Prolog: Vorhang aus Flammen

ging und sie und ihren Gefährten trennte. Im selben Moment riss sie jemand am Arm und zog sie zu sich – ihr Verfolger hatte sie eingeholt. „Arane“, raunte die ...
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Mirco Motzkus

Das 5-Seelen-Schwert Die Burg der gefangenen Knechte Band 1 Fantasy

© 2012 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2012 Umschlaggestaltung: Mirco Motzkus Karte: Wienke Menges Printed in Germany ISBN 978-3-8459-0015-5 AAVAA Verlag www.aavaa-verlag.com e Books sind nicht übe rtragbar! Es ve rstößt ge ge n das Urhebe rrecht, dieses We rk we ite rzuve rkaufe n ode r zu versche nke n! Alle Pe rsone n und Name n inne rhalb dieses Romans sind fre i e rfunde n. Ähnlichke ite n mit le be nde n Persone n sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Elfen, Drachen, Vampire – eines haben sie alle gemeinsam: Schon unzählige Autoren haben über diese – ohne Zweifel mystischen, interessanten und machtvollen – Wesen in ihren Werken berichtet. Die Anfänge meiner Geschichte begannen mit der Idee, über Wesen zu schreiben, über die noch kein anderer geschrieben hat. Ohne Zweifel war dies nur möglich, weil ich mir eine komplett neue Art von Fantasywesen ausdachte. Und hier sind sie: Die Finsteren.

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Prolog: Vorhang aus Flammen Die Sonne hatte bereits seit ein paar Stunden die Grenzen des Horizontes unterschritten. Dunkle Nacht erfüllte die Umgebung mit ihrer Finsternis. Der Mond schien auf das kleine Dorf hinab, wie eine leuchtende Fackel, die ein dunkles Zimmer sanft erhellte. Menschen schlummerten friedlich in ihren Hütten und auch die Tiere schliefen tief und fest in ihren Höhlen, Bauten und Nestern, kuschelten sich ein und genossen die Unantastbarkeit der Nacht. Die friedliche Stille wurde plötzlich von einer donnernden Stimme unterbrochen: „Paisaje en llamas!“ Alles geschah in Sekundenschnelle: Ein greller Blitz zischte mit einem lauten Surren durch die dunkle Landschaft. Fast im selben Moment schlug er in ein altes Bauernhaus ein und ließ dieses in Flammen aufgehen. Das Feuer erleuchtete die Hütte in einem grellen Ton. Es gleißte in allen Farben des Phönix' und drängte die nächtliche Dunkelheit in ihre Schranken. Die komplette Gegend erschien tag4

hell, während bissige Flammen sich langsam in das Holz der alten Heimstätte hineinfraßen. Die Bewohner des schlafenden Dorfes nahmen von den dunklen Ereignissen nichts wahr – trügerische Stille erfüllte die Nacht. Nur langsam erhöhten die Flammen ihre lauernde Intensität, während sie anfingen, laut knisternd das Haus zu verschlingen. Die Wände und das Mobiliar fingen schneller Feuer, als man es mit bloßem Auge nachvollziehen konnte. Alte Sandsäcke, provisorische Schränke und komplette Wände weinten in einem bissigen Rot. Die flammenden Gluten verzehrten die Hausausstattung genüsslich, während drei Erwachsene mit zwei Kindern versuchten, den gefährlichen Flammen zu entfliehen. Eine Frau mit langen blonden Haaren, eines der Kinder auf dem Arm tragend, bahnte sich gemeinsam mit einem älteren Mann einen Weg durch das brennende Holz. Makellose Haut und straffe Gesichtszüge prägten für gewöhnlich die Schönheit der jungen Dame, doch in diesem Moment wurde jede Eleganz in den Schatten ge5

stellt. Die Angst trieb ihr Schweißperlen auf die Stirn, die dumpf auf den Boden tropften. Eine Falte zwischen ihren Augenbrauen zitterte und ließ sie älter wirken, als sie in Wirklichkeit war. Die Adern pulsierten aufgeregt. Die zierliche Nase der jungen Frau war zu einem halben Knoten gerümpft, die weichen Lippen schlotterten im kochend heißen Feuer. Der Mann an ihrer Seite räumte auf magische Weise die brennenden Möbel vor ihnen aus dem Weg, sodass sie sich eine Fluchtmöglichkeit aus dem Haus bahnen konnten. Die Worte, die er hierfür benutzte, klangen unverständlich, denn er sprach sie so leise aus, dass die Frau sich nicht einmal sicher war, ob er sie selbst verstand. Er schien wesentlich älter als sie. Braune Haare und ein dunkler, sehr gepflegter Vollbart zeichneten sein von Falten durchzogenes Gesicht. Die Anstrengung funkelte aus seinen Augen. Er versprühte trotz der lauernden Gefahr eine gewisse Ruhe und eine natürliche Gelassenheit. Die beiden flohen. Ihnen folgte mit schnellen Schritten ein Mann, älter als die Frau, jünger als ihr Gefährte. Er bahnte sich ebenfalls einen Weg 6

durch die Flammen. Auf seinem schmalen, hochgewachsenen Kopf saßen kurze braune Haare, die im grellen Feuer rot leuchteten. Seine blauen Augen glühten. Hass spiegelte sich in ihnen wider und verdrängte jede andere Empfindung. Auf seinen muskulösen Armen trug er ebenfalls ein kleines Kind. „Gib mir das Kind!“, schrie der Fremde durch das brennende Haus. Seine Stimme wirkte kalt, fast wie Eis und bohrte sich bis ins Mark der beiden anderen. Ein Schrei, erfüllt von Angst, hallte durch die Umgebung: „Nein!“ Die Frau klammerte ihre Arme noch fester um das Kind, während sie und ihr Gefährte sich weiter einen Weg durch das Gebäude bahnten. Niemals würde sie ihm ihr Kind überlassen! Der von Hass und Kälte geprägte fremde Mann verfolgte die beiden, als sie sich durch einen engen Spalt in das nächste Zimmer drückten. Er kam rascher näher, als ihnen lieb war, und zwang die beiden Fliehenden zur Beschleunigung. Wenn sie ihr Tempo nicht anzogen, würde

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es wohl nur noch wenige Atemzüge dauern, bis er sie einholte. Der Zauberer an der Seite der Frau löschte Teile des Feuers vor den beiden Flüchtlingen, die durch das Anwenden der Magie kostbare Zeit verloren. Wenige Augenblicke später mussten sie erneut einem Hindernis ausweichen. Ein Balken krachte hinter dem Zauberer in die Tiefe. Die Frau blieb schockiert stehen, als das Holz auf dem Boden entzwei splitterte, in Flammen aufging und sie und ihren Gefährten trennte. Im selben Moment riss sie jemand am Arm und zog sie zu sich – ihr Verfolger hatte sie eingeholt. „Arane“, raunte die tiefe Stimme ihres Gefährten. Zum ersten Mal seit ihrer Flucht verspürte er so etwas wie Angst. Arane kämpfte mit den Tränen, als ihr Verfolger an ihrem Arm zerrte. Sie würde nicht weinen, nicht vor ihm. Schließlich packte der grausame fremde Mann sie fester und drehte sie zu sich. Die beiden Kinderträger starrten sich direkt in die Augen. Trauer, Leid und verwunderlich tiefe Zuneigung zeichneten die Blicke der Einen, Hass und Wahn die des anderen. 8

„Es ist vorbei.“ Der Verfolger grinste triumphierend. Arane erwiderte den Satz mit einem energischen und verzweifelten Kopfschütteln. Die Situation schien ausweglos, die Erfolgsaussichten gering. Aber kampflos würde sie das Kind niemals aufgeben. In der Zwischenzeit zerrten die grellen Flammen immer mehr an dem Gebäude. Das Holz an der Decke löste sich langsam von den Wänden. An manchen Stellen des Hauses krachte der Giebel bereits ein, an anderen verschlang das Feuer die Wände und brannte immer größer werdende Löcher in die Holzmauern. Der Zauberer hielt treu zu seiner Gefährtin und versuchte verzweifelt gegen die Urgewalt anzukommen, das Feuer im Zaum zu halten. Sie brauchten einen Fluchtweg, wenn Arane sich von ihrem Verfolger gelöst hatte. „Wir brauchen das Kind“, zischte der Mann mit einer dunklen Stimme, „also gib es uns. Wir brauchen beide Kinder.“ Als sich nichts tat, erhöhte er die Intensität in seiner Stimme und forderte: „Gib mir sofort das Kind, das du auf dem Arm trägst!“ Diesen Satz schrie der Mann so laut, 9

dass die Überreste des Hauses unter seiner bebenden Stimme erzitterten. Arane konnte nicht genau sagen, welcher Eifer oder welche Hoffnung sie zu dieser Tat trieb. Doch mit ihrer gesamten Wut verpasste sie dem Tyrannen einen Tritt in den Unterleib. Ihr Herz schien zu explodieren, als ihr Gegenüber laut aufschrie. Ihre Zunge taumelte verwirrt in ihrer Mundhöhle umher und spielte eine sich wehrende Katze. Die junge Frau riss sich zusammen. Ohne weiter nachzudenken, sprang sie über den bereits abgebrannten Balken und betrat den von ihrem Gefährten geebneten Weg. Gemeinsam rannten sie weiter, während ihr Verfolger sich vor Schmerz krümmend auf dem Boden zusammenkauerte. Das Kind, das nun zu schreien begann, hielt er dabei fest umklammert. „Wir dürfen keine Zeit verlieren“, sagte der Zauberer mit einer so ruhigen Stimme, als säßen sie bei einer Tasse Tee. Er machte den Weg durch das große Haus mithilfe seiner magischen Fähigkeiten frei, indem er alles zur Seite schob, zerstörte oder bereinigte. Was er genau tat, vermochte Arane nicht mehr zu sagen. Es ging alles 10

zu schnell, fühlte sich an, als wäre sie noch halb im Schlaf. An einer Stelle des Gebäudes löschte ihr Freund mit einem Wasserspruch das Feuer, das sich gerade in die Wand brannte. Die beiden flohen durch das Loch ins nächste Zimmer. Arane blickte noch einmal zitternd zurück und stellte zufrieden fest, dass ihr Verfolger noch immer am Boden lag. Nur schweren Herzens ließ sie das Kind zurück, das er weiterhin mit seinen Händen fest an sich drückte. Plötzlich knallte direkt vor der jungen Frau und ihrem Gefährten ein Balken zu Boden. Die Herzen der beiden kämpften in diesem Moment gegen die Ohnmacht. Die Fliehenden ließen sich jedoch nicht aufhalten. Sie sprangen nach einem kurzen Schrecken über das brennende Holz, dessen Feuer sich langsam in den Boden bohrte, und setzten ihren Weg fort. Als sie den nächsten Raum erreichten, stoppten die beiden für einen kurzen Moment der Vorfreude. Das Herz der jungen Frau pochte, der Gefährte schrie einen dumpfen Freudenschrei aus – ein Raum von ihnen entfernt lag der sichere Ausgang. 11

Die beiden warfen einen letzten Blick zurück und ihre Hoffnung zerschlug sich in genau diesem Moment: Der von Hass erfüllte Mann hatte sich wieder aufgerafft und nahm vor Anstrengung schnaufend erneut die Verfolgung auf. Sein keuchender Atem hallte durch das ganze Haus und verwandelte die glühende Hütte in einen tyrannischen Flammenvulkan. Das Kind auf seinem Arm schrie von Angst und Hilflosigkeit heimgesucht. Arane konnte die Wut des finsteren Mannes spüren, als wäre es ihre eigene. Jetzt packte Arane ihren Gefährten am Arm: „Komm, Flink. Wir schaffen das!“ Flink nickte siegessicher. Die beiden setzten sich schleppend in Bewegung, um Augenblicke später erneut zu rennen, so schnell ihre Beine es ihnen ermöglichten. Noch einmal zurückzuschauen wagten sie nicht. Arane schnappte nach Luft, als ihr Verfolger direkt hinter ihnen auftauchte. Die junge Mutter zitterte am ganzen Leib. Sie begann stoßweise zu atmen, als der Tyrann sie am Handgelenk packte. Fingernägel wie Krallen bohrten sich in ihr zartes Fleisch. Das Blut in ihren Adern gefror. 12

Diesmal gab es kein Entkommen. Ihr Feind spannte seine Muskeln so fest um ihr schmales Handgelenk, dass nicht einmal Flink etwas für sie würde tun können. Schnell übergab sie ihrem letzten Hoffnungsträger das Kind, stieß ihn mit letzter Kraft ein Stück von sich und schrie mit ihrer letzten Energie: „Flieh! Bitte, Flink, flieh!“ Im selben Moment schleuderte der Mann sie brutal nach hinten in das lodernde Feuer, das in Windeseile ihre Kleider verzehrte. Wie ein hungriger Bär brannte es sich in ihre sanfte Haut. Arane schrie vor Schmerz, ehe die Flammen sie verschlangen und ihr hübsches Gesicht für immer mit sich nahmen. Flink, nun das Kind auf seinem Arm, hastete zur Tür. Mit einem weiteren Spruch seiner Magie sprengte er einen Stuhl aus dem Weg. Der zweite Mann folgte ihm so schnell er konnte. Er wusste, dass die Zeit gegen ihn spielte. Wenn Flink durch die Tür entkam, war es zu spät. Dann hätte er die Flucht geschafft und konnte nicht mehr eingeholt werden.

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Der Zauberer eilte weiter Richtung Ausgang. Auch er wusste, dass die gelungene Flucht fast greifbar über ihm schwebte: Der Ausgang streckte bereits seine unsichtbaren Hände nach ihm aus. Tränen füllten seine Augen. Zu schrecklich traf ihn der Tod der jungen Frau, der ihn wie ein Albtraum überfiel. Doch er eilte weiter, ließ die schlimmen Gedanken nicht zu. Zum Trauern blieb keine Zeit. Er musste entkommen, er musste mit ihrem Kind entkommen. Denn das kleine zarte Wesen war das Einzige, was ihm noch von ihr geblieben war. Das Feuer stillte weiter seinen Hunger. Balken bogen sich, die Wände krachten zusammen und ein Meer aus Flammen entfesselte sich auf dem schlichten Holzboden. Beide Männer mussten immer wieder achtgeben, nicht von brennenden Holzstücken getroffen zu werden. Flink zuckte zusammen, als der Mann mit der kalten Stimme plötzlich zu schreien begann: „Nein!“ Der Ausruf hallte durch das ganze Haus. Seine Hände krallten nach vorne, in die leere heiße Luft. Seine rot glühenden Augen zuckten.

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Er konnte es nicht fassen: Flink und das Kind erreichten den Ausgang. Als der Zauberer den letzten verzweifelten Schrei seines Verfolgers hörte, breitete sich ein schmales Lächeln auf seinen Lippen aus. Seine Augen funkelten vor neuer Hoffnung, ehe sich Leere und Trostlosigkeit in seinem Blick ausbreiteten. Schließlich murmelte er etwas und verschwand mit seinem letzten Zauber in der Dunkelheit der Nacht.

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