O.I.T.A.F. – Umweltforum Internationaler Seilbahnverband III 2008 ...

Internationaler Seilbahnverband. III 2008. THEMA 9: KLIMAEINFLUSS UND SEILBAHNEN, .... scheidend ist, Kindern und Familien für wenig Geld die ersten Erlebnisse im Schnee, ob Skifahren ... Dirk Maxeiner «Hurra, wir retten die Welt!
44KB Größe 4 Downloads 42 Ansichten
O.I.T.A.F. - UMWELTFORUM

O.I.T.A.F. – Umweltforum Internationaler Seilbahnverband III 2008

THEMA 9: KLIMAEINFLUSS UND SEILBAHNEN, SKIGEBIETSMANAGEMENT 1. Einleitung Von vielen Klimaexperten wird vorhergesagt, dass die Lufttemperaturen im Winterhalbjahr im globalen Mittel zwischen zwei und vier Grad bis zum Ende des Jahrhunderts bzw. um ein bis zwei Grad in den nächsten 20 bis 30 Jahren in Mitteleuropa ansteigen werden. Geht man in der Klimageschichte z.B. aufgrund geowissenschaftlicher Forschungsergebnisse weit genug zurück, ergeben sich auch Anhaltspunkte für andere Klimaverläufe und abrupte Klimaschwankungen mit kurzfristigen Temperaturänderungen von 10°C nach oben und unten. Derzeit ist eine Tendenz zu wärmeren Temperaturen zu erkennen. Zwei Drittel der letzten 10.000 Jahre waren so warm oder wärmer als heute. Durch den gegenwärtigen Temperaturanstieg werden mittlere, nacheiszeitliche Temperaturverhältnisse erreicht. Der Temperaturanstieg wird in den alpinen Regionen möglicherweise stärker ausfallen als in den mittleren Lagen. Das Winterhalbjahr wird sich voraussichtlich stärker verändern als das Sommerhalbjahr. Insbesondere ist dabei zu berücksichtigen, dass es bei dieser Entwicklung erhebliche regionale Unterschiede geben wird. In den letzten 100 Jahren ist die Temperatur in Europa um durchschnittlich 0,95 °C gestiegen (0,7°C im Sommer bzw. 1,1°C im Winter). Im nördlichen Teil des Kontinents hat die Ausbreitung der Schneedecke seit 1966 um 10 % abgenommen. In den Jahren zwischen 1971 und 1994 ist die Dauer der natürlichen Schneebedeckung im Mittel um 8,8 Tage je 10 Jahre zurückgegangen. Es kann davon ausgegangen werden, dass Extremereignisse des Niederschlags (sogenannte Vb-Wetterlagen), aber auch längere Trockenphasen häufiger auftreten werden. Ebenso kann weiter davon ausgegangen werden, dass Starkwindereignisse in den alpinen Lagen mit Windgeschwindigkeiten im Bereich von 160 km/h öfter auftreten werden. Leider kann die Forschung derzeit noch keine „standortscharfen“ Aussagen zur konkreten Klima-Entwicklung von einzelnen nordischen oder alpinen Wintersportregionen machen. 2. Problem Die Veränderung der Niederschlagsmengen und Niederschlagszeiten ist vergleichsweise sehr schwer vorherzusagen. Möglicherweise wird die Tendenz, dass es in der zweiten Wintersaisonhälfte zu deutlich stärkeren Niederschlägen kommt als in der ersten Winterhälfte, anhalten.

09_KLIMAEINFLUSS UND SEILBAHNEN, SKIGEBIETSMANAGEMENT

1

O.I.T.A.F. - UMWELTFORUM

Die Schneedecken-Andauer aufgrund natürlichen Schneefalls wird in Höhenlagen unter 1.300 m NN durch den zu erwartenden Temperaturanstieg stärker reduziert. In höheren Lagen ist die Verringerung der Schneedecken-Andauer nicht zu erwarten. Hier kann es, besonders in der zweiten Winterhälfte, sogar zu größeren Schneemächtigkeiten und damit auch zu einer längeren Schneedecken-Andauer mit Naturschnee während des Spätwinters kommen. Es kann davon ausgegangen werden, dass insbesondere Gletscherskigebiete bzw. Sommerskigebiete, aufgrund mangelnder Schneedecken und sich teilweise daraus ergebenden Gletscherveränderungen, im Spätsommer und Frühwinter im besonderen Maße von der Temperaturerwärmung betroffen sein werden. Ein überdurchschnittlicher Rückzug der Gletscher in den letzten Jahren unterstreicht diese Annahme. Die Verschiebung der Permafrostgrenze kann Stabilitätsprobleme in den Hochlagen des Gebirges mit sich bringen, dies kann auch zu steigender Instabilität bei Seilbahnanlagen und sonstigen Bauwerken führen. Die Dauer der natürlichen Schneedecke geht je nach Höhenlage um 10 bis 45 % zurück. Für die Schweiz zum Beispiel hat Prof. Hans Elsasser von der Universität Zürich anlässlich der INTERREG B-Tagung vom 25. bis 26. November 2004 in Rosenheim folgende Zahlen genannt: Von den 230 Schweizer Skigebieten • gibt es heute unter 1.200 m NN in 15 % der Fälle keine Naturschneegarantie, • sind bei Anstieg der Schneegrenze auf 1.500 m NN 40 % der Gebiete betroffen, • sind bei Anstieg der Schneegrenze auf 1.800 m NN 56 % der Gebiete betroffen. Außerdem ist im ganzen Alpenraum zu beobachten, dass bodenständige Gewächse durch anpassungsfähigere Sträucher und Bäume verdrängt werden. Wenn bis zum Jahr 2050 die Temperaturen um 2°C ansteigen sollten, bedeutete das für die Skigebiete ein Verschieben der Schneegrenze um 300 m nach oben (150 m pro 1°C). Außerdem ist im Gebirge eine Verschiebung des Permafrostgürtels um 200 bis 750 m nach oben bei einer Erwärmung der Erde um 1-2°C bis 2050 zu erwarten. Hinsichtlich der Niederschläge wird erwartet, dass diese im Norden Europas um 1 bis 2 % alle 10 Jahre zunehmen, während im Süden die Trockenperioden um 1% alle 10 Jahre ansteigen. Für die Skigebiete wird vorhergesagt, dass die Niederschläge insbesondere im Spätwinter um 20 % in den hoch gelegenen Gebieten zunehmen. Es soll zu der paradoxen Situation kommen, dass die Schneedecke in mittleren Höhenlagen abnimmt, in großer Höhe aber steigt.

09_KLIMAEINFLUSS UND SEILBAHNEN, SKIGEBIETSMANAGEMENT

2

O.I.T.A.F. - UMWELTFORUM

3. Maßnahmen/Erkenntnisse Der Schneesport in den Bergen soll auch zukünftig in erster Linie in der Natur stattfinden. Entwicklungen wie Skihallen in den Ballungsgebieten sind begrüßenswert, aber flächendeckend für den Kunden nicht nachhaltig denkbar. Der Klimawandel, welcher unbestreitbar stattfindet, wird von der Tourismusbranche intensiv in die Zukunftsplanungen eingearbeitet. Die Bergbahnunternehmen und Wintersportregionen nehmen diese Entwicklung ernst und stellen sich auf die notwendigen Maßnahmen ein. Die prognostizierbaren Auswirkungen sind differenziert zu betrachten. Je nach Region, Gebiet und Anlagentypen sind unterschiedliche Definitionen für Schneesicherheit bezüglich Betriebstagezahl, Saisonbeginn und Saisonende notwendig. In einigen Regionen kann es reichen, an 60 Tagen Skibetrieb anzubieten, in anderen kann es aber notwendig sein mindestens 90 Tage Skibetrieb für eine ausreichende Wirtschaftlichkeit anbieten zu müssen. Durch technische Beschneiung kann aber durchaus auch in den nächsten 20 Jahren eine ausreichende Schneedecke für eine vernünftige und wirtschaftlich notwendige Anzahl von Skitagen ab Höhen von ca. 800 m NN aufwärts angeboten werden (In Ausnahmefällen auch darunter). Dabei spielen aber neben der Höhenlage insbesondere die kleinräumigen Verhältnisse, wie Exposition der Pisten, Windrichtung, durchschnittliche Luftfeuchtigkeit, Hangneigung usw. eine große Rolle. Da sich die Wintersportkunden aufgrund ihrer Wahrnehmung, die sie durch den teilweise „medial gemachten Schneemangel“ haben, im Moment eher auf höher gelegene Skigebiete konzentrieren, haben diese Gebiete in Bezug auf das Buchungsverhalten derzeit Vorteile. Skigebiete in höheren Lagen von 1.300 m NN und aufwärts werden durch größere Investitionen in ihre Beschneiungstechnik, insbesondere durch eine Erhöhung der erzeugbaren Schneemenge pro Zeiteinheit und eine entsprechend große Vorhaltung von Wasserkapazitäten (Speicherseen), dieses Vertrauen in den nächsten Jahren wieder zurückgewinnen. Das heißt, für den Wintersportkunden wird es das Thema Schneemangel und damit „das nicht sichere Ausüben können seines Sports“ in ein paar Jahren kaum mehr geben, da jene Skigebiete, die entsprechende Voraussetzungen haben, entsprechend Investitionen in die Beschneiung und damit in Schneesicherheit tätigen werden. Der Wintersportkunde wird wissen, in welchen Gebieten er eine Schneegarantie vorfindet. Dieses Prädikat haben einige Regionen durch ihre Investitionen in den letzten 30 Jahren bereits geschafft. Skigebiete in den mittleren Lagen 800 bis 1.300 m NN werden durch größere Investitionen in die Beschneiungstechnik die alles entscheidende Schneesicherheit gewährleisten können. Aber auch tiefere Lagen werden je nach ihrer Situation mit technischer Beschneiung ein ausreichend gutes Produkt für eine bestimmte Zielgruppe aus dem Wintersportmarkt anbieten können, wobei die Kosten für die Letzteren proportional höher sein werden. Die Planungszeiträume für den Neubau von Anlagen und damit die Amortisation der Investitionen sollen auf einen Zeitraum von 20 Jahren angelegt sein. Beim Ersatz von alten Anlagen sollen insbesondere die aus der Klimaentwicklung resultierenden Rahmenbedingungen als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden. Die tech-

09_KLIMAEINFLUSS UND SEILBAHNEN, SKIGEBIETSMANAGEMENT

3

O.I.T.A.F. - UMWELTFORUM

nische Beschneiung muss ein integraler Teil eines jeden Wintersportgebietes sein, dies gilt nicht nur für den alpinen Skisport sondern auch für Langlaufzentren, Winterrodelbahnen etc. Die „innere Jahreszeitenuhr“ der Schneesportler führt zu einer immer früher beginnenden Schneesportsaison im Herbst und zu Nachfrageschwächen im Spätwinter. Auch diese Entwicklung bestätigt wieder die optimale Absicherung der Skigebiete durch technische Beschneiung und den verlässlichen Winterstart Anfang Dezember. Klar nachteilig ist hier die Tatsache, dass aufgrund der Klimaentwicklung von der Natur aus in der zweiten Winterhälfte zukünftig eher mehr Niederschlag und damit Schnee in den mittleren und höheren Lagen fallen wird. Dieser Schnee in den höheren Lagen ist kaum mehr nutzbar, da andere Sportarten im Frühling die Schneesportklientel abziehen. Eine wichtige Handlungsempfehlung ist die Pflege von kleinen Schneesportanlagen in der Nähe von großen Quellgebieten der Schneesportler (Stadtregionen). Entscheidend ist, Kindern und Familien für wenig Geld die ersten Erlebnisse im Schnee, ob Skifahren, Snowboarden, Tuben, Rutschen, Rodeln oder alternative Schneesportangebote zu ermöglichen. 4. Fazit Die künftige Beeinflussung der Wintersaison durch die Klimaentwicklung wird Gewinner und Verlierer in den Wintersportdestinationen hervorrufen. Die schneesichersten Gebiete werden von der Nachfragesituation profitieren. Insbesondere wichtig ist ein pünktlicher Start in die Wintersaison mit möglichst Anfang Dezember. Der Wintersportmarkt selbst wird europaweit gesehen noch weiter zunehmen, dabei sind aber einzelne Märkte, wie z.B. der große Markt Deutschland aufgrund seiner dramatischen demografischen Entwicklung der Bevölkerung rückläufig und besonders aufmerksam zu beobachten. Auch das Entstehen von konkurrierenden Freizeitangeboten zum Schneesport ist in die Gesamtsichtweise mit einzubeziehen. Aufgrund der allgemeinen Mobilität werden aber neue Märkte für den Wintersport erschlossen werden können. Die für den Gast erkennbare verlässliche Gewährleistung der Schneesicherheit und eines entsprechenden Pistenangebotes ist für die Skigebiete entscheidend. Dies ist aber für fast jedes Skigebiet, welches in einer Höhenlage von 1.000 m NN und aufwärts liegt, möglich. Diese Gebiete werden fast alle mit entsprechenden Investitionen in den nächsten 20 Jahren sehr gut bestehen können. Mit der Beschneiung kann vernünftig und vertretbar in vielen Bereichen eine gute Situation hergestellt werden. Auf die besonders schwierige Situation, die für die Gletscherskigebiete entstehen wird, sei nochmals nachdrücklich hingewiesen. Anpassungsstrategien • Verstärkter Einsatz der technischen Beschneiung und Optimierung der Beschneiungsanlage. • Steigende Nachfrage nach schneesicheren Skigebieten.

09_KLIMAEINFLUSS UND SEILBAHNEN, SKIGEBIETSMANAGEMENT

4

O.I.T.A.F. - UMWELTFORUM

Geländeoptimierung der Skipisten mit dem Ziel, Schnee zu sparen. Prüfung der Lawinensicherungsmaßnahmen für den Spätwinter. Entwicklung von alternativen touristischen Angeboten in Gebieten mit geringer Höhenlage. • Mehr Kooperation zwischen den einzelnen Wintersportorten. • Bessere Nutzung der Zwischensaisonzeiten durch die Leistungsträger in den einzelnen Destinationen.

• • •

5. Studien/Grundlagen Bürki, R., Elsasser, H., Abegg, B. (2005): Climate change and Tourism in the Swiss Alps. In: Hall, M. /Higham J. (Hg.): Tourism, Recreation and Climate change, Clevedon et al. 2005, S. 155-163. CIPRA (2007): Klima - Wandel - Alpen : Tourismus und Raumplanung im Wetterstress / Hrsg. CIPRA. - 1. Aufl.. - München : ökom verlag, 2007. - 140 S. Elsasser, H. (2005): "Climate change in the Alpine Space - Consequences for People and Environment.". In: Bayrisches Staatsministerium für Umwelt, G. u. V. (Hg.): Climate change and tourism, 2005, S. 14. Elsasser, H., Bürki, R. (2004): "Wintersporttourismus im Zeichen des Klimawandels." In: Umweltschutz, B.L.f. (Hg.): Wintersport, Tourismus und Natur, Augsburg 2004, S. 83-91. - “L’impact du changement climatique sur la question des risques et sur le développement territorial durable dans l’espace alpin” Expérience du programme Espace Alpin et les exigences futures pour des projets stratégiques – Workshop transnational 24 – 26 novembre 2004 Rosenheim (Allemagne). - «Le climat et les Alpes en mutation - Tourisme et aménagement du territoire sous le stress météorologique » - CIPRA Info n° 80 juillet 2006. Klimaentwicklung in den Ostalpen, Band 12, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, ISBN 3-900545138 Klimafakten, Der Rückblick – Ein Schlüssel für die Zukunft, ISBN 3-510-95913-2 Matthias Horx, Zukunft passiert, «Wir Klimachonder» Die Presse.com 26.7.2003 Dirk Maxeiner «Hurra, wir retten die Welt!» Wie Politik und Medien mit der Klimaforschung umspringen. ISBN 978-3-937989-29-7 Links: http://www.awi.de/de/aktuelles_und_presse/selected_topics/klimawandel/ipcc_berich t_2007 www.ch-forschung.ch/index.php?artid=126 www.cenat.ch/ressources/planat_product_de_786.pdf www.dkrz.de/dkrz/science/IPCC_AR4/scenarios_AR4_Intro

09_KLIMAEINFLUSS UND SEILBAHNEN, SKIGEBIETSMANAGEMENT

5