Unterrichtsprinzipien und fachdidaktische Ar

neuen Herausforderungen, Bonn 2005, 22). „Manche Gehalte der Glaubenstradition, aber auch manche Erfahrungen, Fragen und Sehnsüchte der Schüle-.
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DER BLICK AUF DAS WESENTLICHE: Unterrichtsprinzipien und fachdidaktische Arbeitsweisen im Religionsunterricht

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Religionspädagogik von den großen didaktischen Konzepten verabschiedet, denn eine Unterrichtsplanung, die für jeden Unterricht einer jeden Lehrkraft vor welchen Schüler/-innen auch immer zielführend und hilfreich sein soll, gibt es nicht. Durch das grobe und weitmaschige Raster dieser Modelle fällt allzu leicht das einzelne Kind, der Jugendlichen mit seiner spezifischen Weltsicht und seinen entwicklungspsychologischen Fähigkeiten und Bedürfnissen. Heute dienen Unterrichtsprinzipien als Werkzeuge, mit deren Hilfe sich Lernen in der jeweiligen konkreten Lernumgebung gestalten lässt. Diese Richtlinien stellen allgemeine Grundsätze der organisatorisch-methodischen Gestaltung des Unterrichts dar.1

Subjektorientierung Subjektorientiert unterrichten meint: die Bedeutung eines Themas für sich selbst und die Schüler/-innen zu erschließen und davon ausgehend einen Lernprozess gestalten, der vom Schüler her, mit dem Schüler zusammen und auf den Schüler hin geplant und gestaltet ist. Leitfragen sind: Welche Bedeutung hat ein Thema für mich selbst und meine Schüler/-innen? Worin liegt die Lebensrelevanz des Inhalts? Wo können Kinder und Jugendliche Vertrautes und Fremdes entdecken? Welche Anstöße erhalten sie für den je eigenen Entwicklungsprozess? Beispiele: Die bildhafte Sprache in den Psalmen eröffnet die Möglichkeit, eigene (manchmal unaussprechliche) Erfahrungen ins Wort zu bringen: manchmal bin ich auch in der familiären Umgebung ein „zerbrochenes Gefäß“ oder finde die eigene Freude in einem Psalmvers wieder. In einer Stunde zum ethischen Lernen wird eine Dilemmageschichte aus der Lebenswelt der Schüler/-innen gewählt, so dass das Kind bzw. der Jugendliche verschiedene Handlungsoptionen durchdringen und zu einer begründeten Entscheidung gelangen kann.

Der Religionsunterricht will „die Schülerinnen und Schüler befähigen, das religiöse Grundwissen in Bezug zu den Fragen und Herausforderungen des persönlichen und gesellschaftlichen Lebens zu setzen.“ (Die deutschen Bischöfe, Der Religionsunterricht vor neuen Herausforderungen, Bonn 2005, 21)

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Wo es gelingt, an bestehende Erfahrungen der Schüler/-innen anzuknüpfen – sei es im Sinne einer Erinnerung oder Bestärkung, sei es im herausfordernden Sinn, der alte Deutungen in Frage stellt –, erfährt der Lerninhalt eine große Resonanz. Eine solche Erfahrungsorientierung ergibt sich oft aus der Einbettung des Lerninhalts in eine lebensrelevante Situation, die durch Erzählung oder Medieneinsatz an Nähe gewinnt. Der Versuch, den Erfahrungsbezug durch eine eigene, abgetrennte Phase der Aktualisierung ans Stundenende zu setzen, ist häufig problematisch, da es zu einem Bruch innerhalb der Stunde kommt (damals – heute) und geschönte Antworten eines „Religionsstunden-Ich“ evoziert werden. Echtheit, Authentizität ist jedoch im Umgang mit religiösen Fragestellungen unabdingbar, damit deren Inhalte auch lebensrelevant und handlungsbestimmend werden können.

Vgl. Wiater, Werner, Unterrichtsprinzipien, Donauwörth 2001

erarbeitet von Dagmar Cuffari, SR i. K. Nur für den internen Gebrauch!

Gehalts- und Zielorientierung Gehaltsorientiert unterrichten meint: ins Zentrum stellen, was der Lerninhalt für den Schüler/die Schülerin jetzt und später bedeutet. Lernen ist deshalb mehr, als inhaltliche Eckpunkte und Abläufe zu kennen, es heißt, die Relevanz eines Inhaltes für das eigene Leben, eine Gemeinschaft oder Gesellschaft zu begreifen.

„Zu bedenken ist (…) der Zeithorizont schulischer Bildung. Nicht alle Aspekte des Glaubens können Schülerinnen und Schüler während ihrer Schulzeit schon in dieser Bedeutsamkeit erkennen. Manche Aspekte erschließen sich in ihrer tieferen Bedeutung erst im späteren Leben mit seinen phasenspezifischen Erfahrungen und Fragen.“ (Die deutschen Bischöfe, Der Religionsunterricht vor neuen Herausforderungen, Bonn 2005, 22)

Beispiele:

Leitfragen sind2: Was können die Schüler/-innen mit dem Gelernten heute und in der Welt, in der die sie hineinwachsen, anfangen? Worin besteht die „größere Wahrheit“, die dem Kind oder Jugendlichen zugemutet wird? Steht dieser bedeutsame Grundgedanke im Mittelpunkt, ist er Drehund Angelpunkt der Einheit? Ist der Grundgedanke mit der Intention identisch, die der Stunde zugrunde liegt?

Martin Luther bewegt die Frage nach dem gnädigen Gott. Über die zeitgeschichtliche Einordnung, den Abriss seiner Lebensgeschichte hinaus lohnt es sich, der Verstrickung des Reformators in Schuld und Angst nachzugehen und den theologischen Initialgedanken zu durchdringen. Die erste Schöpfungserzählung stellt nicht die Abfolge der Tage mit genauen Inhalten ins Zentrum, sondern spricht von einem Gott, der sich an seinem Geschaffenen freut und uns bis heute in die Pflicht nimmt, die gute Schöpfung zu bewahren.

Die Ausrichtung auf den Gehalt scheint in der konzeptionellen und strukturellen Planung der Stunde auf: im Zentrum steht die Erarbeitung und Erschließung eben jener lebensrelevanten Grundidee, deren Brisanz die Stunde einleitet. Die Klarheit in der Struktur der Stunde und in der Impulssetzung korrespondiert daher häufig mit der Klarheit der Gehalts- und Zielorientierung.

Emotionale und kognitive Aktivierung Aktivierend unterrichten meint: die kognitiven Voraussetzungen der Schüler/-innen berücksichtigen, um Lerngelegenheiten anspruchsvoll zu gestalten und Lernzeit gewinnbringend zu nutzen.3 Indem die Lehrkraft herausfordernde

„Manche Gehalte der Glaubenstradition, aber auch manche Erfahrungen, Fragen und Sehnsüchte der Schülerinnen und Schüler können erst nach längerer konzentrierter Arbeit, die die intellektuelle Anstrengungsbereitschaft und die religiöse Urteilskraft der Schülerinnen und Schüler fordert und fördert, erschlossen werden.“ (Die deutschen Bischöfe, Der Religionsunterricht vor neuen Herausforderungen, Bonn 2005, 21)

2 vgl. Klafki, Wolfgang, Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik, Basel/Weinheim, 2. Aufl. 1991, S. 270 ff. 3 Vgl. Pirner, Manfred, Kognitive Aktivierung als Merkmal eines guten Religionsunterrichtes, in: Theo-web. Zeitschrift für Religionspädagogik 12 (2013/2), 229

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Leitfragen sind: Spiegeln die Intentionen der Stunde wider, dass die Schüler/-innen beim Lernen kognitiv und/oder affektiv herausgefordert sind? Erfolgt eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Lerninhalt? Wird das Verhältnis von Instruktion und selbstständiger Konstruktion den Intentionen gerecht (oder gibt es einen Überhang von Instruktion durch Lehrkraft oder Medien)? Welche Arbeitsformen in der Stunde ermöglichen ein selbstständiges Lernen? Haben die Schüler/-innen die Möglichkeit, eigene Gedanken und Ideen in den Unterricht einzubringen und welche Impulse gibt die Lehrkraft, um mit ihnen gezielt und gewinnbringend weiterzuarbeiten? Mit welchen Methoden können Kinder und Jugendliche emotional berührt werden und welche Ausdrucksformen stehen ihnen zur Verfügung?

Beispiele: Ausdrucksstarke Portraits, evtl. unterstützt durch emotionalisierende Musik, eröffnen zu Beginn einer Fallgeschichte eine Gesprächsrunde. Im Laufe der Einheit erkennen die Schüler/-innen die Veränderungen im Fühlen und Denken der Person und bringen dies in verschiedenen Formen zum Ausdruck. Im Anschluss an die Präsentation von Bibelperikopen werden die Kinder und Jugendlichen ermutigt, eigene (auch „unfromme“) Fragen und Gedanken zu äußern. Sie fassen die Aspekte zusammen, die ihnen selbst wichtig sind und drücken aus, welche neuen Perspektiven sich für sie durch den neuen Inhalt für das Lernvorhaben in der Sequenz ergeben. Im Sinne eines vernetzenden Lernens finden die Schüler/-innen Verbindungen zu anderen Inhalten, z. B. zu bereits bekannten Perikopen. Generelle Merksätze verfehlen das Anliegen eines modernen Religionsunterrichtes. Wenn es zu einer kognitiven und/oder emotionalen Aktivierung gekommen ist, ergibt sich ein deutlicher Lernzuwachs: die Schüler/-innen haben einen neuen Inhalt erfasst und können ihn mit eigenen Worten wiedergeben, sie haben neue Fähigkeiten oder Fertigkeiten erworben oder bereits vorhandene Kompetenzen, beispielsweise ihre Empathiefähigkeit, erweitert. In Sicherungsphasen und in erster Linie in der Reflexion zum Abschluss der Stunde wird er den Kindern und Jugendlichen auch selbst bewusst. Nachhaltiges Lernen basiert dabei v. a. auf einer vertikalen und horizontalen Vernetzung von Wissen und Fertigkeiten4: den Schüler/-innen werden übergreifende Zusammenhänge deutlich, indem sie erkennen, wie einzelne Wissensfelder und Fähigkeiten aufeinander aufbauen, und indem sie bereits erworbene Kompetenzen in anderen Kontexten anwenden.

„Die einzelnen Unterrichtsthemen und Unterrichtsinhalte dürfen im Religionsunterricht (…) nicht unverbunden nebeneinander stehen. Notwendig ist vielmehr eine didaktische Strukturierung der Inhalte, die im Sinne des aufbauenden Lernens für Schülerinnen und Schüler nachvollziehbare Lernfortschritte und damit motivierende Lernerfolge ermöglicht.“ (Die deutschen Bischöfe, Der Religionsunterricht vor neuen Herausforderungen, Bonn 2005, 20)

4 Vgl. Feindt, Andreas u.a., Kompetenzorientierung im Religionsunterricht. Befunde und Perspektiven, Münster 2009,14

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Rhythmisierung Den Unterricht rhythmisierend gestalten meint: ihn durch methodische und zeitliche Wechsel so strukturieren, dass er der Aufnahmefähigkeit der Schüler/-innen, ihrem Lern- und Leistungsvermögen gerecht wird und so Lernen erleichtert. Leitfragen sind:

Wie lange können sich die Schüler/-innen auf einen Gegenstand, eine Aufgabe konzentrieren? Werden besondere Umstände berücksichtigt (Anfang oder Ende des Schultages …)? Gibt es in der Einheit einen angemessenen Wechsel von Konzentration und Entspannung, von gelenktem und selbstständigem Arbeiten, von reproduktiven und produktiven Prozessen, von individueller Auseinandersetzung und Austausch in der Gruppe …?

„Es muss deutlich zwischen pädagogischen Ritualen, die die Unterrichtsstunde, den Schultag und das Schuljahr strukturieren, der didaktischen Erschließung religiöser Praxis im Unterricht und authentischen liturgischen Handlungen und Gebeten unterschieden werden. Gebet und Liturgie dürfen nicht zu pädagogischen Zwecken instrumentalisiert werden.“ Bei Letzteren muss darum die Freiwilligkeit gewahrt bleiben. (Die deutschen Bischöfe, Der Religionsunterricht vor neuen Herausforderungen, Bonn 2005, 25f)

Während man beim Wechsel von Arbeits-, Sozial- und Anforderungsformen in einer Unterrichtsstunde von „Binnendifferenzierung“ spricht, nimmt die „äußere Differenzierung“ den ganzen Schultag oder die Woche in den Blick. Hier entfalten Rituale eine besondere Wirkung: ein Anfangsritual in der Religionsstunde unterbricht den Schulalltag; es hebt den Stellenwert jedes Einzelnen in diesem Fach eigens hervor und macht deutlich, dass Gott und Religion mehr als ein Lerngegenstand ist. Im Hinblick auf die Planung und Gestaltung der Stunde wird darum Ritualisierung ein wichtiger Teil des rhythmisierten Unterrichtes sein: neben ein Eingangsritual treten andere feste Formen, die den Schüler/-innen Sicherheit und Rhythmus geben: für die Einführung der Bibel, die Gesprächsführung oder für stille Zeiten, in denen jeder Schüler/jede Schülerin den eigenen Gedanken nachspüren kann …

Differenzierung/Individualisierung Nach dem „Prinzip der optimalen Passung“ unterrichten meint: das Lernarrangement zu einem bestimmten Inhalt aufbauend auf den Erkenntnissen zur Heterogenität der Schüler/-innen einer Lerngruppe in unterschiedlicher Weise gestalten.5 Leitfragen sind: Mit welchen Vorerfahrungen begegnen die Schüler/-innen Religionsunterricht, Religion, Kirche, Spiritualität, dem aktuellen Thema …? Ist es im Hinblick auf meine Stundenintention nötig/sinnvoll, qualitativ, quantitativ oder methodisch zu differenzieren?  Gehalt vor Methode Werden differenzierte bzw. individualisierte Lernwege, Materialien und Hilfen angeboten, die entwicklungsangemessen sind? Finden Schüler/-innen mit geringerem und höherem Leistungsniveau als der Durchschnitt Frage- und Aufgabenstellungen mit unterschiedlichem Ausmaß und Schwierigkeitsgrad? Auf welchem Niveau bewegt sich die Stunde insgesamt? Beispiele: Das Thema „Leid und Tod“ wird in einer Klasse mit einer Schülerin thematisiert, deren Vater verstorben ist.

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Vgl. Glöckel, Hans, Vom Unterricht, Bad Heilbrunn 2003, 87ff

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