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wie die steuerlichen Vorzüge, die die Schweiz bot. Der Mann, knapp über 60, mit .... es ein VW Golf war, ein älteres Baujahr wohl. Für einen kur- zen Moment ...
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Manfred Bomm

Manfred Bomm

Der dritte (sehr außergewöhnliche) Fall für August Häberle

Wir machen’’ss sspannend W pannend

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Personen und Handlung sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

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© 2005 – Gmeiner-Verlag GmbH Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch Telefon 0 75 75/20 95-0 [email protected] Alle Rechte vorbehalten 3. Auflage 2008 Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart unter Verwendung eines Fotos von pixelquelle.de Gesetzt aus der 9/12,5 Punkt StempelGaramond Druck: Fuldaer Verlagsanstalt, Fulda Printed in Germany ISBN 978-3-89977-632-4

Wer nicht das Unwahrscheinliche für möglich hält, hat den Blick fürs Wesentliche verloren. Denn die Welt, die uns umgibt, ist viel größer, geheimnisvoller und wunderbarer, als wir es uns je vorstellen können. Mit jedem Rätsel, das die Wissenschaft zu lösen glaubt, tun sich neue auf, die noch fantastischer und unbegreifbarer erscheinen. Große und geniale Denker haben immer wieder die Tür einen Spalt weit zum Unglaublichen geöffnet. Doch hüten wir uns davor, in diese allgegenwärtige Ordnung, in diese ewigen Gesetzesmäßigkeiten einzugreifen. Hüten wir uns auch vor dem verantwortungslosen Egoismus, der alle entschlüsselten Geheimnisse zu einer Bedrohung dieser wunderbaren Schöpfung werden lässt.

Gewidmet deshalb allen, die davon überzeugt sind, dass diese Welt aus vielen Geheimnissen besteht, die nicht in mathematische Formeln zu pressen sind. Gewidmet auch jenen, die mithelfen, diesen Planeten vor dem Bösen zu bewahren.

Nichts steht für sich allein. Alles hat eine Vorgeschichte, seine Ursache und seine Wirkung. Ohne Vergangenheit gäbe es keine Zukunft. Gestern wurde der Grundstein all dessen gelegt, was uns heute beschäftigt und woraus das Morgen sein wird. Insoweit sind Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ganz eng miteinander verknüpft. Vielleicht sogar eins.

„Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als eure Schulweisheit sich träumen lässt.“ William Shakespeare

1 Dienstag, 14. März 2000. Der Mann mit der randlosen Brille blickte durchs offene Fenster auf den Luganer See hinab. Das Wasser glitzerte in der Frühlingssonne, drüben erhob sich der San Salvatore, jener mächtige Berg, an den sich der Stadtteil mit dem klangvollen Namen Paradiso schmiegt. Ein wirkliches Paradies, dachte sich der Mann, der seinem Besucher den Rücken zukehrte. Obwohl erst März, blühten am Seeufer schon die ersten bunten Frühlingsblumen und die Äste uralter Bäume ragten mit ihren frischen Knospen ins Wasser, auf dem sich Schwäne und Enten tummelten. Drüben an der belebten Uferpromenade legte ein Ausflugsschiff an. Das Appartement, das sich in einem der eng aneinandergebauten Blöcke am Steilhang des Monte Bré befand, geradewegs dem San Salvatore gegenüber, eröffnete einen herrlichen Blick auf diese traumhafte Landschaft, deren mediterranes Klima genauso geschätzt war, wie die steuerlichen Vorzüge, die die Schweiz bot. Der Mann, knapp über 60, mit Jeans und weißem Hemd gekleidet, drehte sich nicht um, als er mit deutlich amerikanischem Akzent mit seinem Besucher sprach. „Ich sage Ihnen, die Menschheit hat nicht die geringste Ahnung von dem, was sich zwischen Himmel und Erde tut“, sagte er langsam, während er seinen Blick über die Dächer schweifen ließ, hinüber zum San Salvatore, dessen Konturen im bläulichen Dunst und im Gegenlicht der Nachmittagssonne so ungewöhnlich sanft erschienen. 7

Der junge Mann, der auf der schneeweißen ledernen Couch Platz genommen hatte, beobachtete seinen Gastgeber, den der Ausblick auf den See zu faszinieren schien. „Ich will Ihnen da nicht widersprechen“, erwiderte der Besucher und lehnte sich zurück, um bewusst locker zu wirken. In Wirklichkeit aber war er angespannt, hatte er doch keine Ahnung gehabt, wen er in diesem Appartement treffen würde. Er, 28 Jahre alt und Physiker, aufgewachsen in Ulm an der Donau, hatte von einem früheren Lehrer eine Internet-Adresse empfohlen bekommen, die angeblich einen attraktiven Job versprach. So war er auf diesen Mann gestoßen, der sich als Wissenschaftler ausgab und offenbar an einem großen Projekt arbeitete. Worum es ging, das hatte sich aus der Homepage allerdings nicht herauslesen lassen. Und auch bei den Telefonaten, die sie in den vergangenen Wochen geführt hatten, wollte dieser George Armstrong, offenbar ein Amerikaner, nicht so recht mit der Sprache herausrücken. Es sei etwas völlig Neues, eine geradezu revolutionäre Forschung, die jedoch auch gewisse Risiken berge. Mehr war nicht zu erfahren. Deshalb hatten sie ein Treffen vereinbart, hier in Lugano, wo der Amerikaner wohnte. Armstrong, leicht übergewichtig, aber sportlich und braungebrannt, wirkte zweifellos sympathisch. Seine Haare waren vermutlich einmal blond gewesen, doch hatte das, was ziemlich ausgedünnt von ihnen übrig geblieben war, eine gräuliche Farbe angenommen. Er drehte sich langsam um und verschränkte die Arme. „Sie, mein junger Freund, hätten die einmalige Chance, an einem Projekt mitzuarbeiten, das vieles, was die heutige Wissenschaft als unumstößlich betrachtet, aus den Fugen heben kann.“ Jens Vollmer, so hieß der schlanke Besucher, der sein schwarzes Haar extrem kurz trug, versuchte zu lächeln. „Daran, dass ich hier bin, mögen Sie erkennen, dass ich mich einer großen Herausforderung stellen möchte.“ Kaum hatte er es gesagt, bedau8

erte er diese hochgestochene Formulierung. Er war jedoch den Umgang mit internationalen Wissenschaftlern nicht gewohnt. Und dieser Armstrong schien einer zu sein. Der Amerikaner verzog sein Gesicht zu einem breiten Lächeln. „Leute wie Sie braucht diese Welt.“ Vollmer richtete seinen Oberkörper auf. Er spürte, wie er schwitzte. „Nun ja“, sagte er, „noch weiß ich nicht, was Sie von mir erwarten und welcher Art Ihre …“ er suchte nach einer passenden Formulierung, „Ihre Aufgaben sind.“ „Sie kommen aus Ulm?“, fragte Armstrong und ging zu der weißen Schrankwand hinüber, zwischen deren Regale abstrakte Gemälde die einzigen Farbtupfer waren. Aus einem Klapptürchen holte er zwei hohe Gläser und einen Bacardi. „Drink gefällig?“ Vollmer nickte und beantwortete die Frage nach seiner Herkunft: „Ja, aus Ulm.“ Der Wissenschaftler lächelte geradezu väterlich. „Die Geburtsstadt von Einstein, hab ich recht?“ Vollmer fiel jetzt der Schweizer Akzent auf, mit dem das ansonsten perfekte Deutsch des Amerikaners behaftet war. Er musste demnach schon längere Zeit in der Schweiz leben. Armstrong stellte die beiden Gläser auf den kleinen weißen Tisch und schenkte ein. Sein Gast erwiderte: „In Ulm geboren, ja. Er ist dann aber in die Schweiz gegangen – und hat beim Patentamt gearbeitet.“ Armstrong brachte die Flasche wieder in die Schrankwand zurück. „Wegen seiner jüdischen Abstammung“, ergänzte er, „ist er dann später nach Amerika ausgewandert. So hat Ulm seinen berühmtesten Sohn praktisch für immer verloren.“ Vollmer nickte stumm. „Der größte Wissenschaftler aller Zeiten“, stellte Armstrong fest, setzte sich auf einen Sessel und hob das Glas. „Auf unsere künftige Zusammenarbeit.“ Sie prosteten sich zu und tranken. 9

Vollmer fühlte sich noch immer unsicher. „Sie haben mir ja noch nicht einmal gesagt, worum es konkret geht.“ Armstrong, dem Schweißperlen auf der Stirn standen, lehnte sich selbstgefällig zurück. „Sie werden verstehen, dass ich mich vorläufig etwas bedeckt halten muss, junger Freund.“ Er überlegte. „Vieles deutet darauf hin, dass wir – und damit meine ich mich und meine, ja, sagen wir mal, Forschungsgruppe – dass wir nicht die Einzigen sind, die sich mit dieser Materie befassen. Deshalb wäre es nicht gerade dienlich, würde allzu vieles davon in der Öffentlichkeit bekannt.“ Vollmer wagte einen Vorstoß: „Aber verstehen Sie mich bitte richtig, ohne konkrete Anhaltspunkte kann ich mich nicht für eine Mitarbeit entscheiden. Außerdem müssten noch eine Vielzahl von Punkten geklärt werden.“ Armstrong lächelte wieder und holte tief Luft. „Glauben Sie mir, dass Sie der richtige Mann sind, davon bin ich überzeugt. Sonst hätte ich Ihnen wohl kaum die Reise hierher und den Aufenthalt an diesem paradiesischen Ort bezahlt.“ Er behielt sein Gegenüber im Auge und fügte süffisant lächelnd hinzu: „Wir haben uns, sagen wir mal, ein bisschen über Sie erkundigt.“ Vollmer erschrak. Damit hatte er nicht gerechnet. „Gutes Zeugnis, bester Abschluss des Studiums, ein Physiker mit Leib und Seele, sagt man, glaub ich, bei Ihnen. Dass sie aus Ulm kommen, ist eher ein Zufall.“ Er lächelte vielsagend und bekräftigte dann: „Ja, gewiss ein Zufall. Was auch sonst?“ „Sie haben Erkundigungen über mich eingezogen?“, fragte Vollmer leicht eingeschüchtert. Armstrong nahm wieder einen Schluck. „Nennen Sie es, wie Sie wollen. Jedenfalls suchen wir engagierte Leute, wie Sie. Unabhängig, nicht ortsgebunden, ledig, voller Tatendrang. Aufgeschlossen für alles Neue.“ Vollmer griff ebenfalls zum Glas und nahm einen kräftigen Schluck. Danach erklärte er: „Das ehrt mich, dass Sie so großes 10

Interesse an meiner Person haben. Aber letztlich ist alles auch eine Frage der Honorierung.“ Armstrong winkte ab. „Bester Freund“, sagte er, „Sie können mir glauben, dass die finanzielle Seite gesichert ist. Gehen Sie einfach mal davon aus, dass es auf diesem Planeten nie zuvor ein größeres Forschungsprojekt gegeben hat.“ Vollmer schluckte trocken. Langsam wurde ihm das Ausmaß dessen bewusst, worauf er sich da einlassen würde. Armstrong lächelte wieder. „Die NASA könnte nur davon träumen. Aber das, worum es hier geht, guter Freund, dagegen war der Flug zum Mond, wenn er denn je stattgefunden hat, ein Klacks. Oder sagen Sie in Deutschland eher ›peanuts‹?“

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2 Es war einer jener Märztage, die auf den Anhöhen der Schwäbischen Alb den nahen Frühling nur erahnen lassen. An schattigen Stellen lagen vereinzelt noch Schneereste. Hier oben in Hohenstadt, einem kleinen Dorf, in dessen Nähe die Autobahn A 8 Ulm-Stuttgart die Mitteleuropäische Wasserscheide überquert, roch die kühle Luft erdig. Die Sonne stand bereits tief am Horizont, nur verdeckt von einigen dünnen Wolken, als an diesem Nachmittag ein Traktor aus dem kleinen Örtchen hinaus tuckerte, hinauf zu der leichten Erhöhung, auf der seit Jahr und Tag eine militärische Sendeanlage stand. Die Bewohner Hohenstadts, das, wie viele Dörfer auf der Schwäbischen Alb, längst nicht mehr allein von der Landwirtschaft geprägt war, hatten sich an den Anblick des rot-weißen Stahlgittermastens und der umzäunten Gebäude gewöhnt – auch wenn niemand so genau wusste, was nach der politischen Wende dort wirklich noch geschah. Zuvor soll die Technik auf diesem höchsten Punkt weit und breit eine wichtige Funkverbindung für die amerikanischen Streitkräfte gewesen sein, ein „Horchposten“, wozu auch immer. Selbst der Bürgermeister von Hohenstadt vermochte nicht zu sagen, welchem Zweck die Anlage inzwischen diente. Allerdings hatten in den vergangenen Jahren auch private Mobilfunk-Betreiber ihre Antennen an den Masten montiert. Der Landwirt, der mit seinem Traktor einen Güllefass-Anhänger zu seinen Feldern fuhr, verschwendete keinen Gedanken an das militärische Gelände, an dem er von der Straße abbog. 12

Er, einer der wenigen, die in Hohenstadt noch größere Ländereien bewirtschafteten, hatte anderes im Sinn. Im Wetterbericht war Regen angekündigt worden, weshalb er noch schnell einen Acker düngen wollte. Der Traktor, ein ziemlich neues Modell mit modernster Technik, tuckerte an dem hohen, von Stacheldraht gekrönten Zaun des Militär-Areals entlang. An dessen Ende, das erkannte der Bauer von seiner überdachten Fahrerkabine aus, parkte ein schwarzes Auto, das mit der linken Hälfte weit in den Feldweg hinein ragte. Beim Näherkommen stellte der Landwirt fest, dass es ein VW Golf war, ein älteres Baujahr wohl. Für einen kurzen Moment ärgerte er sich, weil er vermutete, es könnte sich um einen der vielen Städter handeln, die mit ihren Fahrzeugen rücksichtslos die Wege blockieren. Doch dann nahm er das Gas weg. Ihn machte stutzig, dass am Heck des in Fahrtrichtung geparkten Golfs gar kein Kennzeichen angebracht war. Sein erster Gedanke war, da müsse wohl ein Schrottfahrzeug abgestellt worden sein. Er stoppte seinen Traktor, zog die Handbremse, ließ den Dieselmotor aber laufen. Der Mann, der trotz seiner fast 60 Jahre sportlich wirkte, schwang sich von seinem Fahrersitz und ging zu dem geparkten Golf hinüber. Er ließ dabei seinen Blick suchend nach allen Richtungen schweifen, um möglicherweise jemanden zu entdecken, dem der Wagen gehören könnte. Doch die Hochfläche war, soweit er dies feststellen konnte, menschenleer. Die Sonne kam wieder zwischen den Wolken hervor und ließ die Bäume lange Schatten werfen. Der Landwirt spürte die Kälte, die durch seinen blauen Arbeitsanzug kroch. Er kratzte sich mit den schmutzigen Fingern an der faltenreichen Stirn und strich sich mit der Hand nachdenklich über das schlecht rasierte Kinn. Er erkannte sofort, dass der Golf nicht verriegelt war, denn an der Fahrertür ragten die Druckknöpfe des Schließmechanismus weit nach oben. Der 13

Mann trat dicht an die Seitenscheibe heran, um den Innenraum überblicken zu können. Doch da gab es nichts, was ungewöhnlich gewesen wäre. Die Polster waren zwar abgewetzt, aber er entdeckte keinerlei Gegenstände auf den Sitzen, auch nicht in den Fußräumen. Der Tachometer zeigte 88 743 Kilometer. Dann aber verengte der Landwirt die buschigen Augenbrauen: Im Zündschloss steckte ein Schlüssel. Er trat instinktiv einen Schritt zurück und suchte mit seinem scharfen Blick noch einmal die Umgebung ab, während die Sonne wieder hinter den Wolken verschwand und Dieselabgase seines Traktors in der Luft hingen. Jetzt sah er es plötzlich, was ihm vorhin nicht aufgefallen war: Nur zehn, zwanzig Meter weiter vorne, abseits des Wegs im spärlichen Gras der Wiese, hatte offenbar erst vor kurzem ein Feuer gebrannt. Möglicherweise waren mit dem Inhalt eines kleinen Plastikkanisters, den er ein Stück weiter davon entfernt erkannte, jene Gegenstände entzündet worden, deren verkohlte Überreste dort vorne lagen. Der Landwirt zögerte, ging dann aber zunehmend schneller und energischer auf die Brandstelle zu, um abrupt in respektablem Abstand stehen zu bleiben. Was er sah, ließ ihn den Atem stocken. Er stand wie versteinert, nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen.

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