Partizipation in der Wissenschaft - Libreka

Druck: Digital Print Group, Nürnberg. Dieses Buch wurde auf ... Die beiden Thesen stehen schlüssig zueinander: Der Grundsatz der Nachhaltigkeit, der von kei-.
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Hochschulschrif ten zur Nachhaltigkeit

Steffi Ober

Partizipation in der Wissenschaft Zum Verhältnis von Forschungspolitik und Zivilgesellschaft am Beispiel der Hightech-Strategie

Dieses Buch wurde klimaneutral hergestellt. CO2-Emissionen vermeiden, reduzieren, kompensieren – nach diesem Grundsatz handelt der oekom verlag. Unvermeidbare Emissionen kompensiert der Verlag durch Investitionen in ein Gold-Standard-Projekt. Mehr Informationen finden Sie unter www.oekom.de

Die Veröffentlichung dieser Publikation wurde von der Schweisfurth-Stiftung gefördert.

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2014 oekom, München oekom verlag, Gesellschaft für ökologische Kommunikation mbH Waltherstrasse 29, 80337 München

Umschlagabbildung: © El – Fotolia Produktion und redaktionelle Betreuung: Volker Eidems Korrektorat: die Autorin Druck: Digital Print Group, Nürnberg Dieses Buch wurde auf 100%igem Recyclingpapier gedruckt. FSC (Forest Stewardship Council) ist eine nichtstaatliche, gemeinnützige Organisation, die sich für eine ökologische und sozialverantwortliche Nutzung der Wälder unserer Erde einsetzt.

Alle Rechte vorbehalten ISBN 978-3-86581-492-0 e-ISBN 978-3-86581-8-614

Steffi Ober

Partizipation in der Wissenschaft Zum Verhältnis von Forschungspolitik und Zivilgesellschaft am Beispiel der Hightech-Strategie

Vorwort von Prof. Dr. Gesine Schwan

Steffi Ober legt uns am Beispiel der Verfahren, mit denen in Deutschland über langfristige Forschungsprogramme entschieden wird, eine spannende Untersuchung über die Qualität unserer Demokratie vor. Denn ihre scheinbar spezielle Frage betrifft durchaus unsere Demokratie als Ganze, weil die kostspieligen Forschungsprogramme, ohne dass es die Öffentlichkeit wahrnimmt, langfristig unser Leben, die Gestalt von Wirtschaft und Gesellschaft und eben unser politisches System erheblich prägen, ohne dass sich die Entscheider möglicherweise über die demokratiepolitischen Implikationen ihres Handelns klar werden. Welche Verkehrssysteme wir entwickeln, welche Formen die zunehmende weltweite Verstädterung annimmt, welche Art der zukünftigen Energienutzung technologisch begünstigt wird – all das hat auf unser Zusammenleben und auf das Gelingen unserer demokratischen Lebensformen einen erheblichen Einfluss. Natürlich kommen bei der Entscheidung über so kostspielige Milliardenprogramme mächtige unterschiedliche Interessen ins Spiel. Es versteht sich von selbst, dass gerade große Wirtschaftsunternehmen versuchen, zugunsten ihrer Geschäftsmodelle Einfluss zu nehmen. Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden, zumal solche Entscheidungen nicht am grünen Tisch der Ministerialbeamten allein fallen können, sondern deren wissenschaftliche und wirtschaftliche Umsetzbarkeit im Blick haben müssen. Für eine gute Zukunft unserer Gesellschaften genügt das aber nicht. Denn diese Interessen sind zugleich sowohl sehr partikular angelegt als auch eher kurzfristig – auch bei einer Investitionsperiode von 20 Jahren. Das ist praktisch aus Rentabilitätsgründen unvermeidlich. Sie müssen heute in einen Dialog treten mit anderen Akteuren und Perspektiven in der Gesellschaft, vornehmlich der organisierten gemeinwohlorientierten Zivilgesellschaft. Sie hat ihrerseits keineswegs immer das Ganze im Blick, ist auch nicht demokratisch gewählt. Aber sie ist heutzutage angesichts der Komplexität der Problemstellungen, der gesellschaftlichen Interessen und der transnationalen gegenseitigen Abhängigkeiten unverzichtbar. Als Governance-Partner neben dem Unternehmenssektor und der nationalstaatlichen Politik soll sie im vorstaatlichen Raum, d.h. aus der Gesellschaft heraus langfristige Gesichtspunkte, unabhängig von Geschäftsinteressen und auch unabhängig von kurzfristigen Wahlperioden, zur Geltung bringen. Die »antagonistische Kooperation« zwischen diesen drei Partnern – antagonistisch, weil notwendig mit Konflikten verbunden, Kooperation, weil sie sich im Interesse einer gedeihlichen Zukunft zusammenraufen müssen – ist nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte der pragmatisch erfolgreichste Weg, die traditionellen und weiterhin gültigen, aber nicht mehr zureichend überzeigenden nationalstaatlichen demokratischen Akteure und Verfahren zugunsten einer »Good Governance« zu ergänzen (nicht zu ersetzen!).

Steffi Ober stellt in ihrer Untersuchung zwei Thesen auf. Die erste ist demokratietheoretisch-normativer Natur. Sie lautet, »dass das Zusammenspiel von Politik, Wissenschaft und Wirtschaft nicht ausreicht, um eine demokratische Transformation in eine nachhaltige Gesellschaft zu ermöglichen«.(8) Die zweite These bezieht sich auf die empirische Situation der deutschen Forschungspolitik. Sie behauptet, »dass die Forschungspolitik jenseits demokratischer Verfahren agiert und die wesentlichen Impulse der Begriffsdefinitionen und des Agenda-Settings zwischen Administration und Wirtschaft verhandelt werden«.(42) Die beiden Thesen stehen schlüssig zueinander: Der Grundsatz der Nachhaltigkeit, der von keinem deutschen Entscheidungsträger offen in Frage gestellt oder abgelehnt wird, bietet einen normativen Grundkonsens, nach dem sich demokratische Politik richten müsste. Die Konfrontation mit der Empirie am Beispiel der einflussreichen »Forschungsunion«, die die sog. HIGHTECH-STRATEGIE der Bundesregierung steuert, erlaubt, Norm und »Wirklichkeit« exemplarisch und durchaus aussagekräftig miteinander zu vergleichen und handlungsrelevante Schlussfolgerungen zu ziehen. Als Verfahren, zu einer nachhaltigen Forschungspolitik zu gelangen, fordert Steffi Ober in Anlehnung an Jürgen Habermas eine »deliberative« Ermittlung der wichtigen forschungspolitischen Ziele und Umsetzungsstrategien. Diese verlangt nach argumentativ anschlussfähiger Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Perspektiven und Interessen, um zu gemeinwohlkompatiblen Lösungen zu kommen. Sowohl die möglichst breite Palette pluralistischer Perspektiven als auch das argumentative Eingehen aufeinander sind dazu erforderlich. Beides folgt aus der grundlegenden normativen Bindung von Demokratie an die gleiche Würde aller Menschen, ihr gleiches Recht auf Selbstbestimmung und daraus resultierend, nicht nur formal-rechtlich, sondern auch faktisch-politisch an die gleichen Chancen aller Bürger, sich in die politische Willensbildung einzubringen. Auch diese theoretische Prämisse von Demokratie wird öffentlich nicht bestritten. Allerdings stehen ihrer Realisierung mächtige Interessen entgegen. Sie kommen beispielhaft in der Einrichtung, Zusammensetzung und Verfahrens-Intransparenz der »Forschungsunion« zum Ausdruck. Darüber entscheidet die Bildungsministerin im Einvernehmen mit dem Kanzleramt. Als demokratisch gewähltes Regierungsmitglied ist sie dazu legitimiert. Angesichts des Einflusses der Forschungsunion nicht nur auf die Forschungsfragen, sondern damit auch auf die zukünftige Gestalt unserer Gesellschaft wäre es allerdings ein Gebot der Demokratie, sie nach den oben genannten normativen Grundsätzen, d.h. umfassend plural zu besetzen und durch das Parlament kontrollieren zu lassen. Beides findet kaum statt, was, nach meiner Beobachtung, auch an einer nicht immer eingelösten »Holschuld« des Parlaments liegt. Die »Forschungsunion« repräsentiert neben der Politik lediglich die Sektoren Industrie und Wissenschaft, wobei Gewerkschaften im Bereich Industrie massiv unterrepräsentiert sind. Das Gleiche gilt für die Geistes- und Sozialwissenschaften im Bereich der Wissenschaft. So entsteht eine sowohl formelle, als auch vor allem informelle Gemengelage von Akteuren, die hinsichtlich ihrer Erfahrungen, Interessen, Wertvorstellungen und Machtpotenziale durchaus einseitig und in Bezug auf die Entscheidungsverfahren undurchsichtig ist. Steffi Ober zeigt dies am Beispiel der sehr ein-

seitigen Dominanz eines naturwissenschaftlich-technologischen, nicht zuletzt männlich dominierten Diskurses und von Entscheidungen der »Forschungsunion«, die der politischparlamentarischen Beschlusslage entgegenstehen. So verlangt die Forschungsunion zum Thema »Klima/Energie als sozialökonomische Rahmenbedingung die Akzeptanz der Kernkraft zu erhöhen und überdies die weitere steuerliche Subventionierung der Nuklearforschung als Exportartikel«. Insgesamt erwartet sie von der Politik, dass sie die gesellschaftliche Akzeptanz von technologischen Entwicklungen organisiert, die im Zusammenspiel von Wissenschaft und Wirtschaft initiiert worden sind. Und dies, in der Interpretation von Steffi Ober, vor dem Hintergrund der generellen Annahme, »dass rein technologische Lösungen eine lineare Fortentwicklung des Gewohnten bereitstellen«. Das Problem liegt nicht in dieser Position, die in der Gesellschaft vielfach belegt ist, sondern darin, dass ihr kaum andere Positionen, die in der Gesellschaft ebenfalls vertreten werden, entgegengestellt werden. Insofern gibt es keinen deliberativen demokratischen Prozess, um demokratisch nachhaltige Lösungen zu finden. Als praktische Schlussfolgerung fordert Steffi Ober vor allem den Einbezug der organisierten Zivilgesellschaft in die Formulierung von Forschungsthemen, darüber hinaus die Steigerung echter parlamentarischer Kontrolle und vor allem der öffentlichen Diskussion von allgemeinen Annahmen und von deren Alternativen. Dazu gehört ganz wesentlich die vorherrschende praktische Reduktion des Nachhaltigkeitsziels auf technologische und wirtschaftlich rentable Lösungen, die zugunsten eines sozial erheblich breiteren Verständnissen von Nachhaltigkeit zu überwinden ist. Ich wünsche dieser wichtigen Untersuchung von Steffi Ober viele kritische und handlungsbereite Leser!

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Wissenschaftspolitik demokratischer gestalten

Steffi Ober

Über Ziele und Strategien von Forschungsagenden entscheiden vornehmlich Vertreter(innen) aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft. Zivilgesellschaftliche Akteure fehlen allzu oft in diesen Prozessen – und damit fehlt die gesellschaftliche Legitimation der Forschungsagenden. Demokratischere Entscheidungsprozesse führen dagegen zu einer innovativeren Wissenschaftspolitik und treiben die Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit voran.  

Abbildungsverzeichnis: 1. Governance zwischen Politik, Ökonomie, Öffentlichkeit und Wissenschaft

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2. F&E Ausgaben der Bundesrepublik von 1981 – 2010 / Datenportal BMBF

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3. F&E Ausgaben des BMBF über die Jahre 1991 bis 2010

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4. Vernetzung der Mitglieder der Forschungsunion

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5. Werbung des Fraunhofer-Instituts

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6. Vortrag Prof. Kagermann auf der Cebit

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7. Roadmap Stromerzeugung der AG Klima/Energie 2011

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Tabellenverzeichnis: 1. Struktur der Forschungsunion

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2. Inhalte und Ziele des Innovationsrates

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3. Vernetzung zwischen Forschungsunion und Stifterverband

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4. Überblick zum Bericht der Forschungsunion 2013

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5. Statements unter Nachhaltigkeit und Fraunhofer

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6. Befunde zur Policy der HTS

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7. Formelle und Informelle Beteiligung

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