Sachverhaltsdarstellung zum Volksbegehren gegen ... - Katholisch.at

30.01.2017 - Ein Volksbegehren ist ein Instrument der Direkten Demokratie in Österreich. Mit ihm kann das Volk die Behandlung eines Gesetzesvorschlags ...
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Sachverhaltsdarstellung zum Volksbegehren gegen CETA, TTIP und TiSA: 1. Die Initiative und Betreiber des Volksbegehrens: Die Initiatoren und Vorstandsmitglieder des Vereins GEGEN TTIP, CETA & TiSA haben ein Volksbegehren beantragt. Herbert Thumpser, LAbg. und BGM von Traisen, Vorsitzender und Initiator des Volksbegehrens. Weitere Initiatoren sind: Karin Scheele, LAbg., die Bürgermeister von Ternitz, Weinburg, Ober Grafendorf, Gaming. Die weiteren Vereinsmitglieder sind alle aus Traisen. Die Eintragungswoche ist vom 23. – 30. Jänner 2017 Ein Volksbegehren ist ein Instrument der Direkten Demokratie in Österreich. Mit ihm kann das Volk die Behandlung eines Gesetzesvorschlags im Nationalrat verlangen. Um ein Volksbegehren zum Erfolg – sprich zu einer Behandlung im Parlament – zu führen, müssen die Initiatoren für das eigentliche Volksbegehren in einer Frist von einer Woche 100.000 Unterschriften Wahlberechtigter vorlegen. Ein direkter Einfluss auf die Gesetzgebung ist dabei explizit nicht vorgesehen. Der Nationalrat muss das Thema zwar diskutieren, er muss aber keinen im Sinne des Volksbegehrens günstigen Gesetzesentwurf beschließen. Dieses unverbindliche Instrument ist daher formal betrachtet eine Volkspetition. Der Gesetzesentwurf: Der Nationalrat möge ein Bundesverfassungsgesetz beschließen, das österreichischen Organen untersagt, die Handelsabkommen mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) oder das plurilaterale Dienstleistungsabkommen (TiSA) zu unterzeichnen, zu genehmigen oder abzuschließen.

2. Die Gefahren (Argumentation der Initiatoren): TTIP, CETA und TiSA sind eine direkte Bedrohung für ein gutes Leben für alle. Das zeigen einige praktische Beispiele: 1. Damit alle gut und leistbar mit Wasser versorgt werden, muss die Versorgung in öffentlicher Hand sein. Mit TTIP, CETA und TiSA würde gelten: einmal privatisiert, immer privatisiert. 2. Wir wollen gesundes und hochwertiges Essen. Mit TTIP und CETA drohen Gen-Lachs und KlonFleisch. 3. Unser Bäcker ums Eck zahlt seine Steuern, Großkonzerne kaum. Wenn wir ihnen diese Privilegien wegnehmen wollen, könnten sie über TTIP und CETA dagegen klagen. 4. Unsere Bauern und Bäuerinnen stehen unter großem Druck. Mit TTIP und CETA kann die globale Agrarindustrie sie noch leichter überfahren. 5. Wir wollen unsere Liebsten gut versorgt wissen. Wenn in der Altenpflege das Betreuungsverhältnis verbessert werden soll, könnten Konzerne mit TTIP und CETA dagegen klagen. 6. Damit auch unsere Kinder noch gut leben können, müssen wir aus Atomenergie, Öl, Gas und Kohle aussteigen. Mit TTIP und CETA drohen Milliardenklagen von Energiekonzernen.

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3. Stellungnahme Heinz Hödl, KOO 1.

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CETA, TTIP und TiSA in einem Volksbegehren gleich zu behandeln ist unseriös und entspricht nicht der Verhandlungslage. Bei CETA wurden viele Kompromisse gefunden, die für TTIP nicht zutreffen. Der wichtigste Unterschied zwischen den beiden Verträgen liegt auf der Hand: Es sind sehr verschiedene Länder, mit denen da ein Vertrag über den Wegfall von Zöllen und die Vereinheitlichung von Standards verhandelt wurde und wird. Kanada hat rund 35 Millionen Einwohner und nur wenige global bestimmende Unternehmen. Die USA sind mit 319 Millionen Menschen gegen 509 Millionen Europäern ein ganz anderer Partner. Die USA haben diverse dominierende Weltkonzerne, auch in digitalen Zukunftsbranchen. Mit dem Partner Kanada ist es gelungen, Schwachstellen aus CETA heraus zu verhandeln. Statt rein private Schiedsgerichte soll es nun einen öffentlich-rechtlichen Gerichtshof geben. Kanada öffnet sich - anders als bisher die USA - auch bei öffentlichen Aufträgen für EU-Unternehmen. Im CETA Vertrag wird die öffentliche Trinkwasserversorgung (Vertrag Seite 1502) ausgeklammert. Für CETA spricht, dass Zusatzerklärungen zum Handelspakt im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden und damit Rechtsgültigkeit erhalten. Zur „Regulatorischen Zusammenarbeit“ heißt es, dass diese auf freiwilliger Basis erfolgen wird und kein EUMitglied dazu verpflichtet ist, etwaige Beschlüsse umzusetzen. Auch die Hoheit der Mitgliedstaaten bei Sozialgesetzgebung, öffentlicher Daseinsvorsorge, Bildung, Umwelt, Gesundheit etc. bleibt unangetastet. Viele Argumente der Initiatoren und Unterstützer (auch kirchlicher, wie der KA Wien) sind lediglich auf TTIP bezogen. Daher ist die Argumentation der Initiatoren populistisch, unsachlich und unseriös. Die USA haben von acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) nur zwei anerkannt. Kanada hat bereits sechs der acht ILO-Mindestarbeitsnormen ratifiziert. Es hat allerdings den Ratifizierungsprozess der beiden ausständigen ILO Kernarbeitsnormen (Konvention über das Organisationsrecht und Kollektivvertragsverhandlungen; Konvention über das Mindestalter für Beschäftigungen – wurde bereits beschlossen, ist allerdings noch nicht in Kraft) eingeleitet. Dass Freihandelsabkommen, so wie sie jetzt verhandelt werden, keine Verbesserung der Lebensqualität bedeuten, weil Arbeits- und Umweltstandards dereguliert werden könnten, stimmt so nicht. Eine aktive europäische Handelspolitik, die globalen Marktzugang schafft und faire Handelsregeln durchsetzt, ist auch für die heimische Wirtschaft wichtig. Gerade eine Exportnation wie Österreich braucht offene Märkte und faire globale Regeln. Denn damit sind auch hunderttausende Arbeitsplätze in Österreich verbunden. Es kommt öfters vor, dass Konzerne Staaten auf Schadenersatz klagen. Die Zahl der Fälle ist steigend: 70 Klagen allein im Jahr 2015 waren ein Rekord. Der Grund: Es gibt immer mehr solche Abkommen, weltweit rund 3000. CETA verlangt, dass alle Verhandlungen und Dokumente öffentlich sind. 36 Prozent der Fälle gewannen bisher die Staaten, 26 Prozent die Investoren. Weitere 26 Prozent wurden einvernehmlich geklärt, der Rest eingestellt. CETA 2

sieht ein Berufungsgericht vor – zum Missfallen der Investoren, weil die Verfahren so länger dauern und teurer werden könnten. CETA grenzt die Klagsmöglichkeiten jedoch ein: Staaten wird ausdrücklich zugestanden, die Gesetze im öffentlichen Interesse wie Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz oder kulturelle Vielfalt zu ändern. Weniger Gewinn ist also kein Grund für eine Klage. Österreich hat Investitionsschutzvereinbarungen mit 60 Staaten in Kraft und damit durchwegs gute Erfahrungen gemacht. 9. Dass mit CETA Gen-Lachs und Klon-Fleisch kommen, stimmt nicht. Für einige sensible Erzeugnisse wie Rindfleisch, Schweinefleisch und Zuckermais auf EU-Seite und Milcherzeugnisse auf kanadischer Seite, wird der präferenzielle Zugang mit Quoten beschränkt und Kanada muss das Fleisch in einer gesonderten Produktionslinie ohne den Einsatz von Hormonen erzeugen. Durch das Abkommen wird die Regelungsfreiheit auch im Bereich des Tierschutzes nicht eingeschränkt (Artikel 21.2 Absatz 4). Waren aus Kanada, die auf dem EU-Markt angeboten werden sollen, müssen nach wie vor den EU-Vorgaben zur Lebensmittelkennzeichnung entsprechen. Ausnahmebestimmungen zu Klonen sind in CETA nicht enthalten, daher wird sich durch CETA keine Änderung zur derzeitigen Situation ergeben. 10. In Brüssel liegt kein Zulassungsantrag des Unternehmens AquaBounty, dem Hersteller des Gen-Lachses, vor. Im Abkommen CETA mit Kanada hat die EU-Kommission einem Artikel zum Thema "Biotechnologie" zugestimmt, der sie zum Dialog über Gentechnik verpflichtet und in dem auch die Ziele des Dialogs festgeschrieben sind. 11. Fleischproduktion ohne Hormone: Laut Kommission soll das Importverbot von Hormonfleisch aus USA oder Kanada auch durch TTIP oder CETA nicht aufgehoben werden. Vielmehr ist vorgesehen, die Importquoten für kanadisches hormonfreies Rindfleisch zu erhöhen. Dadurch soll in Kanada eine hormonfreie Schiene der Rindfleischproduktion entstehen. Die Canadian Food Inspection Agency (CFIA) verfügt über ein Programm die Produktion ohne Wachstumsförderer von Tieren betreffend, deren Fleisch für die Europäische Union und andere Märkte mit ähnlichen Einschränkungen wie etwa China und Russland bestimmt ist.

4. Resümee: 1. Ein Volksbegehren gegen CETA und TTIP ist sachlich nicht begründbar. Die Unterschiede sind offensichtlich. TTIP ist nicht nur aufgrund der USA beim derzeitigen Stand obsolet. 2. Manche Argumente der Befürworter sind sehr weit von der Realität entfernt, so zum Beispiel dieses: „Unser Bäcker ums Eck zahlt seine Steuern, Großkonzerne kaum. Wenn wir ihnen diese Privilegien wegnehmen wollen, könnten sie über TTIP und CETA dagegen klagen“. Siehe Punkt 3.8. Fazit: Investorenschutz à la CETA ist dann akzeptabel, wenn man nicht der Ansicht ist, dass Staaten prinzipiell jederzeit die Spielregeln ändern dürfen, ohne Rücksicht auf Firmen zu nehmen. Wer das Instrument an sich für sinnvoll hält, der kann mit den neuen CETA-Regeln gut leben. 3. Ich habe ein großes Verständnis dafür, dass in Österreich sich auch katholische Organisationen und Vereine an Protesten gegen TTIP und CETA beteiligt haben. Ich habe

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wenig Verständnis dafür, dass diese oftmals auch sehr polemisch und populistisch agieren. Die Unterstützung eines nicht notwendigen Volksbegehrens gehört dazu. 4. Sorgen macht mir, dass überall in der industrialisierten Welt sich ein neuer Nationalismus breit macht. Anti-europäische und xenophobe politische Parteien gewinnen überall an Boden. Aus Angst vor diesen sind auch die Mitte-rechts- und Mitte-links-Parteien zu EU Skeptikern und Renationalisierern geworden. Damit wird noch mehr als bisher eine negative Grundstimmung gegen das Unternehmertum aufgebaut. Es macht nachdenklich, wenn ganz linke Gruppierungen, die FPÖ, die Öxit und die Euroexit Bewegung sich für das Volksbegehren stark machen. Von den Politikern wird das Volksbegehren u.a. von Strache, Hofer und Niessl unterstützt. 5. Sorgen macht, dass nicht auf Fakten geachtet wird. Mit Trump und dem Brexit hat das bereits einen traurigen Höhepunkt erreicht. Trump will 35 % Strafzölle für Mexiko. Viele Güter, Autos, Klimatechnik werden dadurch teurer und hilft den Armen überhaupt nicht. Anfang der 1930er Jahre wurde die Abschottung vom Handel auch für eine effiziente Politik gehalten. Wir wissen, dass das phänomenal gescheitert ist. Heinz Hödl, Wien am 18. 01.2017 [email protected]

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