Nach der Verdammnis - Buch.de

„Das kannst du nicht bringen, Tess!“ „In Situationen wie diesen, ist sich jeder selbst der Nächste, Zack!“, erwiderte die linke Schnalle affektiert. Eine Handschelle ...
220KB Größe 2 Downloads 290 Ansichten
Sonja Fuchsreiter

Nach der Verdammnis Alterworld 01 Roman

© 2013 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2013 Umschlaggestaltung: Sonja Fuchsreiter, AAVAA Verlag, Berlin Coverbild: Sonja Fuchsreiter, R. Fratczak Printed in Germany ISBN 978-3-8459-0665-2 AAVAA Verlag www.aavaa-verlag.com eBooks sind nicht übertragbar! Es verstößt gegen das Urheberrecht, dieses Werk weiterzuverkaufen oder zu verschenken! Alle Personen und Namen innerhalb dieses Romans sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

2

Kapitel 1 „Das kannst du nicht bringen, Tess!“ „In Situationen wie diesen, ist sich jeder selbst der Nächste, Zack!“, erwiderte die linke Schnalle affektiert. Eine Handschelle klickte an Zacks Hand und ruckzuck auch am Geländer der Dachterrasse. Er ruckelte fest daran, aber selbstredend rührte sich nichts. „Du kannst mich doch nicht einfach hier zurücklassen, als Futter für die Viecher!“ Dieses linke Miststück ließ ihn hier eiskalt zurück und opferte ihn. „Ich kann dich nicht tragen.“ Tatsächlich schien sie Wehmut zu empfinden. Wären nicht die Handschellen gewesen, hätte er es ihr auch beinah abgenommen. „Was brichst du Idiot dir auch das Bein?“ Zack knirschte wütend mit den Zähnen. Er hatte dem Miststück zum zigsten Mal den Arsch gerettet und das war ihm diesmal zum Verhängnis geworden. Auch wenn er dank seiner angeborenen Fähigkeiten schnell genesen würde, ein paar 3

Tage würde auch ein Werwolf zum Heilen benötigen. Tess schnappte sich seinen Rucksack und holte sich heraus, was sie gebrauchen konnte. Ja nichts verschwenden! Das Essen, die Karten, den Schlüssel seiner Harley und auch die Waffen samt Munition. „Lass mir eine Waffe“, flehte er inständig. Zack hatte seine verloren, als er sich hier hoch gerettet hatte. Die hübsche Frau – Tess war eine Schönheit, blond, blauäugig, schlank und sie war wie er ein Werwolf – packte in aller Ruhe seine Sachen in ihren Rucksack. Sie nahm einen alten Revolver und lud ihn mit einem einzelnen Silberprojektil. „Ich sichere die Tür erneut, dann können sie nicht durchbrechen. Du dürftest genug Zeit zum Heilen haben und wenn nicht …“ Tess legte die Waffe gute drei Meter von ihm entfernt auf den Boden, ebenso seinen fast leeren Rucksack. Eine Notration hatte sie ihm gelassen, wie nett! Dumm nur, dass das alles außer seiner Reichweite lag.

4

„Und wie soll ich … Du willst mich doch wohl verarschen!“ Zack geriet in Panik und brüllte sie zornig an. Tess missachtete ihn sträflich, überprüfte die Tür noch einmal und schlenderte anschließend lässig zu ihm. „Es tut mir leid, dass es so enden muss.“ Der Knauf ihrer Waffe traf ihn mit voller Wucht an der Schläfe. Der Schlag war nicht ausreichend, um ihn auszuknocken. Seine Sicht verschwamm und er nahm sein Stöhnen nur noch entfernt war. Tess schlug erneut zu. Diesmal jedoch mit einer Wucht, die mehr als ausreichend war, um ihm endgültig auszuknocken. Die Sonne stand hoch am Himmel, als er mit dröhnendem Schädel erwachte. Kein nettes Erwachen, aber wenigstens hatte Tess so viel Anstand gehabt und ihn von den Handschellen befreit. Es war still geworden. Viel zu still. Die Monster hatten aufgegeben durch die Tür hier rein zu kommen, was prinzipiell gut war. Aber so schnell gaben die Viecher dann doch nicht auf.

5

Sie suchten nach einem anderen Weg auf das Dach. Zack rutschte zum Rucksack … Sein rechtes Bein war definitiv vollkommen hinüber. Jetzt, da er sich bewegte, spürte er, dass von seinen Unterschenkelknochen nur noch ein Haufen loser Knochenfragmente übrig war. Das war kein gerader Bruch, den er alleine heilen konnte. Ohne ärztliche Hilfe war er völlig aufgeschmissen. Er könnte Wochen hier liegen und würde trotzdem nicht von der Stelle kommen. Als ob er Wochen auf dem Dach überleben könnte, nur mit einer läppischen Notration und einer Flasche Wasser. Zack nahm den Revolver, seine einzige Alternative, wollte er nicht elendig verrecken oder gar eines der Monster werden, die dort draußen nur auf ihn warteten. Vielleicht war es nicht einmal so übel, dem Ganzen hier ein für alle Mal ein Ende zu setzen und dem Elend zu entfliehen. Eine Kugel und alles Leid wäre vergessen. ***

6

Was zur Hölle tat dieser Idiot? Tia kletterte hastig die letzten Sprossen der Feuerleiter hoch, stolperte über den Dachsims und landete mit den Händen voran im Kies. Verärgert rappelte sie sich auf und rieb sich die Hände sauber. Wenigstens hatte sie seine Aufmerksamkeit und er den verflixten Lauf der Waffe aus dem Mund genommen. Der Schönling starrte sie feindselig an. „Sich das Hirn wegzublasen ist ganz sicher nicht die Lösung aller Probleme … na ja, schon! Du hast danach jedoch ein weitaus größeres Problem, bist du mausetot.“ „Lohnt es sich am Leben zu sein in dieser Welt?“ Keine tiefsinnigen Debatten, nicht hier und nicht jetzt! „Dafür haben wir jetzt keine Zeit, Wolf! Die Raider kraxeln gerade die Wand hoch, und wenn du nicht vorhast, dir das Hirn wegzublasen, solltest du den Arsch hoch …“ Der Werwolf rappelte sich auf und stand unsicher auf einem Bein. Er saß hier oben fest, deswegen wollte er sich mit der Silberkugel den Gnadenschuss verpassen. Sein Bein sah gar nicht gut aus. Es war merkwürdig verdreht und da war jede Menge Blut. Kein Wunder, dass die 7

Raider es so eilig hatten, hier rauf zu kommen. Sie rochen sein Blut! Elendes mutiertes Vampirpack! Dann musste sie die Sache wohl anders angehen. Tia schlüpfte schnell aus ihren Kleidern, packte sie in ihren Rucksack und warf ihn dem Fremden entgegen. Völlig nackt stand sie vor ihm. Für sie kein Problem, aber er … Der Wolf senkte schamhaft den Blick, hatte er Probleme mit ihrer Nacktheit. Sehr seltsam für einen Wandler. „Es war hoffentlich keines der Biester, oder? Wurdest du infiziert?“ Vielleicht hätte sie die Frage stellen sollen, bevor sie blankzog. „Nein, ich bin die Treppe runtergestürzt. War ziemlich hoch.“ Er riss das Hosenbein oberhalb des Knies ab. Kein Biss. Ein ziemlich übler, offener Bruch war verantwortlich für die Blutung. „Autsch! Ich bin übrigens Tia. Würdest du dich meines Rucksacks annehmen, schöner fremder Mann?“ Ja, schön war er, selbst so zerrupft, wie er im Moment war. Wölfe hatten eine unbeschreibliche animalische Ausstrahlung. Man sah ihnen das Tier sofort an. Dieses Exemplar war 8

äußerst ansprechend. Ein gutes Stück größer als sie, was keine Kunst war. Wesen ihrer Gattung war klein und kompakt, das brachte ihr Tier mit sich. Dieser Wolf war weit über 1,90, muskulös und nicht übertrieben trainiert. Sein Haar … intensiv rotbraun und sehr lang, selbst für einen Wolf. Die meisten Wölfe trugen ihr Haar lang, aber aus praktikablen Gründen meist nie länger als bis zu den Schultern. Sein gewelltes, sehr dickes Haar war zu einem Zopf zusammengebunden, der weit unterhalb der Mitte des Rückens endete. Seine Gesichtszüge waren sehr markant und im Moment spiegelte sich in ihnen deutlich Schmerz wider. So wie sein Bein aussah, hätte sie wahrscheinlich schreiend am Boden gelegen. Er biss die Zähne zusammen, stieß nur gelegentlich ein Ächzen aus. Nach außen konnte er sich recht gut beherrschen. Doch seinen beschleunigten Puls und die stoßweise Atmung zeugten klar von seinem desolaten körperlichen Zustand. „Ich bin Zack. Was hast du vor, Tia?“, fragte er skeptisch, hatte sich jedoch schon ihrem Rucksack angenommen. Er packte den spärlichen In-

9

halt seines in ihren und nahm ihn auf den Rücken. „Du bist eine Wandlerin, oder?“ *** Die Frau mit den außergewöhnlich hellen Augen, den schwarzen … nein, ihre Haare waren nicht schwarz. Eher ein dunkles Grau, sehr matt und es ging ihr bis zu den Schultern. Sie war recht klein, hatte aber für eine Frau sehr breite Schultern und muskulöse Arme. „Ich spendiere dir einen Freiflug.“ Sie lächelte breit. „Eher Gleiten. Mit Last auf meinem Rücken kann ich nicht fliegen, aber ich kann uns so einige Kilometer wegbringen und damit raus aus der Stadt.“ „Du bist was?“, hakte er argwöhnisch nach. „Falco peregrinus, Wanderfalke. Willst du reden oder mich begleiten? Ich kann die Raider schon hören. Sie sind gleich oben!“, zischte sie ungeduldig. „Entweder kommst du mit mir oder du bleibst hier. Dann kannst du dir aber auch gleich die Birne wegblasen, willst du sicherlich nicht zum Raider werden!“ 10

Sie fand sehr deutliche Worte und nahm kein Blatt vor den Mund. Zack hüpfte einbeinig auf sie zu. „Was muss ich tun?“ „Hände um meinen Hals und Augen zu. Halt dich fest, gut fest. Wenn du fällst, kann ich dich nicht auffangen.“ Zack hasste es Schwäche zuzugeben, aber er bezweifelte, dass er sich auf ihrem Rücken halten konnte. „Du befürchtest abzurutschen? Dann machen wir es, wie mit den kleinen Falken und fliegen Tandem. Ich muss mich im Sturz wandeln. Anders könnte ich das Zusatzgewicht nicht stemmen, aber so sollte es gehen.“ Sie holte ihren Gürtel aus dem Rucksack. „Dann bekommt der Falke Zaumzeug. Ich mach mich hier vollends zum Affen! Wehe du lachst!“ Ihm war nicht zum Lachen. Was hatte er zu verlieren? Selbst wenn er am Boden zerschellte, alles war besser, als hier zu bleiben. „Ich lass nicht los, versprochen! Das Ding sitzt felsenfest in meinem Schnabel. Bereit?“ Sie nahm den Gurt in ihren Mund und biss darauf. „Festhalten, jetzt!“, nuschelte sie kaum verständlich. 11

Zack packte nach dem Gurt, und ehe er groß nachdenken konnte, sprang sie auch schon. Wenn er jetzt starb, dann im Rausch der völligen Freiheit. Der freie Fall war atemberaubend! Es kostete den Falken einige Mühe, aus dem Sturzflug in eine stabile Gleitposition zu gelangen. Doch letztendlich gelang es ihm. Am improvisierten Zaumzeug hängend, glitt er auf ihrem imposanten gefiederten Rücken über die Häuserschluchten der Großstadt. Tia war um einiges größer, als ein gewöhnlicher Falke, schließlich war es ein Eins-zu-eins-Wandel. 60 Kilo Mensch wurden auch 60 Kilo Falke. Sie sanken langsam, aber kontinuierlich. Zu früh, wie es schien. Der Falke schlug angestrengt mit den Schwingen und schaffte es dadurch, nicht allzu schnell abzusinken. Doch es musste strapaziös für das Tier sein. Tia war nicht sonderlich groß, geradezu zierlich in ihrer Menschengestalt. Es war beeindruckend, dass sie seine fast 90 Kilo tragen konnte. Die Landung war ein wenig ruckelig. Gute zwei Meter über dem Boden musste sie das Zaumzeug loslassen. Zack realisierte gar nicht, wie ihm ge12

schah, so schnell landete er auf dem Boden. Zwei Meter waren Peanuts für einen Werwolf, aber sein verletztes Bein protestierte und er fiel schreiend zur Seite. Der Schmerz war so heftig, dass es ihm mit einem Schlag die Lichter ausschoss. *** „Endlich wach, Dornröschen? War gar nicht so leicht dich ins Auto zu schaffen ohne deine Mithilfe.“ Tia sah über den Rückspiegel zu ihm. Er befand ich auf der Rückbank eines Wagens. Sie hatte sein Bein notdürftig versorgt und den Bruch geschient. Dann war es wohl ganz gut gewesen, dass er die Chose verpennt hatte. „Du hast Fieber. Nimm die!“ Tia warf ihm leise kichernd eine Tüte mit Tablettenröhrchen nach hinten. „Nicht alle, natürlich! Nimm dir das Doxycyclin und das Novalgin raus. Das Doxy hilft gegen die Infektion – und ja, auch wenn du ein Werwolf bist, dein Bein ist infiziert. Kein Wunder bei all dem Dreck. Das Novalgin senkt

13

das Fieber und hilft recht gut gegen die Schmerzen.“ „Arzt?“ Zack hörte sich an, als hätte er ein paar Drinks zu viel intus und genauso benommen fühlte er sich auch. „Nein, Laborassistentin und Krankenschwester. Ich habe den Medikamentenschrank meines ehemaligen Arbeitgebers ausgeräumt. Er braucht sie nicht mehr. Thomas ist tot.“ Tia reichte ihm eine Flasche Wasser nach hinten. „Wenn du die Tabletten genommen hast, kannst du was Knabbern. Keine Haute Cuisine, doch sehr kalorienreich.“ „Danke.“ Er aß die Packung Schokoriegel im Rekordtempo und leerte die Flasche Wasser komplett hinterher. Für den Anfang musste es genügen. Zack hatte einige Fragen und das starke Gefühl, dass sie die Antworten darauf wusste. Eine bescheuerte hellsichtige Eingebung seiner mütterlichen Nicht-Wandler-Seite. „Du nanntest sie Rider, warum?“ „Raider, nicht Rider. Das ist der Projektname. Die offizielle Bezeichnung für das Virus, das verantwortlich ist für die Apokalypse, lautet 14

JCWR539. Raider ist sehr passend, wenn du mich fragst.“ „Das letzte, was ich mitbekam war, dass die Vampire die Überträger seien. Der Virus mutierte und suchte sich einen neuen Wirt. Das Sterben begann. Danach rissen alle Informationen ab.“ Jeder hasste die Vampire. Sie wurden auf der helllichten Straße niedergeschlachtet. Doch die Seuche war nicht mehr einzudämmen und breitete sich wie ein Strohfeuer aus. „Die Vampire sind ebenso Opfer wie wir.“ Tia stieß einen abfälligen Ton aus. „Sicher, wären sie im Verborgenen geblieben und nicht an die Öffentlichkeit gegangen, wäre das alles nicht geschehen. Dass es geschehen würde, war aber nur eine Frage der Zeit. Der Mensch darf nicht in den Genen pfuschen.“ „Und woher weißt du das?“ Er war skeptisch, aber es hörte sich plausibel an. Warum sollte urplötzlich und ganz spontan ein Virus auftreten, das die Vampire dahinraffte, nachdem sie Tausende von Jahren unerkannt unter den Menschen gelebt hatten? Es konnte kein Zufall sein, dass

15