Sukkubus - 9-Leseprobe - AAVAA Verlag

AAVAA Verlag, Hohen Neuendorf, bei Berlin .... gust 2012. Dr. Kirk Standish betrat die Detektei Tyler &. Roscoe und ... wohl er schon einmal mit der Detektei, ge-.
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Mara Laue

SUKKUBUS Classic

Sams Entscheidung Band 9

Roman

LESEPROBE

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© 2015 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2015 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Cover: Michael Sagenhorn, Phantastikgestalter Ersterscheinung: Die Urfassung des vorliegenden Werkes erschien 2012 im Online-Magazin „Geisterspiegel“: www.geisterspiegel.de Printed in Germany

AAVAA print+design Taschenbuch: Großdruck: eBook epub: eBook PDF: Sonderdruck:

ISBN 978-3-8459-1780-1 ISBN 978-3-8459-1781-8 ISBN 978-3-8459-1782-5 ISBN 978-3-8459-1783-2 Mini-Buch ohne ISBN

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Anmerkung der Autorin: Alle Handlungen und Personen sind fiktiv. Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen und Ereignissen wären Zufall. Alle im Roman genannten Orte sind dagegen authentisch, ebenso erwähnte Restaurants und die Gerichte, die dort serviert werden. Sofern es sich um die Adressen von nichtöffentlichen Gebäuden handelt, wurden jedoch die Hausnummern aus rechtlichen Gründen frei erfunden. Das gilt auch für das Lotos Institut und das Gelände, auf dem es steht. Das gehört zum Sloan Lake Park und ist real zur Bebauung nicht freigegeben. Authentisch sind auch alle verwendeten fremdsprachlichen Ausdrücke und Sätze. Wo Bezug auf mythologische Wesen und Gegebenheiten genommen wird, sind auch diese Beschreibungen authentisch. Lediglich die 4

Welt der Dämonen, ihre Hierarchie und Lebensweise sind fiktiv. Eine Tabelle für die Umrechnung der amerikanischen Maßeinheiten aufs metrische Maß befindet sich im Anhang.

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In diesem Roman:

Die Zeit der Großen Entscheidung ist gekommen, bei der am 13. November 2012 das Schicksal der drei Welten Himmel, Erde und Unterwelt für die nächsten 999 Jahre festgelegt wird. Und sowohl die Mächte des Lichts wie auch die der Finsternis haben denselben Champion gewählt, der – noch völlig ahnungslos – ihre Interessen vertreten soll: die Sukkubus-Dämonin Tai’Samala, die als Samantha Tyler unter den Menschen lebt. Mit allen Mitteln versuchen nun Luzifer wie auch die Wächter der magischen Gemeinschaft, Sam auf ihre Seite zu ziehen. Denn Sams Entscheidung für die Dämonen oder für das Licht wird den Ausschlag geben, ob der 6

rituelle Kampf, den sie zu bestehen hat, den drei Welten Chaos und Krieg oder Frieden und Ordnung bringt – und ob Sam am Ende das Geheimnis ihrer wahren Herkunft offenbart wird.

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1. DAZWISCHEN „Die Große Entscheidung ist nahe.“ Die in silbernes Licht getauchte Gestalt, deren Konturen denen eines Menschen ähnelten, deutete auf drei Knoten im Geflecht der in verschiedenen Farben leuchtenden Zeitstränge, die als ein kompliziertes und endloses Geflecht weit verzweigt über ihnen und um sie herum schwebten. Einer der Knoten war dunkel und sog wie ein Schwarzes Loch das Licht aus den Strängen, die in ihn hineinflossen. Die aus ihm austraten und sich wie ein Netz aus Finsternis ausbreiteten, schienen das Licht aus allen Strängen zu saugen, die sie berührten oder denen sie nahekamen. Sehr viele von ihnen brachen abrupt ab – ein Zeichen ihres gewaltsamen Endes. Die, die übrig blieben, wurden dicker und verbreiteten noch mehr Finsternis. Der zweite Knoten strahlte in reinem Licht. Ebenso strahlend waren auch die aus ihm austretenden Stränge. Bis zu einem gewissen Grad. Da8

nach brachen viele von ihnen ab, wenn auch nicht ganz so viele wie bei den schwarzen Linien. Die übrig blieben, verstrickten sich in ein Geflecht von schwarzen Strängen, die immer zahlreicher wurden, ehe die Lichtfäden in weiter Ferne endlich den Sieg errangen und die Finsternis zurückdrängten. Der dritte Knoten war so klein und unscheinbar, dass er in dem endlosen Gewirr der Zeitstränge fast verschwand. Grau und nicht größer als ein Staubkorn. Noch erstaunlicher war, dass er überhaupt existierte. „Ihr habt Recht“, bestätigte das schattenhafte Pendant der Lichtgestalt dessen unausgesprochene Gedanken. „Wir sehen hier ein Wunder, das es noch nie gegeben hat, seit die Großen Entscheidungen beschlossen wurden.“ Das Licht wurde etwas dunkler; ein Zeichen von Betrübnis. „Bewundern wir es, solange es existiert, denn es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass es in der Zukunft noch einmal auftaucht. So weit wir sehen können, wird es einmalig bleiben.“ Da die beiden Beobachter das buchstäblich endlose Geflecht der Zeitstränge bis mehrere Jahrtausende 9

in der Zukunft sehen konnten, das alle Geschicke der drei Welten zeigte, mochte das stimmen. Denn nur ein einziger, dünner Strang führte zu dem grauen Knoten. Dafür führten sehr viele aus ihm heraus, von denen nur wenige abrupt abbrachen, weil die Wesen – Menschen, Dämonen, Lichtgeschöpfe und Anderswesen –, um deren Lebensfäden es sich handelte, nicht unzeitgemäß starben. Dieser winzige Knoten bedeutete für die Zukunft der drei Welten das Beste, was hinsichtlich der Großen Entscheidung geschehen könnte. „Wir sollten wieder einmal eine Wette abschließen“, schlug der Schatten mit einem Hauch von Boshaftigkeit vor. „Wird das kleine Knötchen sich durchsetzen oder für immer verschwinden?“ Die Lichtgestalt betrachtete die drei Knoten. Der schwarze war der Größte. Somit war am wahrscheinlichsten, dass die Große Entscheidung zu seinen Gunsten ausfiel. Der Lichtknoten war nur halb so groß. Der graue Winzling hatte gegen sie keine echte Chance.

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„Nein, wir wetten diesmal nicht mit euch“, entschied die Lichtgestalt. „Wir warten Tai’Samalas Entscheidung ab.“

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2. 2311 Chester Avenue, Cleveland, Ohio – 22. August 2012 Dr. Kirk Standish betrat die Detektei Tyler & Roscoe und blickte sich aufmerksam um. Obwohl er schon einmal mit der Detektei, genauer gesagt mit der Inhaberin, Samantha Tyler, zu tun gehabt hatte, war er noch nie hier gewesen. Bereits der Empfangsraum strahlte Professionalität aus. Die Trennwand zum Foyer des Gebäudes, das sich die Detektei mit anderen Firmen teilte, bestand ab einer vier Fuß hohen Brüstung in der gesamten Länge des dahinterliegenden Raums aus Glas, das einen ungehinderten Blick in den Empfangsraum gestattete. Gegenüber der Glastür mit den aufgedruckten Goldlettern stand der Schreibtisch der Empfangsdame, die ein aufgestelltes Namensschild als Molly Spring auswies. Im spitzen Winkel zu ihrem Tisch, direkt unterhalb der 12

Glaswand, standen drei weitere bogenförmige Schreibtische von Mitarbeitern, von denen nur einer anwesend war, ein älterer Mann Mitte sechzig, der auf seinem Tisch Ordnung schuf. Er nickte Kirk freundlich zu. Vor einem Paravent halbkreisförmig angeordnete, bis zur Decke wachsende Pflanzen mit dichtem Blätterwerk trennten den Wartebereich für die Klienten vom übrigen Raum ab und verhinderten, dass Passanten aus dem Foyer oder Besucher im Vorraum sehen konnten, wer dort saß. Und an jedem Schreibtisch angebrachte Sichtblenden, verhinderten, dass man im Vorbeigehen erkennen konnte, was einer der Mitarbeiter an seinem Computer tippte oder welche Dokumente er auf dem Tisch liegen hatte. Kirk trat an den Empfangstisch. Molly Spring blickte ihn lächelnd an. Ihr Lächeln, obwohl professionell, ließ ihm warm ums Herz werden. Schließlich war die brünette junge Frau mit den tiefblauen Augen ausgesprochen hübsch. 13

„Guten Tag, Dr. Standish. Wir freuen uns, wieder einmal für Sie arbeiten zu dürfen.“ Sie deutete auf die offene Verbindungstür, die zum Besprechungszimmer führte. „Miss Tyler erwartet Sie. Kaffee, Tee, ein anderes Getränk?“ „Kaffee wäre nett. Wenn Sie einen Espresso hätten?“ „Haben wir.“ Molly Spring geleitete ihn zur Tür zum Allerheiligsten. „Dr. Standish, Ma’am.“ Sam Tyler war noch genauso atemberaubend schön, wie er sie in Erinnerung hatte, obwohl sie ihr schwarzes Haar beinahe militärisch kurz trug. Doch gerade das betonte die feinen Züge ihres Gesichts, die denen einer klassischen griechischen Statue ähnelten. Und ihre schlanke Figur mit den wohlgeformten Brüsten ließen ihn nicht zum ersten Mal von Aktivitäten mit ihr träumen, die definitiv nicht zum Angebot seriöser Privatermittlerinnen gehörten. 14

Sie reichte ihm lächelnd die Hand. „Willkommen, Dr. Standish. Bitte, nehmen Sie Platz.“ Sie deutete auf die drei Sessel, die vor ihrem Schreibtisch und einem zweiten standen, der sich im rechten Winkel an ihren anschloss und wohl ihrem Partner oder ihrer Partnerin Roscoe gehörte. Kirk setzte sich. Auch dieser Raum war professionell und ansprechend eingerichtet. Schreibtische in Echtholz, modernste Computer und Telefonanlagen, ein runder Konferenztisch, ebenfalls aus Holz, in einer Ecke umgeben von sieben Stühlen, geschmackvolle Gemälde an den Wänden. Auch hier waren große Stehpflanzen verteilt, die eine angenehme Atmosphäre schufen. An der schmalen Wand zwischen den beiden Fenstern hinter Sam Tylers Schreibtisch hing eine gerahmte Kinderzeichnung, die eine glückliche Familie im Sonnenschein unter Palmen am Meer darstellte. „Sie haben Kinder?“ Das klang verblüffter, als Kirk es hatte sagen wollen. Er konnte sich 15

die taffe Ermittlerin, die er mit eigenen Augen ganz allein eine fünfköpfige Jugendbande hatte zusammenschlagen sehen, nicht als Mutter vorstellen. Sie lächelte. „Ja, drei Töchter. Aber dieses Bild“, sie deutete auf das, das er betrachtet hatte, „war die Bezahlung einer achtjährigen Klientin, für die ich ihren Vater gesucht und gefunden habe und dadurch ihre Familie vervollständigen konnte.“ Sie lächelte ihm zu. „Wie geht es Ihnen?“ Er nickte. „Danke, gut. Weitgehend zumindest. Sie haben einen Partner in die Detektei aufgenommen?“ „Meinen Lebensgefährten Nick Roscoe. Nachdem ich durch die Empfehlungen meiner Klienten, unter anderem Ihrer“, sie verbeugte sich leicht, „mehr Aufträge bekam, als ich allein und mit meinem Stab an Freelancern bewältigen konnte, musste ich erweitern.“ Molly Spring brachte den Espresso und eine Schale mit Gebäck, Pralinen und Salzgebäck. Sie stellte alles auf dem neben Kirks Sessel 16

stehenden Tischchen ab und verließ den Raum. „Haben Sie was dagegen, wenn mein Assistent unserem Gespräch beiwohnt?“ Sie deutete zum Vorraum. „Nein.“ „Cecil, kommen Sie bitte.“ Der Mittsechziger trat ein und reichte Kirk die Hand. „Cecil Tremaine. Erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Sir.“ Der Mann sprach mit unverkennbar britischem Akzent. „Kirk Standish, ebenfalls erfreut.“ „Mr. Tremaine leitet die Londoner Hauptstelle der renommierten Detektei PROTECTOR und macht ein dreimonatiges Praktikum bei uns.“ Tremaine nahm auf Sams Handbewegung hin im Sessel neben Kirk Platz. „Ich lege Wert darauf, von den Besten zu lernen“, erklärte er und lächelte offen. „Der Ruf von Miss Tylers Detektei ist über unsere New Yorker Zweigstelle bis nach London gedrungen. Ich kam, 17

um das Geheimnis ihres unschlagbaren Erfolges zu ergründen.“ Sam lachte. „Das Geheimnis liegt, abgesehen von grundsolider Arbeit, in der Wahl meiner kompetenten Mitarbeiter und einem nicht minder kompetenten Netzwerk von Informanten. Davon abgesehen, kenne ich noch ein paar Tricks, die überaus hilfreich sind.“ Sie blickte Kirk auffordernd an. „Was kann ich heute für Sie tun, Dr. Standish?“ „Finden Sie bitte alles über die Mason Mining Company heraus, Hauptsitz in Houston, eine Zweigstelle befindet sich hier in Cleveland. Ich meine die Dinge, die über das hinausgehen, was man im Internet und in den Handelsblättern finden kann. Vor allen Dingen, ob sie irgendwelche Leichen im Keller haben.“ Er trank einen Schluck Kaffee. Sam machte sich Notizen. „Das möchten Sie weshalb wissen?“ Sie blickte ihn aufmerksam an. „Die haben mir einen Job angeboten, den absoluten Traumjob mit Topkonditionen und 18

einer Bezahlung, von der ich bisher nur träumen konnte. Wir Geologen werden, wenn wir für Bergbauunternehmen arbeiten, sowieso gut bezahlt, aber was die mir bieten, ist exorbitant.“ Er beugte sich vor und zählte an den Fingern auf. „Dienstwagen mit Chauffeur, ein nahezu unbegrenztes Spesenkonto, Sonderzulagen für Auslandseinsätze, Bonuszahlungen an allen Ecken und Enden und das reguläre Gehalt: eine Viertelmillion Dollar pro Jahr.“ Er hob die Hände und ließ sie wieder fallen. „Gott, das ist fast dreimal soviel wie ich gegenwärtig verdiene. Außerdem“, er räusperte sich und merkte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss, „hat deren Werber mir ganz unsubtil zu verstehen gegeben, dass es mir im Dienst von Mason Mining nie an, eh, weiblicher Begleitung fehlen wird, so oft und so viel ich will.“ Sam Tyler grinste, während Cecil Tremaine sich räusperte und ein betont gleichmütiges Gesicht machte. „Das nenne ich Service“, 19

meinte sie. „Offenbar arbeitet die Firma mit einer Begleitagentur zusammen.“ Kirk nickte. „Man hat mir auch gesagt mit welcher. Sie heißt Good Company und soll die beste des Landes sein.“ Sam nickte. „Das ist sie in der Tat.“ Sie zwinkerte ihm zu. „Sie gehört meinem Bruder und meiner Schwester. Und ich verstehe vollkommen, was Ihnen an diesem Angebot unsauber vorkommt.“ Kirk winkte ab. „Nicht wegen des Begleitservices, sondern ...“ „... weil das ganze Angebot nach Bestechung stinkt“, vollendete Sam seinen Satz und nickte. „Ich nehme an, Sie haben sich Bedenkzeit ausgebeten.“ Er trank einen weiteren Schluck Kaffee. „Natürlich. Aber die haben mir nur bis Freitag Zeit gegeben. Darum bin ich Ihnen sehr dankbar, dass Sie mir so kurzfristig einen Termin geben konnten. Glauben Sie, Sie können bis Freitag was rausfinden?“ 20

Sam Tyler schenkte ihm ein hinreißendes Lächeln. „Dr. Standish, kommen Sie morgen um dieselbe Zeit wieder, und ich habe alles über Mason Mining rausgefunden, was es rauszufinden gibt. Einschließlich der Exhumierung sämtlicher Leichen, die sie seit ihrer Gründung in welchen Grabungsschächten auch immer entsorgt haben.“ Nicht nur Kirk musste über die Formulierung lachen. Tremaine stimmte darin ein. „Danke, Miss Tyler.“ Er blickte die Detektivin an. „Sie schulden mir noch eine Erklärung. Erinnern Sie sich? Als wir uns letztes Mal begegnet sind, sollte ich Ihnen einen Ort nennen, an dem Ferro-Karbonatit in großen Mengen vorkommt. Sie hatten es damals sehr eilig, mir aber quasi versprochen, mir eines Tages zu erklären, warum das für Sie so wahnsinnig wichtig war.“ Erwartungsvoll sah er sie an. „Falls es nicht unter die Geheimhaltung gegenüber einem Klienten fällt, hätte ich es wirklich gern gewusst. Wozu braucht eine 21

Privatermittlerin einen Standort von FerroKarbonatit?“ Wieder schenkte sie ihm dieses hinreißende Lächeln, das seine Lust weckte. Er hoffte, dass man ihm das nicht ansah. „Mein damaliger Klient brauchte es, um in einem Gefängnis aus diesem Gestein den Dämon einzusperren, der Atlantis zerstört hat, nachdem ein paar Idioten ihn wieder auf die Welt losgelassen hatten.“ Kirk lachte und schüttelte den Kopf. „Das ist die fantasievollste Ausrede, die ich je gehört habe. Ich interpretiere sie als das höfliche Äquivalent zu einem unverblümten: ‚Das geht Sie einen Scheißdreck an’.“ Er trank seinen Espresso aus und stand auf. „Ich komme also morgen um dieselbe Zeit. Auf Wiedersehen, Miss Tyler, Mr. Tremaine.“ Sie brachte ihn persönlich zum Ausgang und verabschiedete sich mit einem kräftigen Händedruck. Als er gleich darauf auf dem Parkplatz in seinen Wagen stieg, fühlte er sich beschwingt. Was immer die Mason Mining 22

Company von ihm wollte, Sam Tyler würde es herausfinden. * Sam kehrte an ihren Schreibtisch zurück und schnappte sich im Vorbeigehen drei von den Pralinen, die Standish unberührt hatte stehen lassen. „Tja, Cecil, heute ist Ihr letzter Tag als unser Praktikant.“ Er nickte und lächelte. „Und selbst an diesem letzten Tag habe ich noch etwas gelernt.“ Er wurde ernst. „Was Sie Dr. Standish über den Dämon gesagt haben, war die Wahrheit, nicht wahr?“ Sam grinste. „Jedes Wort. Ich habe ihm lediglich verschwiegen, dass mein damaliger ‚Klient’ ein gewisser Luzifer war.“ Sie wurde ebenfalls ernst. „Sie haben bestimmt auch in Ihren Londoner Zeitungen über die als Erdbeben und seismische Aktivitäten deklarierte Zerstörungen im Gebiet von Chicago vor dreieinhalb Jahren gelesen.“ 23

Tremaine nickte. „Der Verursacher war K{shnarokk, und er ist tatsächlich der Dämon, der im Auftrag Luzifers Atlantis vernichtet hat.“ Dass er außerdem bei dem erfolgreichen Versuch, ihn erneut in einem Gefängnis aus Ferro-Karbonatit zu bannen, aus dem er aus eigener Kraft nicht entkommen konnte, Sams damaligen Verlobten Scott Parker getötet hatte, ging Tremaine nichts an. Sie wünschte sich manchmal immer noch, sie hätte Káshnarokk vernichten können. Aber sein Erschaffer Luzifer hatte ihn unzerstörbar gemacht. Und solange niemand ein Gegenmittel gegen diese Unzerstörbarkeit fand, würde Káshnarokk in Ewigkeit existieren; aber hoffentlich nie wieder aus seinem Gefängnis freikommen. Tremaine schmunzelte. „Ich staune immer wieder, wie Sie es fertigbringen, die Wahrheit zu sagen und trotzdem nichts preiszugeben.“ Sam grinste. „Das haben Sie einer Dämonin nicht zugetraut, oder?“ 24

Er schüttelte den Kopf. „Nein. Und ich muss gestehen, ich vergesse in manchen Situationen, dass Sie kein Mensch sind. Aber ich werde mir Ihre Taktik merken.“ Er schüttelte erneut den Kopf. „Kein Mensch käme auf den Gedanken, dass Ihre ‚kompetenten Mitarbeiter und Informanten’ unter anderem Geister und Dämonen sind.“ „Nicht zu vergessen meinen Partner und sein Rudel von Werwolf-Cousins und -Cousinen und unseren Assistenten, der ein Vampir ist.“ Tremaine nickte. „Apropos Vampir. Ich habe Mr. Ryder kein einziges Mal zu Gesicht bekommen, seit ich hier bin. Er weicht mir aus, nicht wahr?“ „Wundert Sie das? Sie waren sein Arbeitgeber, und er schämt sich vor Ihnen zutiefst für seinen Absturz in die Hölle.1 Auch wenn er letztendlich gar nichts dafür konnte. Oder nur bedingt. Er muss erst damit klarkommen, dass er nicht der charakterfeste, unkorrumpierbare Mann ist, der er glaubte zu sein, und 1

siehe „Göttin der Finsternis“, Verlag Torsten Low, ISBN 978-3-940036-13-1 und als eBook

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herausfinden, wer er ist, bevor er sich mit anderen Leuten auseinandersetzen kann. Er erträgt gegenwärtig nicht mal seine Freunde um sich. Mich und Nick hält er nur aus, weil ich eine Dämonin bin und Nick mal ein Dunkelwolf war.“ Sie zwinkerte ihm zu. „Aber dank der Seelenheilkräfte unserer Tochter Siobhan2 wird er es schaffen.“ „Ich hätte ihn trotzdem gern vor meiner Abreise gesprochen. Um ihm zu versichern, dass sein Job bei PROTECTOR immer noch frei ist und auf ihn wartet.“ Sam lachte und drohte ihm mit dem Finger. „Cecil, nehmen Sie einen letzten Rat von mir mit nach Hause: Versuchen Sie niemals einen Sukkubus oder Inkubus zu belügen. Wir merken es sofort.“ Auf seinen fragenden Blick fügte sie hinzu: „Wie Sie wissen, ernähren wir uns von Sex. Um unseren Sexpartnern die innigsten sexuellen Bedürfnisse befriedigen zu können – das ist der Grund, warum der Sex mit einem von uns so berauschend und abso2

Aussprache: Schiwonn (gälische Form von Johanna)

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lut beglückend ist –, verfügen wir von Natur aus über eine extrem ausgeprägte Empathie. Wir spüren die geheimsten Wünsche und alle Gefühle der Leute um uns herum, selbst die, die ihnen gar nicht bewusst sind. Dadurch merken wir auch unfehlbar, wenn uns jemand belügt.“ Tremaine errötete. Sie zwinkerte ihm zu. „Und deshalb weiß ich, dass Sie Ashton nicht nur versichern wollen, dass Sie ihm seinen Job freihalten. Das werde ich ihm gern ausrichten. Sie wollen ihn dazu drängen, schnellstmöglich in Ihre Reihen zurückzukehren. Aber damit würden Sie ihn überfordern und ihm obendrein ein schlechtes Gewissen verursachen, weil er ablehnen muss, was ihn noch stärker belasten würde. Sein Gewissen ist belastet genug. Also lassen Sie ihn in Ruhe wieder zu sich selbst finden. Alles andere hat Zeit bis danach.“ Sie verstärkte ihre Anweisung mit einem kleinen Zauber, der Tremaine nach diesem Gespräch 27

vergessen lassen würde, dass er noch mit Ashton sprechen wollte. Tremaine nickte gehorsam. „Jedenfalls, Sam, habe ich mich in den vergangenen Monaten davon überzeugen können, dass Sie und die magische Gemeinschaft wirklich hervorragende Arbeit für unsere Sache leisten. Ich mache also von Ihrem Angebot Gebrauch und werde jeden Jäger von PROTECTOR, die amtierenden und alle künftigen Rekruten, zu Ihnen zu einem Praktikum schicken. Was wir von Ihnen lernen können, ist unschätzbar wertvoll.“ Er wurde sehr ernst. „Wenn wir das, was wir heute wissen, schon vor Jahren gewusst hätten ...“ Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. „Mein Gott, wie viele Unschuldige haben wir getötet – ermordet, nur weil sie Vampire, Werwölfe, Hexen oder Dämonen waren.“ Er schüttelte den Kopf. „Das können wir nie wiedergutmachen.“ Sam erwiderte ernst seinen Blick. „Stimmt. Sie und Ihre Jäger sind genau genommen des 28

versuchten Völkermordes schuldig. Oder sollte ich sagen, der ‚ethnischen Säuberung’?“ Sie gab sich keine Mühe, ihren Sarkasmus zu unterdrücken. Tremaine errötete erneut und blickte verlegen zu Boden. „Das Schlimme daran ist, dass Sie das in der besten Absicht getan haben, unschuldige Menschen zu schützen. Ich denke, nun wissen Sie, wie wahr das Sprichwort ist, dass der Weg ins Verderben mit guten Absichten gepflastert ist.“ Sie winkte ab, bevor er etwas sagen konnte. „Das Gute daran war, dass die meisten Ihrer Opfer tatsächlich Verbrecher waren, hinter denen die Wächter ihrer Art ebenfalls her waren. Und da Sie mit denen nun zusammenarbeiten, stehen die Chancen sehr gut, dass nie wieder ein unschuldiges Anderswesen von einem von PROTECTORs Jägern getötet werden wird.“ Tremaine nickte. „Sie sind sehr großmütig. Schließlich waren wir auch mal hinter Ihnen her.“ 29

Sie schüttelte grinsend den Kopf. „Geschenkt. Hätten Sie mich erwischt, hätte ich meinen Tod verdient gehabt für so viel Nachlässigkeit. Außerdem können sich diejenigen Ihrer Leute, die mich damals verfolgten, ums Verrecken nicht mehr daran erinnern, dass ich überhaupt existiere. Die können mich nicht einmal mehr wahrnehmen. Und mit Ihrem verdienten schlechten Gewissen müssen Sie selbst fertig werden.“ Sie wechselte das Thema. „Also, Cecil, ich reserviere permanent zwei Zimmer in der Pension für Ihre Praktikanten. Wann schicken Sie die ersten?“ „Nächste Woche, wenn es Ihnen recht ist. Ich denke, es genügt, wenn jeder von ihnen einen Monat bleibt. Es sei denn, einer wünscht ausdrücklich eine Verlängerung.“ „Einverstanden.“ „Eine letzte Frage, Sam. Diese Begleitagentur Good Company, gehört sie wirklich Ihren Geschwistern?“ Sam nickte und lachte. „Können Sie sich eine bessere ‚Snackbar’ vorstellen, in der ein Inku30

bus und ein Sukkubus die einzige Nahrung, die sie sättigt – Sex – in allen schmackhaften Varianten im Überfluss bekommen können?“ „Aber Prostitution ist in diesem Land illegal.“ Sam schmunzelte. „Ich darf Sie daran erinnern, dass wir einen Vergessenszauber beherrschen. Jedes der menschlichen ‚Steaks’ der beiden hat die Episode hinterher wieder vergessen und schwört notfalls vor jedem Richter reinen Gewissens den Eid, dass zwischen ihm und seiner Begleitung niemals Sex gewesen ist. Aber er singt das Loblied der Agentur bei seinen Freunden und Geschäftspartnern in höchsten Tönen.“ Tremaine schüttelte lächelnd den Kopf. „Ich denke, ich habe begriffen, wie die Tarnung funktioniert, mit der Sie und Ihresgleichen sich als Menschen ausgeben. Wirklich, Sam, die Zeit bei Ihnen war extrem lehrreich. Ich habe das Gefühl, in den drei Monaten mehr gelernt zu haben als in meinem ganzen bisherigen Leben.“ Er blickte sie erneut ernst an. 31

„Ich danke Ihnen von Herzen für die Möglichkeit, die Sie mir und meinen Leuten mit dem Praktikum geben.“ Sam hob abwehrend die Hände. „Das ist purer Eigennutz. Ich möchte vermeiden, noch mal von Ihren Leuten gejagt zu werden oder den Verlust von Freunden wie den Vampir Cronos verkraften zu müssen, die Ihre Leute aus Unwissenheit ermorden.“ Tremaine errötete ein drittes Mal. „Das wird nie wieder vorkommen, wenn ich es verhindern kann. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort.“ Sam lächelte versöhnlich. „Dann scheiden wir in bestem Einvernehmen. Ich wünsche Ihnen eine gute Heimreise, Cecil. Darf ich Sie mit einem Schutzzauber belegen, der Sie gesund und unversehrt nach Hause bringt?“ „Den nehme ich gern an. Vielen Dank.“ Sam wirkte den Zauber und trank mit Tremaine noch einen Whiskey zum Abschied. Als der PROTECTOR-Chef eine halbe Stunde später die Detektei verließ, machte Sam sich auf den Weg, um der Mason Mining Com32

pany in einer Weise auf den Zahn zu fühlen, wie nur eine Dämonin das tun konnte. *

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