Musiktheater im Experiment

Zur Oper Daphne von Richard Strauss ... Heiner Müller, Paul Dessau: »Lanzelot«. Festgabe oder ... Der Oper »Lanzelot« von Heiner Müller und Paul Dessau galt vor drei .... werden Menschen verstümmelt samt ihrer Stimme, werden ge-.
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Musiktheater im Experiment

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Gerd Rienäcker

Mu si kt heater i m E xper i ment Fünfundzwanzig Aufsätze

Lukas Verlag 3

Umschlaggestaltung unter Verwendung eines Titelbilds der Zeitschrift »Theater der Zeit«, Heft 3/1970. Abgebildet ist die Schlußszene aus »Lanzelot« von Paul Dessau, Regie: Ruth Berghaus, Ausstattung: Andreas Reinhardt.

© by Lukas Verlag Erstausgabe, 1. Auflage 2004 Alle Rechte vorbehalten Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte Kollwitzstraße 57 D–10405 Berlin http://www.lukasverlag.com Satz: Ben Bauer, Berlin Umschlag: Verlag Druck und Bindung: Difo-Druck, Bamberg Printed in Germany ISBN 3–936872–22–8

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Inhalt

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Aufsätze, Thesen, Notate

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Vom Unsinn in der Oper

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Lachende Opernfiguren Acht Skizzen

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Schwierigkeiten, mit Mozart umzugehen?

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W. A. Mozart: Die Zauberflöte Stichpunkte

48

Pizarro – ein Bösewicht?

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Lortzing – ein Offenbach unter deutschen Verhältnissen­?

61

Klangräume in Rossinis »Guillaume Tell«

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Beckmessers Lieder

78

Deutschtum und Antisemitismus in Wagners Werken Vorfragen zu einem Problem

89

Verdi-Dramaturgie heute Notate subjektiven Nachdenkens

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Tschaikowsky: Pique Dame Notate

111

Vorgänge hinter den Vorgängen Verräterische Tonartenschritte bei Alfios Ankunft

119

Zum Verismo in der Oper Notate 5

127

Momentaufnahmen Zur Oper Daphne von Richard Strauss

131

Musiktheater im Zeichen Brechts?

145

Misuk oder Musik Anmerkungen zu Brechts Musik-Verstehen

159

Heiner Müller, Paul Dessau: »Lanzelot« Festgabe oder Warnzeichen?

169

Gefangene? Figuren in Blachers »Zwischenfall bei einer Notlandung«

193

In den höheren Regionen Ein Vorspiel und zwei Zwischenspiele in Brecht/Eislers »Schweyk im Zweiten Weltkrieg«

206

Im Blick zurück nach vorn Lebensbilder in der Wiener Operette

218

Gräfin Mariza Dramaturgische Notizen

226

Maria Callas Nachdenken über ihre Physiognomie

234

Schwierigkeiten und Möglichkeiten, Oper zu inszenieren

245

Zu einigen Erfahrungsfeldern von Ruth Berghaus

261

Benjamin auf der Musikbühne

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Aufsätze, Thesen, Notate

Sie haben ihr Gemeinsames im Gegenstand: Oper, Operette, Musiktheater. Und sie haben ihr Gemeinsames im Anliegen: Es gilt nachzudenken, zu arbeiten über das Musiktheater, im Musiktheater, am Musiktheater. Das schließt Experimente ein. Sie beginnen in der Analyse der Werke, setzen sich fort im Nachdenken über Inszenierungen, greifen über aufs Theater, Musiktheater als Ganzes, als Institution. Daran teilzuhaben ist seit langem der Wunsch des Verfassers; das eine und andere Mal wurde ihm dieser Wunsch erfüllt: In Begegnungen mit dem Komponisten Paul Dessau und dem Dichter, Literaturtheoretiker und Librettisten Carl Mickel. – ihnen verdanken sich Opern von Rang –, in Begegnungen mit der Regisseurin Ruth Berghaus, deren Opern-, Operetten‑, Schauspiel-Inszenierungen wahrlich Geschichte geschrieben haben, mit den Regisseuren Peter Konwitschny und Vera Nemirova, deren Inszenierungen nunmehr Geschichte schreiben. In Begegnungen mit Antje Kaiser, Dramaturgin und Regisseurin, mit den Dramaturgen Bettina Bartz und Werner Hintze, ohne deren konzeptionelle Arbeiten manche Inszenierungen von Ruth Berghaus und Peter Konwitschny nicht denkbar wären! Mit Ruth Berghaus, Peter Konwitschny, Vera Nemirova durfte der Verfasser zusammenarbeiten, Antje Kaiser, Bettina Bartz, Werner Hintze sind vor Jahrzehnten bei ihm in die Schule gegangen, und er hat viel von ihnen gelernt. Vor allem, daß experimentiert werden müsse! »Das Sichere ist nicht sicher«, so Brecht. Wer glaubt, ein für alle Mal zu wissen, wer Mozart, Beethoven, Lortzing, Wagner seien, wie ihre Werke aufgeführt werden müssen, nimmt bestenfalls die Oberfläche fürs Ganze. Der Unsicherheit geben diese Aufsätze, Notate, Thesen das Wort; fast jedem Satz sind unsichtbare Fragezeichen beigesellt. Um herauszugreifen: Von »Schwierigkeiten mit Mozart« ist die Rede, und davon weiß jeder Regisseur, jeder Dirigent, jeder Musiker ein Lied zu singen! Von Lortzing als Chronistem deutscher Misere – und davon, daß ihm die Zähne wieder einzusetzen seien, damit er zubeiAufsätze, Thesen, Notate

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ßen kann. (Peter Konwitschnys Inszenierungen der Opern »Der Waffenschmied« und »Regina« haben ihm die Zähne eingesetzt um unseretwillen!) Von Wagners Figur des Stadtschreibers Sixtus Beckmesser ist die Rede, von seiner Not, von seinen Angstträumen, von seinem Scheitern, auch von Wagners Versuch, ihn als Juden zu brandmarken. Und vom Antisemitismus in Wagners Schriften und Dramen – er ist nicht das Ganze, aber auch nicht Bagatelle. Verdi ist das Wort gegeben, auch dem »hm, ta, ta«, das so häufig als »Sterben im Walzertakt« mißverstanden wurde; auch der Ambivalenz im Politischen. Vor allem Verdis Anteilnahme an seinen Figuren, wenn sie ins Elend gerieten! Und dem sogenannten Verismus, der in Knall-Effekten nicht aufgeht. »Im Blick zurück nach vorn« – so lautet der Titel eines Aufsatzes über die Wiener Operette; er nimmt die szenisch-musikalischen Vorgänge ernst und fragt, was sie über ihre Zeit erzählen. Und er fragt nach dem So-und-nicht-Anders der szenisch-musikalischen Gestaltung. Für die Inszenierung der Operette »Gräfin Mariza« an der Wiener Volksoper im Dezember 2002 schrieb der Verfasser einen gesonderten Aufsatz, der den Erinnerungen, Träumen, Illusionen der Akteure, ihrer Empfindsamkeit nachgeht ohne jenes Besserwissen, das uns angesichts der Sentimentalität so nahe liegt. Der Oper »Lanzelot« von Heiner Müller und Paul Dessau galt vor drei Jahrzehnten eine Doktorarbeit – und dies mit leidenschaftlicher Parteinahme für ideelle und szenisch-musikalischdramaturgische Aufbrüche. Fast drei Jahrzehnte später kommt der Verfasser darauf zurück, notierend, was ihm damals entging. Seit über fünf Jahrzehnten beschäftigt ihn Bertolt Brecht, ihm, seinen Impulsen für die Oper, für das Musiktheater war die Doktorarbeit eigentlich gewidmet, über ihn mußte in den neunziger Jahren aufs Neue nachgedacht werden: Auch über seine musikalischen, musiktheatralischen Visionen, die von denen der Musiker nicht unerheblich sich unterscheiden. Und da gibt es ein seltsames Stück von Heinz von Cramer und Boris Blacher: »Zwischenfälle bei einer Notlandung«, uraufgeführt in den sechziger Jahren – erschütternde Vorgänge der Gefangenschaft, universeller Entfremdung; Blachers einhundertster Geburtstag gibt Anlaß, darüber nachzudenken. 8

Aufsätze, Thesen, Notate

War bislang von Gattungen, Werken, Komponisten der Oper, Operette, des Musiktheaters die Rede, so möchten Erfahrungen, ja, Triebkräfte wenigstens einer Sängerin, wenigstens einer Regisseurin befragt werden: Es geht um Maria Callas und Ruth Berghaus. Über die Callas nachzudenken war einer Vorlesung über Musiktheater-Dramaturgie aufgegeben; Ruth Berghaus’ Inszenierungen wurden über mehrere Semester hinweg analysiert. Von Lehrveranstaltungen war soeben sie Rede; seit mehr als dreieinhalb Jahrzehnten unterrichtet der Verfasser an Hochschulen und Universitäten, darin sah und sieht er das Zentrum seines Tuns. An seine Schülerinnen und Schüler denkt er zuvörderst, wenn er das Eine und Andere aufschreibt, ihnen vor allem seien die Aufsätze, Thesen, Notate mitsamt den eingesenkten Fragezeichen gewidmet. Berlin, im Mai 2004

Aufsätze, Thesen, Notate

Gerd Rienäcker

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Vom Unsinn in der Oper

Aufklärer können, darüber sich aufzuhalten, nicht genug tun. Einer Versammlung keifender Marktweiber scheint Johann Adolf Scheibe beizuwohnen, und fragt er nach deren Namen, so ist es der Held Achilleus, der »anitzo krähet«, Patroklos, der ihm antwortet: auf der Opernbühne und im Zeichen der Kastraten. Widersinnig scheint die Transformation heroischer Akteure und Gebaren in den Altus oder Sopran. Widersinnig scheint jener Ziergesang, der um einzelne Worte und Wortgruppen sich dreht, sie unzählige Male repetiert, ihren Zusammenhang über den Haufen wirft, Worte durch­einander­ wirbelt nach Belieben, wie es scheint. Widersinnig scheint die Formen- bzw. Formelwelt von Rezita­ tiven und Arien, derzufolge Hand­lungen geblockt, unterbrochen werden, Akteure warten müssen, bis Ariennachspiele zu Ende gehen: Im ersten Finale der »Zauberflöte« versichern Pamina und Papageno sich unentwegt, daß sie »nur geschwinde, nur geschwinde, nur geschwinde« davoneilen müssen; da sie aber singen, statt »geschwinde, nur geschwinde« zu fliehen, werden sie von Monostatos gefaßt – höhnisch äfft er sie nach, bevor er den Häschern den Befehl zur Festnahme gibt. Es ist aber die dreiteilige Form ihres Duetts, die ihnen die Flucht, das heißt das notwendige­ Verstummen, den notwendigen Abbruch ihres zwar »geschwinden«, doch überaus terzenseligen Zwiegesangs verbietet – haben sie die ihnen auferlegte Form zu erfüllen, so kommt ihre verbale Versicherung zuschanden … Widersinnig scheint erst recht jenes »lieto fine«, darin Konflikte, wie es scheint, aufgelöst, zerstoben, beiseite geschoben­ sind im Traumland allversöhnender clemenza, Einheit stiftender Vernunft, der die Wirklichkeit auf Schritt und Tritt widerspricht, auch und gerade die Wirklichkeit des frühen achtzehnten Jahrhunderts. Daß in eben demselben Finale der »Zauberflöte« Papageno sein Glockenspiel erklingen läßt und die Häscher augenblicks in Tanzende, Singende verwandelt, gehorcht noch solcher Vision, die jedweden Prosaiker vor Neid erblassen läßt – wie ist es denn außerhalb der Oper mit der Allmacht des Glockenspiels, der Vom Unsinn in der Oper

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Musik bestellt; vermag sie Schergen in Tänzer umzuwandeln, nackte Heilige vom sausenden Rad der Zeit zu lösen, damit sie zu sich kämen? Mit solch glückhafter Erlösung freilich hat das eigentliche lieto fine wenig oder nichts zu tun, statt dessen bricht höchst prosaische, ja, beklemmende staatspolitische Wirklichkeit sich Bahn: Daß das hohe Paar, vom intriganten Gegenspieler entmachtet, in den Kerker gebracht, mit dem Tode bedroht, im letzten­ Augenblick durch eine Palastrevolte befreit und aufs neue, diesmal endgültig auf den Thron gesetzt wird, entspricht rationalem Kalkül: Längst hat der Gegenspieler als schlicht regierungsunfähig sich ausgewiesen; die Monarchie braucht, will sie nicht zuschanden gehen, den richtigen König, die richtige Königin, Rollenträger also, die ihren Obliegenheiten vollauf­ genügen; als Rolleninhaber werden denn auch die Eingekerkerten, Bedrohten just in dem Augenblicke abgerufen, da sie, des Rollenspiels entledigt, zu unbeugsamen, jedoch empfindsamen, liebenden Menschen sich entwickelt hatten. Inmitten der sozialen, politischen Rehabilitation bleibt ihre so mühsame wie hoffnungsvolle Menschwerdung auf der Strecke, und die Ahnung solch unwiederbringlichen Verlustes macht, daß sie zusammenbrechen – steinernen Gesichtes und von steinerner Marschmusik umtost, nehmen Ariodante und Ginevra in Händels »Ariodante« die ihnen zustehende Huldigung entgegen; daß sie in Ginevras Todeszelle als Menschen sich wiederfanden und voll Glück oder Verzweiflung im überströmenden Zwiegesang aneinander sich klammerten, liegt schon in weiter Ferne, ist aufgeklärter, königlich-bürgerlicher Staatsvernunft denn auch ganz abwesend. Zurück zu den eingangs aufgelisteten Merkwürdigkeiten und zu den in ihnen aufscheinenden Momenten der Utopie, glückhafter­ Auflösung, ja, Erlösung realiter unlösbarer Konflikte, realiter unerlösbarer Menschen, zurück denn auch zur schrillen Kritik aufklärerischer Rationalisten: Illusion dies alles, rufen sie; Unsinn, den es im Namen der Vernunft und der Wirklichkeit zu bekämpfen gilt, im frühen und mittleren achtzehnten Jahrhundert und danach! Worauf derlei Attacke hinausläuft, bedarf unverwandter, mithin­ eindringender Frage: Was hat es mit der Vernunft auf sich, was mit der Natur, was mit der Realität? Emphatisch werden 12

Vom Unsinn in der Oper

sie aufgerufen, unter der Hand entpuppt sich ihre Beschwörung als angestrengtester Versuch, Geschehnisse auf einen Strang, auf eine Linie zu bringen, Konflikte mit einem Handstreich­ zu beheben, auf daß ja kein Rest übrig bliebe. Unter der Hand wird offenbar, daß die Begebenheiten weder einsträngig verkoppelt sind noch sich dergestalt verkoppeln lassen­, ohne daß Entscheidendes verlorengeht. Und was dem lieto fine entgegengehalten wird – der pointiert logische Entwicklungsweg nach vorn, »durch Nacht zum Licht« –, ist weitaus illusionärer als das Bekämpfte, nur will es glauben machen, es sei wirklich so und solchermaßen des Glückes voll. Brüche hingegen im Aktionsgefüge der seria, das Gewaltsame des lieto fine haben das Komplikative ihrer Vision offengelegt, weil sie, inmitten der behaupteten Lösung und vor ihrer Schwelle, das eigentlich Unlösbare kenntlich machen. Gefährlich dies! Im Namen bürgerlicher Rationalität soll Einhalt geboten sein. Weggenommen werden soll denn auch das Künstliche, diesseits und jenseits der satz- bzw. wortaufsprengenden Koloratur, diesseits und jenseits kunstvoller Formen, deren Einhaltung sich die Opera seria angelegen sein läßt. Im Namen heraufbeschworener Natur! Die aber entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als idyllisierte, vorab domestizierte Natur. Als Natur vor dem Stadttor, ungefährlich, da jedermann bei Ungelegenheiten zurückfliehen kann ins Stadtinnere, als mauerumfriedeter Kleingarten, der Einkehr und Nahrung schaffen soll inmitten der Urbanität.1 Ist die Mauer mit Efeu umwunden, so macht sie vergessen, daß hinter ihr möglicherweise ein Gefängnishof sich befindet! Heraufbeschworen wird, alternativ zum verabscheuten Zier­­gesang, ein Liedton, der Simplizität mit Einfalt gleichsetzt, mitunter gar ein Volkston, der den kleinen Mann als bieder portraitiert­ und ihn damit niederhält: Daß das heraufbeschworene Volk sich als Opium für das Volk offenbart, hat zwei Jahrhunderte später Theodor W. Adorno 1948 grimmig konstatiert 2, und Brecht argwöhnte, daß das Volk so tümlich nicht sei! Heraufbeschworen wird, in Opposition zu all den Wort- und Wortgruppen-Repetitionen, Satz- und Wortaufsprengungen und Wortsilbenmontagen der aria di bravura, ein vorgegeben natürlicher Deklamationsfluß, das heißt korrektes Sprechen in TonVom Unsinn in der Oper

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höhen, Wort an Wort, im Zeichen geordneter, das heißt auf eine Linie gebrachter Handlung. Dem bekämpfenswerten Unsinn verfällt, was eben dieser Handlungslogik sich widersetzt, einer Handlungslogik , der das Mit-, Gegen- und Übereinander verschiedener Entwicklungen, mithin Kreuzwege verboten sind: Da-capo-Arien aber sind Kreuzwege, daher Momente notwendigen Innehaltens; sie zerspalten den Augenblick in Wege nach vorn und zurück, offerieren das Janusköpfige jeglicher Situation, bringen Kausalität zu Fall, insofern sie als lineare gilt, setzen Vernunft außer Kraft, solange sie einen Schritt vor den anderen setzt und dergleichen für das Ganze ausgibt. Und was für sie gilt, läßt nahezu ungebrochen auf die Szene und Arie sowie auf das sogenannt kontemplative Ensemble sich aus­ weiten: Kommt lineare Aktion darin zum Stillstand oder zu Fall, so auf der Schwelle von Kreuzwegen, in denen das Eigentliche sich zuträgt. Gegen all dies im Zeichen bürgerlicher Rationalität ins Feld zu ziehen, läßt freilich auf eine Linie sich ebensowenig bringen wie die von ihnen propagierte Natur des Menschen bzw. der Gesellschaft. Im Affront gegen Primadonnen und Kastraten verschränkt sich mindestens zweierlei: Zum einen die Erkenntnis, hier werden­ Menschen verstümmelt samt ihrer Stimme, werden gekappte Stimmen und Menschen feilgeboten auf dem Opernmarkte und im Zeichen aristokratisch-bürgerlicher Zerstreuung­, die jähe Ahnung, in der Oper habe längst die Warenproduktion Platz genommen ohne Rücksicht auf das Wohl und Wehe eben der Menschen, die sie betreiben; zum anderen ratloses Kopfschütteln über das Befremdliche der Stimmlage, Tongebung und Gesangsart, die böse Ahnung, es ginge auf der Opernbühne nicht mit rechten Dingen, genauer, nicht nach bürgerlich-rationalistischen Vorstellungen zu. Über das Befremdliche jedoch gilt es nachzudenken, um so mehr, als gerade die opera seria ebenso wie das spätere melodramma lirico in Italien als Organon nicht bloß der Zerstreuung, sondern politischer Verständigung figurierte anstelle des ins Halbdunkel zurückgetretenen Schauspiels. Wort- und Wortgruppen-Montagen, wenn dieser Begriff schon für die Wortkonfigurationen der Da-capo-Arie erlaubt ist, könnten Auskunft geben über die Monteure, bedenkliche, oft 14

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