Ines Roost
Blinde Gefühle
Liebesroman
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© 2013 AAVAA Verlag
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1. Auflage 2013
Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Coverbild: Fotolia, 56390664 woman with diamond earrings© Syda Productions Printed in Germany Taschenbuch: ISBN 978‐3‐8459‐0898‐4 Großdruck: ISBN 978‐3‐8459‐0899‐1 eBook epub: ISBN 978‐3‐8459‐0900‐4 eBook PDF: ISBN 978‐3‐8459‐0901‐1 Sonderdruck: Mini‐Buch ohne ISBN AAVAA Verlag, Hohen Neuendorf, bei Berlin www.aavaa‐verlag.com eBooks sind nicht übertragbar! Es verstößt gegen das Urheberrecht, dieses Werk weiterzuverkaufen oder zu verschenken! Alle Personen und Namen innerhalb dieses eBooks sind frei erfunden. Ähn‐ lichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Für Henryk, der mich aus meiner Lethargie gerissen und mich zu diesem Buch motiviert hat. Seine Art mit seiner Erblindung umzugehen und zu le‐ ben hat mich inspiriert. Es fasziniert mich, wie er sein Leben organisiert und meistert. Er hat mir gezeigt, dass sich das Leben lohnt und man nicht in Selbstmitleid zerfließen sollte.
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Kapitel 1 Antonia Hellwig, Besitzerin eines der nobels‐ ten Cafés in der Stadt, betrat den festlich ge‐ schmückten Saal eines Penthouses, in der eine Spendengala stattfand. Ihre Freundin Jennifer Holz, Redakteurin einer renommierten Zeit‐ schrift, hatte sie zu der Spendengala eingela‐ den. Nun stand sie hier in einem langen, grü‐ nen und figurbetontem Kleid und hielt nach ihrer Freundin Ausschau. Es war Antonias erste Spendengala und sie wusste nicht, wie so etwas vorging. Jennifer hatte ihr zwar eini‐ ge Tipps gegeben, die sehr hilfreich waren, aber dennoch war Antonia nicht darauf vor‐ bereitet, was sie hier erwartete. Der Saal war voll mit Menschen, die sie bereits persönlich aus ihrem Café kannte, aber auch mit Men‐ schen, die sie nur im Fernsehen oder in Zeit‐ schriften gesehen hatte.
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Zwischen all diesen Menschen drängte sich Jennifer hindurch und winkte Antonia zu. „Da bist du ja endlich“, sagte sie und ergriff Antonias Hand. „Komm, ich stelle dir ein paar wichtige Leute vor. Die kannst du sicher da‐ von überzeugen, deine Kunden zu werden.“ Damit zog Jennifer Antonia mit sich durch die Menge. Drei Stunden lang wurde Antonia den unterschiedlichsten Menschen vorgestellt. Immer wieder wurde sie dasselbe gefragt und immer wieder sagte sie den Gesprächspart‐ nern dasselbe. Jeder der Gesprächspartner versprach ihr, sie einmal in ihrem Café zu be‐ suchen. Irgendwann hatte Antonia beschlossen, dass sie nun genug hatte und zog sich mit einem Glas Champagner auf dem Balkon, der an den Saal grenzte zurück. Sie sah über die Stadt, deren Lichter so hell strahlten wie die Lichter eines Weihnachtsbaumes. Es war bereits weit nach Mitternacht und Antonia begann, trotz der lauen Julinacht, zu frösteln. Inzwischen war sie seit zwanzig Stunden auf den Beinen 6
und hatte sich noch dazu überreden lassen fünfzigtausend Euro zu spenden. Sie merkte, wie ihr die Müdigkeit in die Glieder kroch, und beschloss nach Hause zu gehen. Als sie zurück in den Saal kam, stellte sie fest, dass sie nicht die einzige mit dieser Idee war. Der Saal war nur noch halb so voll, wodurch sie eine bessere Übersicht über die noch an‐ wesenden Personen hatte. Antonia ließ auf der Suche nach ihrer Freundin die Blicke durch den Saal schweifen. Weiter hinten stand ein Mann, der sie lächelnd ansah. Er war groß, schlank und trug einen schwarzen Smoking mit einem weißen Hemd und einer blauen Fliege. Das Haar hatte er nach hinten ge‐ kämmt, wodurch sein schmales Gesicht mit dem leicht eckigen Kinn und den dunklen Augen sehr gut zur Geltung kam. Antonia lächelte ihn an, woraufhin er sein Glas hob und ihr zuprostete, bevor er es an die Lippen setzte. Sie tat es ihm gleich und nippte ebenfalls an ihrem Glas, bevor sie es
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auf das Tablett stellte, dass ein Kellner gerade an ihr vorbei trug. Der Mann, der sie gerade noch angelächelt und ihr zugeprostet hatte, wandte sich ab und sprach mit einem anderen Mann, der direkt neben ihm stand. Seine linke Hand lag auf der Schulter des anderen Mannes. Dem anderen schien das zu gefallen, denn als er sich in Be‐ wegung setzte, blieb die Hand auf seiner Schulter liegen, wodurch er ihn mitzog. Antonia schüttelte den Kopf. Na prima, ent‐ weder entpuppen sich die Männer als Ekel oder sie bandeln mit ihrem eigenen Ge‐ schlecht an. Warum sind nur immer die hüb‐ schen Männer entweder vergeben oder schwul? Naserümpfend wandte sie sich ab und suchte nach Jennifer. Als sie ihre Freun‐ din entdeckte, ging sie, ohne einen weiteren Gedanken an die beiden Männer zu ver‐ schwenden, direkt auf sie zu. Jennifer verabschiedete sich von einem älte‐ ren Pärchen und wandte sich dann Antonia zu, die ihr sagte, dass sie gehen wolle. 8
„Du willst wirklich schon gehen?“, fragte Jennifer. „Ja, ich bin seit über zwanzig Stunden auf den Beinen und habe morgen einen wichtigen Termin mit einem Lieferanten. „Wir telefonieren?“ „Ja, natürlich“, antwortete Antonia, gab der Freundin je einen angedeuteten Kuss auf die Wangen und verließ den Saal. Sie ging direkt zum Fahrstuhl und ließ sich von dem Pagen nach unten fahren. Im Foyer ging sie direkt zum dort stehenden Concierge und bat ihn ein Taxi zu bestellen, was er sofort tat. Antonia sah durch die große gläserne Ein‐ gangstür, während sie auf das Taxi wartete. Auf der anderen Straßenseite machte sie ein Restaurant aus, dass nur wenig gefüllt war. Durch das große Fenster des Restaurants konnte sie die beiden Männer erkennen, die sie gerade noch im Saal gesehen hatte. Der zweite Mann ergriff gerade die Hand des Mannes, der ihr zugeprostet hatte und beide Männer unterhielten sich angeregt. 9
Angewidert drehte sich Antonia um. Der Concierge lächelte sie an und sie lächelte zu‐ rück, aber ihre Gedanken schweiften ab. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstel‐ len, wie es mit zwei Männern funktionieren sollte. „Ihr Taxi ist da“, riss der Concierge sie aus den Gedanken. Sie bedankte sich, ließ sich zum Taxi begleiten und nannte dem Fahrer ihre Adresse, nachdem sie sich hineingesetzt hatte. Der Taxifahrer drehte das Radio lauter in dem gerade ein bekanntes Lied spielte. Antonia hörte nicht hin. Ihre Gedanken schweiften wieder zu dem Mann ab, der ihr zugeprostet hatte. Ihr Herz setzte einen Schlag aus als sie sich sein Gesicht und sein Lächeln ins Gedächtnis rief. Dieser Mann hatte etwas Faszinierendes an sich.
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Kapitel 2 Mathias Schomberger hielt sein Glas Cham‐ pagner seit einer schier unendlichen Zeit in der Hand. Er mochte keinen Champagner, aber Klaus, sein jüngerer Bruder, hatte gesagt, dass es nichts anderes zu trinken geben wür‐ de. Um seinen Bruder nicht zu enttäuschen, hatte er sich das Glas in die Hand geben las‐ sen und nippte hin und wieder daran. Wenn ich doch nur sehen könnte, dann könnte ich mich selbst davon überzeugen, ob es wirklich nur Champagner gibt. Wenn Vater nicht dar‐ auf bestanden hätte, wäre ich gar nicht erst hier und müsste mir das antun. Warum muss er denn ausgerechnet jetzt in den Staaten sein? Mathias war bereits blind zur Welt gekom‐ men, was er aber durch ein ausgezeichnetes Gehör und einen ausgeprägten Geruchs‐ und Tastsinn wettmachte. Zudem besaß er, nach den Worten seines Vaters, mehr Verstand als 11
sein Bruder und musste deshalb neben seinen eigentlichen Aufgaben in der Firma auch sei‐ nen Vater vertreten, wenn dieser sich im Aus‐ land befand. Gegen seinen Willen musste Klaus Mathias zu allen Veranstaltungen be‐ gleiten und ihm die Augen ersetzen. Mathias war das schon seit Langem sehr unangenehm und Klaus seiner Frau gefiel es auch nicht. Ei‐ ne andere Möglichkeit gab es nicht und so musste Klaus immer wieder herhalten und seinen Bruder begleiten. Mathias war noch immer Single. Er hatte zwar bereits mit mehreren Frauen eine Bezie‐ hung begonnen, aber jede scheiterte früher oder später an Mathias‘ Blindheit. Jede Frau bescheinigte ihm ein guter Liebhaber zu sein, aber mehr konnten sie ihm nicht abgewinnen, weil sie sich in ihrer Selbständigkeit beein‐ flusst fühlte. Nur eine Frau wollte mehr von ihm, allerdings hatte in diesem Fall Mathias Schwierigkeiten. Er wusste nicht, warum, aber sie war, für ihn nicht die Richtige. So waren
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sie nur gute Freunde geblieben und er war weiter auf seinen Bruder Klaus angewiesen. Klaus stand auf dieser Spendengala entnervt und gelangweilt neben ihm und musste es zu‐ lassen, dass Mathias seine linke Hand auf sei‐ ne Schulter legte, um sich führen zu lassen. „Mir ist langweilig und es ist auch schon spät“, jammerte Klaus. Mathias lächelte und hob sein Glas an den Mund. Er hielt kurz inne und nippte dann an dem Champagner. „Dann lass uns von hier verschwinden und lieber noch irgendwo ein Gläschen Bourbon trinken. Ich muss den Ge‐ schmack des Champagners loswerden.“ „Gern“, antwortete Klaus erfreut und zog seinen Bruder mit sich, als er sich in Bewe‐ gung setzte. „Ich habe bei unserer Ankunft ein Restaurant auf der anderen Straßenseite gesehen. Dort können wir uns hinsetzen.“ „Sehr gut.“ Klaus setzte seinen Bruder an einen Tisch und bestellte zwei Gläser Bourbon. Beide lieb‐ ten die goldene Flüssigkeit. Als die Gläser ge‐ 13
bracht worden waren, nahm Klaus Mathias rechte Hand und legte sie um das Glas sodass Mathias es nicht verschütten konnte. Mathias trank einen Schluck und genoss das Brennen in seiner Kehle. „Ich hasse solche Veranstaltungen“, sagte er zu Klaus, der lä‐ chelte. „Ich auch, vor allem aber, weil ich dich stän‐ dig zu allem begleiten muss. Maria ist jedes Mal beleidigt.“ „Sie hätte ja mitkommen können.“ „Ja schon, aber du weißt doch, was sie dar‐ über denkt, wenn ich dich immer mitnehmen muss und wir keine Minute für uns allein ha‐ ben. Wir können uns so nicht vernünftig unter die Leute mischen.“ „Meinst du, dass es mir Spaß macht? Ich habe auch keine Lust ständig auf dich angewiesen zu sein. Ich könnte mir auch etwas anderes vorstellen. Leider gibt es keinen anderen als dich, der mich begleiten kann.“ „Es wird sich doch jemand für dich finden lassen, dass ich dich nicht immer am Hals ha‐ 14
be“, sagte Klaus in einem leicht aggressiven Tonfall, der Mathias sofort auffiel. „Du brauchst dich nicht gleich aufzuregen, Klaus, es ist nun mal nicht zu ändern. Die Frauen wollen sich eben nicht auf Dauer an einen blinden Mann binden, egal wie gut er im Bett ist. Ich bin eben allen nur ein Klotz am Bein. Das bin ich dann lieber meiner Familie als irgendeiner Frau, die ohnehin nur schnellstmöglich das Weite sucht, wenn es ihr zu viel wird. Dann kommt irgendeine Ausre‐ de und sie verschwindet auf Nimmerwieder‐ sehen. Da bleibe ich lieber Single für den Rest meines Lebens.“ Klaus schnaufte verächtlich und leerte sein Glas in einem Zug. „Trink aus!“, forderte er seinen Bruder auf. „Ich will nach Hause.“ Mathias seufzte und führte das Glas an die Lippen. „Ich werde mit Vater reden, dass er jemanden einstellt, der mir zur Seite steht.“ Damit leerte er sein Glas und stand auf. „Dann falle ich dir und deiner Frau nicht mehr zur Last.“ 15