Axel Heinrich | Uwe J. Messer
Staudenmischpflanzungen Praxis – Beispiele – Tendenzen
2., aktualisierte Auflage
Axel Heinrich, Uwe J. Messer Staudenmischpflanzungen
Axel Heinrich, geb. 1964, Dipl.-Ing. (FH), ist Dozent für Pflanzenverwendung an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften im Institut Umwelt und natürliche Ressourcen in Wädenswil. Ein Forschungsschwerpunkt ist unter anderem die Staudenverwendung im urbanen Grün. Uwe Jörg Messer, geb. 1971, Dr., leitender Redakteur des Schweizer Fachmagazins „g’plus“ (Unternehmerverband Gärtner Schweiz „JardinSuisse“), arbeitete unter anderem als Mitarbeiter an der Hochschule Anhalt in Bernburg an einem DFG-Forschungsprojekt über Staudenmischpflanzungen und schrieb über dieses Thema seine Dissertation an der Sheffield University, Department of Landscape, Großbritannien.
Axel Heinrich, Uwe J. Messer
Stauden mischpflanzungen Praxis – Beispiele – Tendenzen 2., überarbeitete Auflage 96 Abbildungen 7 Tabellen
4
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 6 Vorwort zur 2. Auflage 8
1
Ökologische Grundlagen 9
1.1 1.2
Die Strategietypen der Stauden 9 Wissenschaftliche Ansätze des Mischpflanzungsprinzips 14
2
Entwicklung und Stand der Forschung 16
2.1 2.2
Allgemeine Prinzipien 16 Allgemeine Probleme mit Staudenpflanzungen 21 Projekte im mitteleuropäischen Raum 23 Die Planungsstrategien für Flächen pflanzungen 26 Neue Wege und Tendenzen 33
2.3 2.4 2.5
3
Mischungen nach Standorten und Lebensbereichen 40
3.1
Mischungen für sonnige Freiflächen standorte 40 Mischungen für sonnige, trockene bis mäßig trockene und heiße Standorte 40 Mischungen für sonnige, frische bis mäßig trockene Standorte 43 Mischungen für frische bis feuchte Standorte 43 Mischungen für den sonnigen bis ab sonnigen Gehölzrand 44 Mischungen für den sonnigen Gehölzrand, auch in südexponierten trockenen Lagen 44 Mischungen für eingewachsene Baum standorte in relativ trockenen Lagen 44
3.1.1
3.1.2 3.1.3 3.2 3.2.1
3.2.2
4 Praxis 45 4.1 Standortwahl und Vorüberlegungen 45 4.1.1 Lebensbereiche und Substrate 45 4.1.2 Freiraumplanung und Verkehrslenkung 45 4.1.3 Einsatzmöglichkeiten 46 4.1.4 Substrataustausch: Ja oder Nein 47 4.1.5 Die mittlere Höhe der Vegetationsschicht 47 4.1.6 Die Höhenstaffelung und Raumbildung 48 4.2 Probleme – Erfahrungen 49 4.3 Pflanzsubstrate 52 4.3.1 Im Lebensbereich „Freifläche“ 52 4.3.2 Im Lebensbereich „Schatten“ 54 4.4 Die Pflanzen, Qualität und Lieferung 55 4.5 Richtige Bodenvorbereitung 56 4.6 Die schrittweise Pflanzung 58 4.7 Das Mulchen 62 4.8 Die Ereignistabelle 71 4.9 Die Wirtschaftlichkeit 76 4.9.1 Pflegearbeiten 76 4.9.2 Kosten für Herstellung und Pflege 81 4.10 Die Alterung der Mischpflanzung 82 4.11 Oft gestellte Fragen 85
5
Beispiele und Erfahrungen mit existierenden Pflanzungen 92
5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 5.1.5 5.1.6 5.1.7 5.1.8
In Deutschland 93 Kiel (Schleswig-Holstein) 95 Geesthacht (Schleswig-Holstein) 96 Leipzig (Sachsen) 98 Freital und Dresden (Sachsen) 100 Coburg (Bayern) 105 Kiederich (Hessen) 111 Mannheim (Baden-Württemberg) 113 Schifferstadt (Rheinland-Pfalz) 117
Inhaltsverzeichnis
5.1.9 Bad Rappenau (Baden-Württemberg) 120 5.1.10 München-Riem (Bayern) 123 5.1.11 Ottobrunn (Bayern) 128 5.2 In der Schweiz 131 5.2.1 Thalwil (Kanton Zürich) 132 5.2.2 Zürich 143 5.2.3 Wädenswil (Campus-Park) 147 5.2.4 Ländliches Straßenbegleitgrün Unter siggenthal 155 5.2.5 Chur (Kanton Graubünden) 157 5.2.6 Friedhof Nordheim in Zürich – Heimische Rabatte 163 5.2.7 Eschenbach (Kanton Luzern) 168 5.3 Checkliste für die Umsetzung von Staudenmischpflanzungen 171 5.4 Planungshilfen Stauden 173 5.4.1 Langlebige Stauden für schwere Böden 173 5.4.2 Standfeste Stauden 178
5.4.3 Schneckenresistente Stauden, eine Empfehlungsliste 178 5.4.4 Früh und spät austreibende Stauden 180 5.4.5 Praxisvariante „Pink Paradise“ 181 5.4.6 Vorschlag einer gepflanzten Feuchtwiese 181 5.4.7 Bezugsquellen für Mischpflanzungen und Unterstützung bei Staudenliefe rungen 184
6 Glossar 185 Service 215 Literatur 215 Bildquellen 217 Dank 218 Register 219
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Vorwort Es gibt eine Pflanzenkategorie, die seit den 1990er-Jahren zunehmend stärker ins Bewusstsein rückt: die Stauden. Jahrzehntelange monotone Einheitspflanzungen in urbanen, auf das Minimum reduzierten Grünanlagen können mit attraktiven Staudenpflanzungen wieder zu Publikumsmagneten und Aushängeschildern für Städte und Kommunen, aber auch für das private Grün werden. Hinzu kommt ein verstärkter Trend zu naturnahen Pflanzungen. Der Erlebniswert als Mehrwert steht dabei im Vordergrund. Eine Pflanzung ist dann attraktiv, wenn sie lebendig wirkt, d. h. Veränderung zeigt, und sie muss, vor allem im öffentlichen Grün, dauerhaft im Sinne der Lebenszykluskosten, also pflegeoptimiert sein. Nur die ausdauernden krautigen Pflanzen, also Stauden, können diesen Anforderungen gerecht werden. Die stressfähigen Stauden ziehen jedes Jahr im Winter ein, um im folgenden Frühjahr erneut kraftvoll und völlig unvoreingenommen auszutreiben. Sie müssen nicht wie Wechselflor zwei- oder dreimal pro Jahr erneuert werden. Stauden können bei richtiger Planung wie ein System auf Zeit funktionieren und drei, fünf, zehn, langlebige Arten sogar 20 bis 30 Jahre, mit hohem Nutzungswert gedeihen. Das Ziel dieses Buches „Staudenmischpflanzungen, Praxis – Beispiele – Tendenzen“ ist es, kompaktes, erfahrungsbasiertes Wissen über diese Art der Flächenbepflanzung mit Stauden zu geben. Seitdem die ersten Staudenmischpflanzungen Mitte der 1980er-Jahre als Versuchspflanzungen in Deutschland aufgepflanzt und die ersten Veröffentlichungen darüber in Fachzeitschriften und zahlreichen Vorträgen an die Verantwortlichen in den Städten und Kommunen sowie die ausführenden Betriebe herangetragen wurden ist die Akzeptanz der Staudenmischpflanzungen – zunächst „nach Rezept“ durchgeführt – kontinuierlich gewachsen. Selbst solche Pflanzungen zu versuchen oder sogar weiter zu entwickeln, wäre der nächste Schritt. Aber nur, wer sich von Anfang an genau an die pflanzensoziologischen Empfehlungen hält, geeignete Standorte auswählt, sorgfältig die Pflanzflächen vorbereitet und die Pflanzungen richtig durchführt und diese kreativ-fachmännisch pflegt, wird langfristig Erfolg ernten können. Bei der Vielzahl der heute angebotenen Staudenmischungen fällt es auf den ersten Blick schwer zu erkennen, welche für den zu bepflanzenden Standort geeignet sind. Derzeit sind neben den langjährig durch den Arbeitskreis „Pflanzenverwendung“ beim Bund deutscher Staudengärtner (BdS) getesteten und empfohlenen Mischungen weitere Mischungen am Markt, die überhaupt nicht oder nicht lange
Vorwort
genug auf unterschiedlichen Standorten getestet wurden. Hier ist Vorsicht geboten. Sicherheit erhält der Erstanwender, wenn er sich aktuell über die offiziellen Medien des oben genannten Arbeitskreises und über weitere angegebene Quellen informiert. Ebenso können Fremdeinflüsse, beispielsweise unkorrekte Bodenvorbereitung, Samenflug aus benachbarten Vegetationsflächen, starke Unwetter und extreme Wettersituationen, auf die Pflanzung einwirken und die Funktionen des komplexen Systems kurzzeitig negativ beeinflussen. Man darf nicht vergessen, dass eine Begrünung mit lebenden Pflanzen nie statisch zu sehen ist, sondern durch eine Dynamik, ja sogar eine gewollte Eigendynamik, mit unterschiedlichen Aspektwechseln innerhalb der Jahreszeiten und in den Folgejahren geprägt ist. Dies bedeutet, die anfänglich an Arten reichere junge Pflanzung wird in der Reife ruhiger und bleibt stabil ohne Attraktivitätsverlust. Erreicht wird dieses durch die jahreszeitlich bedingten phänologischen Veränderungen. Für alle, die gerne Staudenmischpflanzungen verwenden möchten und nicht richtig wissen, wie sie vorgehen sollen, ist dieses Buch ein Leitfaden und Nachschlagewerk zugleich. Die bereits existierenden Flächen im öffentlichen wie privaten Grün sind lebendige Studienund Anschauungsobjekte. Neunzehn dieser Flächen dienen exemplarisch als Referenzflächen für eigene Pflanzungen oder als Argumentationshilfen. Gelungene Beispiele und Erfahrungen hierfür werden in diesem Werk ebenso aufgelistet (vgl. Kap. 5) wie ausführliche Praxistipps, hilfreiche Kniffe sowie wertvolle Pflanzenlisten. Was in diesem Buch vorrangig unter dem Aspekt des öffentlichen Grüns betrachtet wird, kann selbstverständlich auch im privaten Garten verwirklicht werden. Durch Höhenstaffelung, kontinuierliche Blütezeitabfolge und Struktur sehen Staudenmischpflanzungen zu jeder Jahreszeit attraktiv aus, wenn Artenkombinationen, Pflanzabstände und die Standortbedingungen optimal aufeinander abgestimmt wurden. Die vorgestellten Pflanzungen sollen beispielhaft zur Ideenfindung und Nachahmung anregen. Vorurteile und die Behauptung, Staudenpflanzungen seien mit hohen Unterhaltungskosten verbunden, sind entkräftet, denn die Staudenmischpflanzungen sind erwachsen geworden. Wir hoffen, dass dieses Buch dazu beiträgt, Stauden(misch)pflanzungen zukünftig besser in das öffentliche und private Grün zu integrieren. Hat doch das uns umgebende Grün in den kommenden Jahren neue Aufgaben zu bewältigen. Mit der zu erwartenden abnehmenden gesellschaftlichen Mobilität – zum Teil durch steigende Mobilitätskosten, aber auch regional durch Überalterung – sowie der zunehmenden Bedeutung von Grünflächen als wohnungsnahe Aufenthaltsorte sind vor allem öffentliche Stadträume gezielt und beispielgebend aufzuwerten.
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Vorwort
Da in diesem Buch Beispiele aus Deutschland und der Schweiz dargestellt werden, sind typische Begriffe und Schreibweisen beider Länder aufgeführt. Diese mögen für viele ungewöhnlich klingen, sind aber bewusst verwendet, um die regionalen Eigenheiten zu gewähren und herauszustellen. Schließlich gilt dies auch für die Pflanzenverwendung, die keinesfalls global anzusehen ist, vielmehr soll sie sich auf Regionalität und Lokalität beschränken. So werden beispielsweise für Kies in der Schweiz häufig die Begriffe „Betonsand“ oder „Wandkies“ verwendet, im süddeutschen Raum dagegen eher der Begriff „Riesel“, und der schweizerische „Unterhalt“ entspricht der deutschen „Pflege“. Im Umgang mit diesem Buch ist auf das umfassende Glossar in Kapitel 6 hinzuweisen. In diesem werden über 380 Begriffe der aktuellen Pflanzenverwendung erstmals übersichtlich erläutert. Als Grundlage der Schreibweise der botanischen Namen dient die Nomenklatur nach Zander, 18. Auflage 2008. Die Verfasser, Gailingen und Wädenswil, 2012
Vorwort zur 2. Auflage Die 1. Auflage erhielt zwei große Auszeichnungen. Die Jury des Deutschen Gartenbuchpreises wählte im Jahr 2013 auf Schloss Dennenlohe das Buch „Staudenmischpflanzungen“ zum „Drittbesten Ratgeber“. Im gleichen Jahr wurde es von der Deutschen Gartenbau- Gesellschaft 1822 e. V. auf Schloss Mainau zu den „TOP 5 der besten Gartenbücher 2013“ gekürt. Diese beiden Auszeichnungen zeigen, dass das Thema „Mischpflanzungen“ aktueller denn je ist. Die Verwendung von echten oder gar regionalen Sämlingsarten mit ihrem enormen Genpool ist nicht nur hochbiodivers, sondern garantiert ebenso eine gewünschte Dynamik und höhere Vitalität des gesamten Pflanzensystems. Denn die Pflanzen sind an den Standort und an die Ökotypen optimal angepasst und können sich so dauerhaft in der Pflanzung etablieren und funktionieren. Einheimische Arten erhalten hiermit fürs extensive Grün ihren gebührenden Platz in der Pflanzenverwendung. Diese Art der Pflanzenverwendung in der Mischung strahlt nun selbst auf die Gehölzverwendung aus. In der 2. Auflage wurden auf vielfachen Wunsch die Pflanzenlisten mit deutschen Namen ergänzt, einige Bilder ausgetauscht und Zeichnungen angepasst. Die Verfasser, Gailingen und Wädenswil, 2016
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1 Ökologische Grundlagen Natürliche und vom Menschen beeinflusste Landschaften zeigen, dass es auch als natürlich empfundene, also naturnahe Vegetationstypen mit nur einer Pflanzenart gibt, z. B. Bestände mit Gewöhnlichem Schilf (Phragmites australis) entlang von Seen oder Calluna-Heiden nach Überweidung. In der Regel treten Pflanzen jedoch in gemischten Gemeinschaften auf, die gerade dann gesunde, robuste d. h. stressfähige und belastbare Pflanzengesellschaften bilden und ähnliche Standortansprüche aufweisen. Sie leben in gleichen ökologischen Verhältnissen, in denen jede einzelne Pflanze um die natürlichen Ressourcen wetteifert (Hansen und Stahl 1990). Staudenmischpflanzungen sind nach heutigem Verständnis Pflanzensysteme mit mindestens 15 bis 20 Pflanzenarten, bestehend aus Stauden, teilweise kombiniert mit Halb- oder Kleinsträuchern sowie Blumenzwiebeln. Sie erfüllen dabei ganzjährig ästhetische, raumbildende und ökologische Aufgaben.
1.1
Die Strategietypen der Stauden
Ob privater Garten oder öffentliche Grünfläche, jeder Standort ist gewissen limitierenden Standortfaktoren sowie Störungen ausgesetzt. Die Pflanzen haben sich im Verlauf der Evolution an die zur Verfügung stehenden Ressourcen wie Zeit, Raum und Wachstumsfaktoren (z. B. Licht, Wasser, Nährstoffe) angepasst. Man teilt sie in drei unterschiedliche Gruppen bzw. sogenannte Strategietypen ein: R-, C- und S-Strategen (vgl. auch nachfolgende Zeichnungen). Zu den kurzlebigen Pflanzen zählen die R-Strategen (R = ruderal; Pflanzen mit hoher Reproduktionskraft/Versamung), welche sich schnell auf Offen- bzw. Ruderalflächen ausbreiten können. Bei langlebigen Pflanzen unterscheidet man zwischen C-Strategen (auch K-Strategen oder Wettbewerbsstrategen genannt, von engl. „competitive“, konkurrenzstarke Pflanzen), welche sich dauerhaft an einem ausgeglichenen Standort behaupten können, und S-Strategen, die Stress lieben bzw. Stressfaktoren gegenüber sehr tolerant sind, da sie aufgrund ihrer hohen Akzeptanz an den Standort mit extrem begrenzenden oder sogar lebensfeindlichen Standortfaktoren wie Trockenheit, Winternässe, Nässe allgemein (Wasserstandsschwankungen) oder Hitze, Kälte und Bodenversalzung auskommen können. Zu den R-Strategen zählen Pionierpflanzen, die ein- oder wenigjährig sind. Sie wachsen rasch, besitzen eine hohe generative Reproduktionsrate (bilden sehr viele Samen innerhalb kurzer Zeit, erhalten sich durch Selbstaussaat) und haben eine geringe Konkurrenzkraft. Beispiele bei den heimischen Stauden sind der Rote Fingerhut (Digi
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Ökologische Grundlagen
Abb. 1: Lage der verschiedenen Strategietypen in Bezug auf Stress, Störung und Konkurrenz (Grime 1977 in Grime 2001 aus Kühn 2011).
Abb. 2: Einordnung von Lebensformen in das CSR-Schema von Grime (Grime 1977 in Grime 2001 aus Kühn 2011).
Annuelle
Abb. 3: Zuteilung der Lebensbereiche nach Störungshäufigkeit, Stressintensität und Produktivität in das CSR-Modell von Grime (nach Kühn 2011).
Perenne
Bienne
Gehölze
Wettbewerb
C
(Beet sonnig) (Beet absonnig) Gehölz frisch Freifläche frisch
Gehölzrand absonnig Freifläche trocken
(Beet sonnig)
Wasserrand Gehölzrand Wasser sonnig
(Beet absonnig) Steppenheide / Heide
R Störung
Gehölz trocken Fels / Steinanlagen
S Stress
Die Strategietypen der Stauden
talis purpurea), die Pfirsichblättrige Glockenblume (Campanula persi cifolia) und die Akelei (Aquilegia vulgaris). Fremdländische kurzlebige Stauden sind die Prachtkerze (Gaura lindheimeri), die Verbene (Verbena bonariensis) oder das Purpur-Leinkraut (Linaria purpurea). C-Strategen, oft auch als K-Strategen bezeichnet, lieben nährstoffreiche und kontinuierlich mit Feuchtigkeit versorgte Standorte. Sie sind dauerhafte Pflanzen, welche unter anderem ortsfest gedeihen können. Dann sind sie horstig wachsend und durch ihre Größe dominierend. Ebenfalls zu den C-Strategen zählen Ausläufer treibende Arten, welche durch eine aggressive und flächige Ausbreitung dominieren. Zur ersten Gruppe der horstig wachsenden Wettbewerbsstrategen zählen Taglilien (Hemerocallis), Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica), Eisenhut (Aconitum carmichaelii var. carmichaelii) und Funkien (Hosta). Zur zweiten Gruppe der wuchernden C-Strategen gehören beispielsweise die Lampionblume (Physalis alkekengi) und FelberichArten (Lysimachia punctata und Lysimachia clethroides). Die S-Strategen lieben salopp gesagt stressige Standorte. Dies sind Standorte, die durch begrenzende Standortfaktoren wie extreme Trockenheit oder Nässe (Wasserstand), Hitze oder Kälte, Schattendruck oder extremer Lichteinfluss beeinflusst werden. Nur unter diesen Gegebenheiten sind „Stresstoleranz-Strategen“ konkurrenzstark und langlebig. Verwendet man sie jedoch im Garten unter „gärtnerisch guten“ Bedingungen, werden sie von anderen Pflanzen verdrängt
Heimisch versus exotisch Vielgestaltige Pflanzengemeinschaften aus heimischen, exotischen (fremdländischen) oder gar gezüchteten Stauden, die unter angemessenen Pflegeregimen ein ökologisches und wettbewerbsfähiges Gleichgewicht bilden, sind gerade für das öffentliche und repräsentative Grün ein idealer Bepflanzungsansatz. Das Perennemix®-Forschungsprojekt startete 1999 genau aus diesem Grund unvoreingenommen mit je zwölf heimischen und exotischen Mischungsansätzen. Die optimierten Mischungen sind am Markt (vgl. Kap. 3). Pflanzen, die entsprechend den Konkurrenzbedingungen den zusagenden Standort haben, wachsen optimal, sind in ihrer Gesamtheit weniger
anfällig für Krankheiten sowie Stress und können somit die Flächen entsprechend schließen. Der Vorteil liegt auf der Hand: der Unkrautwuchs ist reduzierter, Dünger- und Pflanzenschutzmaßnahmen sind überflüssig und die Kosten im Unterhalt werden stark reduziert. Für das ganzjährige, positive Erscheinungsbild kann in der Regel auf exotische Arten oder Sorten in Mischpflanzungen, unter anderem als Eyecatcher, nicht grundsätzlich verzichtet werden. Das ist abzuwägen. Dies zeigen die Artenbeispiele (mitteleuropäische Vegetation) in Tabelle 1. Pflanzen in kräftigen, war men Farbtönen fehlen gänzlich und müssen durch „Exoten“ eingebracht werden.
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Ökologische Grundlagen
oder sind nur kurzlebig. Typische und geeignete Standorte für S-Strategen sind trockene Bereiche an Gebäuden, in Dachbegrünungen und Fugenbepflanzungen, aber auch auf Verkehrsteilern und -kreiseln. Als Beispiele sind mediterrane Halbsträucher wie Thymian, Lavendel, Rosmarin oder Salbei zu nennen. Ebenso zählen Fetthennen (SedumArten) oder Stauden für den trockenen Schatten wie Gedenkemein (Omphalodes verna) oder Golderdbeere (Waldsteinia geoides) dazu. Tabelle 1 verdeutlicht stellvertretend, dass warme, gelb-orange oder rote Farbtöne in der mitteleuropäischen Frühjahrs- und auch Frühsommervegetation selten im Angebot sind. Schon bei den Geophyten erübrigt sich die Frage, ob „heimisch“ oder „exotisch“, denn gerade im urbanen kühlen Grau der überdimensionierten Asphalt-
Tab. 1: Heimische krautige Arten bringen von Januar bis Juni Farbe ins urbane Grün, lassen jedoch die Farbe Rot bis Mai außen vor Blüten- Weiß farbe
Gelb
Januar
Helleborus foetidus
Helleborus niger
Februar Galanthus nivalis
Tussilago farfara
Blau
Violett bis Rosa
Rot*
Hepatica nobilis
März
Leucojum vernum, Ranunculus ficaria, Iberis saxatilis Chrysosplenium oppositifolium, Primula vulgaris
April
Anemone nemorosa, Crocus albiflorus, Convallaria majalis
Gagea-Arten, TaMuscari, Clema- Dictamnus raxacum officinale, tis alpina, Pulsa- albus, Lathyrus Euphorbia-Arten, Tu- tilla vulgaris vernus, Fritillaria meleagris lipa sylvestris, Anemone ranunculoides, Adonis vernalis, Tulipa sylvestris
Mai
Narcissus radiflorus, Allium ursinum, Galium odoratum
Narcissus pseudonarcissus, Caltha palustris
Hyazinthoides non-scripta, Aquilegia vulgaris
Aquilegia atrata, Lathyrus vernus
Papaver rhoeas, Tulipa grengiolensis
Juni
Leucanthemum vulgare, Aruncus dioicus, Anemone sylvestris, Orlaya grandiflora
Ranunculus acris, Trollius, Helianthemum nummula rium, Bupleurum rotundifolium
Geranium pratense, Salvia pratensis, Campanula-Arten
Geranium sanguineum, Lilium martagon, Lunaria rediviva
Lilium bulbiferum, Adonis aestivalis, Papaver rhoeas
Viola-Arten, Scilla bifolia
Corydalis cava, Bulbocodium vernum
* Rot blühende Pflanzen sind selten dabei. Hier muss man auf Exoten wie Tulpen, Hyazinthen oder Einjährige, z. B. KlatschMohn (Papaver rhoeas), zurückgreifen.
Die Strategietypen der Stauden
und Betonflächen müssen die Vegetationsflächen auffallen und fröhlich überzeugend leuchten. Dies gilt für privates wie auch öffentliches Grün. Warm gelb blühende Geophyten sind Crocus ancyrensis, C. chrysan thus ‘Zwanenburg Bronze’, C. flavus, Narcissus ‘Jetfire’ oder Tulipa ‘Beauty of Apeldoorn’. Sie werden im späteren Vegetationsverlauf vom Hemerocallis-Sortiment, den Helenium, Helianthus, Rudbeckien und Rosen abgelöst. Auf nährstoffreichen Grünstreifen, Grünland oder gar in Weinbergen trifft man im Frühjahr und Frühsommer die weithin leuchtenden gelben Blüten des Löwenzahns (Taraxacum). Selbst auf einseitig beanspruchten Kulturflächen überzeugt uns dieser Farbton. Warum orientieren wir uns nicht daran? Abb. 4: Die heutige Kulturlandschaft als vermeintliches Naturvorbild: Löwenzahn (Taraxacum officinale) bringt einen intensiven Farbaspekt in Grünstreifen, Wiesen oder Weinberge.
Abb. 5: Warm gelb blühende Tulpen (Tulipa Darwin-Hybride ‘Beauty of Apeldoorn’) bringen Farbaspekte in halbschattige Lagen wie hier im Beispiel Thalwil (Kanton Zürich).
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