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Große Städte planen: Der Wettbewerb Groß-Berlin. 38 ... Kenner mögen erinnern, dass Walter Gropius ein eigenartiges, so gar nicht dem Mo- dernismus ...
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Adolf Sommerfeld | Andrew Sommerfield Bauen für Berlin 1910–1970

Einzelveröffentlichung des Landesarchivs Berlin Herausgegeben von Uwe Schaper

Celina Kress

Adolf Sommerfeld | Andrew Sommerfield Bauen für Berlin 1910 – 1970

Lukas Verlag

Titelbild: Adolf Sommerfeld (Mitte) und Gäste vor dem Eingang von Haus Sommerfeld im Rohbau, Foto: Paul Plagwitz, 1920 Abbildung auf dem Frontispiz: Über einen schwankenden Bootssteg führt der Weg zum Kostümfest im Haus Sommerfeld, Familie Sommerfeld empfängt ihre Gäste, 1928

Urheber- und Nutzungsrechte wurden sorgfältig recherchiert. Sollten dennoch Ansprüche angemeldet werden, wird gebeten, sich an den Verlag zu wenden.

© by Lukas Verlag Erstausgabe, 1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte Kollwitzstraße 57 D 10405 Berlin www.lukasverlag.com Umschlag und Layout: Adelbert Dreyer Satz: Petra Behr Reproduktion: Jürgen Wenzel, 15345 Rehfelde Druck: Elbe Druckerei Wittenberg Printed in Germany ISBN 978–3–86732–081–8

Inhalt

Einleitung

8

Geleitwort 9 Vorwort und Dank

10

Adolf Sommerfeld und die Großstadt Berlin

12

Blick zurück nach vorn

13

Perspektivwechsel: Metropole – Peripherie – Metropolregion Von der Metropole zur Metropolregion Die Wiederentdeckung von Urbanität in der Metropole Zentrum und Peripherie als komplementäre Bereiche der Metropole

15 16 17 21

Aufbruch in ein Arbeitsleben

24

Junge Metropole: Groß-Berlin 1910

28

Ankunft in der großen Stadt Firmengründung »Adolf Sommerfeld« in Rixdorf/Neukölln

29

Große Städte planen: Der Wettbewerb Groß-Berlin und die Allgemeine Städtebau-Ausstellung

38

Wohnen in der großen Stadt Massenwohnungsbau und Rationalisierung Aufbau des Sommerfeld-Konzerns

45

Bauen um die Metropole 1910 – 1933

54

Wachstum vom Zentrum an den Rand Berliner Suburbanisierungsdynamiken

55

Das Wohngebiet am Botanischen Garten: Wohnformen und städtebauliche Leitbilder vor und nach dem Ersten Weltkrieg

61

Holz- und Hallenbau Unternehmer zwischen Handwerk, Architektur und Industrie

80

Bauen mit dem Bauhaus 1920 – 1924

84

Unternehmer und Architekt Adolf Sommerfeld und Walter Gropius

85

Neustart einer Metropole Haus Sommerfeld als Modell

94

Sponsoring und unternehmerische Ziele Bauhaussiedlung und Haus Am Horn

48

106

Bauen für das »neue Berlin« 1920 – 1933

112

Großwohnsiedlungsgebiet Zehlendorf-Nord Kolonisation suburbaner Räume zwischen Ordnung und Chaos

113

Peripherie als Motor der Stadtentwicklung Berliner »Weltstadtplanung« ab 1926

133

Flache Dächer, spitze Dächer Bauen und Politik im Berliner Südwesten um 1930

155

Von Mitteldeutschland nach Zehlendorf Industrielles Bauen im Großsiedlungsbau

163

Die »Bürgerhaussiedlung« in Kleinmachnow Privatwirtschaftliche Typenhaussiedlung in der Wirtschaftskrise

178

Verlorene Metropole: Berlin 1933 – 1970

202

Vertreibung und Entrechtung: Nationalsozialistische Übernahme und »Arisierung« des Sommerfeld-Konzerns

203

Beliebte Bürgerhäuser Kontinuitäten und Brüche beim Bauen am Rand der großen Stadt

209

Paris, Palästina, Shropshire – Berlin Exil und Rückkehr Andrew Sommerfields

220

Zentrum, Peripherie, Metropolregion 1910 – 2010

228

Unternehmerisches Handeln, Kooperationen, Baukultur Nachhaltige Wohnkonzepte für die Stadt Unternehmer und Architekt Private und gemeinwirtschaftliche Akteure in der Bau- und Stadtproduktion Räumliche Ordnungsvorstellungen

229

Anhang

238

230 232 235

Daten zu Leben und Werk von Adolf Sommerfeld | Andrew Sommerfield 239 Firmenstruktur und Statistik um 1933 242 Erschließungsgebiete und Bauprojekte der Sommerfeld-Firmengruppe in der Stadtregion Berlin 244 Ausgeführte Bauten 250 Gebrauchsmuster und Patente bis 1932 264 Literaturverzeichnis 266 Zeitschriften und Periodika 276 Quellenverzeichnis 277 Abbildungsverzeichnis 278 Abkürzungen 279 Personen- und Firmenregister 280

Einleitung

Geleitwort Die Baugeschichte Berlins ist zwischen den beiden Weltkriegen wahrscheinlich die spannendste in Europa, wenn nicht gar der Welt. Der Einzug der Moderne, die vielfältigen Versuche zur Lösung des Wohnungsproblems für die breite Bevölkerung und vor allem die Organisation des rasanten Stadtwachstums jenseits obrigkeitlichen Verwaltungshandelns sind Themen, die Stadtentwicklung bis heute prägen. Die neuen Herausforderungen einer neuen Zeit erforderten auch neue Akteure. Adolf Sommerfeld war einer der wichtigsten. Gleichwohl ist er bis heute in seiner Bedeutung ebenso wie in seiner Leistung verkannt und kaum wahrgenommen worden. Kenner mögen erinnern, dass Walter Gropius ein eigenartiges, so gar nicht dem Modernismus verpflichtetes Haus für einen Herrn Sommerfeld in Berlin entworfen hatte. Mit der Vertreibung des Juden Sommerfeld aus Deutschland durch die Nationalsozialisten und der Zerstörung seiner Villa war dieses Kapitel aber rasch wieder geschlossen. Vielleicht auch deswegen, weil Gropius sich des expressionistischen Zwischenspiels in seinem Schaffen später nicht mehr mit Freude erinnerte. Dass Sommerfeld der Idee und dem Anliegen des Bauhauses in die Öffentlichkeit verhalf, indem er den ersten Bauhaus-Versuchsbau in Weimar – das Haus Am Horn – samt mustergültiger Einrichtung finanzierte, ist nur noch Wenigen präsent. Und dass es Adolf Sommerfeld war, der mit seinen kreativen Geschäftsideen und Finanzierungsmodellen nicht nur den Berliner Südwesten städtebaulich entwickelte und ihm zu vorbildlicher moderner Architektur verhalf, ist genauso fast völlig in Vergessenheit geraten wie die erfolgreichen Ansätze Sommerfelds zur Industrialisierung des Bauwesens. Auch hier traf er sich wie selbstverständlich mit den Ideen des Bauhauses. Alle diese Leistungen eines jüdischen Unternehmers dem Vergessen entrissen zu haben, ist das Verdienst dieser überaus sorgfältig und mit großem Engagement erarbeiteten Untersuchung. Die Verknüpfung des Biographischen mit der Stadtentwicklung und Architektur über mehr als fünfzig Jahre und drei politische Systeme hinweg macht deutlich, dass trotz einer grundsätzlich guten Forschungslage noch immer wichtige Bereiche der deutschen und Berliner Baugeschichte der Aufarbeitung harren. Die Untersuchung zeigt gleichzeitig auch den fruchtbaren Boden, der an der Technischen Universität Berlin für solche Forschungen bereitet ist. Sie mehrt nicht nur das historische Wissen, sondern trägt mit dem kritischen Blick in die Vergangenheit auch zur sachgerechten Gestaltung der Gegenwart und der weitsichtigen Entwicklung der Zukunft bei. Dafür gebührt Frau Dr.-Ing. Celina Kress Anerkennung und Dank und der Untersuchung ein lebhaftes Echo in der Fachwelt ebenso wie in der Öffentlichkeit. Professor Dr.-Ing. Johannes Cramer

Berlin, im Sommer 2010

Einleitung 9

Vorwort und Dank Wie kam es zur Beschäftigung mit dem Berliner Bauunternehmer Adolf Sommerfeld? Das wissenschaftliche Interesse wurde ausgelöst durch Verwunderung. Zuerst waren es die biederen Bürgerhäuser in Kleinmachnow, deren Datierung Schwierigkeiten machte: Während die einfachen, giebelständig an der Hauptstraße aufgereihten, würfelförmigen Typenhäuser auf den ersten Blick die Langweiligkeit durchschnittlicher Dreißiger-Jahre-Siedlungen transportieren, erschienen die großen liegenden Fensterformate mit horizontaler Sprossenteilung eher untypisch für den NS-Siedlungsbau. Auch die unentschlossene Haltung im Städtebau, der zwischen strengem Zeilenbaumuster und pittoresken dörflichen Motiven schwankt, wirkte irritierend. Beim Rundgang durch die Siedlung überraschte die variantenreiche Positionierung der einzelnen Häuser, die eine hohe Variabilität der Bautypen und ein komplexes städtebauliches Muster der weitläufigen Siedlung vermuten ließen. Außergewöhnlich abwechslungsreich erschienen auch die unterschiedlich gestalteten und verschalten Fachwerkgiebel an prominenten Straßenabschnitten. Besondere Neugierde aber weckte der Unternehmername in der gebräuchlichen Bezeichnung »Sommerfeld-Siedlung«. Hier handelte es sich offenbar um denselben Unternehmer, für den Walter Gropius Anfang der 1920er Jahre ein Blockhaus entworfen hatte, der als bedeutender Mäzen des Bauhauses in Weimar und Dessau galt, und der mit der Großsiedlung Onkel-Toms-Hütte in Zehlendorf in Verbindung gebracht wurde.1 Aber welcher logische Zusammenhang besteht zwischen der heimattümelnden Einfamilienhaus-Siedlung in Kleinmachnow und den Koalitionen des Bauunternehmers mit Vertretern des Neuen Bauens in den 1920er Jahren, auf welche historischen Hintergründe, welche Kontinuitäten und Brüche verweist diese Geschichte? Durch die Erkenntnis, dass der Name Adolf Sommerfeld mit einem der größten Restitutionsfälle im Nachkriegsdeutschland verbunden ist, wurde das Interesse noch verstärkt – die Suche nach Quellenmaterial anfangs aber nicht gerade erleichtert. Zudem war der Bauunternehmer Sommerfeld vor allem praktisch tätig; seine enorme Tatkraft bei der Durchführung städtebaulicher Großprojekte und bautechnischer Innovationsleistungen ist durch keinen schriftlichen Nachlass dokumentiert. Umso wichtiger waren die vielen, sich langsam entwickelnden persönlichen Brücken zu der Person Sommerfelds: In Gang gesetzt wurden diese Kontakte durch Professor Dr. Karin Wilhelm, die zum 100sten Geburtstag Adolf Sommerfelds einen ersten ausführlichen Artikel über das Leben und die vielfältigen Tätigkeiten des Bauunternehmers veröffentlicht hat.2 Sie ermutigte mich, persönliche Spuren erneut aufzunehmen und in Archiven zu graben. Zu längeren Interviews waren Werner Block, Heinz Höfer und Egon Erfurth bereit. Sie haben Adolf Sommerfeld persönlich gekannt und teilweise nah mit ihm zusammengearbeitet. Werner Block half auch, den Kontakt zum engeren Kreis der Familie Sommerfeld herzustellen, die aufgrund von Verfolgung und Emigration während der Nazizeit heute über die ganze Welt verstreut lebt. Ganz besonders danke ich Paul Sommerfeld, der den Nachlass seines Großvaters für Recherchen zur Verfügung stellte und wo immer es ging, Fragen aufzuklären half. Er machte mich auch mit vielen weiteren Nachkommen Andrew Sommerfields bekannt. Insbesondere Ingrid und Monika Summerfield danke ich für ihre fröhliche Ermunterung zu diesem Buchprojekt und die Suche und Bereitstellung von privatem Fotomaterial. Zum Verständnis für familiäre Zusammenhänge trug auch Professor Dr. Helmut Zahn bei. Der Kontakt zu Michael Wilinski in Haifa half zuletzt, 10

Einleitung

1 Vgl. Wilhelm 1983a, S. 95ff. – Jaeggi 1987. – Jaeggi 1994, S. 290–300, 315f., 412f. – Nerdinger 1996, S. 108f., 112f., 124f., 224f. – Silbereisen 1992.

2

Wilhelm 1986.

verbliebene Lücken zu schließen. Richard Röhrbein vermittelte Eindrücke zur jüngsten Vergangenheit und Gegenwart der Onkel-Tom-Siedlung in Zehlendorf. Von zentraler Bedeutung war die Beziehung Sommerfelds zu »seinen« Architekten. Am nächsten standen ihm die Chefarchitekten seiner Planungs- und Bauabteilung, Fred Forbat (Chefarchitekt 1924–1928) und Alfred Schild (Chefarchitekt 1928–1936). Während der Materialsuche zu dieser Arbeit fand dessen Sohn Haubold Schild den zeichnerischen Nachlass seines Vaters auf dem Dachboden seines Elternhauses und öffnete gemeinsam mit mir die staubigen Rollen. Diese und viele weitere persönliche Begegnungen haben entscheidendes Quellenmaterial für die hier vorliegende Arbeit zutage gefördert und für diese Arbeit zugänglich gemacht. Dafür danke ich allen Beteiligten herzlich, ebenso auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der aufgesuchten Archive und Einrichtungen. Das vorliegende Buch basiert auf meiner Doktorarbeit. Sie wurde 2008 unter dem Titel »Zwischen Bauhaus und Bürgerhaus – Die Projekte des Berliner Bauunternehmers Adolf Sommerfeld« von der Fakultät VI – Planen Bauen Umwelt der Technischen Universität Berlin als Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades angenommen. Den Prozess, aus der spannenden Lebensgeschichte eines »Baumenschen« im Berlin der Weimarer Zeit einen wissenschaftlichen Beitrag zur Berlin- und Metropolenforschung zu entwickeln, haben in engagierter Weise drei Hochschullehrer aus drei fachlichen Perspektiven inhaltlich und konzeptionell begleitet: Mein Doktorvater Professor Dr.-Ing. Johannes Cramer hat den Blick immer wieder auf die wesentlichen Phasen der Arbeit Sommerfelds gelenkt, die Zusammenarbeit mit Walter Gropius und dem Bauhaus sowie die Entwicklung der Großsiedlung Onkel-Toms-Hütte in Zehlendorf-Nord. Professor Dr. Harald Bodenschatz hat vor allem nach der Rolle Sommerfelds als privatem Akteur der Stadtproduktion gefragt, und Professor Dr. Heinz Reif hat als Historiker den Ehrgeiz dafür geweckt, auf der Basis dieser Einzeluntersuchung nach übergeordneten historischen Entwicklungslinien in der Großstadtforschung zu suchen. Neben der fachlichen Unterstützung und Begutachtung danke ich ihnen für die vielen freundlichen Ermunterungen und für ihre Geduld. Professor Klaus Zillich, dem Vorsitzenden des Promotionsausschusses, danke ich für sein spürbares Interesse an dem Thema. Für die Bereitschaft, diese Arbeit als Einzelveröffentlichung des Landesarchivs Berlin herauszugeben, gilt mein besonderer Dank Professor Dr. Uwe Schaper. Die Recherche in der Foto- und Kartensammlung des Landesarchivs unterstützten Monika Bartzsch und Andreas Matschenz in engagierter Weise. Petra Behr und Adelbert Dreyer danke ich für die gute Zusammenarbeit bei Satz und Layout. Großer Dank gilt außerdem meiner Kollegin und Freundin Dr. Nicola Bröcker für konstruktive Kritik und anregende Diskussionen über alle Aspekte der Arbeit, meiner Schwester Nadina-Maria von Studnitz für die kritische Durchsicht, Silke Epple und Carla Assmann, die den Überblick über die Bilder behielten, und last but not least für Lektorat und Korrekturen sowie die wichtige mentale Unterstützung in der Schlussphase des Buchmanuskripts meiner Berliner Freundin Annette Winkelmann. Viel Verständnis und Zuversicht hat meine Familie dem Projekt entgegengebracht. Für ihre Liebe danke ich André, Jack und May – und in besonderer Weise meinen Eltern. Ihnen ist dieses Buch gewidmet, in Erinnerung an unsere Spaziergänge zwischen Patschkauer Weg und Limonenstraße. Berlin, im September 2010

Celina Kress

Vorwort und Dank 11

Adolf Sommerfeld und die GrosSstadt Berlin

Blick zurück nach vorn

1 Das Zitat ist der Abhandlung »Vom städtebaulichen Problem der Einheitsgemeinde Berlin« von Erwin Gutkind vorangestellt. Gutkind 1922, S. 4.

Menschen, die zum Handeln, zur Geschäftigkeit geboren sind, können nicht früh genug alles selbst betrachten und beleben. Sie müssen überall selbst Hand anlegen und viele Verhältnisse durchlaufen, ihr Gemüt gegen die Eindrücke einer neuen Lage, gegen Zerstreuungen vieler und mannigfaltiger Gegenstände gewissermaßen abhärten, und sich gewöhnen, selbst im Drange großer Begebenheiten den Faden ihres Zwecks festzuhalten und ihn gewandt hindurchzuführen. Sie dürfen nicht den Einladungen einer stillen Betrachtung nachgehen. Ihre Seele darf keine in sich gekehrte Zuschauerin sein, sie muß unablässig nach außen gerichtet und eine emsige, schnell entscheidende Dienerin des Verstandes sein. Sie sind Helden, und um sie her drängen sich die Begebenheiten, die geleitet und gelöst sein wollen. Alle Zufälle werden zu Geschichten unter ihrem Einfluss, und ihr Leben ist eine ununterbrochene Kette merkwürdiger und glänzender, verwickelter und seltsamer Ereignisse. Novalis1

Von der unfreiwilligen Unterbrechung seiner Arbeit während der Nazizeit abgesehen, beschäftigte sich der Unternehmer Adolf Sommerfeld mit seiner Firmengruppe im Verlauf eines halben Jahrhunderts vor allem mit der Erschließung und Bebauung von Wohngebieten am Rand Berlins. Sommerfeld und viele seiner Weggefährten begeisterte die Idee, mit diesen Entwicklungsprojekten die wachsende Großstadt wesentlich mitzugestalten und einen entscheidenden Beitrag zur Lösung des zentralen Problems der Zeit – der Wohnungsversorgung – zu leisten. Als Andrew Sommerfield 1964 in Baden in der Schweiz starb, war seine letzte Eigenheimsiedlung in Berlin-Wannsee noch im Bau. Bis heute signalisieren die ein- bis zweigeschossigen Kaufeigenheime im Bungalowstil Serialisierung und Vereinfachung. Sie sind ganz und gar Massenprodukt, ein preiswertes, rationelles Angebot, das es jedermann ermöglichte, für sich den Traum vom Eigenheim zu realisieren. Heute steht das bauliche Erbe dieser Siedlung damit zugleich für den Verlust von urbaner Dichte im Sinne funktionaler und gesellschaftlicher Durchmischung, vielfältiger Austauschbeziehungen und zufälliger Begegnungen. Etwa ein Jahrzehnt nach dem Bau dieser Siedlung entwickelte sich der Begriff Metropole zur neuen Zauberformel, mit der diese Qualitäten wieder ins Bewusstsein gerufen und die Renaissance der Innenstädte ihren Anfang nahm. Leben und Werk des Berliner Bau- und Stadtentwicklers Adolf Sommerfeld/Andrew Sommerfield werden hier unter dem Blickwinkel der Entwicklung Berlins zur Metropole diskutiert. Die Peripherie wurde seit Beginn des 20. Jahrhunderts als Entlastungsraum für die verdichtete Innenstadt zum integralen Bestandteil dieses Konzepts. Dabei war sie funktional und gedanklich eng mit dem Zentrum verknüpft. Und eben diese feste Verknüpfung sicherte der Peripherie bis zum Zweiten Weltkrieg das Maß an Metropolitanität, das ihr danach abhanden kam. Mit der realen Umsetzung der Leitgedanken der städtebaulichen Moderne gingen im Wiederaufbau nach dem Krieg zum einen die festen Raumgefüge der historischen Innenstädte und ihrer Vorstädte verloren. Zum anderen lösten sich unter den Bedingungen der schnell fortschreitenAdolf Sommerfeld und die Großstadt Berlin 13

den allgemeinen Automobilisierung auch die physischen und mentalen Verbindungen vom Zentrum zu den Rändern auf. In den umfassenden Stadtplanungskonzepten am Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das ambitionierte Projekt der Peripherie als Innovationsgenerator der Metropole gestartet. Im Verlauf der zweiten Jahrhunderthälfte erschöpfte sich diese Idee im gering qualifizierten suburbanen Umfeld der Städte mit den bekannten Folgeproblemen zersiedelter Landschaften. Die Arbeit Adolf Sommerfelds/Andrew Sommerfields ist eng verknüpft mit diesen Entwicklungen. Die genauere Beschäftigung mit den konzeptionellen Zusammenhängen und historischen Rahmenbedingungen für seine Strategien und Projekte eröffnet heute neue Perspektiven auf den sogenannten »fordistischen« Städtebau. Die Peripherie der Städte wurde seit den 1980er Jahren als anti-urban, als ungestaltet, regellos, stellenweise als Nicht-Ort, vor allem aber als Nicht-Metropole wahrgenommen. Inzwischen sind die Wechsel- und Austauschbeziehungen zwischen städtischen Zentren und Regionen so komplex und vielfältig, dass die abwertende Dichotomie als überwunden gilt. Dies erfordert auch eine neue Sichtweise auf das Phänomen Metropole, bzw. Metropolregion. Die in der westlichen Peripherie Berlins gelegenen Vororte und Siedlungen, mit deren Erschließung Adolf Sommerfeld überwiegend in den 1920er und 1930er Jahren beschäftigt war, geben vielfältige Anregungen und liefern in mehrfacher Hinsicht interessante Beispiele für einen nachhaltigen Umgang mit dem Rand der Metropole heute. Die Wohngebiete in Steglitz, Zehlendorf-Nord und Kleinmachnow sind in dem Bewusstsein entwickelt worden, ein wesentlicher – nämlich der bessere, der gesündere, der modernere – Teil der Großstadt zu werden. Basis und Rückgrat der Projekte bildeten jeweils die Planung eines dezentralen Dienstleistungs- und Versorgungszentrums sowie eines qualifizierten Verkehrskonzepts. Dies bedeutete die Anbindung an den leistungsfähigen öffentlichen Nahverkehr, also die Erschließung durch S- oder U-Bahn-Anschluss, und eine zentral geführte Verbindung zum Hauptstraßennetz der Stadt sowie ein abgestuftes inneres Straßen- und Wegenetz. Um diese Herzstücke seiner Entwicklungsprojekte voranzubringen, baute Adolf Sommerfeld Kommunikationswege und Kooperationsnetzwerke zwischen den Entscheidungsträgern auf Stadt- und Landesebene sowie den Finanzierungs- und Wohnungsbauträgern auf. Die grundlegende Bedeutung eines differenzierten Verkehrskonzepts und eines komplexen lokalen Zentrums für die nachhaltige Stadtentwicklung lässt sich heute ebenso an dem erfolgreich realisierten Projekt in Zehlendorf wie auch an dem in dieser Beziehung gescheiterten Projekt in Kleinmachnow ablesen.

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Adolf Sommerfeld und die Großstadt Berlin