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11.10.2016 - Bei Depressionen, Epilepsie und. ADHSgibtesnacheinerTherapiemit. Neurofeedback messbare positive. Entwicklungen bei über 80 Prozent.
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NEUROFEEDBACK

MAGAZIN

INTERVIEW

„DAS GEHIRN HEILT SICH SELBST“ Neurofeedback-Spezialist Thomas Flatz über Chancen der Hirnstrommessung bei der Behandlung von Depression & Co. Was ist Neurofeedback eigentlich? Thomas Flatz: Neurofeedback liefert

dem Gehirn ein audia/visuelles und taktiles Feedback bestehender Gehirnströme.DadurchkanndasGehirn auchaufbestehendeAbläufereagieren und diese beeinflussen. Für Patienten mit Depressionen, ADHS oder Epilepsie bietet sich dadurch eine Chance, die Auswirkungen der jeweiligen Erkrankung abzumildern.

Die Kraft der Gedanken Neurofeedback holt Depressive aus dem Tief und gibt dem Zappelphilipp Ruhe. Die Methode funktioniert ohne Tabletten. Sie vertraut auf die Selbstheilungskraft des Gehirns.

Wie kann sich das Gehirn selbst heilen?

Thomas Flatz, Dozent am BrainBalance Neurofeedback Institut in Wien, erklärt die Methode: „Wir messen die Hirnströme des Patienten, die vom Computer visualisiert und auf einem Bildschirm HEILE DICH SELBST.

dargestelltwerden.“InKonradsFallist es das Raumschiff vor dem bunten Weltall. Die Patienten erhalten auch über Sensoren in Stofftieren zusätzlich Impulse, die das Gehirn anregen. Vor jeder Therapie erhält der Patient eine Aufgabe–beiKonradeben,dasRaumschiff alleine mit der Kraft seiner Gedanken zu steuern. Flatz:„DerPatientdenktanseineAufgabe, das Gehirn reagiert. Die Selbstheilungskräfte,überdieunserePsyche verfügt, werden aktiviert.“Ziel ist es, durch diese Animation Regulationsstörungen und Blockaden im Gehirn, vergleichbar mit Fehlschaltungen beim Computer, aufzulösen oder zu reparieren. „Das passiert alles im Unterbewusstsein, der Patient kann bewusst, außer sich zu konzentrieren, loszulassen oder zu entspannen, keine Aktionen setzen,“ beschreibt Flatz die Vorgänge im Kopf. Die Patienten sehen das naturgemäß anders. Da ihre sich durch ihr Verhalten ändernden Gehirnströme auch vom Computer in passende Bilder am Schirm umgewandelt werden, glaubensie,dasssiediedortstattfindenden Vorgänge tatsächlich mit ihren Ge-

danken „steuern“ können. So wie Konrad,dersichjedesMalfreut,wenn er sein Raumschiff ohne einen Kratzer durch ein Meteoritenfeld „gesteuert“ hat. „Ich werde hier nicht behandelt, ichbehandlemichhierselbst“,sagtder 11-Jährige selbstbewusst. Neurofeedback ist seit den 1960er-Jahren bekannt, als der amerikanische Neurologe Barry Sterman mit der HirnstrommessungerfolgreichEpileptiker behandelte, deren Anfallshäufigkeit sich dadurch stark reduzierte. Dann wurden Psychopharmaka erfunden und Neurofeedback geriet in Vergessenheit. Nicht sehr hilfreich war auch, dass Hippies die Hirnstrommessung als Weg zur Bewusstseinserweiterung propagierten, als Methode zur Erlangung des „Instant Zen“, der schnellen Erleuchtung. Flatz: „Das hat der auf reiner Physik basierenden Methode schnellden Rufder Scharlatanerieverliehen.“ Zu Unrecht, wie sich heute zeigt, denn Neurofeedback gilt weltweit als Hoffnungsfeld bei der Behandlung der immer häufiger auftretenden psychischen Erkrankungen. METHODE AUS DEN 1960ERN.

FOTOS: BRAINBALANCE NEUROFEEDBACK INSTITUT

K

onzentriert sitzt Konrad vor dem Bildschirm, auf dem ein Raumschiffruckelnddurchein recht buntes Weltall fliegt. Nach einigen Minuten wird der Flug ruhiger. Das Raumschiff weicht plötzlich auftauchenden Meteoriten elegant aus und landet schließlich sanft auf einem Wüstenplaneten.Konradlächelt.Der an ADHS leidende 11-Jährige ist zufrieden – und ruhig. Gedanken sind nicht in Stein gemeißelt, eher ganz im Gegenteil. Unser Gehirn bleibt bis ins hohe Alter „plastisch“,alsoveränderbar.Genaudarauf baut Neurofeedback. Diese TherapiemethodesetztbeiderBehandlungvon Depressionen, Angstzuständen oder ADHS bei der Hirnaktivität an. Denken, Fühlen und unser Verhalten beeinflussen die neuronalen Verschaltungen im Gehirn, also mehr Abteilung Soft- statt Hardware.

Denn mit Medikamenten alleine sind dieFallzahlennichtzureduzieren.Nur mehr jedes zwölfte psychopharmakologischeMittelschaffteszurMarktreife.NeueeffizienteMittelzurBekämpfung der immer häufiger werdenden Depressionen fehlen am Markt. Flatz: „In Kombination mit medikamentöser Therapie erzielen wir mit Neurofeedback bei vielen Patienten beeindruckende Ergebnisse.“ Neurofeedback ist kein Allheilmittel und funktioniert auch nicht bei allen Patienten, aber es erweitert die Behandlungsmöglichkeiten. Allerdings dauert die Therapie lange. Bis zu 20 40-mal müssen sich Patienten vor den Bildschirm setzen, bis die neuronalen Netze„lernen“–beiEpileptikern,Anfällezu vermeiden,beiADHS-Patienten, ihre Aufmerksamkeit zu steigern. Für Konrad zählt allerdings nur das Ergebnis: „Ich kann jetzt in der Schule « schon viel länger ruhig sitzen.“

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Durch die Visualisierung der Gehirnströme fängt das Gehirn an, darauf zu reagieren. Durch von außen zugesetzteReize–imBeispielmitKonradwäre das die Darstellung des Raumschiffs am Bildschirm – werden die entsprechenden Gehirnregionen dahingehend aktiviert, wieder im Normalbetrieb zu funktionieren und Regulierungsstörungen zu beseitigen. Das geht allerdings nicht bei jeder psychosomatischen Erkrankung und bedarf rund20bis40Wiederholungen,bises funktioniert. Beeinflusst der Patient die Vorgänge im Gehirn aktiv?

Nein, es handelt sich ausschließlich um Interaktionen im Unterbewusstsein, von denen der Patient eigentlich gar nichts mitbekommt. Der Patient kann sich nur konzentrieren, entspannen und am Ende komplett loslassen, den Rest erledigt das Gehirn von alleine. Warum haben Patienten bei Neurofeedback-Behandlungen dann das Gefühl, alles kontrollieren und steuern zu können?

Der Computer visualisiert eben auch aktuelle Veränderungen in den Gehirnströmen. Dadurch hat der Patient

ebendasGefühl, dass er ein Flugobjekt allein durch die Kraft der Gedanken steuern kann. In Wirklichkeit steuert das veränderte Unterbewusstsein das Flugobjekt.Daesaberder Erwartung des Patienten entspricht, kommt es zu einer positiven Reaktion. Je öfter sich dieses Gefühl beim Patienten im Laufe der Therapie einstellt, desto größer sind die Chancen, dass Fehlschaltungen im Gehirn behoben oder entsprechende Blockaden aufgelöst werden. Es ist vergleichbar mit den Fahrradfahren. Wenn wir es einmalgelernthaben,dannvergessenwir es nicht, auch wenn wir vielleicht jahrelang nicht mehr mit dem Rad gefahrensind.ÄhnlichistesmitdemGehirn. Das vergisst an sich positive Abläufe auch nicht, die sind nur von Fehlfunktionen überlagert. Neurofeedback hilft dem Gehirn, diese Fehlschaltungen auf normal umzupolen. Wo sind positive Auswirkung nachweisbar?

Bei Depressionen, Epilepsie und ADHS gibt es nach einer Therapie mit Neurofeedback messbare positive Entwicklungen bei über 80 Prozent der Patienten. Inzwischen gibt es hier große wissenschaftliche Versuchsreihen angesehener Institute in den USA oder Deutschland, die diese positiven Aspekte der Neurofeedback-Therapie bewiesen haben. Dennoch wünschen wir uns, dass evidenzbasierte Forschung für Neurofeedback im Interesse der Patienten weiter vorangetrieben wird. «