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fürs künftige Kirchendach gebraucht wurden. Dazu war ihm ein Fachmann im ... wo er sich in seinem Wohnwagen frisch machen und früh- stücken konnte.
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MANFRED BOMM

Traufgänger

MANFRED BOMM

Traufgänger

Der siebzehnte Fall für August Häberle

Bisherige Veröffentlichungen im Gmeiner-Verlag: Todesstollen (2016), Lauschkommando (2015), Machtkampf (2014), Grauzone (2013), Mundtot (2012), Blutsauger (2011), Kurzschluss (2010), Glasklar (2009), Notbremse (2008), Schattennetz (2007), Beweislast (2007), Schusslinie (2006), Mordloch (2005), Trugschluss (2005), Irrflug (2004), Himmelsfelsen (2004)

Personen und Handlung sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet: www.gmeiner-verlag.de © 2017 – Gmeiner-Verlag GmbH Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0 [email protected] Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2017 Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt Herstellung: Mirjam Hecht Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart unter Verwendung eines Fotos von: © Manfred Bomm und © thomas_pics / Fotolia.com Druck: GGP Media GmbH, Pößneck Printed in Germany ISBN 978-3-8392-5287-1

VORWORT

Gewidmet all jenen, die erkennen, dass unsere Welt aus mehr besteht, als nur dem unablässigen Streben nach Macht und Gewinn. Wer getrieben ist von Stress und Hektik – stets in der Angst, etwas zu verpassen –, der verliert den Blick für das Wesentliche: den Blick nämlich auf die Wunder, die uns die Natur am Wegesrand bereithält. Lassen wir uns deshalb nicht blenden von all den Rücksichtslosen, die auf Kosten ihrer Mitmenschen nach immer Höherem streben, sondern haben wir Respekt vor denen, die sich für das Allgemeinwohl einsetzen und mit gegenseitiger Toleranz dazu beitragen, dass wir in Frieden leben und unsere gesellschaftlichen Werte bewahren können. Mögen wir uns darauf besinnen, dass wir alle auf einem einzigartigen, aber sehr kleinen Planeten leben, auf dem das Universum etwas Wunderbares hervorgebracht hat, das es zu schützen gilt.

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Calw Bad Teinach-Zavelstein

KARTE

Esslingen a Neckar

Sindelfingen Filderstadt

Nürting Herrenberg

Altensteig Nagold

Waldachtal

Metzingen

Tübingen

Pfalzgrafenweiler

Reutlingen

Horb am Neckar

Rottenburg am Neckar

St. Johann Lichtenstein

Sulz am Neckar

Oberndorf am Neckar

Mössingen

Haigerloch

G

Sonnenbühl

Hechingen Melchingen Rosenfeld

Trochtelfingen

Bisingen Burladingen

Balingen

Gammertingen Dotternhausen Albstadt Schmiecha und Schmeie

Schömberg Meßstetten

Rottweil

Hettingen Veringenstadt Bingen

Deißlingen

Donauberglandweg Spaichingen

Sigmaringen Inzigkofen

Schwenningen

Sigmaringendorf Scheer

Leibertingen Fridingen

Bad Dürrheim

Campus Galli

Meßkirch Tuttlingen Donaueschingen Hüfingen

Neuhausen ob Eck Sauldorf

Immendingen

Pfullendorf

Greisingen Hohenfels Engen

Blumberg Tengen

Ill Stockach

Heiligenbe

am Plochingen

KARTE

Göppingen

Steinheim Heidenheim am Albuch an der Brenz

Donzdorf Kirchheim unter Teck

gen

Gerstetten

Geislingen an der Steige Amstetten Lonsee Römerstein

Langenau

Laichingen

Bad Urach

Berghülen Blaustein Bermeringen

Münsingen

Gomadingen

Justingen Urspring

Marbach

Blaubeuren

Ulm Neu-Ulm

Schelklingen Lutherische Berge

Hohenstein

Erbach Ehingen

Hayingen Wimsener Höhle

D

Mochental

Achstetten

Rechtenstein Untermarchtal Zwiefalten

Weißenhorn

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Laupheim

Obermarchtal

Illertissen Schwendi Altenstadt

Riedlingen

Biberach an der Riß

f Herbertingen

Bad Saulgau Boms Ostrach

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Altshausen

Dettingen an der Iller Ochsenhausen

Bad Buchau

Rot an der Rot Bad Für alle Leser, dieEberhardzell den Spuren von Kommissar August Häberle Schussenried

folgen wollen: Die Schauplätze im Südwesten. Memmingen Nördlich des Bodensees (ein Zipfel davon ist bei Stockach zu sehen) finden sich Meßkirch und der »Campus Galli«, Aulendorf noch weiter im Norden die Städte Tübingen, Reutlingen Waldsee und Bad Bad Urach. Das Gebiet des »Schwäbische AlbBad Wurzach Traufgängers« erstreckt sich östlich davon – etwa zwischen Aichstetten der charakteristischen Teilung der Autobahn A 8 in Albauf- und -abstieg sowie der Stadt Geislingen an der Steige. Legau

Weingarten

Wolfegg

Schopflocher Moor

Bissingen an der Teck

Neidlingen

Boßler

Westerheim

Wiesensteig Hohenstadt

Drackenstein

Amstetten

Geislingen an der Steige

Bad Überkingen

Kuchen

Kuchalb

Donzdorf

Gingen an der Fils

Süßen

Merklingen

Grob skizziert: Der »Traufgängerweg« von Wiesensteig (Kreis Göppingen) am nördlichen Steilhang der Schwäbischen Alb entlang bis nach Geislingen an der Steige und von dort – der berühmten Eisenbahn-Steige folgend – hinauf zur Hochfläche Nellingen in Amstetten (Alb-Donau-Kreis)

Deggingen Bad Ditzenbach

Mühlhausen im Täle

Gruibingen

Schlat

Eislingen/Fils

Eschenbach

Heiningen

Zell unter Aichelberg Bad Boll Dürnau Gammelshausen

Hattenhofen

Weilheim an der Teck

Schlierbach

Albershausen

Uhingen

West

Lonsee

Böhmen

[PROLOG] Es war eine friedliche Stille. Das Laub der Buchen, die hoch und schwarz in den sternenklaren Nachthimmel ragten, verbreitete im sanften Sommerwind ein leises Rauschen. In dem großen Waldgebiet südlich der Donau schien sich die Natur von der Lebendigkeit des Tages zu erholen. Die Sonne war schon vor einer Stunde untergegangen, das vielstimmige Zwitschern der Vögel verstummt. Nur der schaurige Schrei eines Nachtvogels hallte bisweilen von den Stämmen der Bäume wider und ließ erahnen, dass sich in dieser undurchdringlichen Schwärze auch jetzt noch vielfältiges Leben regte. Die Stunden der nächtlichen Jäger waren angebrochen. Tagsüber herrschte hier auf dem »Campus Galli« unweit von Meßkirch an diesen Sommertagen rege Betriebsamkeit. Verborgen in dem riesigen Waldgebiet, hatte man 2013 damit begonnen, einen Plan zu realisieren, der aufs 9. Jahrhundert zurückging: Im Rahmen eines ehrgeizigen Projekts sollte eine Klosterstadt entstehen – und zwar weitgehend nur mit den Mitteln und Möglichkeiten, die den Menschen der damaligen Zeit zur Verfügung gestanden hatten. Es war ein Vorhaben, das erst in ferner Zukunft realisiert sein würde. Manche, die jetzt Hand anlegten, dürften die Vollendung vermutlich gar nicht mehr erleben. Insofern würde es ihnen nicht anders ergehen als vielen mittelalterlichen Bauherren, deren großen Werke erst nach ihrem Tode fertiggestellt wurden. Beim Ulmer Münster waren zwischen Grundsteinlegung und dem Errichten der Turmspitze sogar 400 Jahre vergangen. 9

»Campus Galli« auf der Gemarkung Meßkirch, zwischen Donau und Bodensee gelegen, steckte jetzt, drei Jahre nach dem ersten Spatenstich, praktisch noch in den Kinderschuhen. Gerade dies dürfte aber der Grund dafür sein, dass es für viele engagierte Menschen eine Herausforderung war, an diesem Jahrhundertprojekt mitzuarbeiten: Unzählige Ehrenamtliche und Langzeitarbeitslose, die für einige Wochen oder Monate das beschauliche und technikferne Leben im Walde erleben wollten, packten ebenso mit an wie gelernte Handwerker, die ganz ohne die Segnungen der Zivilisation ihr Wissen einbrachten. Lorenz Moll zählte zu jenen, die ein paar Tage die Hektik und den Stress des Alltags hinter sich lassen wollten. Seine Fachkenntnis als Elektromeister war zwar für den Bau einer früh-mittelalterlichen Klosteranlage nicht gefragt, dafür aber hatte er gelernt, als Handwerker in allen Bereichen auch mal kräftig zuzupacken. Außerdem interessierte ihn die Holzverarbeitung, die hier in großem Stil vonnöten war. Deshalb hatte er sich für das mühevolle Herausspalten von Schindeln entschieden, die fürs künftige Kirchendach gebraucht wurden. Dazu war ihm ein Fachmann im Rentenalter zur Seite gestellt worden, sodass er, der 46-Jährige mit leichtem Bauchansatz, bereits nach einem halben Tag diese Arbeit mit Holzhammer und dem eisernen Abspaltwerkzeug beherrschte. Natürlich stellten die ungewohnten Handgriffe und kräftigen Bewegungen eine körperliche Anstrengung dar, aber die vielen Besucher, die ihm tagsüber bei der Arbeit zusahen, entschädigten ihn für diese Mühe und sorgten überdies für Abwechslung und willkommene Pausen. 10

Moll, der wie alle im Campus kuttenartige mittelalterliche Kleidung trug, schilderte bereitwillig das mühevolle Heraushacken der Schindeln aus den Baumstämmen, berichtete, dass für ein dichtes Dach eine dreilagige Abdeckung notwendig sei und man für die Kirche immerhin 15.000 solcher Teile benötige. Jetzt, in der Nacht, wenn der Campus für Besucher geschlossen war, hatten auch die Mitarbeiter das zwölf Hektar große Waldgebiet verlassen, um entweder daheim oder in Hotels und Pensionen zu schlafen oder − wie Moll es organisiert hatte – auf einem nahen Campingplatz. Doch bereits nachdem er am Montag angereist war, also vor genau vier Tagen, hatte er beschlossen, diese lauen Nächte umgeben von den Düften des frisch geschlagenen Holzes unter dem Schindeldach seiner Werkstatt zu verbringen, die nur nach hinten zum Hochwald hin mit einem Geflecht aus dünnen Stämmen begrenzt war. Er genoss es, nach Einbruch der Dunkelheit noch ein oder zwei Gläschen Wein zu trinken, dann inmitten dieser Einsamkeit zu schlafen und von dem Krähen der Hähne geweckt zu werden, die nicht weit von ihm entfernt in einem offenen Gehege gehalten wurden. Alles war schließlich so angelegt worden, als befände man sich im 9. Jahrhundert: Ziegen freuten sich über ihre absolut artgerechte Haltung ebenso wie einige sich im Schlamm suhlende Schweine. Auf einer Weide grasten Kühe und Ochsen. Noch vor Sonnenaufgang, im ersten Morgengrauen, verließ er die Anlage, um zum Campingplatz zu fahren, wo er sich in seinem Wohnwagen frisch machen und frühstücken konnte. Inzwischen hatte er bereits drei Nächte hier draußen verbracht, jedes Mal eine halbe Flasche Rotwein getrun11

ken und einmal sogar einen Fuchs vorbeischleichen sehen. Die Stille und Einsamkeit waren tatsächlich dazu angetan, die wilden Gedanken der vergangenen Monate zu besänftigen – auch wenn ihm dies schwerfiel. Der Versuch, die Probleme mit Alkohol zu dämpfen, war natürlich Schwachsinn, das wusste er. Aber er brauchte den Wein, bisweilen sogar ein Gläschen Cognac, um überhaupt einschlafen zu können. Viel zu viel hatte sich ereignet. Und viel zu weit hatte er sich in den Strudel all dessen hineinziehen lassen, wohin ihm andere den Weg geebnet hatten. Inzwischen hatte er Dinge erfahren, von denen er nie geglaubt hatte, dass es sie auch weit ab der großen Metropolen geben würde. Und genau dieses Wissen konnte ihm gefährlich werden. Einige Vorsichtsmaßnahmen hatte er deshalb getroffen – auch hier. Aber vielleicht spielten nur seine Nerven verrückt. Womöglich bildete er sich etwas ein, das gar nicht so war. Doch der Versuch, sich auf diese Weise zu beruhigen, endete jedes Mal mit der mahnenden inneren Stimme, die ihm sagte, dass er doch Fakten und Daten vorliegen habe, die seine Ängste begründeten. Deshalb war er vorige Nacht, kurz vor dem Morgengrauen, auch aus seinem alkoholgeschwängerten Schlaf mit schwerem Kopf aufgeschreckt, als sich das Geräusch menschlicher Schritte in sein Unterbewusstsein geschlichen hatte. Er war regungslos liegen geblieben, hatte zwischen den dünnen Decken seiner harten Liegestatt in die Dunkelheit geblinzelt und neben einem Stapel fertiger Schindeln die Silhouette einer Person wahrgenommen. Noch im Halbschlaf fingerte er mit der rechten Hand nach einem bereitliegenden Holzstecken, den er fest umklammerte. Mit zaghafter Stimme rief er in die Nacht: 12