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Der mutige Fahrgast war der Privatdetektiv Julian. Frey, 36, der mit seiner Lebensgefährtin Katharina. Fröhlich, 34, (beide ehemalige Kriminalhauptkom-.
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Dorothea puschmann

Zwickmühle

F REUN D SCHA F TS D I ENST Eigentlich wollten Katharina Fröhlich und Julian Frey ihrem stressigen Job als Sicherheitsfachleute und private Ermittler für ein paar Tage entfliehen und einen wohlverdienten Kurzurlaub am Ammersee einschieben, als sie von einer alten Bekannten aus Münster um Hilfe gebeten werden. Ihr Mann Helge – ein ehrgeiziger, gerissener und umtriebiger Anwalt – wurde offenbar gekidnappt und ist seinen brutalen Peinigern nun auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Aus freundschaftlicher Verbundenheit übernehmen Julian und Katharina den Fall. Dann verschwindet ein weiterer Mann. Doch Fröhlich und Frey sehen zunächst keinen Zusammenhang zwischen ihrem Auftrag und der Zeitungsnotiz, die über das Verschwinden des Münsterschen Bauamtsleiters berichtet … Dr. Dorothea Puschmann, Jahrgang 1956, arbeitete vor ihrem Studium der Religionswissenschaft mehrere Jahre in der Buchbranche. Zu ihren bisherigen Veröffentlichungen zählen überwiegend satirische Geschichten und Kurzkrimis für Erwachsene. Sie ist Herausgeberin des Magazins »criminalis«, eines Jahresmagazins für Krimi-Literaturfreunde, sowie Mitglied im SYNDIKAT, der »Autorengruppe deutschsprachige Kriminalliteratur«, und bei den »Mörderischen Schwestern«, der Vereinigung deutschsprachiger Krimiautorinnen. »Zwickmühle« ist ihr erster Kriminalroman.

dorothea puschmann

Zwickmühle

Original

Ein Münsterland-Krimi

Besuchen Sie uns im Internet: www.gmeiner-verlag.de © 2009 – Gmeiner-Verlag GmbH Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch Telefon 0 75 75/20 95-0 [email protected] Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2009 Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt Herstellung / Korrektorat: Katja Ernst / Susanne Tachlinski Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart unter Verwendung eines Fotos von Helmut Puschmann Druck: Fuldaer Verlagsanstalt, Fulda Printed in Germany ISBN 978-3-89977-811-3

Für Christina

Personen und Handlungen sind reine Erfindung der Autorin.

In der Täuschung lebt die Wahrheit fort und aus dem Nachbilde wird das Urbild wieder hergestellt werden. Friedrich Schiller

Prolog Ein Traum, der sie immer wieder heimsucht: Wie in Zeitlupe rennt sie, die Arme nach vorn ausgestreckt, den Mund zum Schrei weit geöffnet. Voller Verzweiflung versucht sie, ihr Kind zu erreichen, stürzt mehrfach, richtet sich immer wieder auf. Hört ihre kleine Tochter rufen, ›Mama‹, doch wie von unsichtbaren Fäden gezogen entfernt sich das Kind immer weiter von ihr, bis es schließlich von einer Nebelwand verschluckt wird. Sie sitzt in einem kleinen Laborraum auf einem harten Drehstuhl ohne Armlehnen. »Wir müssen noch schnell einen Bluttest machen«, erklärt ihr die Schwester. »Sie sind spät dran, Ihr Termin war bereits vor einer halben Stunde!« Vorwurfsvoll sieht sie die junge Frau aus den Augenwinkeln an, während sie hektisch hantiert. »Ich weiß«, gesteht diese. »Ich hatte plötzlich wieder große Bedenken, ob meine Entscheidung auch wirklich die richtige ist …« Die Schwester geht nicht weiter darauf ein, wahrscheinlich hört sie diesen oder ähnliche Sätze mehrfach täglich, seit vielen Jahren. »So, das mit dem Blut hätten wir. Ich bringe Sie jetzt schnell ins Behandlungszimmer, und in einer Stunde haben Sie dann alles hinter sich.« Im Raum, der kalt und kahl wirkt, soll sie sich unten herum ausziehen und auf den Stuhl legen. Ihre 9

Handgelenke werden in den Armschalen links und rechts fixiert. »Geht dann schneller«, murmelt die Schwester. »Mund auf«, sagt sie dann, »und Zunge nach oben, das Valium muss darunter zergehen. In etwa 20 Minuten wird der Arzt kommen. Zur Unterhaltung stelle ich Ihnen noch ein bisschen Musik an.« Eilig verlässt die Schwester das Zimmer und die junge Frau ist allein. Zittert vor Kälte. Gegenüber an der Tür hängt ein bodenlanger Spiegel. Sie kann sich darin sehen. Schnell wendet sie den Blick ab. Tränen rinnen über ihre Wangen. Aus einem Lautsprecher an der Wand ertönen jetzt deutsche Schnulzen. ›Schatzilein, du sollst nicht traurig sein‹. Sie würde gern aufstehen und in einem tiefen Bodenloch verschwinden. Einfach für immer verschwinden. Doch sie kann sich nicht bewegen, ist starr wegen der festgebundenen Arme, aber auch vor Kälte und Angst. Sie wünscht sich, das Valium möge endlich Wirkung zeigen. Die Tür fliegt auf, ein junger Mann in offenem, wehendem Arztkittel stürmt herein. Die Schwester, mit der sie bereits zu tun hatte, folgt ihm auf dem Fuß. Der Mann fragt die Patientin, ohne sie anzusehen: »Wie geht’s? Dann wollen wir gleich mal beginnen.« Eine Antwort wartet er nicht ab, ergreift eines der parat liegenden Instrumente, setzt sich auf den Hocker und macht sich zwischen ihren Beinen zu schaffen. »Aber das Valium, es hat doch noch gar nicht 10

gewirkt!«, will sie rufen, doch ihre Worte gehen unter in Geräuschen, die sie zunächst an das Kratzen ihres großen Katers an der Tür, wenig später an einen Staubsauger erinnern. Dann kommt der Schmerz. So entsetzlich, so bestialisch, als würde sich ein scharfes Messer in ihren Unterleib bohren. Verzweifelt bäumt sie sich immer wieder auf, versucht, im Stuhl hochzurutschen, um dem entsetzlichen Zugriff ihres Peinigers zu entkommen. Die Schwester drückt sie hinunter auf den Stuhl, hält sie fest wie mit Eisenklammern. Dann kann sie die Schmerzen nicht mehr ertragen und schreit los. Schreit, bis sie einen Lappen zwischen die Zähne gesteckt bekommt wie einen Knebel und das Gefühl hat, gleich ersticken zu müssen. Die Schwester schaut sie prüfend an: »Geht’s jetzt? Kann ich loslassen?« Die junge Frau nickt, rollt angstvoll mit den Augen. Der Schweiß läuft ihr in Strömen übers Gesicht. Der Arzt murmelt: »Bin gleich fertig, gleich ist es für Sie vorüber!« Sie will sich etwas entspannen. Plötzlich beginnt ihr Bauch sich aufzublähen. Die Schmerzen, die jetzt jede Faser ihres Körpers zu erfassen scheinen, sind unbeschreiblich. Die junge Frau schreit auf, dass es weithin zu hören sein muss. Ruft nach ihrer Mutter, die schon seit vielen Jahren tot ist, wimmert, betet. Verliert schließlich beinahe das Bewusstsein. Nach einer ihr endlos erscheinenden Zeit lassen 11

die qualvollen Schmerzen nach, ihr Bauch findet allmählich wieder zur Normalgröße zurück. »Sie können jetzt aufstehen und sich wieder anziehen«, sagt die Schwester. Der Arzt hat das Zimmer bereits verlassen. Er hat sie nicht begrüßt, sich ihr nicht vorgestellt, sich nicht von ihr verabschiedet. »Wie bitte?«, fragt sie benommen. »Was haben Sie gesagt?« »Ich habe gefragt, ob Sie sich noch eine Weile hinlegen möchten oder lieber ins Wartezimmer zurückwollen?« Die junge Frau versucht, einen klaren Gedanken zu fassen, entscheidet sich für das Wartezimmer. Dort wartet ein Freund, der sie begleitet hat. Niemand anderen hätte sie bitten können, mit ihr zu kommen. Auf Beinen wie aus Wackelpudding wankt sie zurück. Verläuft sich immer wieder, muss zwischendurch pausieren, bricht vor Schwäche auf dem Flur fast zusammen. Irgendeine Besucherin hat schließlich Mitleid, stützt sie und bringt sie zurück ins Wartezimmer. Die Zeit heilt alle Wunden? Nein, das vermag sie nicht. Sie kann manchmal dafür sorgen, dass das vernarbte Gewebe nicht ganz so heftig schmerzt. Sie kann erreichen, dass wir für eine kurze Zeit eine Art Betäubung oder Narkose erfahren, das ist aber auch alles. Und selbst in diesem entspannteren Zustand ist das Erlebte nicht gänzlich ausgeschaltet, sondern schleicht beharrlich durch den Nebel der Erinnerungen. 12

1 ›Münchner Morgen‹ Schmuck- und Diamanten-Raub in allerletzter Minute verhindert!

›Überaus mutiger Fahrgast stellte fliehenden Dieb und verhinderte, dass der mit einer Beute im Wert von mehreren Millionen Euro entkommen konnte. Der Juwelier, der im Intercity Hamburg-München von einem Dieb erst brutal zusammengeschlagen und dann gefesselt worden war, befindet sich inzwischen auf dem Weg der Besserung. Den Mitreisenden, der beherzt die Verfolgung des aus dem Zug geflohenen Diebes aufgenommen hatte, erwartet eine attraktive Belohnung! Der mutige Fahrgast war der Privatdetektiv Julian Frey, 36, der mit seiner Lebensgefährtin Katharina Fröhlich, 34, (beide ehemalige Kriminalhauptkommissare) im Zug zu einer Tagung nach München unterwegs war, als es plötzlich während der Fahrt erst zu dem Überfall und dann zu einer turbulenten Verfolgungsjagd kam. Julian Frey und Katharina Fröhlich führen gemeinsam die angesehene Detektei Fröhlich & Frey in Münster/Westfalen. Zusätzlich beraten sie Firmen und Geschäfte, wie sie ihre Gebäude und Anlagen möglichst einbruchsicher ausrüsten können. 13

Frey war früher beim Raub- und Einbruchsdezernat, Fröhlich in der Abteilung für Wirtschaftskriminalität. Im Anschluss an die Tagung haben die beiden vor, einen Kurzurlaub anzuhängen, den sie in der Umgebung von München verbringen wollen.‹ Julian legt die Zeitung zur Seite, lächelt mich verschmitzt an. »Abgesehen von dieser fantastischen Werbung für uns und unsere Detektei, auch abgesehen davon, dass sich die Berichterstattung in einigen Punkten nicht ganz an die Fakten gehalten hat – wie fandest du mich?« Inzwischen halten wir uns in einer kleinen, gemütlichen Ferienanlage am Ammersee auf und genießen auf unserer Terrasse mit Seeblick die Morgensonne und ein fürstliches Frühstück. Die Geschehnisse des letzten Tages kann ich immer noch nicht fassen. Es ging alles so schnell im Zug. Diese blutüberströmte Menschenattrappe auf der Toilette, auf die wir alle hereingefallen waren, und die wirklich nur zur Ablenkung der Mitreisenden dienen sollte. Ein Komplize des Täters hatte sie dort unbemerkt vor Abfahrt des Zuges deponiert. Dann die wilde Verfolgungsjagd, die der Dieb und ich uns im Zug lieferten. Und plötzlich wurde die Notbremse gezogen. Infolge dieses abrupten Bremsvorgangs wurde ich mit dem Kopf voran und mit voller Wucht gegen einen metallenen Türgriff geschleudert. Und schließlich Julian, den ich noch in Müns14