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Und weil man auch damals schon mit einem. Auto deutlich flexibler, vom Wetter und vom Nahverkehr unabhängiger war, chauffierte uns Knut in seinem – heute.
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Stefan Frank Ahnert

Pechvögel sind die einzige, nicht aussterbende Vogelart Erzählungen zum Kopf schütteln und Schenkel klopfen

Gewidmet meiner lieben Mutsch Erika Ahnert

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Inhalt Vorwort ........................................................................ 4 Die vermaledeite Nudel ................................................ 6 Die leidige Geschichte mit dem ................................... 13 Autoschlüssel .............................................................. 13 Der alte Pyrrhus und meine Ideen ............................... 21 Der gegenständliche Domino-Effekt ........................... 30 Pechvogel Student ...................................................... 36 Der Fremdwortfetischist .............................................. 41 Die Geschichte von der »Eiermühle« ........................... 50 Goebbels im Schulhaus ............................................... 58 Berichte von der Reha-Front I ..................................... 63 Berichte von der Reha-Front II .................................... 67 Berichte von der Reha-Front III ................................... 71 Theater I ..................................................................... 78 Theater II .................................................................... 88 Der menschliche Domino-Effekt ................................. 98 Die Nerven-Lese-Reifeprüfung ................................. 102 Wir bitten um Entschuldigung … .............................. 111 Vom traurigen Wirbelwind ....................................... 117 Danksagung ............................................................. 126 Impressum ................................................................ 128 Leseempfehlung ... ................................................... 130 Leseempfehlung ... ................................................... 133

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Vorwort

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ech beliebt, genau wie das Glück, in zahllosen Spielarten daherzukommen. So mag es sich, wenn die Sterne »günstig« stehen, vielleicht nur um kurzfristiges, wenn es nicht ganz so läuft, um mittelfristiges und wenn es mal ganz dicke kommt, um langfristiges Pech handeln. Unter Umständen widerfährt Ihnen das Pech, etwas Unschönes zu beobachten oder jenes, in einer unliebsamen Situation beobachtet zu werden, selbst etwas gnadenlos Dämliches zu tun oder Opfer einer nie erwarteten Ereigniskette zu werden. Nicht wenige Menschen müssen sich mit dem Pech arrangieren, anderer Leute zur Schau gestellte Macht ertragen zu müssen oder es ereignet sich einfach nur etwas so Simples, wie wenn sich ein Vögelchen genau über uns rektal zu erleichtern pflegt oder man – gerade eine SMS auf dem Handy lesend – mit den neuen, edlen Schuhen in einen Megahundehaufen tritt, wie es wohl jedem auf die eine oder andere Weise schon einmal passiert ist … Pechvögel sind die einzige, nicht aussterbende Vogelart. Die Möglichkeiten dieser Kuriosa, Phänomene, Vorfälle, Episoden oder wie immer man, was da so geschah oder geschieht, zu titulieren gedenkt, sind grenzenlos, will sagen: Es kann jeden – immer – überall erwischen. Mal ist das zum Lachen, manchmal eher zum Heulen und nicht selten auch erst zum Heulen und dann – wenn einige Zeit vergangen ist – doch wieder zum Lachen … Ich weiß sehr wohl, wovon

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ich spreche bzw. hier schreibe, denn allen Erzählungen in diesem Buch liegen wahre Begebenheiten zugrunde, das Meiste habe ich sogar 1:1 genauso erlebt. Doch, einerlei, was Ihnen oder mir widerfahren ist oder widerfahren wird: Zweifellos dürfte es allemal besser sein, wenn man selbst nicht betroffen ist, denn wie sagt doch ein altes Sprichwort: Schadenfreude ist unbestreitbar die schönste aller Freuden … und dabei ist sie in den meisten Fällen nicht von böser Art, sondern einfach nur der situativen Komik geschuldet oder wie unsere amerikanischen Freunde vielleicht sagen würden: Shit happens. In diesem Sinne: Machen Sie aus jeder Situation das Beste, behalten Sie – auch, wenn es manchmal eher schwerfallen mag – trotz allem Ihren Humor und haben Sie viel Freude an diesem Buch ☺

Stefan Frank Ahnert Magdeburg, 20. Juli 2011

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Die vermaledeite Nudel Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen. Matthias Claudius

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ch fahre des Öfteren mit dem Zug. Dies ist ganz einfach dem Umstand geschuldet, dass ein Auto für mich bisher nicht wirklich vonnöten gewesen ist. Aber, wie Sie zweifellos geschlussfolgert haben werden, hätte ich – wenn ich mit dem Auto unterwegs gewesen wäre – so manche lustige Begebenheit, die mir in Zügen oder auf Bahnhöfen widerfuhr, nicht erlebt und könnte Ihnen ergo auch nicht darüber berichten. Es hat also alles mal wieder seinen tieferen Sinn … Die Geschichte nahm ihren Anfang auf dem Leipziger Hauptbahnhof. Mein Magen teilte mir auf die ihm ganz eigene Weise mit, dass er sich langweilt und es mal wieder Zeit sei, ihm etwas Nahrung zuzuführen. Also suchte ich mir rasch einen der zahllosen Imbissstände im ersten Untergeschoss aus und erwarb eine recht ordentliche Portion Nudelsalat. Ich eilte zum bereits abfahrbereiten Zug, stieg ein, und wie der Zug schon zu rollen begann, suchte ich mir noch einen Platz. Es war Sonntagnachmittag und weiß Gott: Da reisen Himmel und Menschen. Einen Platz ergatterte ich noch; dieser befand sich jedoch nicht, wie erhofft, im Großraumareal, sondern in einem kleinen Sechspersonenabteil, wo ich in der Regel nie zu sitzen pflege – aber, was soll’s. Fünf Individuen waren bereits zugegen. Den

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Gesichtern nach zu urteilen, war ich nicht wirklich willkommen. Die Larven der zwei Jugendlichen am Fenster – zwei »coole Checker« – schienen mir sagen zu wollen: Halt bloß die Fresse, Alter. Der Herr, neben dem ich sitzen würde, räumte mit säuerlicher Miene rasch seinen Beutel von meinem Platz und stellte ihn sich zwischen die Beine. Das betagte Rentnerpaar mir visavis nagelte mich mit einem wahrscheinlich einstudierten Blick der Verachtung in den Sitz, der vermuten ließ, dass ich eventuell die Schuld daran tragen würde, wenn für sie beide nun die Luft im Abteil nicht mehr zum Überleben reicht … Aber eigentlich war mir das alles Wurst, denn Ich hatte Hunger! Also kramte ich erst einmal meinen Nudelsalat hervor. Dummerweise hatte ich am Imbiss der Eile wegen das Besteck liegen gelassen. Klasse: Wie isst man Nudelsalat, ohne ne Gabel oder nen Löffel??? Ich meinte, mein neues Taschenmesser könne mir da vielleicht aus der Not helfen. Sie kennen solche Messer bestimmt auch – so ’n Multifunktionsteil. Ich kramte in meinem Riesenrucksack, fand es schließlich ganz unten in einer der Seitentaschen und begann es sogleich auseinanderzubasteln …: Aha, ne Zange, nicht schlecht für den Anfang, aber für einen Nudelsalat nicht wirklich das Besteck der Wahl – eine Spitze zum Aufstechen von Getränkedosen, hm … – ein Korkenzieher … zum Verspeisen von Spiralnudeln … zu skurril – ein Kreuzund drei Schlitzschraubendreher in verschiedenen Größen, aaaaja – ne Säge … cooooool …, aber unpassend – und das war’s. Hm, was nun? Ganz klar: Messer wieder wegpacken und weiter überlegen.

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In der Zwischenzeit hatten die zwei »coolen« Typen am Fenster begonnen, sich in einem krassen Straßen-Slang zu unterhalten, der Herr neben mir las einen Artikel in der Auto-Motor-und-Sport-Illustrierten und die beiden Senioren mir gegenüber hatten ein Fragezeichen im Gesicht, in Anbetracht der Tatsache, dass sie nicht so recht nachzuvollziehen imstande waren, was ich da eigentlich die ganze Zeit über trieb. Meine Rettung war die »Kaffee-Fee«. Sie erschien just genau zur rechten Zeit. Sie klapperte mit ihrem Wagen an unser Abteil heran, öffnete die Tür und leierte ihren Werbespruch herunter. Erwartungsvoll schaute mich die Dame an, weil ich zu sprechen anhub. Ich fragte sie höflich, ob sie vielleicht einen Löffel oder eine Gabel hätte. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass sich die Miene der Frau nun verfinstern würde – allein sie tat es nicht. Sie überlegte kurz und entgegnete mir dann, dass sie nur noch Umrührstäbchen für Kaffee und Tee hätte, uuuuuuund noch einen kleinen Plastelöffel. »Den nehme ich«, frohlockte ich und kaufte ihr für diese gute Tat noch eine kleine Flasche Wasser ab. Die »Kaffee-Fee« schob die Tür wieder zu und zog weiter. Den Löffel, der wirklich sehr klein war, schob ich erst mal unter mein rechtes Bein und verstaute die Geldbörse im Rucksack. Als ich mich auf dem Sitz nach vorn beugte, um den Nudelsalat vom Boden zu heben, den ich zwischen meine Füße gestellt hatte, knackte es unter meinem rechten Oberschenkel.

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Was bin ich doch für ein Supertyp: Der ohnehin schon kurze Stiel des kleinen Löffels maß, nachdem ich ihn geteilt hatte, nun nur noch in etwa 2cm. Das nenne ich doch mal ne sportliche Herausforderung. Ich sah vom Salat auf in die Gesichter des Rentnerpaares, lächelte ein wenig und hob eine Augenbraue. Die Zwei aber blieben regungslos, wirkten wie ausgestopft. Also eines war schon mal klar: Humor war ihre Sache nicht. Ich – für meinen Teil – begann nun mit dem, was ich schon lange machen wollte: mit Essen. Ich hob den Deckel von der Box und es roch einfach wunderbar. Der Geruch des Nudelsalates ließ auch das Rentnerpaar zur Tasche greifen – schau an, dachte ich, sie leben noch. Wortlos reichte sie ihm ein Stullenpaket und nahm sich selber auch eins. Ich gebe zu, dass es mit dem kleinen Löffel mit Miniaturgriff nicht eben einfach war, Spiralnudeln zum Munde zu führen, hin und wieder rollte mir eine auch mal davon, aber irgendwie arrangierte ich mich mit der Situation. Wie ich nun so meinen Nudelsalat genoss, nahm ich das Gespräch der beiden Jugendlichen in zunehmendem Maße wahr, welches sich inzwischen auch ums Essen drehte: Jugendlicher 1: »Eh, Alter, was woll’n wir ’n heute Abend eigentlich ess ’n?« Jugendlicher 2: »Hm, lass mal überlegen. Was is ’n noch da?« Jugendlicher 1: »Hm …« Ich schob mir nach und nach gerade ein paar Nudeln in den Schlund und blickte auf das Rentnerpaar, als der Jugendliche 2 entgegnete:

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»Weißt de was – ich geh erst mal kacken.« Just in diesem Augenblick stellten die beiden älteren Herrschaften synchron das Kauen ein. Ich war gerade am Schlucken und das war fatal, denn wenn es irgend möglich ist, sollte man es tunlichst vermeiden, lachen und im selben Moment etwas herunterschlucken zu wollen. Nun, jedenfalls, steckte mir eine Spiralnudel im Hals, was das Einatmen nicht unbedingt einfacher machte. Ich versuchte zu husten und beugte mich weit nach vorn. In dem Moment fühlte ich einen harten Schlag auf meinem Rücken, der die Nudel allem Anschein nach, etwas rutschen und mich husten ließ. Der Husten katapultierte die Nudel aber nicht zurück in den Mund, sondern in den oberen Rachenbereich. Ich kam kurz nach oben, holte tief Luft, musste unweigerlich sofort niesen und warf meinen Körper dabei wieder nach vorn. Als ich mich abermals aufrichtete, hatte ich ein recht unangenehmes Gefühl in der Nase. Die beiden Rentner schauten mich entgeistert an, weil mir die Spiralnudel, die erst im Hals und dann im oberen Rachenraum gesteckt hatte, nun aus der Nase baumelte. »Voll krass …«, ließ der Jugendliche 1 staunend vernehmen und begann mit seinem Kumpel lauthals zu feixen. Die Oma mir schräg gegenüber wurde etwas blass. Ihr fielen fast die Schnitte aus der Hand und das Essen aus dem Gesicht. Gott sei Dank habe ich für solche und andere unerwartete Ereignisse auch immer noch Papiertaschentücher in meinem Rucksack … Wie rettet man sich aus solch einer Situation? Ich meine, ich konnte ja nichts dafür, aber peinlich war das Ganze schon.

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Ich ließ in Richtung der Senioren, die mich keines Blickes mehr würdigten, ein leises: »Sorry« verlauten und dankte meinem Nachbarn für den beherzten Schlag auf den Rücken. Die beiden Jugendlichen mussten die ganze Fahrt über immer wieder lachen. Ich war ihnen darüber nicht böse – ich hätte bestimmt auch über solch ein Erlebnis ewig lachen müssen und bestimmt hätte es mein Gehirn in jener Rubrik gespeichert, die es dann nur zu ganz besonderen Anlässen öffnet …☺

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Das sind sie also, einige der diversen kurzen Nudelsorten. Ich meine, dass mir dereinst jene Spiralnudelart zum Verhängnis wurde, die sie hier als einzige unter den glatten ausmachen können. Diese Nudel trägt im Übrigen den ebenso klassischen wie auch klangvollen Namen: FUSILLI DOPPIA RIGATURA WOW

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Die leidige Geschichte mit dem Autoschlüssel Wenn Zeit gefriert, erleben wir etwas besonders intensiv – sei es schön oder furchtbar. S. F. A.

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s begab sich dereinst an einem verregneten Samstag im Herbst – ein ganzes Stück noch vor der Wende – irgendwann Anfang der 80er Jahre. Wir, meine Freunde und ich, hatten beschlossen, uns den Abend in einer Disco zu vergnügen. Und weil man auch damals schon mit einem Auto deutlich flexibler, vom Wetter und vom Nahverkehr unabhängiger war, chauffierte uns Knut in seinem – heute würde man wohl sagen – getunten oder gepimpten (zu gut Deutsch: aufgemotzten) Moskwitsch dorthin. Wie das halt früher so war (und wahrscheinlich auch heute noch immer so ist): Die Kerle – so auch wir – standen erst mal nur irgendwo am Rande und tranken ein Bierchen, während sich die ersten Girls so nach und nach auf der Tanzfläche präsentierten. Weil ich noch etwas zu erledigen hatte, erbat ich mir von Knut, mit seinem Auto rasch zu mir nach Hause fahren zu dürfen. Knut gab mir die Autoschlüssel und ich machte mich auf den Weg. Es war bereits Nacht und es schüttete wie aus Eimern. Ich sah andere zum Bus oder in Hauseingänge flüchten, ich aber genoss es, im strömenden Regen ein paar Schritte zu

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