Snowden live in Vancouver

haben, Facebook oder Twitter nut- zen, E-Mails schreiben, im Internet browsen und ... ti-Terror-Gesetz, dem sogenannten. Bill C-51 auseinandersetzen müssen.
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Snowden live in Vancouver Whistleblower diskutiert über Terrorismus, Panama Papers und Mut zur Aufklärung Der frühere NSA-Mitarbeiter Snowden war per Internet in ein kanadisches Theater geschaltet. Mit dem Publikum sprach er über den Sinn und Unsinn von Überwachung. Von Luise Wagner, Vancouver Das Queen-Elizabeth-Theater in der aus Stahl und Glasarchitektur dominierten Innenstadt von Vancouver ist ein Konzertsaal und lockt sonst internationale Musikstars an. Nun diente das Haus einer Veranstaltung, deren Hauptakteur nicht einmal leibhaftig auf der Bühne stand. Edward Snowden, der frühere NSA-Mitarbeiter und international gefeierte Whistleblower, wurde in der Nacht zu Mittwoch als Redner per Liveübertragung aus seinem Moskauer Exil in die kanadische Pazifikmetropole übertragen. Das Thema: Globale Datensammlung, Terrorismus und die Panama Papers, die Snowden als das größte »Datenleck der Geschichte« bezeichnet. Obwohl als Vorlesung der Simon Fraser Universität angekündigt, lockte das Ereignis Tausende in die Stadt und noch viel mehr verfolgten weltweit die Übertragung der Diskussion im Internet. Alle wollten hören, was der Whistleblower über das Geschäft mit der Überwachung der Bürger zu sagen hatte. Binnen fünf Stunden war die Veranstaltung ausverkauft – ein Rekord für den Theatersaal. Es waren Menschen aller sozialer Schichten, die Snowden hören wollten. Sie einte, dass sie Smartphones haben, Facebook oder Twitter nutzen, E-Mails schreiben, im Internet browsen und allein damit Opfer einer global agierenden Abhörmaschinerie werden können. »Ich finde es enorm wichtig, zu wissen, was so vor sich geht. Deshalb bin ich hier«, sagt Lis Welch, die im Abendkleid gekommen ist. Sonst gehe sie eher in die Oper. »Ich fühl mich richtig cool, unter all diesen Leuten zu sein«, sagt die ältere Dame, nimmt ihren Ehemann und hastet in den Zuschauerraum. Bevor Edward Snowden zugeschaltet wurde, gab es einen bemerkenswerten Moment im Saal. Ein Ureinwohner von Vancouver weihte die Veranstaltung mit einer feierlichen Zeremonie ein, die zur passenden Geste des Abends werden sollte. Die Menschen standen im bis unter das Dach gefüllten Saal auf und folgten seiner Bitte zum Händehalten. »Das ist ein Mann, der den Mut hatte, die Wahrheit zu sagen. Und das tut er für uns alle und die Zukunft unserer Kinder.« Snowden, der seit 2013 im Moskauer Exil lebt, weil er als Ex-Geheimdienstler in den USA wegen Spionage angeklagt würde, ist immer mehr ein gefragter Experte, wenn er weltweit zu Menschen spricht, die sich zunehmend als Opfer der eigenen Regierung fühlen. Es geht um unkontrolliert handelnde Institutionen, die globale Überwachung und jüngs-

Ex-NSA-Mitarbeiter Edward Snowden befindet sich noch immer im russischen Exil.

te Entwicklungen im Techniksektor. Snowden ist überwältigt von dem Empfang durch dieses großen Publikum: »Schade, dass ich immer noch diese Passprobleme habe«, scherzt er, »sonst könnte ich heute live in Kanada mit euch sprechen.« Einstieg in die Diskussion sind sogleich die Panama Papers, die aufzeigen, dass man Regierungen nicht trauen dürfe. Immer mehr werde deutlich, dass die enormen Daten-

»Wenn jemand auffällig wird, haben die Geheimdienste künftig die absolute Kontrolle über diese Person.« Edward Snowden, Whistleblower

sammlungen, die von der NSA und anderen Diensten angelegt werden, nicht ihren ursprünglichen Zweck der Sicherheit eines Landes erfüllen. »Nicht eine terroristische Handlung konnte in den USA durch diese Da-

tenüberwachung verhindert werden«, meint Snowden. Es werde auch nicht nur nach Terroristen gesucht, sondern werden politisch unbequeme Gruppen ausspioniert wie etwa Amnesty International. Der britische Geheimdienst GCHQ, das Pendent zur NSA, habe investigative Journalisten als »Gefahr« bewertet und zwischen Hackern und Terroristen eingeordnet, so Snowden. Das bewegt die Kanadier, die sich mit einem 2015 verabschiedeten Anti-Terror-Gesetz, dem sogenannten Bill C-51 auseinandersetzen müssen. Die auf das Podium geladene Anwältin Micheal Vonn stellte Snowden die wichtigste Frage des Abends. Warum werden all diese Daten überhaupt noch gesammelt, wenn sie nicht ihrem eigentlichen Ziel, der Terrorabwehr, dienten? Nach Ansicht Snowdens solle das neue Gesetz vielmehr eine internationale Datenbank mit Informationen füllen, aus denen sich NSA und GCHQ bedienen können. Es gehe um soziale Kontrolle und den Ausbau von Macht. »Wenn jemand auffällig wird, haben die Geheimdienste künftig die absolute Kontrolle über diese Person.«

Foto: AFP/Dagens Nyheter/Lotta Hardelin

»Terrorismus ist eine ernsthafte Bedrohung, aber wir sollten nicht so tun, als sei dies eine existenzielle Bedrohung unserer Gesellschaft«, sagt Snowden. Das Argument Terrorismus werde genutzt, um die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass Überwachung wichtig sei. Doch in Wirklichkeit dienten solche Programme der »diplomatischen Manipulation, Wirtschaftsspionage und gesellschaftlicher Kontrolle«. Doch bestehe auch Hoffnung innerhalb des Systems. »Technologie hat sich in vielerlei Hinsicht als Schwert gegen die Öffentlichkeit gerichtet, doch sie kann auch als Schild funktionieren.« Die Datenflut der Panama Papers verhilft Snowden nun zu einem Erfolg. Immer deutlicher wird die Bedeutung und die Anerkennung von Whistleblowern. »Es zeigt sich, dass Mut ansteckend ist«, sagt Snowden. Es werde immer mehr Aufklärer geben, die kriminelle Handlungen ans Licht bringen. Immerhin habe sich das US-Justizministerium mittlerweile bei ihm gemeldet und versprochen »ihn nicht zu foltern«, sollte er in die Heimat zurückkehren, scherzt Snowden.