Totalprothetik: Basisversorgung, wichtige Grundlage

Anfertigung eines Face-Scans bereits im Labor auf ihre Funktionalität und Ausrichtung in Bezug auf Patientenebenen und Gesichtsform überprüft werden.
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S TAT E M E N T V O N D E R H O C H S C H U L E

Totalprothetik: Basisversorgung, wichtige Grundlage und große Herausforderung von PD Dr. Jan-Frederik Güth, München

Langfristig lässt sich ein klarer Trend in Richtung festsitzenden und kombiniert festsitzend/herausnehmbaren Zahnersatz beobachten. Gründe hierfür sind sicherlich in den immer effektiver greifenden Prophylaxe-Anstrengungen und den wachsenden Ansprüchen unserer Patienten zu sehen. Auch wenn wir unsere eigenen Zähne zunehmend länger behalten, ist aktuell die Versorgung zahnloser Patienten noch immer zahnmedizinischer Alltag in den Praxen und Kliniken. Hierbei nimmt die Totalprothetik eine entscheidende Rolle ein: Sie ist zum einen Basisversorgungsform, zum anderen Grundlage für alle aufwendigen, implantatgestützten Versorgungen wie beispielsweise Teleskopprothesen, Stegversorgungen, oder All-on 4-­beziehungsweise All-on-6-Versorgungskonzepten. Hier dient sie zur Austestung funktioneller, ästhetischer und phonetischer Gesichtspunkte und wird als Planungsgrundlage für die Implantatpositionierung verwendet. Nach wie vor stellt deshalb die Totalprothetik in der studentischen Ausbildung an der Hochschule einen wichtigen Baustein dar. Auch wenn sich die Herstellungsweise aktuell verändert, sind grundlegende Prinzipien der Behandlung nach wie vor gültig und müssen von den zukünftigen Behandlern beherrscht werden. Somit stellt die Totalprothetik eine der wichtigsten Grundlagen und ebenso eine der größten Herausforderungen im Bereich der zahnärztlichen Prothetik dar. Der Weg hin zur digitalen Totalprothetik ist sowohl gekennzeichnet durch die Veränderung der Herstellungsverfahren selbst, als auch durch eine Effizienzsteigerung im klinischen Arbeitsablauf durch die Reduzierung von Behandlungssitzungen. Beispielsweise können mithilfe spezieller Verfahren und Ausrüstung die Abformung und die Kieferrelationsbestimmung in einer Sitzung stattfinden. Auch für das Labor bietet die digitale Herstellung einer Totalprothese wesentliche Vorteile: Zunächst entfällt das aufwendige manuelle Aufstellen der Prothesenzähne. Zudem kann die Aufstellung durch die Anfertigung eines Face-Scans bereits im Labor auf ihre Funktionalität und Ausrichtung in Bezug auf Patientenebenen und Gesichtsform

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überprüft werden. Anschließend kann die Prothesenbasis oder die gesamte Prothese aus einem hoch inerten, homogenen Hochleistungspolymer subtraktiv gefertigt werden, was Polymerisationsschrumpfungen vermeidet und somit die Passgenauigkeit erhöht. Gerade diese hohe Materialqualität muss als Vergleichswert dienen, wenn die additive Prothesenfertigung im 3D-Druckverfahren bewertet werden soll. Zwar bieten einige wenige Anbieter weltweit 3D-gedruckte Prothesen an und es existieren additive Werkstoffe der Medizinproduktklasse 2A, jedoch fehlen derzeit unabhängige wissenschaftlichen Ergebnisse bezüglich der Plaqueaffinität und Langzeitstabilität dieser Werkstoffe, um die Biokompatibilität besser einschätzen zu können. Gemein ist beiden Herstellungsprozessen allerdings die schnelle, unkomplizierte Reproduzierung einer eventuell abhandengekommenen oder beschädigten Prothese, ebenso wie die Verwendung der CAD-Daten für das weitere Backward-Planning. Durch die weitere Verknüpfung digitaler Einzeltechnologien insbesondere im Bereich Funktion wird sich in Zukunft ein enormes Potenzial für die digitale Herstellung von herausnehmbarem Zahnersatz ergeben. Eine digitale – sprich optische – Funktionsabformung ist allerdings aufgrund der notwendigen Schleimhautverdrängung aktuell schwer vorstellbar. Allerdings gelten nach wie vor die prothetischen Grundlagen in Labor und Praxis. Zahnarzt und Zahntechniker fungieren als Kontrollinstanz, auch wenn sich das Handwerkszeug hierzu verändert beziehungsweise verbessert. PD Dr. Jan-Frederik Güth Leitender Oberarzt Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik Klinikum der Universität München [email protected]