Rede zum Soldatengottesdienst 2015 - NachDenkSeiten

folgt der Logik der Gewalt, statt der Logik der Liebe. Wer Soldaten segnet, ... Dazu erklärt der Katholisch Leitende Militärdekan: „Diese Pflicht kann unter.
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Schicken Sie die Soldaten nach Hause, Herr Kardinal! Rede zum Soldatengottesdienst 2015

Paula Keller

Wie jedes Jahr im Januar wird heute im Dom der internationale Soldatengottesdienst gefeiert: Der Katholisch Leitende Militärdekan lädt dazu ein und bittet den Erzbischof von Köln, Herrn Kardinal Woelki, diesen Gottesdienst zu feiern. In einem Brief bat ich Kardinal Woelki, mir zu erklären, warum ein Christ überhaupt Soldaten in ihrem Tun unterstützt. Im zivilen Leben ist das Töten von Menschen – leider noch nicht von Tieren – ein absolutes Tabu. Jeder Militärseelsorger und auch der Kardinal überschreitet diese Tabugrenze und folgt der Logik der Gewalt, statt der Logik der Liebe. Wer Soldaten segnet, erleichtert ihr Gewissen und sorgt dafür, dass Kriege weiterhin gerechtfertigt werden können. Kriege gibt es seit tausenden von Jahren. Haben sie der Menschheit je geholfen, friedlicher zu werden? Mein Vater war Soldat der Wehrmacht im 2. Weltkrieg. Er hat andere Menschen getötet! Wofür? Nach dem 1. Weltkrieg lautete die Antwort auf diese Frage „wofür“ – „für ein goldenes Scheißhaus von Krupp.“ Heute erklärt uns der Oberhirte der Katholischen Christenheit in deutlichen Worten Ähnliches. Papst Franziskus sagte: „Wir stecken mitten im 3. Weltkrieg, allerdings in einem Krieg in Raten. Es gibt Wirtschaftssysteme, die, um überleben zu können, Krieg führen müssen.“ Dieses Wirtschaftssystem ist der Kapitalismus. Das Kapital geht über Leichen. „Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich, wie die Wolke den Regen.“ sagte Jean Jaurès. Ich bat in meinem Brief, diesen internationalen Soldatengottesdienst einzustellen oder aber: „Laden Sie zu einem Gottesdienst ein, der seinen Namen verdient: Dienen Sie Gott und seiner Schöpfung, indem Sie die Soldaten auffordern, die Waffen niederzulegen und nach Hause zu gehen. Es ist genug! Fragen Sie die Menschen in Afghanistan, Irak, Libyen, Palästina, Jemen, Somalia, Sudan und einigen anderen Gebieten, was ihnen der Krieg gebracht hat. Sie brauchen Frieden! Sie brauchen Gerechtigkeit! Sie brauchen Liebe! Setzen auch Sie ein Zeichen der Hoffnung!“ Die Antwort auf meinen Brief kam nicht vom Kardinal, sondern vom Katholisch Leitenden Militärdekan. Er zitiert mehrfach aus „Gerechter Friede“, dem Wort der Deutschen Bischöfe von 2000. Dort heißt es: „das Prinzip der Gewaltfreiheit (kann) mit der Pflicht konkurrieren, Menschen davor zu schützen, massivem Unrecht und brutaler

Gewalt wehrlos ausgeliefert zu sein. Dann hat man den Unschuldigen, Schwachen und Bedrängten beizustehen.“ Soweit das Wort der Bischöfe. Dazu erklärt der Katholisch Leitende Militärdekan: „Diese Pflicht kann unter ganz bestimmten Kriterien erfordern, dass im Sinne einer ‚ultima ratio’ (eines letzten Auswegs), ein militärisches Eingreifen unumgänglich wird.“ Ich frage den Katholisch Leitenden Militärdekan in einem weiteren Brief: „Welches ‚ganz bestimmte Kriterium’ sahen Sie für den Irakkrieg und den Krieg in Afghanistan? Der Irakkrieg begann mit einer Lüge und nicht mit einem Hilferuf der irakischen Menschen. Im Irakkrieg allein sollen über eine Million Menschen ermordet worden sein. Die Zahl der Verletzten, Traumatisierten, Geflüchteten, Verarmten, Verstrahlten, als Krüppel Geborenen – wer kennt sie? Hatten diese Menschen um Hilfe gerufen? Und haben die Militärs und ihre Waffen ihnen Frieden gebracht? Nennen Sie dieses Ergebnis einen Schutz vor Ungerechtigkeit und Bedrohung? Überall da, wo das Militär zu „Hilfe“ eilte, ist die Lage der Menschen katastrophal. So viele verzweifelte, gedemütigte, gewaltbereite, entwurzelte, verarmte, hungernde Menschen wie heute hat es seit dem 2. Weltkrieg noch nie gegeben – hervorgerufen durch den Einsatz militärischer Gewalt als angeblich letztem Ausweg als „ultima ratio“. Und was hat man denn vorher versucht, um diese Verhältnisse von Ungerechtigkeit und Bedrohung abzuwenden? Es müsste doch alles in der Macht liegende getan worden sein, um zu rechtfertigen, dass man nun keinen anderen Weg mehr weiß, als Gewalt einzusetzen? Aber diese Soldaten, die hier zum Gottesdienst kommen, dienen immer öfter dazu, als „prima ratio“, als erstes Mittel der Politik der NATO-Staaten herzuhalten. Das ist eine ratio, das ist ein Verstand, der bewirkt hat, dass 2014 weltweit 1,7 Billionen US-$ für Rüstung ausgegeben wurden. Es ist eine ratio, die hinterhältige Hinrichtungen mit Drohnen veranlasst – bei einer – zynisch gesagt - „Trefferquote“ von 1:50 – 50 Unschuldige werden hingerichtet, um einen verdächtigen Menschen zu ermorden. „Gerechter Friede“ will Unschuldige schützen?! Es ist auch eine ratio, die bewirkt, dass irregeleitete junge Männer und Frauen, die zum Militär gehen, aus einem sogenannten Einsatz derart traumatisiert zurückkommen und Ekel vor sich selbst empfinden, dass viele von ihnen sich selbst töten. Wir fordern den Erzbischof von Köln, Herrn Kardinal Woelki auf: Schicken Sie die Soldaten nach Hause. Nehmen Sie ihnen das Versprechen ab, nie wieder Waffen zu bedienen, oder das Morden durch irgendeine Art und Weise zu unterstützen. Kardinal Woelki, lassen Sie diesen Soldatengottesdienst den letzten sein und laden Sie stattdessen im nächsten Jahr alle Flüchtlinge, die zu uns kommen, in den Dom zu einem Fest ein.