Region Nordwest - Unia

02.11.2012 - Du bist gelernte Detailhandelsfach- frau und arbeitest 80 Prozent. Was verdienst du dabei? Netto bleiben am Schluss gut. 2000.– (siehe ...
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Region Nordwest Nr. 4 | 2. November 2012 Erscheint als Beilage zur Zeitung «work» | Redaktion Unia Region Nordwestschweiz, Postfach, 4005 Basel, T 061 686 73 20 | www.nordwestschweiz.unia.ch

Interview mit einer Detailhandelsfachfrau über respektlose Löhne und Kunden

Ich bin enttäuscht von der Menschheit Milo (Name der Redaktion bekannt) ist eine junge, sympathische Frau. Sie arbeitet bei einer bekannten Modekette in Basel. Lohn: 2000.– netto! Wie das zum Leben reichen muss und wie der Beruf ihr Menschenbild geprägt hat, sagt sie im Gespräch. Du bist gelernte Detailhandelsfachfrau und arbeitest 80 Prozent. Was verdienst du dabei? Netto bleiben am Schluss gut 2000.– (siehe Lohnabrechnung). Nebst den gesetzlichen Abzügen wird vom Bruttolohn (2640.–) eine Prämie abgezogen. Es heisst, dass wir bei genügend Umsatz diese rückerstattet bekommen. In den ganzen drei Jahren ist das jedoch nie passiert. Zudem werden Monat für Monat ca. 150.– für Kleider abgezogen. Wir dürfen nur Kleider unseres Arbeitgebers tragen. Und es muss stets das Neueste sein.

Reicht das zum Leben? Nein. Ich bin auf Unterstützung meines Freundes angewiesen. Wir wohnen zusammen und wir haben das Glück, dass er im Gegensatz zu mir gut verdient. Er zahlt die ganze Miete. Für den Ausgang bleibt kein Geld übrig. Alles geht für Essen, Krankenkassen und die überlebensnotwendigen Dinge drauf. Es ist absurd: Als Verkäuferin in einem Modefachgeschäft kann ich mir nicht mal Markenkleider leisten.

Gemäss Lohnbuch müsstest du mindestens 3800.– verdienen ... Ja, es ist krass. Ich bin 26, habe ­eine 3-jährige Lehre gemacht und arbeite jetzt dann bald drei Jahre auf meinem Beruf. Doch eine Lohnerhöhung hat es seit fast drei Jahren nicht mehr gegeben. Und das wird sich leider auch nicht ändern. Ich finde es krass und es macht mich wütend. Ich arbeite bei einer der am schlechtest bezahlten Boutiquen. Anderswo verdienen sie etwas mehr. Dafür herrscht dort ein noch grösserer Druck.

Suchst du einen anderen Job? Wenn ich ein Angebot hätte, wo ich mehr verdienen würde, dann würde ich sofort zusagen. Ich könnte mir vorstellen, z. B. auch zu Denner zu gehen. Hauptsache ein halbwegs anständiger Lohn, von dem man leben kann. Doch es ist schwierig, eine neue Stelle zu finden.

Wie viele Stunden pro Tag arbeitest du? Wenn ich Frühschicht habe von 8.30 bis 18.30 Uhr. Das macht 9 Stunden pro Tag. Spätschicht heisst, dass ich von 11 bis 20.15 Uhr im Laden stehen muss. Nach

Milo steht voll und ganz hinter ihren Aussagen, möchte ihren richtigen Namen und den ihres Arbeitgebers aber nicht preisgeben, weil sie Angst um ihre Stelle hat. Ladenschluss müssen wir noch aufräumen und Kasse machen. Wir haben 1 Stunde Mittagspause. Und die kleinen Pausen à 15 Minuten sind neuerdings unbezahlt. Wer Pause machen will, muss ausstempeln. Man muss sich das mal vorstellen: Wir arbeiten den ganzen Tag bei künstlichem Licht, und wenn wir eine Pause machen und frische Luft schnappen wollen, geht das auf unsere Arbeitszeit. Ich finde das ungerecht.

shopping durch, wo wir bis 22 Uhr im Laden stehen mussten. Es war ein Riesenflop, weil die Leute einfach keine Lust haben, spätabends sich in eine enge Umkleidekabine zu zwängen, um ein paar Hosen zu kaufen. Normalerweise läuft schon ab 18 Uhr bei uns nicht mehr viel. Kurz: 80 Prozent der Abendkäufe laufen nicht, verursachen unnötig Kosten und das Verkaufspersonal langweilt sich.

Umkleidekabine Fäkalien vorfindet und diese wegräumen muss.) Vielleicht weil sie wissen, dass wir so schlecht bezahlt werden. Wenn ich mehr Lohn hätte, würde ich viel mehr in Kauf nehmen. Zum Beispiel, dass wir alleine den Laden putzen, auf Kinder der Kunden aufpassen müssen und Mädchen für alles sind. Aber so?

Deinem Beruf mangelt es an Wertschätzung. Der schlechte Lohn ist nur ein Indiz dafür, oder?

Wir Verkäuferinnnen sind auch nur Menschen, verdienen Respekt. Jeder weiss, dass wir unterbezahlt sind. Wenn schon der Lohn nicht stimmt, dann wäre es wünschenswert, dass wenigstens die Kunden normal mit einem umgehen. Ich verlange mehr Verständnis für Menschen, die im Verkauf arbeiten. Gerade weil wir so viel arbeiten und so wenig verdienen.

Ja, deshalb will ich auch die Branche wechseln. In meinem Beruf habe ich gelernt, wie die Menschheit ist: respektlos, undankbar, ohne Manieren. Natürlich gibt es auch nette Kunden, die Mehrheit jedoch behandelt uns nicht sehr respektvoll. (Als Beispiel erwähnt sie den Fall, wo ihre Kollegin in der

Was möchtest du der Kundschaft mitteilen?

✏✏ Interview: Patrick Dubach

Wer den ganzen Tag bei künstlichem Licht arbeitet, sollte alleine schon aus Gesundheitsgründen eine Pause machen, nicht? Ja, es ist ein Problem. In letzter Zeit habe ich oft Kopfschmerzen. Ich denke, dass das auch wegen der schlechten Luft hier drin ist. Die mangelnde frische Luft und das künstliche Licht machen müde. Manchmal habe ich keine Ahnung, was für ein Wetter da draus­sen ist. Dann muss ich meine Kollegen fragen, und die erzählen mir dann, dass wieder mal ein sonniger Tag an mir vorbeigezogen ist.

Wie sieht es mit Überstunden und Sondereinsätzen aus? Werden die ausbezahlt bzw. kannst du kompensieren? Wir haben ca. 15-mal Ausverkauf durchs Jahr durch. Umgerechnet ist das fast jede zweite Woche ein Einsatz. Allein im Dezember haben wir vier. Im Sommer ebenfalls. Wenn Ausverkauf ist, heisst das für uns arbeiten von 7 bis 20 Uhr. Wir sind dann fast 12 Stunden auf den Beinen und müssen schauen, dass jeder Artikel abgeschrieben ist. Überstunden gibt es am Ende nicht, weil wir verpflichtet sind – wenn es wenig zu tun gibt –, Stunden abzubauen. Bei den Sonntagsverkäufen können wir nur einen halben Tag statt der vorgeschriebenen eineinhalbfachen Zeit kompensieren.

Immer mehr Shopping Centers versuchen mit «Events» Kunden anzulocken. Mal wird ein Busenwunder eingeladen, mal ruft man zum Nightshopping auf, was hältst du davon? Ehrlich gesagt: gar nichts. Wir führten schon letztes Jahr ein Nacht-

Ska nda lloh n

200 0.–

Miete, Krankenkasse, alles steigt. Nur der Lohn bleibt gleich tief.

Zu wenig Lohn? In der reichen Schweiz arbeiten Hunderttausende zu Löhnen, die wie bei Milo kaum zum Leben reichen. Darum fordert die Unia mit einer Initiative einen gesetzlichen Mindestlohn von 4000 Franken. Visitenkarte_Tieflohnmelder_def.indd 1 20.09.12 08:26 Der Bundesrat jedoch hat dem Parlament diesen zur Ablehnung empfohlen. Das letzte Wort hat das Volk. Der Abstimmungstermin wird frühestens Ende 2013 sein. Bis dahin brauchen wir möglichst viele Betroffene, die uns ihren Tieflohn (unter 4000 Franken bei 100%) melden und helfen, diese Problematik in der Bevölkerung bekannt zu machen. Bist Du selbst betroffen oder kennst Du eine Firma, die systematisch zu wenig Lohn zahlt? Dann teile uns diesen Missstand mit. Der Tieflohnmelder schafft Abhilfe und ist ein Instrument, um gegen Tiefstlöhne vorzugehen. www.4000fr.ch (Tieflohnmelder!)

Editorial In den fünf Jahren in der Region durfte ich viel erleben und erlernen. Das Erlernen des gewerkschaftlichen Handwerks begann schon in der Probezeit, als ich mitten in die LMV-Kampagne 2007 tauchte. Alles war neu und wie ein surreales Abenteuer. So der Streik an der NEAT: Keine roten Unia-Autos, Konvoi fahren bis zum Loch, Codenamen beim Funken über Walkitalkie. Dann später die unsägliche Kälte, das Warten, die Ungeduld. Innert 24 Stunden hatte ich schon einige Facetten der Arbeit als Gewerkschaftssekretärin erleben dürfen. Mit der Zeit kamen noch weitere Aspekte hinzu: Die Emo­ tionen, die ich gemeinsam mit Mitgliedern bei Rechtsfällen durchlebt habe, von tiefer Betroffenheit und Wut bis hin zu grösster Freude bei einem Sieg vor Gericht. Als Leiterin des Sektors Tertiär trug ich erstmals selber die Verantwortung, wie bei der Schliessung der FNAC-Filiale oder der Ladenöffnungszeiten-Kampagne 2009. Da wurde mir bewusst, dass auch Nervosität und eine Art Lampenfieber dazu gehören. Als die Beschäftigten des Cindy’s streikten und die polizeiliche Räumung angedroht wurde, da zitterten mir – ehrlich gesagt – die Knie. Geht das alles gut? Diese Frage stellte ich mir auch als Leiterin des Sektors Industrie immer wieder, sei es bei Harlan, Swissmetal, Huntsman, Novartis, Covance, Johnson Controls ... Mit der Erfahrung habe ich gelernt, wie wichtig es ist, sich diese Frage immer wieder zu stellen und trotzdem weiterzukämpfen. Es war immer eine Freude und eine Ehre mit euch zu kämpfen, es gemeinsam durchzustehen. Auch die Frauenarbeit in der Gewerkschaft liegt mir sehr am Herzen. Mit der IG Frauen durfte ich viele spannende, lehrreiche und lustige Momente erleben. Viel haben die Frauen schon erreicht, vieles muss noch erkämpft werden. Diesem Kampf bleibe ich auch in Zukunft treu, ich werde ihn quasi hauptberuflich bei der Gewerkschaft syndicom führen. Ich verabschiede mich mit einem lachenden und einem weinenden Auge von euch: Ein lachendes ­Auge, weil mich die schönen Erinnerungen immer begleiten werden und weil ich mich auf die neue Herausforderung freue. Ein weinendes Auge, weil der Abschied von euch schmerzlich ist und ich euch alle vermissen werde! ✏✏ Toya Krummenacher Leiterin Sektor Industrie

UniaRegio Agenda: 2. November bis Ende Dezember Sektor Tertiär Montag, 5. November Versammlung Taxivorstand, 17 Uhr, Unia NWCH, 3. Stock Mittwoch, 21. November Versammlung Coop-Gruppe, 19.30 Uhr, Unia NWCH, 3. Stock Versammlungen Taxis-Gruppe alle 3 Wochen Mehr Infos bei: [email protected]

Sektor Bau/Gewerbe Montag, 19. November Branchengruppe Elektro/Gebäudetechnik/Metallbau/Isoleure 18.30 Uhr, Unia NWCH, 3. Stock, BS Samstag, 24. November Nationale DV, Gewerbe Vormittags, Bern Samstag, 24. November Multibranchenkonferenz Elektriker/Gebäudetechniker Ab Mittag in Bern Dienstag, 27. November Werbeworkshop für Vertrauens­ leute Gewerbe 17.30 Uhr, Unia NWCH, 3. Stock, mit anschliessendem Nachtessen. Einladung folgt

IG Migration Freitag, 2. November Krankenkassen in der CH (Veranstaltung auf Spanisch) 19 Uhr, Unia NWCH, 3. Stock, BS Sonntag, 4. November Diskriminierung bei den Renten-

Nordwestschweiz | Nr. 4 | 2. November 2012 2

Agenda berechnungen (Veranstaltung auf Spanisch) 11 Uhr, Unia NWCH, 3. Stock, BS

Mittwoch, 7. November Gruppe Baselland & Fricktal Kegeln

Donnerstag, 6. Dezember Vorstandssitzung IG Migration 18.45 Uhr, Unia NWCH, 3. Stock, BS

Mittwoch, 5. Dezember Gruppe Baselland & Fricktal Jahresversammlung, separate Einladung folgt

IG Jugend

Donnerstag, 11. Oktober Gruppe Chemie & Metall Wanderung Giebenach–Arisdorf

Dienstag, 6. November Sitzung IG Jugend, 18.30 Uhr, Unia NWCH, 3. Stock, BS Montag, 19. November Vorstandssitzung Detailhandel 19.30 Uhr, Unia NWCH, 3. Stock, BS Dienstag, 4. Dezember Sitzung IG Jugend, 18.30 Uhr, Unia NWCH, 3. Stock, BS

Wie sind wir erreichbar?

Unia Nordwestschweiz Sekretariat Basel Rebgasse 1 4005 Basel Tel. 061 686 73 00 Fax 061 686 73 05

Dienstag, 30. Oktober Versammlung IG RenterInnen, Grün 80

Weitere Veranstaltungen Donnerstag, 8. November UNIAkademie: EU-Krise! Was geht mich das an? Referat und Diskussion, 19 Uhr, Kartäusersaal, BS (siehe Flyer)

IG Rentnerinnen und Rentner

Unia Nordwestschweiz

Öffnungszeiten Montag bis Donnerstag: 14–18 Uhr Telefonzeiten Montag: 14–17.30 Uhr Dienstag bis Donnerstag: 9–12 Uhr und 14–17.30 Uhr Mail: [email protected]

www.nordwestschweiz.unia.ch

Dienstag, 20. November Gruppe Dienstleistungen & Bau Lotto

Dienstag, 6. November UNIAkademie: Stadtrundgang zur EU-Krise 12 Uhr, Infos folgen

Dienstag, 4. Dezmeber Gruppe Dienstleistungen & Bau Jassen

Donnerstag, 15. November Infoveranstaltung «Solidarhaftung» 18 Uhr, Rest. Altes Warteck, BS

Donnerstag, 8. November Gruppe Chemie & Metall Wanderung Nenzlingen–Aesch

29. November bis 1. Dezember Unia-Kongress in Zürich

Bist du umgezogen? Hast du einen neuen Arbeitgeber?

Montag, 10. Dezember Regiovorstand, 18.30 Uhr, 3. Stock, Unia NWCH, Rebgasse 1, BS

Schick uns bitte eine Meldung an: Unia Nordwestschweiz, Postfach, 4005 Basel

Rechtsberatung in Liestal

Comunicaci i nuovi dati a: Unia Nordwestschweiz, Postfach, 4005 Basel

Montag, 3. Dezember Gruppe Chemie & Metall Grättimannenkegeln Donnerstag, 13. Dezember Gruppe Chemie & Metall Wanderung Kaisten–Eiken Donnerstag, 4. Oktober Gruppe Dienstleistungen & Bau Herbstbummel

Montag, 5.11., 26.11., 10.12. Jeweils von 15 bis 18 Uhr. Bitte Termin zuerst telefonisch vereinbaren. Tel. 061 926 70 50

Das Sekretariat der Unia Nordwestschweiz ist vom 24. Dezember 2012 bis 2. Januar 2013 geschlossen. In dringenden Fällen wählen Sie die Nummer 079 710 66 67.

Hai cambiato casa o datore di lavoro?

Wir trauern Annicchiarico Ciro, 1944, Frenkendorf Beuchat Germain, 1931, Basel Breu Michael, 1962, Laufen Eckert Armin, 1931, Hölstein Fritz Josef, 1925, Lausen Glauser Florian, 1988, Basel Huggler Hans, 1935, Birsfelden Kobi Kurt, 1945, Muttenz Koebel Hans, 1942, Bürchen

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Meyer Rudolf, 1948, Pratteln Nelumbio Mauro, 1973, Basel Rua Georges, 1923, Kaiseraugst Schweizer-Diedrich Eduard, 1939, Liestal Stich Otto, 1927, Dornach Todorovski Slavica, 1958, Basel

Personelles Mit dem Editorial auf Seite 1 verabschiedet sich Toya Krummenacher von der Unia Nordwestschweiz. Toya wird ab Januar 2013 bei der ­Gewerkschaft syndicom als Zentralsekretärin für die Interessen­ gruppen Frauen, Migration und Freischaffende eine neue Heraus­ forderung annehmen. Während ihrer 5-jährigen Tätigkeit bei uns war sie Gewerkschaftssekretärin, Gleichstellungssekretärin, Leiterin ­Tertiär und Industrie sowie Mitglied der Geschäftsleitung der Unia Nordwestschweiz. Die Unia NWCH bedankt sich bei Toya für die wertvolle Arbeit, die sie über die Jahre mit grosser Leidenschaft geleistet hat, und wünscht ihr für ihre berufliche und private Zukunft alles Gute.

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Eine Veranstaltung der Unia Nordwestschweiz im Rahmen einer Aktionswoche mit den Gewerkschaften in Deutschland und Österreich. www.geld-ist-genug-da.eu

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