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(Nicht, dass ich nicht will, dass die glücklich sind, aber ich will auch glücklich sein ... Mann und auch sonst ist dieser Satz ja wohl total blöd. Wie Menschen doch ...
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Marlena Freitag

Gefühls Chaos Ein Sommer voller Träume Roman

Inhalt TAGEBUCHEINTRAG 30. MAI................................................. 5 31. MAI .......................................................................... 17 DAS LEBEN....................................................................... 50 01. JUNI .......................................................................... 53 6. JUNI ............................................................................ 63 MIT DIR ........................................................................... 65 EIN SCHLIMMES LEBEN ....................................................... 72 07. JUNI .......................................................................... 79 KRANKENHAUSAUFENTHALT ............................................... 84 17. JUNI .......................................................................... 86 TAGEBUCHEINTRAG 18. JUNI .............................................. 91 24. JUNI .......................................................................... 93 RÜCKBLICK .................................................................... 103 WOCHE 25. BIS 28. JUNI ................................................. 103 29. JUNI ........................................................................ 105 TAGEBUCHEINTRAG 29. JUNI ............................................ 108 30. JUNI ........................................................................ 112 DANKE .......................................................................... 119 01. JULI ......................................................................... 122 GRAU............................................................................ 146 02. JULI ......................................................................... 151 08. JULI ......................................................................... 156 TAGEBUCH 09. JULI ......................................................... 162

TAGEBUCH 11. JULI ......................................................... 164 12. JULI ......................................................................... 166 TAGEBUCH 13. JULI ......................................................... 177 14. JULI ......................................................................... 179 18. JULI ......................................................................... 193 20. JULI ......................................................................... 201 TAGEBUCH 20. JULI ......................................................... 211 21. JULI ......................................................................... 213 TAGEBUCH 21. JULI ......................................................... 227 TAGEBUCH 21. JULI ......................................................... 235 22. JULI ......................................................................... 237 TAUSEND MENSCHEN ...................................................... 246 TAGEBUCH 22. JULI ......................................................... 252 23. JULI ......................................................................... 264 24. JULI ......................................................................... 288 TAGEBUCH 24. JULI ......................................................... 303 25. JULI ......................................................................... 306 26. JULI ......................................................................... 311 27. JULI ......................................................................... 322 Autoren Vita ................................................................ 336 Danksagung ................................................................. 336 Impressum ................................................................... 338 Unsere Leseempfehlung … ........................................... 340 Unsere Leseempfehlung … ........................................... 342

TAGEBUCHEINTRAG 30. MAI

Liebes Tagebuch, ich bin Jane! Am 01.07. werde ich endlich 14.  Na ja, egal jetzt, fangen wir mal an … Ich habe mich nämlich heute entschieden, Tagebuch zu schreiben. Mein Leben verändert sich gerade so sehr … Stell dir vor, das Leben besteht aus Tausenden Treppen, also aus ganz vielen Stufen, die immer hoch und runter gehen. Wenn du Pech hast, fällst du aber ganz schnell runter und musst dich dann langsam und qualvoll Stufe für Stufe wieder hoch schleppen. Ich habe jetzt das Gefühl, von fast ganz oben, ganz nach unten gefallen zu sein. Ich habe so viele Probleme, über die ich mit keinem reden kann … Tut mir ja leid, aber du bist jetzt das Opfer, dem ich das alles erzählen beziehungsweise schreiben werde. Oh Gott, wie ich schreibe. Hätte nie gedacht, dass ich mal so kindisch sein werde und so tue, als ob mein Tagebuch meine beste Freundin wäre. Na ja, macht ja nichts … Es ist nur so, dass, auch wenn es vielleicht kindisch ist, ich mir meine Probleme mal vom Herzen reden beziehungsweise schreiben muss. Doch ich kann die leider niemandem anvertrauen: Deshalb schreibe ich mir jetzt einfach mal alles von der Seele. Es geht jetzt nur mal um eines meiner Probleme. Um Opa, den es lei5

der nicht mehr gibt … Könnte ich wenigstens sagen, dass ich sonst ein schönes Leben hätte, wäre ich nur ein bisschen traurig wegen Opas Tod, aber so ist es auch sonst kein Stückchen besser. Die Probleme häufen sich und ich habe noch Probleme damit, mich die vielen Treppenstufen, die ich heruntergefallen bin, wieder hoch zu quälen. Leider habe ich das Gefühl, auch wenn ich eine Stufe hochkomme, falle ich wieder zwei hinunter. Seit dem 11.12. überlege ich nämlich ständig, ob mein Leben noch mal schön wird, denn seit ein paar Monaten ist mein Leben die absolute Hölle. Na ja, besser gesagt seit drei Tagen, denn da habe ich erst verstanden, dass ich nicht träume! Es ist so furchtbar, die anderen Menschen glücklich zu sehen, wenn man selbst kein schönes Leben hat. (Nicht, dass ich nicht will, dass die glücklich sind, aber ich will auch glücklich sein!) Vor fast sechs Monaten, um genau zu sein vor fünf Monaten und 19 Tagen hat es angefangen. Es war der Tag, an dem meine Eltern mir und meinen Brüdern mitteilten, dass Opa Walter schwer krank sei und wohl nie wieder gesund werden würde. Also erst mal was zu Opa Walter. Er ist der Bruder von meiner Oma (Mamas Mama) also eigentlich gar nicht mein Opa. Doch mein richtiger Opa hat meine Oma verlassen, als Mama noch ganz klein war. Seitdem hat Mama nichts mehr mit ihm zu tun. Doch sie hatte dafür ein gutes, sogar ein sehr gutes Verhältnis mit ihrem Pat. Als ich dann auf die Welt kam, war er auch immer für meine Mutter da, wie ein Vater.

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Auch für mich war er immer da. Er war wie ein Opa für mich, wenn nicht sogar besser. Deshalb nenne ich ihn auch Opa. Er war mir wichtiger als die meisten anderen Menschen auf dieser Welt … Na ja, auf jeden Fall ist (Opa) Walter am 11.12. ins Krankenhaus gekommen. Als Mama und Papa uns das erzählten, konnte ich nicht mehr aufhören zu weinen. Manche meinen, es sei doch gar nicht mein Opa, und nur weil irgendein Mann krank sei, könnte man doch nicht so weinen. HALLOO! Opa ist nicht irgendein Mann und auch sonst ist dieser Satz ja wohl total blöd. Wie Menschen doch denken! Die haben echt nur sich im Kopf! Wirklich schlimm! Also, mittags sind meine Eltern, Oma Amanda (Mamas Mutter) und Tante Hilde (Opas Frau, die auch sehr nett, aber beruflich ziemlich viel unterwegs ist) mit Opa ins Krankenhaus gefahren. Also besser gesagt, der Krankenwagen kam, hat Opa zu Hause abgeholt und die anderen sind hinterher gefahren. Wir wussten nichts! Ich war bei meiner Freundin und habe davon gar nichts mitbekommen. Meine Brüder hat Mama wohl schnell zu unserer Nachbarin Frau Fly gebracht, die dann den ganzen Mittag auf die zwei aufgepasst hat. Tim hat mir erzählt, dass Mama gemeint hat, sie hätte einen wichtigen Termin, den sie ganz vergessen hätte und wäre mit Papa losgerast. Abends erfuhr ich dann, dass Opa ins Krankenhaus kam, weil er einen schweren Schlaganfall hatte und es wohl sehr schlecht für ihn aussehe! Heißt das, er muss bald sterben? Mein ›Opa‹? Nein! Das kann nicht sein.

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Ich konnte es nicht glauben, doch dann nach ein paar Minuten ›Wandanstarren‹ heulte ich den Abend und die Nacht ohne Pause! Wir hatten immer so viel zusammen gemacht. Das würde sich dann beziehungsweise jetzt ja schon ändern … Das würde dann alles nicht mehr sein. Kein Spaziergang durch den Wald, kein Picknick, kein Spielen, kein Lachen, keine Radtouren mehr und überhaupt alles nicht mehr. Ich konnte und wollte es nicht glauben. Eine Woche nachdem es geschehen war, entschieden Mama und Papa dann, dass wir groß genug seien und wenn wir wollten mal mit ins Krankenhaus kommen könnten. Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen, sondern drängelte die ganze Zeit, bis wir dann endlich losfuhren. Mama erklärte uns schon im Auto, dass es kein schöner Anblick sei, doch ich dachte mir nur, dass es nie ein schöner Anblick ist, wenn jemand so geschwächt im Krankenhaus liegt. Als wir dann im Krankenhaus ankamen, konnte ich es kaum erwarten, endlich wieder Opa in den Arm zu nehmen. Ich ging recht freudig in das Zimmer, doch mein Blick erstarrte, als ich sah, wie Opa da lag. Der Mann im Krankenbett war nicht mein Opa. Er hatte den Mund offen und die eine Seite hing irgendwie schief … also die eine Seite vom Mund. Seine Augen schauten nur starr in die Ecke, als wäre da was Unglaubliches geschehen. Ich ging ganz erschrocken zu ihm, nahm seine Hand und musste feststellen, dass sein Arm nur noch aus Knochen und einer dünnen, runzeligen Hautschicht bestand. Ich denke, ich hätte

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seine Arme problemlos zwischen meinen Daumen und Zeigefinger nehmen können! So dünn waren die! Ich sagte leise: »Opa, wie geht es dir?« Doch er reagierte nicht. Er schaute weiter stur in seine Ecke. Als ich noch mal »Opa!« sagte und er sich immer noch nicht rührte, drehte ich mich erschrocken zu Mama um. Sie saß auf einem Stuhl und tröstete meine Brüder, die noch geschockter waren als ich. Mama nickte Papa zu, der sofort verstand und zu mir kam. Er nahm mich in den Arm und meinte: »Es ist furchtbar, ich weiß.« Hinter mir hörte ich meine Brüder schluchzen und ich merkte, dass auch mir die Tränen in die Augen stiegen. Als Mama leise sagte, dass Opa nicht mehr gesund werden wird, merkte ich, dass sie auch schon weinte. Es war eigentlich ja klar, aber als Mama es so sagte, kullerten auch mir die Tränen nur so die Wangen herunter. Papa wischte sie weg und umarmte mich ganz fest. Ich ließ Opas Hand nicht los, sondern drückte auch ihn so fest ich konnte. Dann wandte ich mich wieder an Opa und meinte leise, sodass ich es selbst kaum hören konnte: »Warum du?! Warum ausgerechnet du?! Du hast das nicht verdient.« Papa meinte, ich könnte mal testen, ob er mich vielleicht doch noch wahrnimmt. Ich wusste nicht, ob ich das überhaupt will, da ich Angst hatte zu erfahren, dass Opa gar nichts mehr mitbekommt, auf der anderen Seite, wäre ich natürlich auch froh gewesen, wenn er reagiert hätte.

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Weil ich doch noch Hoffnung hatte, nahm ich also Opas Hand und sagte laut und deutlich, dass er meine Hand drücken solle. Er tat es nicht. Ich war traurig, doch Papa sagte, ich solle es ruhig noch mal probieren. Und Opa drückte tatsächlich meine Hand. Ich strahlte schwach und meinte, er solle mich mal anschauen. Doch das tat er nicht. Seine Ecke schien interessanter zu sein. Ich legte meinen Kopf an Papas Schulter und fing wieder leise an zu weinen. Ich hatte Angst, dass es nur Zufall war, dass er meine Hand gedrückt hatte … Wenn er gar nichts mehr mitbekommen würde? Mama meinte, die Jungs würden gerne wieder nach Hause und fragte, ob das okay wäre. Ich drückte Opas Hand noch mal fest und nickte. Bevor ich ging, beugte ich mich zu Opa und flüsterte ihm ins Ohr: »Es tut mir so leid! Ich liebe dich.« Ich küsste ihn noch schnell auf die Wange, bevor ich meiner Familie folgte und leise die Tür hinter mir zu zog. Zu Hause angekommen wollte ich mit niemandem reden. Ich ging in mein Zimmer machte ›Every time we touch‹ an und begann erneut zu weinen. Ja, so fing alles an. Wir besuchten Opa von da an öfter, aber es wurde immer schlimmer. Einmal schaute er in unsere Richtung und ich sah, wie leer seine Augen waren. Er sah zwar eigentlich zu mir, aber seine Augen schauten mich nicht an. Sie guckten durch mich hindurch. Diese Leere tat mir weh und überhaupt zu sehen, wie Opa litt, schmerzte mich immer. Aber ich konnte ihm nicht helfen. So ging es sehr lang. Er zeigte keine Re-

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aktion, wenn wir kamen oder gingen, starrte nur die Wand an. Ich brachte Opa immer was mit, doch wusste eigentlich, dass es sinnlos war, da er eh von alldem nichts mitbekam. Eines Tages wurde uns erzählt, dass Opa nach Hause kommen würde. Er hatte ein Krankenbett geliehen bekommen und Hilde musste Infusionen kaufen. Eine Krankenpflegerin kam morgens und abends, um Hilde zu helfen und Opa wenigstens ein bisschen frisch zu machen. Opa konnte ja nicht mehr sitzen, geschweige denn aufstehen, und so war das mit dem Waschen sehr schwer und es gab nicht mehr als ein bisschen Abputzen im Bett. Ich fragte mich, ob es Opa nicht im Krankenhaus besser ging und fragte Mama. Sie meinte: »Schatz, ich glaube auch, aber es hat keinen Sinn. So leid es mir tut, Opa wird nicht mehr lange leben und er bekommt ja eh nichts mehr mit, dafür hat das Krankenhaus leider nicht für immer ein Zimmer frei. So ein Aufenthalt ist mehr oder weniger nur ein Übergang. Wenn sie dann merken, dass es zwecklos ist, warten sie nur, bis sich jemand der Angehörigen bereit erklärt, den Patienten zu Hause zu pflegen und bieten dann ein Pflegebett und den Infusionsständer an. Wenn alles dann krankengerecht eingerichtet ist, kommt der Patient nach Hause und kann dort seine letzten Stunden noch verleben. Es tut mir so leid, aber es ist so. Hätte Opa noch eine Chance, wäre er da geblieben und die Ärzte hätten alles versucht, damit er wieder normal leben kann. Aber so ist es nicht. Die Zeit ist vorbei. Maus, es ist für uns alle nicht leicht,

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und damit zurecht zu kommen ist noch schwerer, doch wir können nichts tun und müssen uns damit abfinden. Erinnere dich bitte immer an die schöne Zeit, die ihr hattet und nicht an die Bilder, die du im Moment wahrscheinlich am ehesten im Kopf hast. Bitte tue mir den Gefallen und versuche es.« Oh Gott. Es ist wirklich so. Opa ist nur zu Hause, weil die Ärzte keine Hoffnung mehr haben. Es ist hoffnungslos. Die Wahrheit kann so furchtbar sein. Warum? Warum!? Der einzige Vorteil daran, dass Opa dann zu Hause gepflegt wurde, war, dass ich schneller und so öfter zu ihm konnte. Ich war gerne bei ihm, obwohl es so ein schlimmer Anblick war und mich immer wieder zum Heulen brachte. Auch wenn ich nichts tun konnte, fühlte ich mich besser, wenn ich bei ihm war. Jedes Mal, wenn ich da war, war es dasselbe: Leere Blicke, keine Reaktion, doch dann fing er an zu schnaufen. Und das Schnaufen wurde immer schlimmer. Es tat mir echt weh und ich konnte noch nicht mal was dagegen tun. Am Montag, den 27.05., also letzte Woche an Hildes Geburtstag, saß Mama mit rot geschwollenen, vom Make-up verschmierten Augen am Tisch, als ich von der Schule nach Hause kam, und schluchzte leise. Montags war Jon immer bei Philip, seinem Kumpel, und Tim hatte länger Schule als ich. So war ich mit Mama alleine und sie konnte mir in Ruhe erzählen, was los war. Sie meinte, bei Opa wäre es noch schlimmer geworden. Er würde kaum noch

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Luft bekommen und der Arzt meine, dass wir schon von Glück reden könnten, wenn Opa die Nacht überleben würde. An diesem Morgen hatte ich mich auf den Tag gefreut, doch als ich dies hörte, hasste ich den Tag. Hildes Geburtstage waren immer toll, aber heute wohl nicht! Und … Oh Gott! Ich dachte, wenn Opa wirklich an diesem Tag noch sterben würde, wäre Hildes Geburtstag auch gleichzeitig sein Todestag. Montage waren eigentlich immer toll. Ich hatte nur fünf Stunden und kam so schon eine Stunde früher als normal nach Hause. Da an diesem Montag ja auch Hildes Geburtstag war, freute ich mich, Opa wieder zu sehen, hatte aber auch Angst davor. Ich hatte Angst, dass es sich wieder verschlechtert hatte, und ich hatte Angst vor dem ersten Geburtstag ohne Opa. Als ich diese Nachricht erhielt, dachte ich anders über diesen Montag. Ich hoffte, der Geburtstag würde ausfallen, weil mir überhaupt nicht nach Feiern zumute war und ich wollte zu Opa. Doch nachdem Mama es mir gesagt hatte und ich heulte, meinte Mama, ich sollte turnen gehen, das würde mich ablenken und danach würde es bei Hilde Abendessen geben. Ich sagte ihr, dass ich weder Lust auf Turnen noch auf Feiern hätte und lieber nur bei Opa sein würde, doch Mama sagte NEIN. Also ging ich turnen, hatte aber keinen Spaß dabei und dachte nur an Opa. Danach musste ich dann auch noch auf den Geburtstag, und als ich zu Opa rein wollte, bekam ich zu hören, dass ich und meine Brüder da nicht rein dürften. Ich verstand das nicht und rastete total aus, doch das änderte nichts.

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Oma, Hilde, Papa und Mama und auch Onkel Sascha, Mamas Bruder, wechselten sich immer ab, sodass immer einer bei Opa war, für den Fall, dass er sterben würde. Dann gab es Hildes-Spezial-Pizzabrötchen, doch ich konnte nichts essen. Ich wollte nur zu Opa, doch Mama meinte nur, dass ich das bestimmt nicht wolle und dass es kein schöner Anblick sei, den sie mir nur ersparen wollten. Es war furchtbar, alle versuchten halbwegs glücklich auszusehen, um Hilde einen den Umständen entsprechend schönen Geburtstag schenken zu können. Alle außer mir. Ich hatte auf diese Spiele keine Lust. Mir ging es beschissen, ich war sauer und mir war überhaupt nicht nach Feiern zumute. Ich wollte zu Opa, VERDAMMT! Aber ich durfte nicht. Ja ich sollte mich immer schön mit meinen Brüdern beschäftigen, wenn die Erwachsenen entweder bei Opa oder in der Küche waren. Als wäre der Tag nicht schon schlimm genug gewesen. Um 18.46 Uhr fuhren wir, Papa, Jon, Tim und ich, dann doch endlich nach Hause. Ich entschuldigte mich noch schnell bei Hilde für den schlimmen Geburtstag und wünschte ihr das Beste. Dann machte ich mich schnell aus dem Staub. Mama blieb bei Opa, falls er sterben würde! Zu Hause warf ich mich weinend auf mein Bett, bevor ich anfing, das wohl traurigste Gedicht meines Lebens zu schreiben. Ein Gedicht über das, was ich da durchmachte. Über all meine Gefühle. Über Opa, der zu dieser Zeit schon tot war. Doch ich wusste es nicht. Ich dachte auch am nächsten Morgen, dass er noch lebte, denn mir wurde

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erst nach der Schule und nach den Hausaufgaben erzählt, dass Opa schon gestern Abend – kurz nachdem wir gegangen waren – gestorben war. Mama war bei ihm und Hilde hat seine Hand in den letzten Sekunden gehalten. Alle waren dabei, nur Papa, meine Brüder und ICH wussten von nichts. Papa erfuhr es wohl auch kurz später, doch ich blieb dumm und erfuhr es erst 22 Stunden und sechs Minuten, nachdem er schon tot war. Wäre ich nicht einfach nur traurig gewesen, wäre ich sehr wahrscheinlich sauer und wütend auf meine Eltern gewesen, dass sie mir dies so lange verschwiegen hatten, doch mir war weder nach Motzen noch nach Schreien oder so was zu- mute, ich wollte einfach nur heulen. Seit diesem Moment war mir erst richtig klar, dass ich Opa verloren hatte, dass er nie wieder kommt. Vorher fühlte es sich nicht real an. Ich fühlte mich wie in einem Albtraum. Aber dann begriff ich, dass es kein noch so schlimmer Traum, sondern die furchtbare Realität war und mein OPA TOT war! Dann begriff ich auch, was das alles für mich bedeuten würde. Was jetzt alles nicht mehr möglich war. Als Opa noch im Krankenhaus war, stellte ich mir vor, er wäre krank, Grippe oder so, und wünschte mir, ja, ich träumte, dass er dann aufsteht und alles würde so sein wie früher … aber nicht, dass er auf einmal nicht mehr da ist und sich alles verändert. Es mag sich albern anhören, aber seit diesem Moment, hat mein Leben sich geändert. Stell dir vor, das Leben ist eine Achterbahn. Es sind nur begrenzte Plätze frei, und es geht mal hoch,

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