O ffenheit

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ISBN 978-3-89785-228-0

Uwe Meyer ·

Lässt sich menschlicher Geist, lassen sich unsere Überzeugungen, Gedankengänge, Wünsche und Absichten mit rein naturwissenschaftlich orientierten Methoden erschöpfend erfassen, wie eine Version des Naturalismus behauptet? Hier wird ein Argument gegen diese Auffassung entwickelt. Geist ist auf vielfältige Weise mit Rationalität verbunden, und was als rational gilt, ist nicht ein für alle Mal gegeben, sondern muss immer neu verhandelt werden. Dabei kommt eine Besonderheit des menschlichen Geistes zum Tragen: die Fähigkeit, bewusst über die eigenen Begriffe nachzudenken. Wir können Begriffe vernünftig an gegebene Umstände anpassen und weiterentwickeln – etwa in unserer alltäglichen Lebenswelt, in der Logik oder in der Naturwissenschaft. Ein Mittel dafür sind metasprachliche Diskurse, in denen zur Debatte steht, was wir mit bestimmten Wörtern sinnvollerweise meinen sollten. Semantische Konzepte wie das der Bedeutung sind Werkzeuge in solchen Klärungs- und Präzisierungsdiskursen. Die Entwicklung der Begriffe und damit auch die unseres rationalen, vernünftigen Weltverhältnisses sind in einem substantiellen Sinne offen: Wir sind aktiv an ihnen beteiligt und können nicht vorausberechnen, wie sie verlaufen werden. Das spricht gegen die Möglichkeit vollständig empirischer Theorien über unseren Geist und so auch gegen den Naturalismus. Es zeigt sich, dass diese philosophischen Befunde zur Struktur tatsächlicher psychologischer Forschung passen.

Offenheit

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Uwe Meyer

Offenheit Ein Essay über Rationalität, Sprache, Natur und den menschlichen Geist

Meyer · Offenheit

Uwe Meyer

Offenheit Ein Essay über Rationalität, Sprache, Natur und den menschlichen Geist

mentis MÜNSTER

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Inhalt

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geist, Rationalität und Psychologie. Naturalisierungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Rationalitätsbezüge als konstitutiv für das Geistige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Naturalisierung von Rationalität? . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Ein erster Anlauf: Psychologie und Evolution . . . . 1.2.2 Naturalistische Analysen semantischer und rationalitätstheoretischer Begriffe? . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Rationalität und Mechanismen . . . . . . . . . . . . . . .

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1.

2. 2.1 2.1.1 2.1.2

Erklärungen in der Kognitionspsychologie . . . . . Hypothesentesten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Befunde und Deutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypothesentesten: Funktionale Erklärungen und intentionale Hintergründe . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Der Konjunktionsfehlschluss . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Thinking fast and frugal: Schnelles und erfolgreiches Denken unter realen Bedingungen . 2.3.1 Befunde und Deutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Thinking fast and frugal: Funktionale Erklärungen und intentionale Hintergründe . . . . 2.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Rolle der Sprache und diskursive Rationalität. Die Offenheit des Rationalen . . . . . 3.1 Der sprachliche Horizont bei der Zuschreibung geistiger Zustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Der sprachliche Horizont und die Besonderheiten des menschlichen Geistes. Reflexion und Diskurs. Offenheit . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Metasprache und Reflexion auf das Wesentliche .

13 13 20 20 23 24

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33 33 33

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39 43

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49 49

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53 54

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57

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57

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61 61

3.

6

Inhalt

3.2.2 Offene Diskurse über Bedeutungen. Die Entwicklung von Begriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Implikationen für den Naturalismus . . . . . . . . . . . 3.3.1 Naturalisierung von Begriffen? . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Naturalisierung im Sinne vollständiger funktionaler Erklärungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. 4.1 4.2

Semantische Diskurse in Alltag und Logik . . . . . . Alltägliche Situationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Korrektes Schließen. Logik und Vernunft . . . . . . .

77 77 86

5.

Naturwissenschaft. Diskurse über natürliche Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kuhns Position und zwei realistische Entgegnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kuhns Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Realismus: Zwei prominente Positionen . . . . . . . . Ein alternatives Bild: Diskursiv-realistische Deutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konstante Faktoren im Begriffswandel . . . . . . . . . Wahrheit und gute Gründe in diskursivrealistischen Beschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.3 5.3.1 5.3.2

64 68 68

91 91 94 94 97 101 101 111

Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung

Der Begriff der Offenheit hat viele Facetten, auch dann noch, wenn man ihn schon in einen seiner möglichen Kontexte gestellt hat – nämlich in den des menschlichen Geistes. Zum einen bringt er eine bestimmte Haltung zum Ausdruck: die Bereitschaft, die eigene Position durch Argumente in Frage stellen zu lassen, sie gegen diese Argumente zu verteidigen oder, je nachdem, sie angesichts überzeugender Gründe auch zu revidieren. Zum anderen kann er einen tiefen Wesenszug menschlicher Vernunft bezeichnen: die in ihr angelegte Möglichkeit, ihre eigenen Begriffe in Reflexion und Diskurs von Fall zu Fall an gegebene Umstände anzupassen, sie immer weiter zu entwickeln und damit in als immer angemessener empfundene Weltverhältnisse einzutreten. Beide Facetten hängen miteinander zusammen. Auf Offenheit als persönliche Haltung werde ich aber erst ganz am Ende zurückkommen. In der Hauptsache geht es mir um Offenheit im Sinne einer fundamentalen Eigenschaft des sprachlich geprägten menschlichen Geistes. Kurz und sehr vereinfachend gesagt, besteht sie darin, dass wir unsere Begriffe und damit unser Weltverhältnis angesichts rationaler Gründe an gegebene Umstände anpassen und bewusst formen können. Diese Formung ist etwas, was man in gewisser Hinsicht nur aktiv vollziehen, aber nicht vorausberechnen kann: Wir können nicht heute auf der Basis empirischer Daten vorhersagen, was uns morgen als vernünftig erscheinen wird. Das hat zur Konsequenz, dass es keine vollständige empirische Theorie des Geistigen geben kann, schon gar keine, die sich ausschließlich auf naturwissenschaftlich akzeptable Konzepte stützen könnte. In diesem Sinne ist die hier vertretene Position nicht naturalistisch. Ich hoffe, es wird deutlich werden, dass damit keine wissenschaftsfeindliche Haltung verbunden ist. Tatsächlich denke ich, dass die wissenschaftliche, insbesondere psychologische Praxis sogar unverstellter in den Blick kommt, wenn man sie nicht durch die Brille naturalistischer Erwartungen betrachtet.

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Einleitung

Hier geht es mir im Wesentlichen darum, möglichst knapp und prägnant einen Argumentationsstrang auszuarbeiten, der diese Thesen stützt. Seine grobe Struktur lässt sich schnell angeben. 1 In Kapitel 1 wird dafür argumentiert, dass Geist wesentlich mit Rationalität oder Vernunft im Sinne etwa einer Orientierung an Wahrheit und Gültigkeit verbunden ist: Ein gewisses Maß an Rationalität ist konstitutiv für Geist. Ferner werden zwei naturalistische Konzeptionen vorgestellt: Die eine läuft auf den Versuch hinaus, für (Semantik und) Rationalität zentrale Begriffe wie Referenz, Bedeutung, Wahrheit und Gültigkeit in der Terminologie der Naturwissenschaften zu explizieren (Millikan, Fodor u. a.), die andere wird durch die Vorstellung bestimmt, dass man das als rational interpretierbare Verhalten von Menschen letztlich vollständig auf physisch realisierte Mechanismen zurückführen kann (Dennett). Beide Ansätze scheinen mir am Ende an der besonderen, sprachlichen Struktur menschlicher Rationalität zu scheitern, genauer an ihrer Reflexivität, Diskursivität und Offenheit. Natürlich ist es tatsächlich die Aufgabe der wissenschaftlichen Psychologie, die Mechanismen hinter unserem Denken empirisch aufzudecken. Es kann auch überhaupt kein Zweifel daran bestehen, dass sie das mit großem Erfolg tut und dass darüber hinaus die Neurowissenschaft das Ihre dazu beiträgt, die physiologischen Strukturen zu erforschen, die diesen Mechanismen zugrundeliegen. De facto ist es aber so, dass sich die erfolgreiche Aufdeckung von Mechanismen immer vor dem Hintergrund funktional-mechanisch unanalysierter und stets diskutierbarer Annahmen darüber vollzieht, wie die Versuchspersonen etwa die Versuchsanleitung vernünftigerweise verstanden haben. Von vollständigen mechanischen Erklärungen selbst einzelner geistiger Phänomene kann deshalb keine Rede sein. Die Psychologie besitzt auch ein klares methodologisches Bewusstsein dieser Tatsache. Diese Zusammenhänge werden in Kapitel 2 anhand einer Reihe klassischer Beispiele aus der Kognitionspsychologie erläutert. 1

Ich hoffe, dieser rote Faden bleibt auch im Text ständig deutlich. Sollte er dem Leser einmal verloren gehen, so bietet sich ein Blick zurück auf diese grobe Struktur an.

Einleitung

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Der Angelpunkt des zentralen Kapitels 3 ist die Rolle, die die Sprache für die menschliche Rationalität spielt. Schon im Blick auf die Beispiele aus Kapitel 2 wird deutlich, dass Überlegungen darüber, wie etwa eine Versuchsanleitung sprachlich vernünftig interpretierbar ist und wie sie jeweils faktisch verstanden wurde, von erheblicher Bedeutung sind. Der eigentlich kritische und allgemeinere Punkt ist dabei, dass das vernünftige Verständnis eines Begriffs nicht ein für alle Mal festgelegt ist. Als Menschen können wir uns typischerweise in einer Metasprache darüber Gedanken machen, was ein bestimmter Begriff überhaupt sinnvollerweise bedeuten soll. Wir können (auch im gemeinsamen vernünftigen Diskurs) auf die alltägliche, gewöhnlich als unproblematisch präsumierte Sprachpraxis reflektieren und Begriffe präzisierend, explizierend, reformierend,. . . und mit offenem Ende anpassen und weiterentwickeln. In dieser »Arbeit am Begriff« entwickeln wir zugleich unser Weltverhältnis weiter – die Art und Weise, wie wir die Welt verstehen und in ihr handeln wollen. Begriffe und Weltverhältnis sind in diesem Sinne immer offen für zukünftige Entwicklungen. Das ist natürlich etwas, was unsere ganze – zu einem wesentlichen Teil eben sprachliche – Existenzweise betrifft, nicht nur unser Verhalten als Gegenstand psychologischer Untersuchungen. Aber es hat eben doch auch Konsequenzen für die Reichweite funktional-mechanischer Erklärungen in der Psychologie. Das Verständnis eines Begriffs (auch in einer Versuchsanleitung) ist und bleibt immer offen für vernünftige Reflexionen, Anpassungen und Modifikationen. Deshalb ist ein Begriff nie abschließend mit einer bestimmten naturwissenschaftlich beschreibbaren Struktur zu identifizieren, und deshalb lässt sich auch das Denken und Verhalten eines Menschen nie abschließend und vollständig funktionalmechanisch analysieren. Das bislang noch etwas abstrakte Konzept der offenen, vernünftigen Anpassung und Weiterentwicklung von Begriffen in Sprache und Metasprache wird in den Kapiteln 4 und 5 durch eine Reihe von Beispielen aus Alltag, Logik und Naturwissenschaft erläutert. Dabei sollte deutlich werden, dass wir es hier mit nichts irgendwie Außergewöhnlichem zu tun haben, sondern geradezu mit einem Allerweltsphänomen, das unsere gesamte Lebenswirklichkeit

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Einleitung

durchzieht: Was wollen wir eigentlich genau unter »Gerechtigkeit« verstehen? Wollen wir unseren Krankheitsbegriff so fassen, dass das Burnout-Syndrom darunter fällt? Was wollen wir in welchem Kontext mit der logischen Folgerung »Wenn. . ., dann . . .« meinen? Über all diese Fragen lässt sich in vernünftigen Diskursen mit offenem Ende debattieren, und de facto geschieht das auch ständig. Auch die Gehalte sogenannter Terme für natürliche Arten wie »Wasser« oder »Tiger« hängen von unseren vernünftigen Überlegungen ab und können sich weiterentwickeln – wobei diese Entwicklungsthese, wie in Kapitel 5 deutlich wird, keineswegs einen unplausibel starken Konstruktivismus oder Antirealismus bezüglich der Natur impliziert, der etwa mit einer problematischen Form von Inkommensurabilität verbunden wäre. Nahegelegt wird eher eine Art »diskursiver Realismus«. Es wird sich zeigen, dass unsere gegenwärtigen begrifflichen Entscheidungen auch einen gewissen Einfluss auf die geistigen Gehalte der Vergangenheit haben, so dass das Geistige insgesamt in einer offenen Bewegung begriffen ist. 2 Im Schlusswort werden die Dinge noch einmal aus einer etwas allgemeineren Perspektive betrachtet, und ich komme kurz auf den Begriff der Offenheit als Haltung zu sprechen. Natürlich wird all das in Auseinandersetzung mit einschlägiger Literatur entwickelt – aber ganz sicher nicht in Auseinandersetzung mit aller einschlägigen Literatur. Mir ist sehr bewusst, dass man zu jedem der hier behandelten Punkte sehr viel mehr sagen könnte. Mein Ehrgeiz war es aber nicht, die vielen verzweigten Seitenlinien der Debatten nachzuzeichnen, die ich hier berühre. Es geht mir nur um die Ausarbeitung eines Argumentationsstrangs in einem einigermaßen übersichtlichen Essay, nicht um die Aufarbeitung des gesamten Zusammenhangs in einer längeren Untersuchung. 3 Es gibt im deutschen Sprachraum einige hervorragende und ausführliche Abhandlungen, die sich kritisch mit dem Naturalismus, 2 3

Vgl. insbesondere 5.3.2. Es wäre sicher auch interessant, die Bezüge zwischen dem hier entwickelten semantischen Ansatz und dem begriffsgeschichtlichen Forschungsprogramm in Philosophie und Geschichtswissenschaft auszuloten, wie er etwa den einschlägigen Wörterbüchern zugrundeliegt; vgl. etwa Ritter, Gründer und Gabriel (Hg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, und Brunner, Conze und Koselleck (Hg.),

Einleitung

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speziell auch mit dem Naturalismus in der Philosophie des Geistes, auseinandersetzen. Neben Geert Keils schon älterer Studie Kritik des Naturalismus gehört in allerjüngster Zeit etwa Wolf-Jürgen Cramms Geist, Bedeutung, Natur dazu. Es ist ganz klar, dass es eine Reihe von Konvergenzen zwischen ihren Positionen und den in diesem kurzen Essay entwickelten Überlegungen gibt. Im Hinblick auf Cramms Werk ist hier z. B. die Kritik an den Vorstellungen zu nennen, unsere grundlegende Haltung gegenüber anderen Sprechern gleiche dem Verfügen über eine empirische Theorie über sie und die Bedeutungen sprachlicher Ausdrücke seien etwas, was in den Köpfen der Sprecher fertig vorliege. 4 In eine ähnliche Richtung wies auch schon Christoph Demmerlings Sinn, Bedeutung, Verstehen. 5 Aufgewachsen in einem eher an Mathematik, Logik und den Naturwissenschaften orientierten analytisch-philosophischen Umfeld, habe ich mich über die Jahre eigentlich eher zu meiner eigenen Verblüffung in der Nachbarschaft von Autoren vorgefunden, deren Ausgangspunkt das Soziale ist und /oder die aus tendenziell hermeneutischen Traditionen stammen. Wenn ich etwa im Abschnitt 3.3 im Hinblick auf Diskurse von einer »Teilnehmerperspektive« spreche, dann ergibt sich das sozusagen aus der Sache selbst, aber natürlich sind Parallelen zu Habermas’ einschlägigem Konzept unübersehbar. Der Weg dorthin war einigermaßen verschlungen und alles andere als gradlinig. Er führte u. a. über Putnam, der für die Habermas-Tradition ja auch eine durchaus wichtige Rolle spielt, aber auch über v. Kutscheras Die falsche Objektivität und Philosophie des Geistes, wo auf eine vollkommen andere Weise für die Offenheit des Geistigen argumentiert wird 6, und noch manches andere.

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Geschichtliche Grundbegriffe. Dabei stünden dann eher historisch-kulturelle Konzepte zur Debatte. Das kann in dieser Darstellung, in der andere Dinge im Fokus stehen, aber nicht geleistet werden. Vgl. Cramm, Geist, Bedeutung, Natur, S. 103ff.; S. 372ff. Vgl. insbesondere das Kapitel VI (S. 184ff.). Dort taucht auch ein Konzept von Offenheit sprachlichen und geistigen Sinns auf. Demmerling entwickelt den Begriff anders, als es in diesem Essay geschieht, aber zweifellos gibt es auch hier Konvergenzen. Vgl. etwa v. Kutschera, Philosophie des Geistes, 129ff.

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Einleitung

Dieser Essay bewegt sich also ein bisschen zwischen den Welten (und damit vermutlich auch ein wenig zwischen den Stühlen). Ich hoffe, dass er ihren Bewohnern hin und wieder etwas Interessantes anzubieten hat, oder mindestens etwas interessant Gesagtes. Vielleicht vermag er auch (oder gerade) die zu interessieren, die mit der empirisch-wissenschaftlichen Seite des Geistes befasst sind, mit Psychologie, Neurowissenschaft und anderen Disziplinen, deren große Produktivität mir am Osnabrücker Institut für Kognitionswissenschaft lebendig vor Augen steht. Immerhin geht es ja auch um Elemente der Struktur dieser Wissenschaften. Ich habe viel mehr Menschen zu danken, als ich es hier sagen kann. Ein Teil der hier vorgestellten Gedanken fußt auf irgendeine Weise auf meiner Habilitationsschrift von 2006 7, auch wenn sie sich inzwischen in verschiedenen Punkten weiterentwickelt und umgestaltet haben. Entsprechend danke ich besonders meinem langjährigen akademischen Lehrer, Betreuer und Kollegen Wolfgang Lenzen für sein Engagement, seine Anregungen und seine stete Gesprächsbereitschaft. Christoph Demmerlings substantiellem Gutachten verdanke ich ebenfalls eine Reihe von wichtigen Hinweisen. Und natürlich danke ich Achim Stephan – für viele hilfreiche Denkanstöße, für seine Beteiligung am Habilitationsverfahren und für sehr viel Rat und Tat in der Zeit seitdem. Ferner hat mich Frank Jäkel auf vieles aufmerksam gemacht, was hier in das zweite Kapitel über Kognitionspsychologie eingeflossen ist. Jan Slaby war während unserer gemeinsamen Zeit in Osnabrück ein engagierter und wertvoller Diskussionspartner, ebenso wie Christian Lavagno. Sehr profitiert habe ich auch von der Möglichkeit, die erste Fassung dieses Essays im Osnabrücker Philosophischen Kolloquium unter der Leitung von Nikola Kompa und Susanne Boshammer zu besprechen. Beiden verdanke ich wichtige Hinweise.

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Meyer, Geist, Vernunft und Wissenschaft. Ferner enthält das Kapitel 5 Gedanken, die schon in Meyer, »Natürliche Arten, Wahrheit und der Raum der Gründe« entwickelt wurden.