Schwiegermutteralarm - AAVAA Verlag

Als Gegenleistung musste ich meiner Oma eine kirchliche Hochzeit ver- sprechen. Mit allem Gedöns! Mit der ganzen verratzten Verwandtschaft, feinem Anzug,.
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Jo Schwarz

Schwiegermutteralarm Roman

LESEPROBE

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© 2016 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2016 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Coverbild: fotolia, Wake up in morning with rooster crows for read Datei: 61681930, Urheber: pixbox77 Printed in Germany Taschenbuch: Großdruck: eBook epub: eBook PDF: Sonderdruck

ISBN 978-3-8459-1796-2 ISBN 978-3-8459-1797-9 ISBN 978-3-8459-1798-6 ISBN 978-3-8459-1799-3 Mini-Buch ohne ISBN

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1. Kapitel

Es war an Silvester. Kurz vor Mitternacht fasste ich den Entschluss, zu heiraten. Nüchtern, wohlgemerkt. Ich fiel meiner Traumfrau vor die Füße, blinzelte mich von ihren Jeansbeinen über ihren Blusenausschnitt hoch zu ihrem tomatenroten Schmollmund, suchte ihren Blick und fragte: „Willst du mich heiraten, Dania?“ Dania sah ratlos auf mich herab. Sie wusste nicht so recht, was sie jetzt tun oder sagen sollte. Und erst, als die Freunde um uns herum grölten und begeistert in die Hände klatschten, hauchte sie ein leises „Ja“ zu mir herunter. Erleichtert stand ich von den kalten Steinfliesen auf, nahm meine Herzensdame in die Arme und küsste sie. Schon am ersten Tag im neuen Jahr, am späten Nachmittag, so gegen fünf Uhr, wurde ich 4

bei meiner zukünftigen Schwiegermutter vorstellig. Mit Blumenstrauß von der Tankstelle, ganz so, wie es sich gehörte. Ich hatte das in einer Illustrierten beim Notarzt gelesen. In der Regel lese ich keine Illustrierten. Nur beim Arzt oder beim Friseur. Was soll man in der langen Wartezeit auch sonst tun? Und wenn das Zeugs ohnehin schon da liegt. Ich spiele Fußball. In jeder freien Minute. Im letzten Spiel habe ich mir den linken Haxen verrenkt, einen Zahn ausgeschlagen. Dennis, der Blindfuchs, hatte mich angerempelt, bevor er ein Eigentor schoss. Schon das zweite Eigentor in dieser Saison! Und mit diesem Missgeschick meines Sportkollegen fing alles an. Man brachte mich in die chirurgische Notambulanz ins Stuttgarter Klinikum. Ich saß schmerzgekrümmt im Wartebereich, es dauerte ziemlich lange, bis ich ins Sprechzimmer gerufen wurde, so blätterte ich in irgendeiner Illustrierten. Dabei stieß ich auf den Beitrag ‚Der Schwiegermutter vorstellig werden.’ 5

Die nächsten Tage war mein Kopf gedankenschwer. Als guter Verdrängungskünstler, der ich schon immer war, schob ich dann die Sache mit dem Heiraten weit nach hinten auf der Landkarte meines Gehirns. Und dann drängte sie sich plötzlich nach vorne, wollte raus aus mir, ließ mich in der Silvesternacht auf den kalten Steinfliesen niederknien und Worte sagen, die ich eigentlich gar nicht vor hatte zu sagen. Ich machte noch weitere Dinge, von denen ich nie geglaubt hätte, dass ich sie irgendwann einmal tun könnte. An dem Tag, an dem ich bei meiner zukünftigen Schwiegermutter vorstellig wurde, trug ich sogar Stoffhosen und richtige Schuhe. Keine Jeans und Turnschlappen, wie sonst, habe mich mit viel Mühe in die schwarze Stoffhose meines Konfirmandenanzugs gequetscht, das weiße Hemd mit den albernen Biesen und Wäscheknöpfen dazu angezogen, sowie die schwarzen Lackschuhe von Salamander, die mir Oma Klärchen damals aufgequatscht hatte. Meine Oma ist dickköpfig, sie 6

hätte mir den Führerschein nicht bezahlt, wenn ich die Lacklatschen und das alberne Hemd nicht angezogen hätte. Eigenartigerweise passen die Schuhe noch, meine Füße sind seit meiner Konfirmation nicht mehr gewachsen, sehr wohl aber mein Bauchumfang. Den Reißverschluss der Hose bekam ich auch mit viel Luftanhalten nicht zu, trug das Hemd deshalb über der Hose. Ich kam mir ganz schön blöd vor damals. Auf meine Army Cap habe ich aber trotz Einspruch meiner Oma nicht verzichtet. Was genug war, war genug! Und dann stand sie vor mir. Die Frau, die meine Schwiegermutter werden sollte. Gisela Kammerberger. Mir war ziemlich flau im Magen. Richtig schlecht, um genauer zu sein. Sauschlecht, um ehrlich zu sein. Meine zukünftige Schwiegermutter musterte mich von Kopf bis Fuß und wieder zurück, bevor sie die Tür frei gab und sagte: „Komm rein!“ 7

Das Verhör fand in der guten Stube statt. Und erst danach hat sie mir einen Kaffee angeboten. „Oder ein Wasser vielleicht, junger Mann?“, fragte sie mich süffisant. Ich wusste damals noch nicht, wie ich mit ihr dran war, entschied mich vorsichtshalber mal für Wasser, obwohl ich einen Klaren ganz gut hätte brauchen können. Das Wasser blieb mir dann fast im Hals stecken. Ich solle in zwei Tagen wiederkommen, meinte die Mutter meiner zukünftigen Frau. Und, dass es da noch einiges zu klären gäbe. Und dass ich zu dem Date meine Kontoauszüge mitbringen solle, ebenso meine Versicherungs-Policen und meine Sparbücher. So hatte ich das mit dem ‚Der Schwiegermutter vorstellig werden’ nicht in Erinnerung. Aber die Illustrierten haben ja auch nicht immer Recht. Meine Traumfrau stand neben ihrer Mutter. Sie lächelte mir vielversprechend zu. Ihr Blick wirkte wie eine Belohnung für zukünftige Taten. Irgendwie wurde mein Hals eng, mein Magen noch flauer. Aber es wird 8

schon seine Ordnung haben, dachte ich damals! Meine Oma hatte mir dann aus der Patsche geholfen, mir ihren Sparstrumpf zum Vorzeigen ausgeliehen. Als Gegenleistung musste ich meiner Oma eine kirchliche Hochzeit versprechen. Mit allem Gedöns! Mit der ganzen verratzten Verwandtschaft, feinem Anzug, Blumenkindern und Orgelspiel. Stundenlang stand sie bei Nacht und Nebel vor dem schäbigen Mietshaus, in dem die Kammerbergers damals wohnten, fror sich den Arsch ab, um ihr selbst gestricktes Strümpfchen wieder in Empfang zu nehmen. Danach war sie für drei Tage platt. Omas Plan aber ging auf, ich besitze jetzt zwei schwarze Anzüge und zwei Paar schwarze Lackschuhe von Salamander. Meine damals zukünftige Schwiegermutter war sehr beeindruckt vom Inhalt aus Oma Klärchens blauem Strickstrumpf mit dem Zopfmuster. Und wie sich später heraus kristallisieren sollte, auch von meiner Oma. Sehr 9

sogar! Aber das ist eine andere Geschichte. Sie nahm mich, nachdem sie äußerst gewissenhaft die Geldscheine durchgezählt hatte, in die Arme, drückte mich ganz fest an ihre dicken Brüste und flüsterte bewegt: „Mein Schwiegersohn!“ Für meine Traumfrau, die als uneheliches Einzelkind aufgewachsen ist, war es eine Selbstverständlichkeit, dass sie weiterhin mit ihrer Mutter zusammen wohnen würde. Dania erklärte mir wortreich, dass die ZweiZimmer-Maisonette-Wohnung in StuttgartBerg aber viel zu klein für drei Personen sei. Ich nickte zustimmend. Die Wohnung ist wirklich zu klein für drei Personen. Meine Traumfrau hatte damals allerdings etwas missverstanden. Sie fiel mir um den Hals, knabberte an meinem linken Ohr, flüsterte: „Mein Schatz!“ Wir suchten also nach einer größeren Wohnung. Für meine Traumfrau, meine zukünftige Schwiegermutter und mich. Was in Stutt10

gart allerdings eine schwierige Angelegenheit ist. Und erschwerend kommt dazu, dass ‚Mann’ nicht den passenden Geldbeutel dafür hat. Ich hatte meinen Chef schon des Öfteren um eine Gehaltserhöhung gebeten. Aber er hatte nie wirklich darauf reagiert. Gut, der Mann muss auch zusehen, wo er bleibt, das sehe ich ja ein. Die Heizungskosten sind enorm gestiegen und die Temperatur des Schwimmbeckens im Erdgeschoss seiner Stadtvilla auf der Gänsheide darf nicht unter 30 Grad fallen. Seine Angetraute mag nicht in kaltem Wasser planschen. Auch das sehe ich irgendwie ein. Aber halt nur irgendwie. Wer hat schon ein Schwimmbecken in seinem Haus? „Du hast doch Bausparverträge, Oliver Sven“, sagte meine zukünftige Schwiegermutter eines Abends beim Fernsehen. Sie sah mich an wie ein Tiger vor dem Sprung. „Ja?“, antwortete ich zögernd. Wenn sie mich mit vollem Namen anspricht, dann wird es brenz11

lig für mich werden, das hatte ich schnell kapiert. Der Tiger setzt zum Sprung an. Dann die Attacke. „Dann bauen wir doch ein Haus, Oliver Sven!“ Irritiert sah ich auf den Mund, der diese Worte ausgespuckt hatte, blinzelte mich über die Nase bis zu den Augenbrauen hoch. Sie meint es ernst, wurde mir schlagartig klar. Ich sah ratlos auf meine Traumfrau. Dania lächelte mir verheißungsvoll zu. Und aus meinem Mund kommen zukunftsschwere Worte. „Dann bauen wir doch ein Haus“, wiederholte ich den Satz meiner zukünftigen Schwiegermutter. Ich konnte wirklich nicht anders handeln, wäre mir wie ein Schwein vorgekommen, wenn ich, ach Scheiße …. Danach flüchtete ich zu Oma Klärchen. „Dann bauen wir halt ein Haus, Olli!“, sagte meine Oma nach dem zweiten Glas Zwetschgenschnaps. Sie fuhr sich mit gespreizten Fin12

gern durch ihre dauergewellten Haare, schob ihre Nickelbrille Richtung Stirn und zupfte an ihrer blau geblümten Kittelschürze herum. „Ich hab da noch ä Bausparverträgle, Bub“, sagte Oma verschmitzt.

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2. Kapitel

Unsere Hochzeit fand in der katholischen Kirche St. Eberhard statt. Mit allem Gedöns. Genauso, wie es sich Oma Klärchen erträumt hatte: mit der ganzen verratzten Verwandtschaft. Nach der Zeremonie mit viel Geplärre wurden Erinnerungsbilder am Pusteblumenbrunnen geschossen. Und danach ging es endlich zum Essen. Mir hing der Magen schon bis zu den Knien, als wir in das ‚Restaurant Wielandshöhe’ einliefen. Die Tische waren festlich eingedeckt. Kerzen flackerten um die Wette. Überall standen Blümchen herum. „Hinreißende Blumenarrangements“, jauchzte meine Schwiegermutter. „Ganz neue Impulse!“ Sie war ganz aus dem Häuschen. Keine Ahnung, was das für Blümchen waren, das war mir auch ziemlich egal, ich hatte 14

Kohldampf. Und wie! Mir war schon ganz schlecht vor Hunger. Und dann kamen alle halbe Stunde ein paar Häppchen. Als erstes ein Apfel-MeerrettichSüppchen. Grad mal ä Göschle voll. Aber meine Schwiegermutter war begeistert. Sie verdrehte weltentrückt die Augen, zog den Duft genießerisch und laut durch die Nase, stöhnte beim Ausatmen: „Mmmmh.“ Später wurde ein Sülzchen von geräuchertem Hecht und Zander mit Orangen-Fenchelsalat serviert. Wieder nur ä Göschle voll. Und wieder verdrehte meine Schwiegermutter weltentrückt die Augen und stöhnte: „Mmmmh.“ Es folgten Perlhuhn in Amalfizitrone, Rahmsoße, Grießnocken. Filet von Würzbachtalforelle auf Heckengäulinsen. Ich hatte bis dato keine Ahnung, was Heckengäulinsen sind, meine Schwiegermutter hatte das Menü bestellt. Die Location ausgesucht. Sie liebt das Außergewöhnliche, den Luxus. Sie schielte mittlerweile wie eine Beutelratte: „Mmmmh.“ 15

Für dieses Hochzeitsessen gingen ihre gesamten Ersparnisse drauf. „Mein einziges Kind ist mir das wert“, flüsterte sie mir ergriffen zu. „Als Friseurin verdient man ja nicht allzu viel.“ „Ich muss mal“, gab ich zurück, ging so unauffällig wie möglich nach draußen, wo der Typ vom Pizza Service schon auf mich wartete, riss ihm den duftenden Karton förmlich aus der Hand und steckte ihm einen 20-EuroSchein zu. „Stimmt so“, sagte ich, setzte mich in mein Auto und stopfte heißhungrig die ThunfischPizza in mich hinein, die ich per Handy und von der Herren-Toilette aus geordert hatte. Danach war ich aufgeschlossener gegenüber dem Göschle voll Valrhona-Schokoladenpudding, Aprikosenconfit und Vanille Glace, das als Nachtisch gebracht wurde. „Ein himmlisches Dessert“, seufzte meine schielende Schwiegermutter. „Ein himmlisches Dessert“, echote meine Traumfrau. Und auch Oma Klärchen verdreh16

te verzückt die Augen und seufzte: „Das ist der schönste Tag in meinem Leben, Bub!“ Ich wollte meine bescheidene EineinhalbZimmer-Wohnung in Bad Cannstatt auflösen, wollte, um die Mietkosten zu sparen, während der Bauphase unseres Hauses bei meiner Oma wohnen. „Du hast einen Knall, Olli“, meinte Oma Klärchen, als ich ihr den Vorschlag unterbreitete. „Eheleute gehören zusammen!“ „Wo sie Recht hat, hat sie Recht“, sagte meine Schwiegermutter. Und auch Dania nickte. So zog ich gleich nach unserer Hochzeit in die Wohnung meiner Schwiegermutter in Stuttgart-Berg.

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3. Kapitel

Das erste Jahr ging schnell vorüber. Seit ein paar Wochen schon wohnen wir in unserem Reihenhäuschen in Stuttgart-Feuerbach. Links neben unserer Haustür führt ein schmaler Weg zu unserer Erdgeschosswohnung. Meine Schwiegermutter fühlt sich sehr wohl in ihrem Puppenstubenreich dort unten im Keller. Sie verfügt über ein kleines Badezimmer mit Dusche, eine Miniküche, ein Schlafzimmer und einen Wohnbereich mit direktem Zugang zu unserer Terrasse, den sie nicht allzu häufig nutzen wird, wie ich hoffe. Wir drei verstehen uns gut, von den kaum erwähnenswerten Reibereien, die wir in der viel zu kleinen Wohnung in Stuttgart-Berg hatten, einmal abgesehen. Kein großes Kunststück, wir sehen uns nur am Wochenende und meist auch nur für ein paar Stunden. Ich spiele montags und freitags Fußball in der Sport18

vereinigung Feuerbach. Gleich nach Feierabend. Danach gehe ich mit den Kumpels noch was trinken, schwuppdiwupp ist es dann meist auch schon Mitternacht, manchmal auch etwas später. Meine Ehefrau ist kinosüchtig. Sie nutzt jeden Dienstag und Freitag die Kinotage im Ufa-Palast. Und weil an diesen Tagen der Einlass nur 5 Euro kostet, schaut sie sich über ‚Doktorspiele’, ‚Biene Maja’ und ‚Drachenzähmen’ so ziemlich alles an was geboten wird, mit ihrer Mama natürlich. Samstags erledigen meine zwei Frauen gemeinsam die Hausarbeit. Alles was halt so angefallen und liegengeblieben ist unter der Woche. Mich schicken sie gleich nach dem Frühstück mit dem Einkaufszettel los. Auch für das Getränke holen und das Altpapier entsorgen bin ich zuständig, also ist der halbe Samstag auch schon weg. Sonntags besuchen meine Schwiegermutter und meine Ehefrau den Gottesdienst in der St. Josef Kirche, halten anschlie19

ßend noch einen Plausch mit dem Herrn Pfarrer. Wenn meine Damen dann so gegen 12.30 Uhr zurückkommen, gibt es Mittagessen: Rostbraten mit Spätzle und schwäbischen Kartoffelsalat - unser Sonntags- und Feiertagsessen. Und wenn meine Schwiegermutter und meine Ehefrau danach die Küche sauber machen, gönne ich mir ein Nickerchen. Somit ist der halbe Sonntag auch schon rum. Nach meinem Mittagsschlaf mache ich mich auf den Weg zum Sportplatz. Und nach dem Fußballspiel trinke ich mit meinen Kumpels noch ein Pilschen, meist ein zweites, manchmal auch ein drittes. Es könnte alles so schön sein. Aber wenn ich heimkomme, hocken meine Schwiegermutter, meine Ehefrau und meine Oma nebeneinander auf dem Sofa wie die Hühner auf der Stange und stricken wie besessen: Handschühchen in rosa, Handschühchen in gelb und Handschühchen in hellblau. 20

Auf dem Tisch liegen bergeweise ErstlingsAusstattungkataloge. Mann, was willst du mehr, oder? Ich fühle Druck. Verdammt viel Druck!

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4. Kapitel

Wie jeden Morgen schmiert meine Schwiegermutter meine Vesperbrote fürs Geschäft, während Dania sich im Badezimmer für ihre Arbeit am Stuttgarter Flughafen stylt. Heute gibt es Erdbeermarmeladenbrote. Zwei Erdbeermarmeladenbrote fürs Frühstück und zwei Himbeermarmeladenbrote als Mittagessen. Die Marmelade frisch gekocht aus Beeren aus unserem Vorgarten. Mit Zettelchen versehen. Damit ich die Frühstücksbrote nicht mit den Mittagsbroten verwechseln kann. Dazu gibt es eine Thermoskanne mit Tee, Melisse oder Fenchel. Sie steckt die Brote in den Beutel aus Leinen, den sie mir, selbst genäht und selbst bestickt, letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte, bringt ihn nebst der Thermoskanne in meiner Aktentasche unter. Auch ein Geschenk von ihr. Zum Geburtstag. Ich hasse Aktentaschen. 22

Vor allem hellbraune. Die Dinger sind etwas für Opas, wie ich meine. Aber was sollte ich machen, ohne undankbar zu erscheinen? Immer, wenn ich nicht so will, wie meine Damen wollen, bin ich der böse Bube. So hätte ich z. B. ganz gerne einen Fliederbusch in unserem Vorgarten gehabt. So wie meine Uroma. Außerdem Blumen: Tulpen, Narzissen, einen blutroten Rosenstock …. Um die Geschichte kurz zu halten: Meine Schwiegermutter konnte sich wieder einmal durchsetzen. Jetzt wächst bei uns alles wild durcheinander: Brombeeren, Himbeeren, Lauch, Kartoffeln, Radieschen, Krautköpfe, Fenchel, Melisse und Unkraut-Blumen. „So ein hinreißendes Arrangement hat nicht jeder“, meint sie. Und, dass das ganze Durcheinander neue Impulse seien. „Ich will Brezeln zum Frühstück“, mache ich meiner Ehefrau klar. „Mit viel Butter drauf. Salzbutter! Ein, zwei Fleischkäsweckle. Und Kaffee. Viel Kaffee! Keinen Tee. Weder Melis23

sentee, noch sonst einen Tee. Ich habe Tee noch nie gemocht. Ihn nur getrunken, wenn ich mich todkrank fühlte. Und zu Mittag will ich was Warmes in den Bauch! Keine Marmeladenbrote. Ich steh auf schwäbische Hausmannskost: Linsen mit Spätzle und Saitenwürschtle. Eine Gulaschsuppe mit viel Fleichbröckele drin, Bauernbrot dazu, Sauerbraten mit Knödeln, Gaisburger Marsch, Saure Kutteln mit Bratkartoffeln, Kässpätzle, Wurstspätzle, Krautspätzle. Wo ist denn da das Problem, verdammt noch mal?“ „Warum machst du wegen des Vespers so ein Geschrei, Olli?“, gibt sie empört zurück. „Ich arbeite wie ein Mann, also will ich auch essen wie ein Mann!“ „Sei dankbar, Olli. Nicht jeder bekommt von seiner Schwiegermutter die Brote fürs Geschäft geschmiert. Die Mama meint es doch nur gut mit dir. Und wer weiß, wie lange wir die Mama noch haben werden.“ Meine Ehefrau sieht grantig aus, ihren Standardsatz sollte ich noch viele Male zu hören 24

bekommen. Er lässt mir jedes Mal von neuem kalte Schauer über den Rücken laufen. Gisela ist erst 62 Jahre alt, fit wie ein Turnschuh, und ich fürchte, sie wird so alt werden wie Methusalem.

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5. Kapitel

Auf welche Ideen meine Schwiegermutter manchmal kommt, das haut dem Fass glatt den Boden raus. Neben meinem Frühstücksteller liegt ein rosaroter Briefumschlag. Er riecht nach Parfüm. Nach Veilchen, Maiglöckchen, Lilien, Jasmin. So was in der Richtung. Ein Briefumschlag mit einem Duft wie für eine Schwuchtel. Aber es steht mein Name drauf. Mein voller Name, wie ich überrascht feststelle. Oliver Sven Nägele. Und mir wird schon im Vorfeld angst und bange. Was habe ich jetzt schon wieder falsch gemacht, frage ich mich. Das ‚i’ bei Oliver ziert ein rotes Herz statt Punkt. Das ist ja schon mal positiv, wie ich meine. Ich drehe und wende das Kuvert, reiße dann mit einem Ruck den Umschlag auf, ziehe das Blatt Papier heraus, der Gestank haut mich fast um, und fange zu lesen an. 26

Lieber Schwiegersohn Wir sollten unsere Beziehung verfestigen. Ich schlage dir deshalb einen Schwiegermuttertag vor. Den Tag lege ich auf den 1. Dezember fest. Und ich werde dir den ganzen Tag über zur Verfügung stehen. Deine dich liebende Schwiegermutter. Ich lese die sechs Zeilen ein zweites Mal durch, dann ein drittes Mal, kann nicht glauben, was die Buchstaben mir sagen. Mir stockt der Atem. Ein Gisela-Tag? Ideen hat die Alte! So was hatte mir gerade noch gefehlt. Ich habe den Kopf ohnehin gerade voll. Übervoll! Privat und im Geschäft. Gedankenschwer stecke ich den Brief in die Aktentasche, werde mich bei meinen verheirateten Arbeitskollegen umhören, werde mich informieren, wie die ihre Beziehungen zu ihren Schwiegermüttern pflegen. „Beziehung? Zu meiner Schwiegermutter?“, wundert sich Achim. „Wie kommst du denn 27

auf so eine absurde Idee, Olli? Man sieht sich halt an den Geburtstagen, an Weihnachten, an Ostern. Manchmal auch zwischendrin. Wenn einer mal krank ist, oder so.“ Kalle verdreht die Augen. „Beziehung? Zu meiner Schwiegermutter? Dir macht wohl das Wetter zu schaffen, Olli!“ „Die Alte hat doch einen an der Waffel, Kumpel“, poltert Dennis los, als er die duftende Nachricht auf dem rosaroten Papier liest. „Die tickt noch schräger als die Schwarzwälder Kuckucksuhr deiner Oma. Mein Gott, was bin ich froh, dass meine Schwiegermutter schon das Zeitliche gesegnet hat. Das war auch so eine seltsame Kanaille!“ Ich frage noch Michael und Jürgen. Aber auch sie haben noch nie etwas von einem Schwiegermuttertag gehört. Wenn ich gegen Giselas Vorschlag aufbegehre, werde ich wieder aus dem ehelichen Schlafzimmer ausquartiert, das ist mir klar. Auch werden Dania und ihre Mutter das Reden mit mir einstellen. Das ist mir auch klar. 28

Ich kann es aber nicht ertragen, wenn meine Ehefrau und meine Schwiegermutter vor sich hinmuffeln. Und einen Tag von 365 Tagen zu opfern, erscheint mir da das geringere Übel. Ich erkläre mich also zum Schwiegermuttertag bereit. „Wir werden frühstücken gehen, Olli“, informiert mich meine Schwiegermutter beim Frühstück. „Ins Café Planie.“ Sie sieht mich beifallheischend an. „Da gehen viele meiner Kundinnen zum Frühstücken hin. Auch einige meiner Arbeitskolleginnen waren schon dort.“ Ich trinke einen Schluck Kaffee. „Nach dem Frühstück werden wir einen schönen Stadtbummel machen, im Schlosscafé Kaffee trinken, Kuchen essen.“ „Hoffentlich ist sie bald still“, denke ich, kann das muntere Geplapper am frühen Morgen einfach nicht ertragen. „Danach fahren wir zum Flughafen raus nach Echterdingen. Wir könnten aber auch in die Wilhelma zum Tiere gucken oder ins Por29

sche Museum vielleicht? Was meinst du dazu, Olli?“ Sie hält sich die Hand an den Mund: „Ich habe doch tatsächlich das Mittagessen vergessen. Wir müssen ja auch was zu Mittag essen, Olli….“

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