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26.02.2005 - terminal herzinsuffizienter Patienten. Schlüsselwörter Herzinsuffizienz – medikamentöse Behandlung – Warte- zeit – Herztransplantation ...
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HERZINSUFFIZIENZ

H. Nägele F. Dapper W. Rödiger

Stellenwert von Therapieintensivierung und regionalisierter Spenderherzallokation in der Versorgung terminal herzinsuffizienter Patienten

Intensified medical therapy and regional donor allocation in the management of patients with end stage heart failure

plantation from the years 1984–1997 without contraindications and at least in NYHA stage III at entry were investigated for total mortality, modes of death and the probability of heart transplantation. Patients were divided in two groups (group A: submitted from 1984–1994, n = 256, group B: 1995–1998, n = 150). Results: The groups were comparable in clinical and hemodynamic baseline characteristics. Patients of group B had a better long-term prognosis after 2 years (87 % versus 73.5 %, p = 0.009) and had a significantly lower rate of heart transplantation (HTx rate in group A and B after 2 years: 35 % and 15 %, p = 0.002). Only two patients died due to heart failure in the years 1995–1998 compared to 20 heart failure death from 1984–1994. The waiting time for a donor heart fell from 81.8 ± 80 days in group A to 22.1 ± 21 days in group B. The main problem is the unchanged sudden death rate in patients with stable hemodynamics prior to the event. Conclusions: A combination of tailored medical therapy for heart failure plus regionalization of donor heart allocation with short waiting time seems to be the best way to treat patients with end-stage heart failure. A specialized cardiomyopathy program is necessary for such an approach. Sudden death in heart transplant candidates has to be studied more intensively.

Summary Background and objective: The medical management of heart failure improved greatly during the last decade. Heart transplantation (HTx) as surgical alternative is an established measure but operation numbers stagnated due to the lack of donor organs and still the 1 year mortality is about 20 %. Rising numbers of new registrations led to long waiting lists with a high mortality rate. Solutions are intensified therapeutic concepts and improvements in organ allocation. This study was done to show if a combined intensified medical management and a regional donor allocation system may improve outcome in heart transplant candidates. Patients and methods: A cohort of 396 elective candidates for heart trans-

Eingegangen: 9. März 1998 Akzeptiert: 9. Juni 1998 H. Nägele (✉) · F. Dapper · W. Rödiger Abteilung für Thorax-, Herzund Gefäßchirurgie Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf Martinistr. 52 D-20246 Hamburg

Key words Heart failure – medical therapy – waiting time – heart transplantation

Zusammenfassung Grundproblematik und Fragestellung: Die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten der Herzinsuffizienz haben sich in den letzten Jahren enorm erweitert. Die Herztransplantation (HTx) als chirurgische Alternative ist ein etabliertes Verfahren, jedoch stagnieren die Operationszahlen wegen des gravierenden Organspendermangels, und die 1-JahresMortalität nach dem Eingriff liegt nach wie vor bei etwa 20 %. Zunehmende Neuanmeldungen führen zu langer Wartezeit und hoher Sterblichkeit auf der Liste. Lösungsmöglichkeiten könnten die konsequente Anwendung der medikamentösen Behandlungskonzepte und eine Verbesserung im Organspendewesen (Regionalisierung) sein. Die jetzige Studie sollte die Entwicklung der HTx-Notwendigkeit, die Wartezeit auf ein Spenderherz, die Sterberate und die Todesursachen auf der Warteliste unter einem solchermaßen optimierten Vorgehen untersuchen. Patienten und Methodik: Ein Kollektiv von n = 396 in den Jahren 1984–1998 elektiv zur Herztransplantation vorgestellter Patienten ohne Kontraindikationen und im NYHAStadium III oder IV bei Erstvorstellung wurde nach Kaplan-Meier auf Gesamt-

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Z Kardiol 87:676–682 (1998) © Steinkopff Verlag 1998

H. Nägele et al. Therapieintensivierung und Herztransplantation

sterblichkeit, Todesursachen und die Wahrscheinlichkeit, herztransplantiert zu werden, untersucht. Dazu wurden 2 Gruppen gebildet (Gruppe A: Erstvorstellung 1984–1994, n = 246, Gruppe B: 1995–1998, n = 150). Die Patientengruppe A erhielt eine konventionelle Behandlung, und die Spenderorgane stammten aus dem gesamten Eurotransplantgebiet, die Gruppe B wurde in höherem Maße zusätzlich mit Amiodaron (65 % versus 28 %), Amlodipin (9 % versus 0 %) und Betablockern (45 % versus 2 %) behandelt und die Spenderorgane aus einem lokalen (Nord)Verbund gewonnen. Ergebnisse: Die Gruppen waren eingangs vergleichbar in klinischen

und hämodynamischen Parametern. Die Patienten der Gruppe B weisen eine bessere Gesamtprognose nach 2 Jahren auf (87 % gegenüber 73,5 %, p = 0,009) und wurden zu einem signifikant geringeren Anteil herztransplantiert (HTx-Rate nach 2 Jahren in den Gruppen A und B: 35 % und 15 %, p = 0,002). Im Zeitraum von 1995–1998 verstarben nur zwei Patienten an Herzinsuffizienz. Alle anderen Todesfälle waren unerwartet aus stabilen Kreislaufverhältnissen heraus eingetreten (plötzlicher Herztod). Die Wartezeit auf ein Spenderherz fiel von 81,8 ± 80 Tagen in Gruppe A auf 22,1 ± 21 Tage in Gruppe B (p = 0,007).

Einleitung Mit Aufklärung der pathophysiologischen Zusammenhänge von Vor- und Nachlast und der neurohumoralen Aktivierung konnte seit Mitte der 60er Jahre spezifisch in den Regelkreis der Herzinsuffizienz eingegriffen werden. Die Anzahl der Behandlungsmöglichkeiten und der verfügbaren Pharmaka hat in den letzten 20 Jahren dramatisch zugenommen (19). Für ACE-Hemmer (3), Amiodaron (7), Carvedilol (24) und Amlodipin (25) ist eine Verbesserung der Prognose nachgewiesen worden. Zusätzlich wurden implantierbare Defibrillatoren entwickelt, die ebenfalls die Mortalität zu senken versprechen (20). Die Herztransplantation (HTx) als chirurgische Alternative zur medikamentösen Behandlung der schweren Herzinsuffizienz kann heutzutage als Standardprozedur bezeichnet werden (15, 16). Die Zahl der Patienten auf der Warteliste nahm in den letzten Jahren um über 200 % zu (12), nicht zuletzt durch erweiterte Indikationsstellungen, wie zum Beispiel eine in manchen Zentren auf über 70 Lebensjahre verschobene Altersgrenze (2). Gleichzeitig stagnieren die Transplantationszahlen wegen des Organspendermangels (21). Die dadurch bedingten Wartezeiten von 6–12 Monaten (8, 12) oder mehr führen zwangsläufig weltweit zu einem Anstieg der Sterberate auf der Warteliste auf über 30 % (9, 28). Überlebensanalysen zeigen außerdem, daß Patienten, die mehr als ein halbes Jahr auf der Warteliste überleben, keinen großen Überlebensvorteil durch die Operation mehr erreichen (27). Dies kann zu paradoxen Situationen führen, daß Patienten, die ein Spenderherz besonders dringend benötigen, auf der Warteliste sterben und diejenigen Patienten transplantiert werden, die die Wartezeit überstanden haben, also auch ohne

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Folgerungen: Verglichen mit Patienten der Jahre 1984–94 zeigen Patienten unter intensivierter medikamentöser Führung eine geringere Herztransplantationsrate. Dies und eine regionale Spenderallokation ergibt kürzere Wartezeiten auf ein Spenderherz und erscheint somit nach unserer monozentrischen Erfahrung die beste Vorgehensweise bei der Behandlung terminal herzinsuffizienter Patienten. Schlüsselwörter Herzinsuffizienz – medikamentöse Behandlung – Wartezeit – Herztransplantation

Transplantation eine vergleichbar gute Prognose gehabt hätten. Weiterhin ist die seit langem konstant hohe Sterblichkeit von 20 % im ersten Jahr nach HTx einzukalkulieren (14). Auch bleibt die Funktion des Spenderherzens trotz meist besserer Lebensqualität eingeschränkt (5). Herztransplantierte müssen lebenslang eine Reihe von Komplikationen wie Abstoßungen, Infektionen, die sogenannte Graftatherosklerose (31) oder bösartige Neubildungen (6) befürchten. Aus all diesen Ausführungen ist zu folgern, daß nur die schwerstkranken, wirklich therapierefraktären Patienten einer Herztransplantation zugeführt werden dürfen. Der maximale Benefit kann aber nur bei kurzen Wartezeiten (deutlich unter einem halben Jahr) erzielt werden. Unser Ansatz ist es, diese Optimierung durch eine Ausschöpfung der durch die großen Studien abgesicherten medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten zusammen mit einer verbesserten lokalen Spenderallokation zu erreichen. Letztere war möglich, als sich im Jahre 1995 die Transplantationszentren Kiel, Hamburg, Lübeck und Rostock zum sogenannten Transplantationsverbund Nord (TVN) zusammenschlossen. Die vorliegende Arbeit soll nun die Ergebnisse der Jahre 1984–1997 beschreiben und aufzeigen, mit welcher Sterblichkeit unter kombinierter intensivierter medikamentöser Führung plus HTx-Möglichkeit mit regionalem Spenderangebot zu rechnen ist. Daten zur Effektivität einer lokalen Spenderverteilung sind insbesonders von Bedeutung, da derzeit unter Berufung auf das neue Transplantationsgesetz diskutiert wird, eine bundeseinheitliche Warteliste einzuführen (§12, Abs. 3, Nr. 2: „Die ... Wartelisten der Transplantationszentren sind ... als eine einheitliche Warteliste zu behandeln“).

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Patienten und Methodik Patientenkollektiv Die vorliegende Arbeit ist aus dem Datenmaterial von 559 Patienten erstellt, die zur Herztransplantation im Zeitraum 1984–1. 3. 1998 ans Universitäts-Krankenhaus Hamburg-Eppendorf überwiesen wurden. Um ein homogenes Kollektiv zu erlangen, wurden Notfallpatienten (Katecholaminbedürftigkeit, mechanische Kreislaufunterstützung, n = 52), Patienten mit Kontraindikationen (n = 33), Patienten mit schlechter Compliance (n = 25) und primär zu gute Patienten (NYHAStadium II oder besser, n = 53) nicht in die Analyse einbezogen. Diese aus der Analyse ausgeschlossenen Patientengruppen, insbesonders die Notfallpatienten, verteilten sich gleichmäßig über die Jahre (36 = 12,7 % Notfallpatienten zwischen 1984 und 1994 und 16 = 9,7 % Notfallpatienten zwischen 1995 und 1998). Es verblieben 396 elektive Herztransplantationskandidaten. Diese wurden in 2 Gruppen unterteilt: Gruppe A wurde in den Jahren 1984–1994 zugewiesen (n = 246) und Gruppe B in den Jahren 1995–1998 (n = 150). Die Gruppe A wurde zwar auch einer Therapieoptimierung unterzogen, erhielt jedoch noch nicht konsequent Amiodaron, β-Blocker oder Amlodipin. Außerdem erfolgte die Organallokation in dieser Gruppe noch überregional mit entsprechend längeren Wartezeiten.

Evaluierung und Therapieintensivierung Die mit dem üblichen therapeutischen Regime (Diuretika, Digitalis, ACE-Hemmer) eingestellten, zur Herztransplantation zugewiesenen Patienten wurden einer Evaluierung unterzogen, die eine ausführliche Anamnese unter besonderer Berücksichtigung der kardiovaskulären Risikofaktoren, eine klinische Untersuchung, eine Fahrradergometrie, ein 24-hLangzeit-EKG mit Herzfrequenzvariabilitätsanalyse, eine Echokardiographie und eine Rechtsherzkatheteruntersuchung umfaßte. Anhand der hämodynamischen Ergebnisse und nach dem Befund des Holter-EKG wurde die medikamentöse Therapie individuell angepaßt. Die Behandlung ist von dem Grundkonzept einer peripheren Vasodilatation geprägt, welche eine Verbesserung der Hämodynamik ohne Beeinflussung der Kontraktilität erreicht (1). Eine solche intensivierte Vorund Nachlastsenkung kann zu einem Rückgang des kardialen „Remodelings“ führen (17). Eine maximale Vasodilatation wird durch Steigerung der ACE-Hemmer und Kombination mit Molsidomin, Nitraten und Amlodipin erreicht. Ziel ist eine Absenkung des systolischen arteriellen Blutdrucks auf gerade noch tolerierte Werte, in der Regel auf unter 100 mm Hg. Die diuretische Behandlung wird nach Rechtsherzkatheterdaten (Rechtsvorhofdruck) individualisiert und üblicherweise als Kombinationsbehandlung von Furosemid,

Xipamid und Spironolacton durchgeführt. Zusätzlich zur Vasodilatation und diuretischen Therapie wurden die Patienten ab 1995 konsequent mit niedrigen Dosen von Amiodaron und β-Blockern behandelt (21, 22).

Verlaufsuntersuchungen Alle Patienten wurden in unserer Ambulanz zunächst wöchentlich, nach Stabilisierung in wenigstens 3monatigen Abständen gesehen. Die laufende Behandlung wurde jeweils an Hand der Blutdrucklage (Steigerungsfähigkeit der Nachlastsenkung?), dem Vorliegen von Ödemen und/oder Nykturie (Anpassung der Diuretika?), Laboruntersuchungen (Anpassung der Elektrolytsubstitution?) und echokardiographisch nachgewiesener AV-Klappen-Regurgitationen (Anpassung der Vorlastsenkung?) angepaßt. Nach Behandlungsbeginn wurde im Abstand von drei Monaten, später ca. einmal jährlich eine Einschwemmkatheteruntersuchung zur Therapiefeineinstellung vorgenommen. Bei klinischen und hämodynamischen Zeichen einer medikamentös nicht ausreichend beeinflußbaren Störung der kardialen Pumpfunktion erfolgte die Anmeldung zur HTx.

Statistische Methoden Die Daten wurden prospektiv erhoben und nach Übertragung in EXCEL-Formblättern analysiert. Zielgrößen waren das Gesamtüberleben und das Überleben im HTx-freien Zeitraum. Als primäre Endpunkte wurden Tod (differenziert nach Tod innerhalb 1 h nach Auftreten von Symptomen (SD) und Tod durch Herzinsuffizienz) sowie Tod oder HTx als kombiniertes Ereignis angesehen. Einflußgrößen waren das jeweilige Vorstellungsjahr. Die Signifikanz wurde mit dem t-Test für abhängige oder unabhängige Stichproben berechnet. Die Überlebenswahrscheinlichkeit wurde mit der Kaplan-MeierMethode kalkuliert, mittels Log-rank-Test wurde auf Signifikanz in der Überlebenswahrscheinlichkeit getestet, wobei als Grenze der Irrtumswahrscheinlichkeit das 5%-Niveau angenommen wurde. Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich hämodynamischer und klinischer Parameter wurden mittels Multivarianzanalyse (Bonferroni-Korrektur für multiple testing) auf Signifikanz überprüft. Zur Auswertung wurden die Programme WINSTAT® (Kalmia Inc.) und SPSS 6.1 für WINDOWS® herangezogen.

Ergebnisse Bezüglich der Eingangscharakteristika der Gruppen finden sich keine wesentlichen Unterschiede hinsichtlich hämodynamischer und klinischer Parameter, so daß die Patienten im

H. Nägele et al. Therapieintensivierung und Herztransplantation Tab. 1 Eingangscharakteristika der vorgestellten Gruppen n Alter Männer NYHA DCMP LVEF FS LVEDD LAes MI TI Roskamm PCWP RAP Cardiac Index SVR PVR avDO2 LVSWI RVSWI Kreatinin Natrium

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Einheit

84–94

95–98

P-Wert

Jahre (%) Stadium (%) (%) % cm cm ° ° Stadium mm Hg mm Hg l/min * m2 dyn * s/cm5 dyn * s/cm5 Vol-% p * m/m2 p * m/m2 mg/dl mmol/l

246 50,7 ± 11,2 85,7 3,29 ± 0,5 47,9 24,6 ± 10,9 13,4 ± 6,4 7,1 ± 1,1 4,71 ± 0,7 1,61 ± 0,8 0,91 ± 0,9 3,57 ± 0,7 21,2 ± 8,8 7,4 ± 5,8 2,23 ± 0,5 1474 ± 419 225 ± 120 6,96 ± 2,0 21,8 ± 10 8,7 ± 3,4 1,32 ± 0,3 137 ± 4,9

150 54,0 ± 11,3 88,6 3,35 ± 0,4 48 26,1 ± 11,6 14,3 ± 4,2 6,77 ± 0,9 4,62 ± 0,85 1,45 ± 0,9 0,97 ± 0,9 3,76 ± 0,5 18,5 ± 8,7 7,7 ± 6,5 2,11 ± 0,45 1435 ± 421 227 ± 119 7,01 ± 1,5 21,9 ± 9 7,5 ± 3,3 1,29 ± 0,8 136 ± 4,8

0,003 n. s. n. s. n. s. n. s. n. s. 0,004 n. s. n. s. n. s. n. s. 0,006 n. s. n. s. n. s. n. s. n. s. n. s. n. s. n. s. n. s.

DCMP = dilatative Kardiomyopathie, LVEF = linksventrikuläre Ejektionsfraktion, FS = Fractional Shortening, LVEDD = linksventrikulärer enddiastolischer Durchmesser, LAes = linksatrialer endsystolischer Durchmesser, MI = Mitralinsuffizienz; TI = Trikuspidalinsuffizienz, Roskamm = Roskamm-Stadium, PCWP = pulmonaler Kapillardruck, RAP = rechtsatrialer Druck, SVR = Systemwiderstand, PVR = Pulmonalwiderstand, avDO2 = arteriovenöse Sauerstoffdifferenz, LVSWI = linksventrikuläre Schlagarbeit, RVSWI = rechtsventrikuläre Schlagarbeit

Verlauf nicht als gesünder oder kränker einzuschätzen sind (Tab. 1). Der in Gruppe B etwas niedrigere pulmonale Kapillardruck und der geringere linksventrikuläre enddiastolische Durchmesser sind möglicherweise Ausdruck einer leicht verbesserten Vorbehandlung durch die Zuweiser. Hinsichtlich der Ejektionsfraktion oder des klinischen und hämodynamischen Stadiums waren alle Gruppen gleich schwer eingeschränkt. Die Analyse der Medikation, die nach der Erstvorstellung verabreicht wurde, zeigte in Gruppe B einen deutlich höheren Anteil additiver Therapeutika wie β-Blocker (Carvedilol), Amiodaron oder Amlodipin (Tab. 2). Auch die mittlere

ACE-Hemmer-Dosis war etwas höher, und mehr Patienten waren mit Defibrillatoren oder Herzschrittmachern versorgt. Die Wartezeit auf ein Spenderherz in den Jahren 1984–1994 verglichen mit 1995–1998 ist in Abbildung 1 dargestellt. Hier ist ein signifikanter Rückgang zu verzeichnen. Während die mittlere Wartezeit in den Jahren 1984–1994 bei 81,8 Tagen lag, ist sie zwischen 1995 und 1998 (Gruppe B) auf im Mittel 22 Tage gesunken (p < 0,01). Die Wartezeit früherer Jahre ist zwar deutlich länger als aktuell, dennoch kürzer als Organvergaben über Eurotransplant, da bereits damals zusätzlich lokale Spender herangezogen wurden. Die Wahrscheinlich-

Tab. 2 Medikamentöse Behandlung nach Erstevaluation in Prozent pro Gruppe

n Carvedilol Amiodaron Amlodipin SM ICD Marcumar „ACE-Units“*

84–94

95–98

P-Wert

246 2% 28 % 0% 19 % 0% 45 % 2,9 ± 2,2

150 45 % 65 % 9% 47 % 7% 80 % 3,4 ± 1,6

< 0,001 < 0,001 < 0,001 < 0,01 < 0,01 < 0,001 0,05

SM = Herzschrittmacher, ICD = implantierter Kardioverter-Defibrillator. * Eine ACE-Unit wurde definiert als 12,5 mg Captopril, 5 mg Enalapril, 1,25 mg Ramipril oder 5 mg Quinalapril

Abb. 1 Wartezeit auf ein Spenderherz Hamburg 1984–1994 und 1995–1998 (p < 0,01)

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Abb. 2 Todesursachen ohne HTx: Herzinsuffizienz (CHF) 95–98 (n = 150) p < 0,01 versus 84–94 (n = 246)

Abb. 4 Gesamtprognose 95–98 (n = 150) p = 0,009 versus 84–94 (n = 246)

keit, an Herzinsuffizienz zu sterben, ist nach Vorstellungsjahren unterteilt in Abbildung 2 zu ersehen. Die Herzinsuffizienztodesrate in Gruppe 95–98 ist vermindert (n < 0,01). In der Wahrscheinlichkeit, plötzlich zu versterben, ergaben sich dagegen keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen A und B (17,7 % versus 17,9 % nach 2 Beobachtungsjahren). Die HTx-Rate ist im Beobachtungszeitraum gesunken (nach 2 Jahren in Gruppe A 34 % gegenüber 17 % in Gruppe B (Abb. 3)). Auch die Gesamtmortalität (Abb. 4) nach 2 Jahren ist in Gruppe B mit 13 % gegenüber 26,5 % in Gruppe A signifikant niedriger (p = 0,009).

(keine Transplantationsbedürftigkeit im ersten Jahr) und können zumindest vorerst konservativ geführt werden (22). Eine derart kostenintensive Behandlungsform wie die Herztransplantation bedarf einer klaren Indikationsstellung (13). In diesem Zusammenhang ist die Arbeit von Marti und anderen von Interesse, der in seinem Kollektiv von 300 Herztransplantierten retrospektiv aufzeigen konnte, daß mindestens ein Drittel aller Herztransplantationen bei klinisch völlig stabilen Patienten und somit wohl ohne klare Indikation durchgeführt worden war (18). Ein weiterer Hinweis, daß andere als medizinische Faktoren bei der Listung zur Herztransplantation eine Rolle spielen könnten, ist der enorme Unterschied in den Anmeldezahlen in den verschiedenen Ländern des Eurotransplantgebiets. Zum Beispiel waren 1996 pro Million Einwohner folgende Patientenzahlen auf der Warteliste: Niederlande 1,7, Belgien 3,7, Deutschland 6,7 und Österreich 18 (!) (8). Die in unserem Zentrum jetzt erreichte mittlere Wartezeit auf ein Spenderherz von 22 Tagen dürfte in Europa einzigartig sein (Wartezeit ansonsten 3–6 Monate). Diese Verkürzung ist allerdings nicht nur durch die kritische Empfängerauswahl (kleine definitive Warteliste), sondern auch durch eine regionale Spenderallokation erreicht worden. Nachdem eine Unterteilung in Regionen im Eurotransplantgebiet bereits beispielhaft in Holland und Südwestdeutschland erfolgt war, vereinbarten die herzchirurgischen Kliniken Kiel und HamburgEppendorf am 11. 5. 95 einen Kooperationsvertrag, um gegenüber Eurotransplant als sogenanntes „local donor center“ aufzutreten. Das Einzugsgebiet dieses neuen Zentrums beinhaltet die Transplantationszentralen Hamburg, Kiel, Lübeck und Rostock, wobei derzeit nur in Kiel und Hamburg Herzen transplantiert werden. Die bezeichnete Region umfaßt die Bundesländer Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. Die Einwohnerzahl beträgt insgesamt 7 Millionen Menschen. Das Ziel dieser sogenannten Regionalisierung sollte sein: 1. Patientenbezogene Verteilung von extrarenalen Spenderorganen zur Versorgung der Region Nord. 2. Verkürzung der Ischämiezeiten durch Vermeidung langer Transportwege. 3. Kosteneinsparung durch Vermei-

Diskussion Unsere Daten zeigen, daß eine individuelle Behandlungsintensivierung mit engmaschigen Kontrollen und eine strenge Empfängerauswahl nach klinischen Kriterien im Verbund mit kurzer Wartezeit auf ein Spenderorgan (Abb. 1) zu einer Reduktion des Herzinsuffizienztodes im schwerkranken Kollektiv terminal herzinsuffizienter Patienten führen kann (Gruppe B, vorgestellt 95–98, Abb. 2). So behandelte Patienten bedürfen seltener einer HTx (Abb. 3), und auch das Gesamtüberleben unter diesem Regime ist im Vergleich zum älteren Kollektiv besser (Abb. 4). Über 80 % der vorgestellten Patienten sind „Primäre Responder“ auf eine Therapieintensivierung

Abb. 3 Freiheit von Herztransplantation 95–98 (n = 150) p < 0,001 versus 84–94 (n = 246)

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dung längerer Anreisewege und durch gemeinsame Nutzung des Organentnahmeteams. 4. Gezielte Betreuung von Spenderkrankenhäusern durch erfahrene Entnahmeteams. Die Verteilung der Spenderorgane im lokalen Verbund wird im koordinierenden Zentrum Kiel erst nach Rückfrage bei Eurotransplant in Leiden durchgeführt. Erst danach erfolgt die Freigabe des Spenderherzens und zwar immer abwechselnd zwischen den beiden Herzzentren Kiel und Hamburg. Ist kein lokaler Bedarf vorhanden, wird das Organ an Eurotransplant abgegeben. Die Region Nord exportierte von 1995 bis 1998 40 % der anfallenden Spenderherzen. Es kann jetzt festgehalten werden, daß die oben genannten Zielsetzungen in vollem Umfang verwirklicht werden konnten. Hinsichtlich der Praxis des Organverteilungsverfahrens muß somit aus unserer Sicht eindeutig für die lokale, dezentrale Spenderakquirierung plädiert werden (4, 26). Stichwort ist hier die Selbstversorgung jeder Region. Entsprechende Grenzziehungen sind nach Bevölkerungsdichte und Infrastruktur vorzunehmen. Eine Voraussetzung zu einem solchermaßen erfolgreichen Vorgehen ist eine interdisziplinäre Kardiomyopathieeinheit, die Herztransplantationskandidaten und Transplantierte zentral betreut (10, 11). Auch aus ökonomischer Sicht sind solche Einrichtungen an jedem größeren Herzzentrum zu fordern, da durch sie eine Reduktion der Zahl an Hospitalisationen, Krankheitstagen und Herztransplantationen möglich ist (29). Ein ungelöstes Problem im Management terminal herzinsuffizienter Patienten ist der plötzliche Herztod. Eine Verminderung dieses Ereignisses durch die getroffenen Maßnah-

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men konnte bisher nicht gezeigt werden. Möglicherweise kommt es zu einer Verschiebung von Herzinsuffizienztodesfällen zum „Sudden death“. Einen Lösungsansatz könnten prophylaktisch implantierte Defibrillatoren darstellen, da für diese Geräte unter bestimmten Risikokonstellationen bereits ein prophylaktischer Nutzen beschrieben wurde (20). Hier ist die Industrie gefordert, diese Geräte deutlich kostengünstiger zur Verfügung zu stellen, so daß ein prophylaktischer Einsatz bei terminaler Herzinsuffizienz auch ökonomisch vertretbar ist. Vorläufige Daten sprechen dafür, daß auch eine prophylaktische antibradykarde Versorgung Leben retten könnte (23). Diesbezüglich müssen weitere Studien abgewartet werden. Wichtig neben reinen Überlebensdaten sind natürlich auch subjektive Kriterien wie die Lebensqualität. Hier sprechen vorliegende Untersuchungen für eine zumindest vergleichbare Lebensqualität von Herztransplantierten und Patienten mit stabilisierter Herzinsuffizienz (30). Zusammenfassend zeigen unsere Ergebnisse, daß eine intensivierte medikamentöse Behandlung plus regionale Spenderallokation einen prognostischen Benefit mit kürzeren Wartezeiten auf ein Spenderherz ergibt und daß dieser Ansatz nach unserer monozentrischen Erfahrung die beste Vorgehensweise im Management terminal herzinsuffizienter Patienten ist.

Danksagung Wir danken den am Transplantationsverbund Nord beteiligten Zentren Lübeck, Rostock und insbesondere dem koordinierenden Zentrum Kiel für die außergewöhnlich gute, unbürokratische und direkte Zusammenarbeit.

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