land die ersten Weihnachtsbäume aufgestellt und mit glänzenden Kugeln und Lichterketten geschmückt werden. Jetzt, da abertausende Lämmer die grünen Hügel bevölkern, sind wir nach Oamaru gekom-

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men. Uns haben nicht die berühmten Pinguinkolonien hierher gezogen, nein, wir sind durch Zufall in ein viktorianisches Volksfest hineingestolpert. Wir schlenderten am Hafen mit seinen langen Molen entlang, während der Wind die Musik des Festes zu uns herüber trug. Oamaru. Hier protzen viktorianische Bauwerke mit ihren aufwendig gestalteten Fassaden. Nostalgische Lädchen verführen mit ihrem Inhalt, gepflegte Parks laden zum Verweilen ein. Wir ließen die Itchen Street mit ihren Antiquitätenund Kramläden hinter uns und bogen nach rechts in die Humber Street parallel des Hafens ein. Keine Wolke schiebt sich an diesem Novembertag vor das Blau des neuseeländischen Himmels. Gerüche von gebrannten Mandeln, Zuckergebäck, Bier und Schweiß vermengen sich mit dem Aroma von etwas Heimat. Auf der Markise eines Standes leuchtet in roten Buchstaben: „The famous German Bratwurst“. Ein bisschen fühle ich mich gerade wie daheim, würde die Wurst nicht mit einem in Neuseeland so obligatorischen Milchbrötchen angeboten. „Das Rezept für die Bratwurst haben wir uns aus Deutschland schicken lassen“, strahlt die Travelworkerin, „und hier einen Metzger für die Idee gewonnen.“ Die Museumsbahn zuckelt heran, geschleppt von einer uralten A51-Dampflok. Zu diesem Fest und jeden Sonntag erlebt sie ihren Einsatz. Menschen verlassen die Waggons, mischen sich unter die feiernden Neuseeländer. Zwei Lausbuben mit Melone auf dem Kopf sitzen einträchtig am Tisch vor einer Scheune, ihre Köpfe gelangweilt in die Hände gestützt, fehlen nur noch Holzschleuder und Steinchen. Ein Zauberer mit langem, weißem Bart und spitzem Hut bringt die Menschenmenge zum Raunen, als er Kaninchen aus einem Zylinder hervorholt. Schweißgebadet springen Männer im Stocktanz, tanzen wild im Reigen, Beine stampfen, Stöcke klopfen

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im Takt. Die Finger eines Mädchens mit Rattenschwänzen tanzen flink auf einer Querflöte, Handflächen schmettern Rhythmen auf afrikanischen Trommeln. Hochräder stehen Spalier und beschwören eine Atmosphäre der Vergangenheit herauf. Was brauchte es für akrobatische Fahrkünste, um auf den 1,50m hohen Sattel zu steigen und ohne Knochenbrüche am Ziel anzukommen? Ein junger Mann tritt meditativ gleichmäßig und lächelnd in die Pedale. Anfeuernde Stimmen erheben sich über alle anderen Geräusche. Männer, Kinder und Frauen zersägen mit Schrotsägen große Blöcke Sandstein um die Wette. Aus einer Bar dringen Jubelrufe. Auf einem Bildschirm im Gastraum läuft ein Spiel der All Blacks, der Rugbynationalmannschaft Neuseelands. Durchs geöffnete Fenster kann ich sehen, dass der Tresen gut gefüllt ist. Wir setzen uns vor ein Café in die Sonne und beobachten gefesselt das Treiben. Ich versinke in Gedanken… Die Zeit beginnt zu fließen, ist nicht festzuhalten und nach fünf Wochen Neuseeland bewahre ich die Erinnerungen. Erlebtes taucht in mir auf, festgehalten in bunten Gedankenbildern. Sie lassen mich das Prickeln an meinen Füßen spüren, als ich im eiskalten Wasser des Clinton River stehe, der sich durch den Urwald entlang des Milford Tracks schlängelt. Jedes Sandkorn auf dem Grund zeigt sich mir, die Bäume, die im klaren, lindgrünen Wasser verrotten und die Regenbogenforellen, die sich vergnügt von der sanften Strömung herumtreiben lassen. Da war auch ein Spaziergang vor Sonnenaufgang. Ich sehe mich im Regenwald zwischen den Farnen und Moosen, den Lianen und uralten Bäumen stehen und lausche den unbekannten Klängen ungezählter Vögel. Angekommen in Oamaru gehe ich in mich und sehe wieder die vom Stechginster in warmes Gelb getauchte Hügelketten und

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Berge, rieche den prahlerisch süßen Duft der Lupinen, die hartnäckig die Straßenränder, die Strandsäume und weite Täler für sich einnehmen. Das ist Neuseeland. Die ungebremste Phantasie der Schöpfung, eingepfercht auf zwei Hauptinseln. Gletscher küssen wuchernden Urwald, Fjorde schlängeln sich archaisch ins Land hinein, Mythos trifft Gegenwart. Geysire spucken Wassersäulen aus Böden, deren Farben anmuten, als wären Reagenzgläser geplatzt und ihre blubbernden, hochgiftigen Inhalte ineinander verlaufen. Meer, Seen und Flüsse leuchten in allen Blautönen, die ein Künstlerfarbkasten zu bieten hat. Manchmal in den Unvorstellbarsten. Aber auch künstlich angelegte Pinienhaine, die uralte Kaurifichten verdrängen. Possums, die zur Plage geworden sind und die Eier der selten gewordenen Kiwis fressen. Lupinen, die neuseeländische Pflanzen verdrängen. Eingeschlepptes Leben zerstört die über 70 Millionen Jahren entfaltete endemische Vielfalt. Manche Orte Neuseelands wirken so geheimnisvoll und kraftvoll wie seine uralten Mythen und Legenden. Ich meine, dass sich die einprägsame Wirkung der Orte und das eigene Erleben darin verstärkt, wenn man um die Maorimythologie weiß und oft ergänzen sich Mythos und sichtbare Welt und schaffen eine einzigartige Wirkung auf den Betrachter. So stockt mir der Atem, als wir die letzten zwei Kilometer über die unbefestigte Piste zum nördlichsten Punkt Neuseelands gelangen. Cape Reinga. Das tintenblaue Meer umsäumt diesen Ort von drei Himmelsrichtungen. Mit stoischer Kraft und Unnahbarkeit trägt es in einer ruhigen Stärke seine weißen Schaumkronen zum weiten Strand, gelassen, wie in Zeitlupe. Meterhohe Wellen prallen auf zerfurchte, steil abfallende Klippen. Haushoch zerstäubt

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die Gischt in alle Richtungen. Eine respekteinflößende Autorität verlangt zurückhaltendes Beobachten, ein AufAbstand-Bleiben trotz des Wasser-spüren-Wollens, trotz des Verlangens, meine Füße nur ganz kurz im Spülsaum zu vergraben. Lieber nicht. Die wilde, männliche Tasmanische See und der sanfte, weibliche Pazifik begegnen einander kraftvoll und leidenschaftlich, ringen, tanzen, um sich letztendlich zu vereinigen. Wir tun hier nicht viel. Wir sind auf den äußersten Klippenrand geklettert, vorbei an stacheligem Gras, Flechten und geduckten Sträuchern, die gelernt haben, Sturm und Regen an dieser ausgesetzten Stelle der Insel zu trotzen. Der berühmte Leuchtturm, der in einiger Entfernung auf seinem Felsvorsprung trohnt, könnte mit dem davorstehenden Schilderbaum, der die Entfernungen zu Orten in aller Welt zeigt, nicht spannender für mich sein. Manchmal ist die Natur in ihrer reinsten Form am beeindruckensten. Das grandiose Schauspiel der Wellen erfordert meine vollste Aufmerksamkeit und fasziniert mich so sehr, dass ich drei Stunden dieses Nachmittags mit Stillsitzen, Lauschen und Staunen fülle und mir vorstelle, wie die Seelen der Verstorbenen von diesem für die Maori heiligen Ort aus auf ihre letzte Reise gehen. Weiter südlich an der Westküste der Nordinsel, wo die Tasmanische See auf den Baylys Beach mit seiner rauen Küste trifft, richtet sich das Leben nach ihr aus. Kleine Muscheln wühlen sich, bevor der nächste Wellenbrecher sie übermütig und stürmisch überrollt, flink in den Sand. Rosa, pink und violett schillernde Meeresbewohner frequentieren zahlreich und mehr oder weniger unfreiwillig die Küste und heben sich farbenfroh vom champagnerfarbenen Sand ab. Anders der Pazifik an der Ostküste. Während auch hier das Meer unwirtlich und Strömung und Wellengang für

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Schwimmer mancherorts gefährlich sein kann, lädt er ein, die auf den ersten Blick nicht sichtbare Welt Neuseelands zu erkunden. Als wir den Cathedral Cove Dive Shop in Hahei, einem kleinen Ort an der Ostküste der Halbinsel Coromandel betreten, haben wir bereits am Strand übernachtet und gefrühstückt. Ein kühler Wind vereitelt die Wärme an diesem Vormittag und überspielt die Intensität der neuseeländischen Sonnenstrahlen. Der Inhaber eines Ladens für den Verleih und Verkauf von Surfequipment wartet vor seinem Laden auf Kundschaft. Ein Divemaster betritt den Verkaufsraum. „Would you dive now or 1.30 p.m.?“ “Now”, entfährt es uns und prompt finden wir uns im Hinterraum des Ladens in einem wohlsortierten Vorrat an Neoprenanzügen, Atemreglern, Bleiblöcken und Tarierjackets wieder. Schweigend schlüpfen wir in das passende Neopren, beladen ein kleines Motorboot, welches wir zuvor auf den Anhänger eines Traktors gehievt haben, mit der Tauchausrüstung und springen hinein. Der kleine rote Traktor setzt sich knatternd in Bewegung. Der Tauchguide mit dem blonden Wuschelkopf steuert auf den dünengesäumten und durch Muschelkalk blassrosa wirkenden Strand von Hahei Beach zu, fährt vorsichtig rückwärts an den Spülsaum des Meeres. Das Tauchen ist seit 36 Jahren seine Leidenschaft. Vor uns, nicht weit entfernt von der Küste, liegen die grünen Eilande des Te Whanganui-A-Hei Marine Reserve. Whanganui-A-Hei, der Maorihäuptling, erklärte einst das Gebiet zur Heimstatt seines Clans. Der Schweiß staut sich unter der dicken, schwarzen Gummihaut, als wir gemeinsam das Motorboot ins Meer ziehen und wieder hineinklettern. Tuckernd halten wir auf die kleinen Inseln zu und machen uns