Roland Lieverscheidt Tod blieb Roman

gingen auf das Konto eines Schülers aus der. Parallelklasse. Roberts .... als ihre Liebe mit der Geburt ihrer gemeinsamen. Tochter Lena gekrönt wurde. Sowohl ...
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Roland Lieverscheidt

Tod blieb Roman © 2011 AAVAA Verlag UG (haftungsbeschränkt) Quickborner Str. 78 – 80, 13439 Berlin Alle Rechte vorbehalten www.aavaa-verlag.de 1. Auflage 2011 Umschlaggestaltung: Roland Lieverscheidt, Berlin Titelfoto: © Frozenstarro / Fotolia Printed in Germany ISBN 978-3-86254-929-0

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Alle Personen und Namen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Zuerst spürte er sie in seiner Brust. Sie brannte wie Feuer und drohte ihm den Atem zu rauben. Eine Wut, wie er sie als Zwölfjähriger bis dato noch nicht kannte, hatte von Robert Besitz ergriffen. Seine Lungenflügel vibrierten und er spürte das wilde Pochen der äußeren Halsschlagader in Höhe seines Kehlkopfes. Das Blut schoss ihm mit Hochdruck in den Kopf und er rechnete jede Sekunde damit, dass dieser wie ein Luftballon zerplatzen müsse. Die flache Hand seines Klassenlehrers traf ihn mitten ins Gesicht. Die Wucht des Schlages ließ ihn bis in die hintere Ecke des Lehrerzimmers taumeln und dort zu Boden gehen. Erst danach spürte er den brennenden Schmerz auf seiner linken Wange. Das Blut in seinen Schläfen pochte wie wild und alles verschwamm vor seinen Augen. Für einen kurzen Moment verlor er das Bewusstsein. Doch kurz darauf, begann sich der Schleier vor seinen Augen zu lichten. Ungläubig blickte er in das raubtiergleiche Antlitz seines Lehrers, welches ihn 4

mit kalten, gefühllosen Augen anstarrte. Wut ... nichts als nackte, animalische Wut trat an die Oberfläche seines Bewusstseins und beherrschte nunmehr sein ganzes Denken. In diesen Sekunden fällte er ein Urteil, das sein weiteres Leben nachhaltig beeinflussen sollte:

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»Du bist tot!« * Roberts Klassenlehrer hatte den größten Fehler seines Leben begangen, indem er an Roberts äußerst ausgeprägten Gerechtigkeitssinn kratzte. Mal ganz davon abgesehen, dass sein brutaler Schlag durch nichts zu rechtfertigen war, begründete er seine Handlungsweise zudem mit einer ungeprüften Schuldzuweisung. Noch vor Unterrichtsbeginn hatte er Robert aus den Toilettenräumen kommen sehen und ihn bezichtigt, die Wände der Waschräume mit schmutzigen Parolen besprüht zu haben. Die Schmierereien gingen auf das Konto eines Schülers aus der Parallelklasse. Roberts diesbezüglicher Erklärungsversuch wurde jedoch bereits im Keim erstickt. Sein Lehrer griff ihm unsanft in den Nackenbereich und dirigierte ihn bis ins Lehrer-

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zimmer. Eine Chance zur Rechtfertigung ließ er ihm nicht ... Robert traute sich nicht, seine Eltern über den Vorfall zu informieren. Wahrscheinlich hätten sie ihm ohnehin nicht geglaubt. Aus Scham sprach er auch mit keinem Mitschüler über sein Problem. So blieb er also allein mit seiner unsagbaren Wut und fraß diese in sich hinein ... * Am dritten Tag nach diesem Vorfall betrat der Schuldirektor das Klassenzimmer und verkündete mit ernster Miene den plötzlichen Tod des Klassenlehrers. Die Ansage ließ Robert augenblicklich zusammenzucken. Im

Klassenzimmer

herrschte

betretenes

Schweigen. Man hätte eine Stecknadel fallen hören.

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»Darf ich fragen ... woran er gestorben ist?« wagte Robert die Stille zu unterbrechen. Dem Direx schien diese Frage eher unangenehm zu sein. Er zögerte zunächst und antwortete schließlich ausweichend: »Die genaue Todesursache ist noch nicht eindeutig geklärt. Man vermutet jedoch Herzversagen.« Die Aussage des Direktors irritierte ihn. Erst vor drei Tagen hatte er seinem Klassenlehrer den Tod gewünscht und nun hatte sich dieser makabre Wunsch erfüllt? Es konnte sich natürlich nur um einen Zufall handeln. Dennoch gab ihm die Angelegenheit zu denken. War es tatsächlich nur ein merkwürdiger Zufall oder hatte er womöglich doch etwas mit dem plötzlichen Tod seines Lehrers zu tun? Sowohl während des Unterrichts als auch

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bends nach dem Zubettgehen rotierten seine Gedanken ausschließlich um dieses Thema. Er, der zwölfjährige Robert König, hatte über seinen 8

Klassenlehrer das Todesurteil verhängt ... und nun war dieser tatsächlich gestorben. Es konnte sich einfach nur um einen außergewöhnlichen ‚Zufall’ handeln! Doch ein letzter Rest von Zweifel blieb haften und ließ sich auch mit aller Anstrengung nicht aus seinem Kopf verdrängen... * Einige Wochen später sollte es zu einem neuerlichen Zwischenfall an seiner Schule kommen. Detlef, ein ausgewachsenes Riesenbaby mit kräftigen Oberarmen und weniger Hirn als ein Spatz, musste während der großen Pause mal wieder die Rang- und Hackordnung auf dem Schulhof in anschaulicher Weise demonstrieren. Als Spielball seiner ungezügelten Kräfte hatte er dieses Mal Robert König auserkoren. In einem Moment, als sich die Pausenaufsicht außer Sichtweite befand, begann Detlef mit seinen sadistischen Spielchen. Dabei benutze er Roberts 9

Kopf als eine Art Punchingball und verpasste ihm auf diese Weise mindestens zwanzig Ohrfeigen. Roberts Versuch um Hilfe zu schreien, wurde schon im Ansatz erstickt. Die fleischigen Pranken seines Peinigers klatschten ihm mitten ins Gesicht. Eine Mischung aus Schmerz, Zorn und der bitteren Erkenntnis, dass er gegen diesen muskelbepackten Fleischklos keinerlei Chance haben würde, löste Übelkeit in ihm aus. Zu allem Überfluss schlug ihm der penetrante Geruch eines Zwiebel-Mett-Brötchens aus dem Mund seines Peinigers entgegen. Es brauchte nicht lange, bis er dem Primitivling in hohem Bogen auf dessen kleinkariertes Hemd kotzte. Dies wiederum versetzte den Muskelprotz dermaßen in Rage, dass er seine dicken Wurstfinger gewaltsam in Roberts Mund schob und dessen Zunge zu fassen bekam. Mit eisernem Griff drehte er diese mehrfach um die eigene Achse. Ein schier unbeschreiblicher Schmerz war die Folge dieser Attacke. Erneut fühlte Robert diese 10

unsagbare Wut in sich aufsteigen, die sich in gleicher Weise äußerte, wie er es nur wenige Wochen zuvor im Lehrerzimmer schon einmal erlebt hatte. Unbarmherzig schälte sich aus den tiefen Schichten seiner Seele der inständige Wunsch, dass sein Widersacher sterben möge. Dieses Mal brauchte es nur zwei Tage, bis sich auch dieser Todeswunsch erfüllen sollte. Die Nachricht von Detlefs Tod hatte sich sehr schnell im Dorf herumgesprochen und Robert erfuhr es von seiner Mutter. Sichtlich geschockt vernahm er ihren Bericht und zog sich erst mal in sein Zimmer zurück. Er musste jetzt einfach allein sein, um in aller Ruhe über die Geschehnisse nachdenken zu können. Handelte es sich bei diesem neuerlichen Todesfall auch nur um einen seltsamen Zufall? Tief in seinem Innern meldete sich eine Stimme, die ihm deutlich zu verstehen gab, dass nichts auf dieser Welt zufällig geschieht. Jedes Geschehnis unterliege dem universellen Gesetz von Ursache und Wirkung. Doch 11

war seine Handlungs- oder Denkweise wirklich ursächlich für die beiden Todesfälle? Ein zunehmendes Unbehagen bemächtigte sich seiner bei dem Gedanken, dass er zwei Menschenleben auf dem Gewissen haben sollte ... *

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8 Jahre später ... Die besagten Vorfälle aus Roberts Kindheit waren mit zunehmendem Alter verblasst. Lediglich ein letzter Rest von Unsicherheit in Bezug auf die Ursächlichkeit der Todesfälle hatte sich in seinen Gehirnwindungen eingenistet. Vorrangig glaubte er jedoch inzwischen an die Zufallsversion. Diese Einschätzung festigte sich mit fortschreitendem Alter und dem Ausbleiben weiterer Vorfälle dieser Art. Roberts Jugendzeit verlief zunächst eher unspektakulär. Seine Ausbildung zum Versicherungskaufmann

absolvierte

er

ohne

große Anstrengung mehr oder weniger ‚nebenbei’. Seine Freizeitgestaltung wurde vor allem geprägt durch mannigfaltige Erfahrungen mit dem weiblichen Geschlecht. Im Alter von zwanzig Jahren konnte er bereits eine überdurchschnittlich große Anzahl von kurz- und längerfristigen Beziehungen auf seinem Erfahrungskonto verbuchen. Doch die große Liebe hatte bis 13

dato noch nicht an seine Türe geklopft. Dies sollte sich schlagartig ändern, als eine junge Frau mit dem schönen Namen Marion in seine unmittelbare Nachbarschaft zog. Schon die erste Begegnung mit ihr elektrisierte ihn auf eine bis dahin völlig unbekannte Art und Weise. Ganze Schwärme von Schmetterlingen hatten sich in seinem Bauch versammelt und ließen ihn alles Andere um sich herum vergessen. Von seinem Fenster aus beobachtete er den Einzug seiner neuen Nachbarin in die kleine Dachgeschosswohnung des gegenüberliegenden Wohnhauses. Einer der Möbelpacker knickte beim Entladen des Umzugswagens so unglücklich mit dem Fuß um, dass er fortan außer Gefecht gesetzt wurde. Robert erkannte sofort seine Chance und stellte sich selbst als Ersatzmann zur Verfügung. Marion Laibach zeigte sich hocherfreut über die ‚selbstlose’ Hilfsbereitschaft des netten jungen Mannes aus der Nachbarschaft und nahm dessen Angebot dankend an. Die anschließende Einwei14

hungsfeier im ‚kleinen Kreis’ sollte einen maßgeblichen Wendepunkt in Roberts ungestümen Junggesellenleben einleiten. An jenem lauen Sommerabend verliebte er sich bis über beide Ohren in seine hübsche Nachbarin. Marion erwiderte diese Liebe und wich von diesem Tag an nicht mehr von seiner Seite. Auch Robert schwor seinem bisherigen ‚Lotterleben’ ab und nahm sich fest vor, von nun an nur noch für seine Marion da zu sein. Schon sieben Monate später läuteten die Hochzeitsglocken. Das junge Paar schwebte auf der berühmten Wolke mit der Nummer Sieben und das Glück schien perfekt, als ihre Liebe mit der Geburt ihrer gemeinsamen Tochter Lena gekrönt wurde. Sowohl beruflich als auch privat lief alles bestens. Bereits zwei Jahre nach Lenas Geburt zogen sie in ein kleines Haus im Grünen. Hier, am Rande eines 600Seelen Dorfes, sollte Lena in möglichst natürlicher Umgebung aufwachsen. Die dörfliche Idylle bot alle Voraussetzungen für eine unbeschwerte 15