museum heute - Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern

01.06.2015 - beruflicher, ethnischer und religiöser Hintergründe als auch für Menschen mit ...... einer Standortbestimmung dieser Wissenschaft beizutragen, ...
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museum heute Fakten, Tendenzen und Hilfen

47 Juni 2015

Inhalt Editorial 4 Astrid Pellengahr



Museumsporträts 7 Töpfermuseum Thurnau – altes Töpferhandwerk in neuen Räumen (Sandra Bali)

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»... alles andere als Durchschnitt« Das Waldmuseum Zwiesel (Elisabeth Vogl)

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Aufwertung eines Schatzkästchens – das neue AschheiMuseum (Anja Pütz/ Hans-Peter Volpert)

Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege Alter Hof 2 · 80331 München Telefon +49 89/21 0140-0 Telefax +49 89/21 0140-40

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Erleben, schmecken, staunen. Das HopfenBierGut Museum im Kornhaus Spalt (Sabrina Müller)

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Das Fugger und Welser Erlebnismuseum Herausforderungen und Lösungen

[email protected] www.museen-in-bayern.de Redaktion Dr. Wolfgang Stäbler Isabelle Rupprecht M. A. Bildredaktion Isabelle Rupprecht M. A.

(Stefanie von Welser)

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Gestaltung designgruppe koop, Rückholz/Allgäu Satz Sybille Greisinger M. A.

(Beatrix Piezonka)

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Das »Kalthaus« aus Nordheim vor der Rhön – ein neues Museumsgebäude für das Fränkische Freilandmuseum Fladungen (Sabine Fechter)

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»Künstliche Kälte« im Verbund Die Transferierung des Kalthauses aus Nordheim nach Fladungen

Druck Bugl-Druck, Essenbach Titelfoto Blick in den Flur des Erdgeschosses des Waldmuseums Zwiesel Foto: Peter Franck

Forschung im Museum Suche nach NS-Raubkunst Provenienzforschung in der Städtischen Sammlung Würzburg

(Georg Waldemer)

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Hinterglasmalerei: eine künstlerische Technik der Moderne Zwei Forschungsprojekte am Museum Penzberg/Sammlung Campendonk (Gisela Geiger/Simone Bretz)

München, Juni 2015 ISSN 0944-8497

Berichte/Aktuelles 50 Migrationsgeschichte – sammeln, sortieren und zeigen Umfangreiche Materialien für die Projektarbeit mit Schülern (Gesa Büchert)

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»MuseobilBox – ein Museum zum Selbermachen »Gebaute Berge« im Alpinmuseum in Kempten (Jana Schindler) »Schule im Nationalsozialismus« Neue Wege der Vermittlung für Jugendliche Eine Ausstellung des Schulmuseums Nürnberg (Mathias Rösch)

Vermittlung im Museum – Forschungsergebnisse Es wird Zeit für Vermittlung (Hannelore Kunz-Ott/Birgit Baumgart)

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»Tracht« im Trend Workshop »Historische Kleidung. Bewahren, forschen, vermitteln« (Sebastian Steininger)

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Der Zweite Weltkrieg im Museum Tagung in Jekaterinburg (Russland) (Wolfgang Stäbler)

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»Museums are sleeping giants« MuseumNext Geneva (Sybille Greisinger)

KUNST GEHT FREMD... und unter die Haut (Anna Valeska Strugalla) Inklusion für hörgeschädigte Museumsbesucher Die induktive Übertragung bietet neue Möglichkeiten (Peter Lottner)

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Rekordzahlen zum Jubiläum 15. MAI-Tagung. Museums and the Internet (Christine Schmid-Egger)

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Museum.Gesellschaft.Zukunft Der Internationale Museumstag 2015 (Wolfgang Stäbler)

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Bayerische Museumsakademie

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»Barrierefreiheit ist mehr als die Rampe am Eingang. Auf dem Weg zu einem inklusiven Museum« Frühjahrstagung der Bayerischen Museumsakademie (Helen Schleicher)

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Seit 11 Jahren ein Schaufenster der Museen – der Infopoint Museen & Schlösser in Bayern (Sabine Wieshuber)

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Gemeinsam sind wir stark Freilichtmuseum am Kiekeberg (Linda Herrmann)

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Meistens nicht mal Mindestlohn Zur Situation bayerischer Volontäre zwischen Arbeit, Ausbildung und Vergütung (Christoph Mayr/Stefanie Bock/ Roman Tischberger/Johanna Fendl)

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#MuseumSound – So klingt Museum! Die Social Media Aktion zum Internationalen Museumstag 2015 (Sybille Greisinger)

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Die Biografie der Objekte Jahrestagung des DMB (Wolfgang Stäbler)

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»Das Ei« von Henry Moore wandert für ein Jahr an das »Museum der Unschuld« in Istanbul (Otto Lohr)

101 Neue Bücher 104 Museumseröffnungen in Bayern 108 Personalia 112 Varia

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Editorial

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Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit Freude kann ich Ihnen unsere Zeitschrift im neuen Layout präsentieren. Da unser museum heute in den letzten Jahren von einem Heft zu einer meist über 80 Seiten starken Publikation angewachsen war, stellte uns das vor Herausforderungen bei der Gestaltung. Diesem Thema haben wir nun Rechnung getragen und unser Erscheinungsbild nicht nur bei der Zeitschrift komplett überarbeitet. Mit den Museumsporträts beginnt, wie gewohnt, unser Überblick über interessante Museumsprojekte. Dazu gehören schon lange existierende Museen, die eine Neukonzeption und Neugestaltung gestemmt haben, wie das Töpfermuseum in Thurnau, das Waldmuseum Zwiesel oder das AschheiMuseum ebenso wie neue Häuser, beispielsweise das HopfenBierGut in Spalt oder auch neue Erlebniswelten wie diejenige zu den Fuggern und Welsern in Augsburg, die sich innovativer Ausstellungstechniken bedienen. Beachtlich ist, dass sich auch im Bereich Forschung immer wieder Neues tut, konkret bei den Hinterglasbildern oder der historischen Kleidung, wie die Berichte aus Penzberg und Frensdorf zeigen. Auch die Spurensuche nach NS-Raubkunst, der die Kolleginnen vom Kulturspeicher Würzburg derzeit intensiv nachgehen, verdeutlicht, wie wichtig Forschung an der Sammlung ist. Bei den Berichten über aktuelle Projekte aus der Museumslandschaft zeigt sich erneut, dass die Kolleginnen und Kollegen mit viel Energie die Vermittlungsarbeit weiter professionalisieren. Methodisch fundierte Ansätze zur Bearbeitung von

Migrationsgeschichte mit Jugendlichen und ein weiteres bayerisches Museum, das über sein Konzept für die MuseobilBox, dem bundesweiten Förderprogramm der Initiative »Kultur macht stark«, berichtet, sind hierfür Beispiele. Dass Vermittlung im Museum zentral ist, belegen sicherlich auch die Ausführungen über neuere Forschungsergebnisse in diesem Heft. Umso willkommener ist die rege Beteiligung der Museen bei dem dieses Jahr erstmals ausgelobten Förderpreis »Vermittlung im Museum«. Ein schöner Erfolg war die diesjährige Social Media Initiative #MuseumSound – So klingt Museum! beim Internationalen Museumstag Mitte Mai. Hören Sie unter bit.ly/MuseumSound-Map doch einfach mal rein, was Museen und ihre Besucherinnen und Besucher alles an Hörerlebnissen gesammelt haben. Wir sind mittlerweile von zahlreichen Museen auf die geplante Verlagerung der Landesstelle in den Landkreis WeißenburgGunzenhausen angesprochen worden. Zum momentanen Zeitpunkt sind uns die Details noch nicht bekannt. Seien Sie aber versichert, dass die Qualität unserer Beratung darunter nicht leiden soll. Zur Situation der Volontärinnen und Volontäre in Bayern äußert sich der Museumsnachwuchs selbst. Die Landesstelle unterstützt ausdrücklich die Anliegen des »Arbeitskreises der wissenschaftlichen Volontärinnen und Volontäre in Bayern« um eine angemessene Bezahlung während dieser museumsfachlichen Ausbildung. Ich freue mich, wenn Sie unser neues Erscheinungsbild von museum heute gelungen finden und verbleibe mit den besten Grüßen

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Schwarze Küche im Töpfermuseum Thurnau Foto: Hermann Ebert

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Museumsporträts

Töpfermuseum Thurnau – altes Töpferhandwerk in neuen Räumen Wiedereröffnung mit überarbeiteter Dauerausstellung, Einrichtung eines museumspädagogischen Bereichs und einer Tonwerkstatt Das Töpfermuseum Thurnau ist eines der herausragenden Spezialmuseen in Oberfranken und besitzt an einem jahrhundertealten Töpferstandort mit nach wie vor sechs aktiven Töpfereien ganz besondere Existenzberechtigung. Im Frühjahr 2014 wurde es nach einer umfassenden Neuaufstellung wiedereröffnet. Aus museumsfachlicher Sicht war das Töpfermuseum Thurnau bereits 1994 vorbildlich umgesetzt, trotzdem hatte es im Laufe der Jahre – wie fast alle kulturhistorischen Spezialmuseen in Deutschland – mit rückläufigen Besucherzahlen zu kämpfen. Ausgehend von gemeinsam mit der Museumsberatung des Bezirks Oberfranken erfolgten Überlegungen zur besseren Vermittlung zeigte sich schnell, dass neben museumspädagogischen Maßnahmen und Öffentlichkeitsarbeit auch eine auf den geleisteten Arbeiten aufbauende und sie nicht negierende Überarbeitung und Aktualisierung der Dauerausstellung mit noch stringenterer Themenwahl sinnvoll wäre. Eine behutsame Ausdünnung der Bestände zugunsten von weniger, aber umso aussagekräftigeren Exponaten machte darüber hinaus den Bedarf an Depotfläche klar, welche im entsprechend ertüchtigten Dachgeschoss des Hauses untergebracht werden konnte. Insgesamt wurde durch die Neuplanung deutlich mehr Platz geschaffen, die Sonderausstellungsfläche erweitert sowie zwei museumspädagogische Veranstaltungsräume im 1. OG und im bisher ungenutzten Keller eingerichtet. Einen besonders wichtigen Schritt zur energetisch möglichst sparsamen und effektiven Klimastabilisierung bedeutete der umfassende Einbau einer SockelWand-Temperierung. Diese wird letztlich auch bestens zum Erhalt des vom Keller her überdurchschnittlich durch aufsteigende Feuchte gefährdeten Denkmals aus dem 16. Jahrhundert beitragen. Thurnau ist ein herausragendes Beispiel für effizienten Mitteleinsatz, beste Zusammenarbeit von Politik, Kulturschaffenden, Bauamt, Architekt und Gestalter, Fördermittelstellen und Bayerischem Landesamt für Denkmalpflege. Nicht zuletzt zeigt sich hier, dass durch eine entsprechende Kommunikation und Organisation auch die identitätsstiftende Einbindung der Bevölkerung vor Ort möglich und äußerst befruchtend für solch ein Projekt ist. Isabel Reindl

Gründung und Sammlungsschwerpunkt des Töpfermuseums Thurnau 1982 wurde das Töpfermuseum Thurnau als gemeindeeigenes Museum in der ehemaligen Lateinschule des Ortes, einem prächtigen, dem Schloss benachbart gelegenen Renaissancebau, eröffnet. Die Initiative zur Museumsgründung geht auf das Ehepaar Günther und Luise Stüdemann zurück. Günther Stüdemann, selber Keramiker und Kunstmaler, sammelte seit seiner Niederlassung 1939 in dem oberfränkischen Markt ambitioniert Erzeugnisse der ab dem späten 16. Jahrhundert nachweisbaren Thurnauer Töpfer. Seine Sammlung bildet den Grundstock des Museums, dessen Fertigstellung in mehreren Bauabschnitten erfolgte. Heute umfasst die Sammlung etwa 4.000 Objekte, die auf rund 500 m² ausgestellt werden und die Geschichte des Thurnauer Töpferhandwerks facettenreich dokumentieren. Auf einem Rundgang durch das Museum betritt der Besucher zunächst eine aus der Erbauungszeit des Gebäudes stammende »Schwarze Küche«, die mit dem Haupterzeugnis der Töpfer – irdenes Koch-, Back- und Bratgeschirr – ausgestattet ist. In den folgenden Räumen der ersten Ebene erfährt er, wie Töpferwaren produziert und dekoriert wurden, wie der Thurnauer Ton abgebaut, aufbereitet und gebrannt wurde; er erhält grundlegende Informationen zum Rohstoff Ton und zu den verschiedenen Arten von Keramik. Die zweite Ebene ist den ehemaligen Thurnauer Töpfereien gewidmet, deren Kontinuität mit bis zu acht

Sandra Bali

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gleichzeitig produzierenden Werkstätten stets gewahrt blieb. Gebrauchsgeschirr, Ofenkacheln und Spielzeug kennzeichnen ihr Schaffen. Mit dem Zuzug Stüdemanns erweitert sich das Repertoire um experimentell gestaltete Einzelstücke und kunsthandwerkliche Arbeiten. Die dritte Ebene ist den Erzeugnissen der gegenwärtig produzierenden Töpfereien in Thurnau (sechs Werkstätten) und Umgebung (vier Werkstätten) vorbehalten. Besucherrückgang: Zukunft für das Museum? Die Besucherzahlen des Töpfermuseums Thurnau haben sich seit der Eröffnung 1994 von anfänglich rund 10.000 Besuchern auf etwa die Hälfte reduziert. Insbesondere die Nachfrage nach Gruppenführungen, sowohl für Schüler als auch für Erwachsene, nahm stetig ab – ein Trend, der sich nicht auf das Museum allein beschränkte, sondern die touristische Entwicklung des Marktes Thurnau im Allgemeinen betraf. Auf Grund gleichzeitig steigender Betriebskosten, insbesondere für die energetische Versorgung des Museums, die sich auch durch Einsparungen im Bereich Personal, Sonderausstellungen und Öffentlichkeitsarbeit nicht kompensieren ließen, wurde wiederholt die Schließung des von der Kommune finanzierten Museums diskutiert. Da die Geschichte der Töpferei jedoch untrennbar mit Thurnau verbunden ist und das Museum überdies identitätsstiftende Wirkung für den Ort erlangt hat, fasste die Kommune 2010 auf Veranlassung der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern und der KulturServiceStelle des Bezirks Oberfranken für Museen den Entschluss, ein Konzept für eine Überarbeitung der Ausstellung entwickeln zu lassen, welches eine Belebung des Museums – und damit auch des Ortes – zum Ziel haben sollte. Entwicklung eines Konzepts zur Belebung und Aktualisierung des Museums Das im Januar 2011 fertiggestellte Konzept umfasst eine Sammlung von Maßnahmen, die in Zusammenarbeit mit dem Museumspersonal, der Gemeinde und zahlreichen kulturell interessierten Einwohnern Thurnaus entworfen wurden. Der aktiven Einbeziehung der Thurnauer Bevölkerung und der Verantwortlichen vor Ort wurde von Beginn an oberste Priorität eingeräumt, um das vorhandene Erfahrungs- und Ideenpotential zu nutzen und die Pläne auf Nachhaltigkeit hin auszurichten. Vor allem aber musste sichergestellt sein, dass die Thurnauer das Museum weiterhin als »ihr« Museum begreifen würden. Inhaltlich umfasste das Konzept die Überarbeitung und Aktualisierung der Dauerausstellung, die Einrichtung eines museumspädagogischen Bereiches, die Bereitstellung von Sonderausstellungsräumen, den Bau eines Depots, die Entwicklung eines museumspädagogischen Programms sowie eine neustrukturierte Werbe- und Öffentlichkeitsarbeit. Parallel dazu wurde ein Tourismuskonzept entwickelt, um Thurnau als Töpfer- und Kunsthandwerkerort der breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Es folgte eine detaillierte Ausarbeitung dieser ersten Überlegungen, ergänzt durch einen Maßnahmenkatalog für die energetische Sanierung des Museums und für den Bau eines Holzbrennofens für museumspädagogische Zwecke, die als »Projektbeschreibung« Anfang 2012 bei der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern eingereicht wurde. Parallel dazu wurden mehrere Sonderausstellungen gezeigt, eine Kooperation mit dem Geopark Bayern-Böhmen geschaffen, welcher regelmäßig geführte Wanderungen zu den ehemaligen Thurnauer Tonstollen anbietet, die Thurnauer Kunst- und Kulturwochen »Schwantastisch« als ortsübergreifende sommerliche Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen und weitere touristische und infrastrukturelle Maßnahmen wie die Einrichtung eines Wohnmobilstellplatzes, eines Rad-Rundweges und eines vielseitigen Gästeführungsangebotes ausgeführt hat. Auf Grundlage der Projektbeschreibung und einer detaillierten Kostenschätzung – die Kosten wurden auf insgesamt 435.157 EUR veranschlagt – wurden Förderanträge gestellt. Der Gemeinderat bewilligte einen Eigenanteil von 65.000 EUR, so dass eine Förderquote von rund 85% erreicht werden musste.

Wissenschaftliches Konzept: Sandra Bali, Mistelbach Architektur: Hans-Friedrich Hacker, Planungsbüro Hacker, Thurnau Gestaltung: Andreas Pietsch, Form 4, Fürth Grafik: Armin Stingl, Irma Stolz, Visuelle Kommunikation, Fürth Medientechnik: Oliver Sopart, Sopart Multimedia, Kronach Ausstellungsfläche: ca. 500 m² Kosten: 430.000 EUR Finanzierung: Markt Thurnau, Landkreis Kulmbach, Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, Oberfrankenstiftung, Bayerische Landesstiftung, Leader in ELER, Private Förderungen und Spenden

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Museumsporträts

oben: Außenansicht Foto: Hermann Ebert Das neugestaltete Depot im Spitzboden Foto: Günter Karittke Die Tonwerkstatt im Gewölbekeller Foto: Sandra Bali

Zeitgleich mit den Förderanträgen wurde der dritte Teil des Konzepts, das »Feinkonzept« bis September 2012 erarbeitet, welches die genauen Text- und Bildinhalte sowie die Auswahl und Positionierung der Exponate als Grundlage für Innenarchitekt, Grafiker und Medientechniker zum Inhalt hatte. Maßnahmen Im März 2013, nach Bewilligung der Förderanträge, konnte die Umsetzung der geplanten Maßnahmen mit der Beauftragung einer Projektkoordinatorin (Sandra Bali M. A., Mistelbach), eines Architekten (Planungsbüro H. F. Hacker, Thurnau) und eines Ausstellungsarchitekten (Bauplanungsbüro Form 4, Fürth) beginnen. Die Umbauarbeiten wurden für die Wintermonate, während denen das Museum geschlossen blieb, angesetzt. Lediglich mit dem Ausbau des Dachbodens zum Depot und des Gewölbekellers zur Tonwerkstatt konnte bereits im Sommer, während des laufenden Museumsbetriebs, begonnen werden, da beide Bereiche von der Dauerausstellung und somit vom Besucherverkehr unabhängig zugänglich sind. Depot: Die Einrichtung eines Depots war Voraussetzung für alle weiteren Arbeiten. Ankäufe und Schenkungen wurden bisher in den Vitrinen ausgestellt oder, aus Mangel an Alternativen, in wenigen und nur schlecht zugänglichen Wandschränken verstaut. Vorgesehen war das Depot, nach vorheriger statischer Untersuchung, im Dachboden des Museums, einem etwa 90 m² umfassenden, von Fachwerkwänden in vier kleinere Räume unterteilten Bereich. Eine Erhöhung der Traglast wurde durch das Einziehen von Unterzügen erreicht. Um das Depot zu dämmen und gleichzeitig so geringe Eingriffe wie möglich an dem denkmalgeschützten Dachstuhl vorzunehmen, wurden Holzständerwände eingezogen, die durch Schlupftüren Zugang zu Abseiten und damit zur unangetasteten Dachhaut belassen. Die Räume wurden temperiert und auf Grund ihrer unregelmäßigen Struktur mit maßgefertigten hölzernen Fachbodenregalen ausgestattet. Tonwerkstatt: Ein aus Sandsteinquadern gefügter Gewölbekeller unter dem Töpfermuseum sollte bereits 2010 einer Nutzung als Veranstaltungsraum zugeführt werden. Der

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Förderverein zur Erhaltung des Töpfermuseums Thurnau stellte die finanziellen Mittel für den Einbau einer Kupferrohr-Heizschleife zur Verfügung, welche jedoch aus mehreren Gründen nicht den gewünschten Erfolg einer Entfeuchtung der Räumlichkeiten brachte. Nach eingehenden Voruntersuchungen des Architekturbüros Hacker wurde der Einbau eines kombinierten Heiz-Lüftungs-Systems und einer in einen Pumpensumpf mündenden Drainage beschlossen. Schon nach kurzer Zeit wurde eine deutliche Verminderung der Luftfeuchtigkeit erzielt, so dass dem weiteren Ausbau nichts entgegen stand. Ein neuer Sandsteinfußboden, Elektro- und Sanitärinstallationen, eine neue Eingangstür mit Glasfüllungen sowie Decken, Wand- und Bodenleuchten wurden in Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege eingebaut. Im vorderen Kellerbereich wurde der Brennofen, die elektrische Töpferscheibe, Waschbecken, Regale und ein Arbeitstisch untergebracht. Der hintere tonnengewölbte Abschnitt ist für Seminare und Veranstaltungen vorgesehen und kann zudem bei Bedarf als weiterer Arbeitsbereich genutzt werden. Ausstellung: Erst im Oktober 2013, mit Schließung des Museums für den Besuchsverkehr, konnten die Arbeiten in den Ausstellungsräumen beginnen. Angestrebt wurde eine bessere Besucherführung und eine übersichtlichere und informativere Präsentation der Exponate, die mit einer Aktualisierung der Ausstellung einhergehen sollte. Der Ausstellungsrundgang führt nun schlüssig über drei Ebenen. Grundlegende Informationen zum Material Ton, den Eigenschaften von Keramik, zu Tonabbau, Tonaufbereitung und Tonverarbeitung werden in der ersten Ebene anhand anschaulicher Exponate und darauf abgestimmter Hands-on-, Video- und Hörstationen geliefert. In der zweiten Ebene werden die ehemaligen Thurnauer Töpfereien mit ihren jeweiligen Schwerpunkten vor- und ausgestellt. Den faktischen wie optischen Mittelpunkt bildet Günther Stüdemann, der als Museumsinitiator und überregional bedeutender Kunstmaler und Keramiker einen großen Stellenwert für Thurnau einnimmt. Der Rundgang endet in der obersten, dritten Ebene mit den Erzeugnissen und der Vorstellung der heute noch am Ort befindlichen sechs Töpfereien. Auch in diesen beiden Ebenen wurden zahlreiche interaktive Medien- und Hands-on-Stationen zur anschaulichen, alle Sinne ansprechenden Wissensvermittlung eingesetzt. Insgesamt war man bei der Ausstellungskonzeption bemüht, heutige Lese- und Sehgewohnheiten zu berücksichtigen. Neben einer übersichtlichen und entzerrten Anordnung der Exponate wurde großer Wert auf eine gute Ausleuchtung sowie auf gut lesbare, klar formulierte und kurz gehaltene Thementexte gelegt. Im Anschluss an den Rundgang durch die Dauerausstellung betritt der Besucher nun den Sonderausstellungsbereich, bestehend aus zwei hellen, etwa 80 m² umfassenden Räumen. Eine separate Depotfläche für ein flexibel kombinierbares Stellwandsystem wurde integriert. Mehrmals jährlich wechselnde Sonderausstellungen zu ausgewählten Themenkomplexen ergänzen die Dauerausstellung anschaulich. Temperierung/Energiekonzept: Mit dem Umbau des Museums einher ging die Temperierung des Gebäudes. Die verschiedenen Bauabschnitte und Umbauphasen des Museums führten zu einem uneinheitlichen, zum Teil veralteten, kosten- und wartungsintensiven Heizsystem auf der Basis von Nachtstrom und Flüssiggas. 2007/08 wurde mit der Modernisierung des Heizsystems begonnen: Eine Niedrigtemperatur-Wandsockelheizung wurde unter der Anleitung von Henning Großeschmidt in der ersten und dritten Ebene des Museums eingebaut. Das System wurde nun auch in den übrigen Gebäudeteilen (Ebene 2, Spitzboden und Keller) ergänzt. Gleichzeitig erhielt das Museum einen Anschluss ans Ferngassystem, so dass ein ehemals den Gastank beherbergendes Nebengebäude nun für Lagerzwecke genutzt werden kann. Die Wärmezufuhr für die einzelnen Ebenen sowie die Sonderausstellungsfläche, den Kassenraum und den museumspädagogischen Bereich sind

Sequenz Tonabbau mit »Hebestation« Foto: Günter Karittke

Töpfermuseum Thurnau Markt Thurnau Oberer Markt 28 95349 Thurnau Tel: 09228/951-0 www.toepfermuseumthurnau.de [email protected] Öffnungszeiten: Sommer (1. April–30. September): Dienstag–Freitag: 14–17 Uhr, Samstag, Sonntag u. Feiertage: 11–17 Uhr Winter (1. Oktober–6. Januar/1. März– 31. März): Samstag: 13–16 Uhr, Sonntag u. Feiertage: 11–16 Uhr

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Museumsporträts

oben: Produkte heutiger Thurnauer Töpfereien in der Dauerausstellung Foto: Günter Karittke Seminar Holzofenbau, I = Bau des Ofens , II = Brand Fotos: Heike Schwandt

einzeln regelbar. In historischen Kachelöfen verbaute Nachtspeicheröfen können auch nach dem Umbau noch bei Bedarf, an besonders kalten Tagen, zugeschaltet werden. Neben einer deutlichen Energieeinsparung wurden ein konstanteres Raumklima und eine geringere Staubentwicklung erzielt. Museumspädagogik: Neben der Einrichtung der Tonwerkstatt im Gewölbekeller wurde ein museumspädagogischer Bereich, bestehend aus einem Arbeitsraum und einem angrenzenden Archiv und einem Küchenbereich innerhalb des Museums eingerichtet. In einem gesonderten Flügel des Museums liegend, kann die Museumspädagogik störungsfrei und den Dauerausstellungsbetrieb nicht beeinträchtigend durchgeführt werden. Gemeinsam mit dem Tonkeller wird dieser Bereich, je nach Programm, Gruppenstärke und Altersstruktur für ein vielfältiges museumspädagogisches Programm genutzt, welches auch Seminare und Vorträge umschließt. Wichtiger Bestandteil der Museumspädagogik bildet ein etwa zwei Kubikmeter einnehmender Holzbrennofen, der im Rahmen eines einwöchigen Seminars am Ortsrand von Thurnau errichtet wurde. Dem Prinzip der »Bourry-Box-Feuerung« folgend wurde der Ofen unter der Leitung von zwei Töpfermeistern und in enger Abstimmung mit der Keramikfachschule Landshut errichtet und dient nun für Spezialseminare und experimentelle Holzbrände.1 Zur Abdeckung und zur steten Weiterentwicklung des museumspädagogischen Angebotes wurde eine freiberuflich arbeitende Keramikmeisterin gewonnen, die der Museumsleitung sowie den beiden Mitarbeitern des Museums zur Seite steht. Museumsführungen werden zudem von den freiberuflichen Ortsführern Thurnaus durchgeführt, so dass die personelle Struktur an die neuen Anforderungen hinreichend angeglichen werden konnte.

Schwandt, Heike/Knapp, Wolfgang/Trommler, Gerhard: Der rote Fuchs über Thurnau, in: Neue Keramik, (3) 2015, S. 58–61 1

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»... alles andere als Durchschnitt« Das Waldmuseum Zwiesel Mit der Wiedereröffnung am neuen Standort wurde am 27. Juni 2014 ein neues Kapitel in der langen Geschichte des Waldmuseums Zwiesel begonnen. Die Räumlichkeiten in der ehemaligen Mädchenrealschule sind nicht nur wesentlich größer und weiträumiger als die Flächen im alten Feuerwehrrequisitenhaus, die neue Ausstellung besticht durch ihre konsequent moderne, auf Offenheit, Helligkeit und Transparenz setzende Gestaltung. Sie bildet den gelungenen Rahmen für ein inhaltliches Konzept, das die Besucher zur eigenständigen Entdeckung der vielfältigen Bezüge zwischen Natur- und Kulturgeschichte einlädt. Geblieben ist der alte Anspruch des Hauses, das Museum zum bayerisch-böhmischen Wald schlechthin zu sein – dies auch in einer regionalen Museumslandschaft, die sich in den letzten Jahren außerordentlich dynamisch entwickelt hat. Stefan Kley

Direkt in unmittelbarer Nähe des ältesten Nationalparks Deutschlands, dem Nationalpark Bayerischer Wald, liegt am Zusammenfluss des Großen und Kleinen Regens die Stadt Zwiesel, mit ihrer jahrhundertealten Tradition der Glasherstellung. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gab es viele Museumsgründungen in Bayern – damals konnte auch die Stadt Zwiesel nach langjährigen Planungen zu Beginn des Jahres 1905 ihr »Städtisches Museum« an einem durchaus ungewöhnlichen Ort eröffnen, dem Obergeschoss des Leichenhauses. Maßgeblich vorangetrieben hatte das Projekt der erste Leiter der Glasfachschule, Hans Sebastian Schmid. Vom städtischen Museum zum ersten Waldmuseum Deutschlands Die heimat- und glasgeschichtliche Sammlung wuchs stetig an und 1922 riet Prof. Dr. Wolfgang Maria Schmid, Hauptkonservator des Landesamtes für Denkmalpflege in München, zu einer systematischen Neuordnung und Neuaufstellung des Museums. Sammelschwerpunkte sollten die Bereiche Glas, Keramik und Holzbearbeitung bilden. Im Jahr 1924 zog das Museum in das Obergeschoss des ehemaligen Feuerwehrrequisitenhauses hinter dem Rathaus. An dieser Stelle verblieb der Standort des Museums für insgesamt 88 Jahre. Der grundlegende Wandel vom Stadtmuseum zum ersten Waldmuseum Deutschlands vollzog sich in den 1960er Jahren. Oberforstrat Konrad Klotz schuf zusammen mit Regierungsrat Dr. Georg Priehäußer eine »möglichst lebendige Darstellung all dessen, was zu Wald und Holz gehört«. Klotz schrieb 1965: »Da ich wuchtige Gegenstände in das Haus eingebracht habe, fühlen sich natürlich die Herren vom Heimat- und Glasmuseum, das ja im Mittelstockwerk untergebracht wird, leider an die Wand gedrückt.« Dieser damals beschrittene unkonventionelle Weg prägt mit seinen beeindruckenden Schaustücken bis heute die Sammlung. Im Obergeschoss des Museumsgebäudes hinter dem Rathaus wurden die Abteilungen Heimat und Glas neu präsentiert, auch hier wuchs die Sammlung stetig. Am 14. Mai 1966 konnte das »Waldmuseum« in Zwiesel schließlich eröffnet werden. Zur Neukonzeption der Bestände Als feststand, dass der Umzug des Waldmuseums von seinem alten Standort im ehemaligen Feuerwehrgerätehaus am Rathaus aus baulichen Zwängen unumgänglich geworden war, beschloss der Stadtrat von Zwiesel 2007 eine wissenschaftliche Neukonzeption für die Präsentation der umfangreichen Sammlung zu beauftragen. Übertragen wurde diese Aufgabe an die Kunsthistorikerin und Archäologin Elisabeth Vogl, die entsprechendes Fachwissen und langjährige Museumserfahrung mitbrachte, und den Zwieseler Historiker Sven Bauer, der profunde Kenntnisse zur Ortsgeschichte besaß.

Elisabeth Vogl

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Museumsporträts

Ein Urwalddiorama vermittelt, wie sich einst eine undurchdringliche Wildnis mit mächtigen Baumriesen den Menschen offenbarte. Damals lebten dort Bären und Wölfe. Foto: Peter Franck

Zwei Aspekte waren für die Neukonzeption von Anfang an grundlegend: Zum einen sollte das gesamte bayerisch-böhmische Grenzgebirge, so wie dieser Naturraum in der Erdurzeit als Gesamtheit entstanden war, in möglichst vielen seiner Facetten dargestellt werden. Nicht vom Menschen in jüngerer Vergangenheit gezogene Grenzen sollten die kulturellen Aspekte einschränken, sondern übergreifend der Blick auf das gesamte Gebiet ausgeweitet werden. Das »Waldmuseum« war und ist das Museum über den »Woid« – ein für die Konzeption zentraler Aspekt. Gleichzeitig bot die Art der umfangreichen Sammlung auch die Chance, fachliche Themen – als Beispiele seien hier Waldgesellschaften, Geologie sowie Glasherstellung genannt –, interdisziplinär mit der Kultur dieses Lebensraums zu verknüpfen: Wie hat der Mensch im bayerisch-böhmischen Waldgebirge gelebt, an was hat er geglaubt, vor was hat er sich gefürchtet? Wie haben Mensch und Natur über Jahrhunderte aufeinander eingewirkt und wie ist diese einzigartige Natur- und Kulturlandschaft geformt worden? Die Schwerpunkte der ursprünglichen Gliederung Wald, Heimat und Glas blieben erhalten. In opulenter Form zeigen sich nun besonders die Glasschätze des Waldmuseums Zwiesel. Auch der Glasfachschule Zwiesel wird der ihr gebührende Raum gewährt. Sie ist inzwischen zu einem international anerkannten Kompetenzzentrum mit Aus- und Weiterbildungsangeboten für Glas und Optik in den Handwerks- und Industrieberufen sowie den Schwerpunkten Glastechnik und Produktdesign geworden. Zudem wird im Museum eine der

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wertvollsten und umfangreichsten Sammlungen an Schnupftabakgläsern des Bayerischen Waldes präsentiert. Auch wenn eine gewisse Reduktion an Exponaten zugunsten eingängiger Sinneinheiten stattgefunden hat, lebt das Waldmuseum nach wie vor von der Fülle seines einmaligen Sammlungsbestandes. »Zeitgemäßer Ort anschaulicher Wissensvermittlung«1 Viele der genannten Aspekte werden dem Besucher in insgesamt 27 Medienstationen als modernes, zeitgemäßes Zusatzangebot vertieft angeboten. Er kann hören, sehen und fühlen was sich hinter den sachlichen Themen verbirgt. So wird etwa bei der Vorstellung des bedeutendsten Naturdenkmals des Bayerischen Waldes, dem Pfahl, auch das Märchen vom »Pfahldrachen« erzählt. In der Abteilung »Wohnen im bayerisch-böhmischen Waldgebirge« macht der Besucher Bekanntschaft mit der »Drud« und anderen Waldgeistern. Bei einem der ganz besonderen Schaustücke der Sammlung des Waldmuseums, dem Glasmacherdorf, das der Rabensteiner Holzschnitzer Josef Schmid ab 1967 im Auftrag der Stadt Zwiesel gefertigt hatte, lernt der Besucher den »Durandl«, den Glashüttengeist und den »Waldpropheten« Stormberger kennen. Ausschnitte aus historischen Filmen zeigen die einstige Mühsal des Holzarbeiterlebens und veranschaulichen den Gebrauch alter Handwerksgeräte.

1 Aus der Rede des Staatssekretärs im Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, Bernd Sibler, bei der Wiedereröffnung des Waldmuseums am 27. Juni 2014 in Zwiesel.

Aus dem Grußwort der Leiterin der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, Dr. Astrid Pellengahr, bei der Eröffnung des Waldmuseums in Zwiesel am 27. Juni 2014.

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Die Ausstellungsarchitektur ist »...modern, aber stets unaufdringlich und zurückhaltend« Dem Gestalter-Team von Tido Brussig ist es mit Bravur gelungen, die Vielfalt der Exponate im wahrsten Sinne ins rechte Licht zu setzen. Für jedes Thema und jeden Raum wurde ein passendes Ambiente geschaffen, das die Exponate in den Vordergrund zu rücken vermag. Zudem ist es aufgrund der unaufdringlichen Eleganz der Einbauten geglückt, jedem Ausstellungsstück den Stempel des Einzigartigen aufzudrücken und insgesamt eine entsprechend hohe Wertigkeit zu generieren. Dr. Astrid Pellengahr, die Leiterin der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, formulierte dies bei der Eröffnung am 27. Juni 2014 so: »Da es bekanntlich die Objekte sind, die das Wesen der musealen Präsentation bilden, ist [deren gelungene Hervorhebung] das höchste Qualitätsmerkmal, das man einer Ausstellungsgestaltung zusprechen kann... Das Waldmuseum ist alles andere als Durchschnitt.« 2

Blick in den Flur des Erdgeschosses des Waldmuseums Zwiesel. Spektakulär öffnet die Lattenkonstruktion den ehemaligen schmalen Schulhausflur und vermittelt zwischen den großen Computerstationen und den einzelnen Räumen. Foto: Peter Franck Raum im Raum: In fünf einzelnen stilisierten Häuschen werden die verschiedenen Handwerksberufe zur Glasherstellung inszeniert. Foto: Jim MacAnderson

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Museumsporträts

Fassade des Waldmuseums Zwiesel, der ehemaligen Mädchenschule der Englischen Fräulein, erbaut 1889 durch den Architekten Johann Baptist Schott Foto: Peter Franck

Träger: Stadt Zwiesel Wissenschaftliches Konzept und Gesamtleitung: Elisabeth Vogl M. A. unter Mitarbeit von Sven Bauer M. A. Gestaltung: Tido Brussig Szenerien, München Medienstationen: Elisabeth Vogl M. A. Medientechnik: P.medien GmbH, München

Schon der erste Eindruck beim Begehen des ehemaligen Schulhausganges überwältigt. Hier wurde die aus den 1960er Jahren stammende Idee des Stammfächers mit über 70 einzelnen Brettern ins 21. Jahrhundert transportiert und ein symbolischer Urwaldbaum in kleine Latten zerlegt und der Länge nach ins Museum gebracht. Ein Novum stellt auch das Einbeziehen der Außenwelt in das Museum dar. Luftig frei wirken die Ausblicke nach draußen, wo es die Exponate auch konservatorisch unbedenklich zulassen. Offene, nicht zugebaute Fenster spielen hier mit dem Tageslicht und geben dem Besucher das Gefühl, jederzeit zu wissen, an welcher Stelle er sich im Gebäude gerade befindet. Dabei wird die Autonomie des Gastes betont. Ihm ist freigestellt, welche Wege er zum Entdecken der Vielfalt der unterschiedlichsten Themen des Waldmuseums wählt. So kann er sich dazu entscheiden, in für ihn interessanten Bereichen zu verweilen, ohne an ein strenges Leitsystem gebunden zu sein. Gleichzeitig öffnen sich dem Besucher dabei überraschende Blickachsen, etwa auf die Stadtpfarrkirche St. Nikolaus. Keine Probleme, nur Lösungen Schon 2005 wurden die Weichen für die Neukonzeption der Bestände des Waldmuseums gestellt. Denn bereits bei den Vorbereitungen zur Landesausstellung »Bayern – Böhmen« (2007) stand fest, dass nach deren Beendigung das Waldmuseum in dem neu sanierten Gebäude Einzug halten sollte. Schon damals wurden die musealen Anforderungen an das Gebäude berücksichtigt, wie das Raumklima, die Sicherung der Objekte und den barrierefreien Zugang für die Besucher sowie die Planung der Nutzräume, die für den Betrieb eines großen Museums notwendig sind. Trotzdem galt es, viele Hürden zu überqueren, gerade in finanzieller Hinsicht – sie sorgten immer wieder für Pausen in der Projektdurchführung. Dank der Unterstützung durch starke fördernde Partner wie dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung, den Kulturfonds Bayern, die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, die Bayerische Landesstiftung und den Bezirk Niederbayern konnten diese Hindernisse schließlich dennoch überwunden werden. Ab Ende Oktober 2012 lagen die Geschicke des Waldmuseums erstmals in wissenschaftlicher Hand, als Frauke Oelbauer die Museumsleitung für ein gutes Jahr übernahm.

Objektmontage – Vitrinen: Alfons Empl, Landshut, Lars Mandler, Präparationsatelier + Ausstellungsgestaltung, Kirchheim Ausstellungsflächen: 1.200 m² Dauerausstellung bei einer Gesamtfläche von 2.200 m², 142 m² bis 400 m² Sonderausstellungs- und Multifunktionsflächen Depot: 127 m² auf zwei Ebenen Kosten: Neue Dauerausstellung (wiss. Konzept, Restaurierung/Objektmontage, Grafik, Einbauten, Honorare): 1.050.000 EUR Depot, Werkstatt, Museumspädagogik, Foyer, Büros: 111.646 EUR Multifunktionaler Bereich Dachgeschoss: 520.000 EUR Gefördert durch: Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung, Bayerische Landesstiftung, Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, Kulturfonds Bayern, Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, Kulturstiftung des Bezirks Niederbayern

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Es war eine lange Reise mit Unterbrechungen, die zum Schluss einen rasanten Verlauf nahm. Erst ab Dezember 2013 wurde unter der Leitung von Elisabeth Vogl der Umzug des gesamten Museumsinventars mit über 10.000 Exponaten durchgeführt, das Depot im Dachgeschoss eingeräumt und die für die Dauerausstellung benötigten Ausstellungsgegenstände separiert. Gerade die Großexponate machten logistisches Denken nötig. Gleichzeitig begann beim Entwerfen und Erstellen der Innenarchitektur ein Wettlauf mit der Zeit. Am 27. Dezember 2013 war hierzu Submission. Eilvergaben durch den Stadtrat erfolgten, Restauratoren und Umzugsfirma arbeiteten vorbildlich Hand in Hand, zum Beispiel beim Abund Wiederaufbau der drittältesten Apotheke des Bayerischen Waldes. Nach Abstimmung mit den Fördergebern wurde dann der 27. Juni 2014 als Eröffnungstermin festgelegt – und das unmöglich Scheinende wurde in einem wahrhaft »beherzten Endspurt« tatsächlich möglich gemacht. Seit der feierlichen Eröffnung der neuen Museumsräume am 27. Juni 2014 wurden bis zum Ende des Jahres insgesamt 19.495 Besucher des Kulturzentrums am Kirchplatz in Zwiesel gezählt. Durchweg positive Resonanz kam und kommt immer wieder von den Museumsgästen. Somit dürften sich alle Mühen gelohnt haben. Die wissenschaftliche Leitung des Hauses übernahm am 1. Juli 2014 Dr. Astrid Fick.

Waldmuseum Zwiesel Kirchplatz 3 94227 Zwiesel Tel. 09922/503706 [email protected] Öffnungszeiten: Sommer (1. Mai–31. Oktober): täglich außer dienstags: 10–17 Uhr Winter (1. November–30. April): täglich außer dienstags: 10–16 Uhr

Multifunktionalität garantiert Synergieeffekte zu schaffen und zu nutzen, das sollte im neuen Kulturzentrum Zwiesel am Kirchberg möglich werden. Neben der 1.200 m² großen Dauerausstellungsfläche können die beiden Räume im Dachgeschoss für unterschiedlichste Veranstaltungen genutzt werden. Der kleinere Raum, primär für Sonderausstellungen konzipiert, kann auch für Seminare gebucht

Der große multifunktionale Raum im Dachgeschoss mit der Präsentation der Zwieseler Glastage 2014 Foto: Anton Landes

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werden. Im großen Veranstaltungsraum finden zum Beispiel die Zwieseler Glastage statt, im darüber liegenden Spitzboden werden Glaskünstler aus der Region präsentiert. Zudem stellt sich im großen Veranstaltungsraum die Stadt Zwiesel ihren Gästen in vielen Facetten vor. Von der historischen und touristischen Entwicklung des Ortes über bedeutende Persönlichkeiten, wie etwa Paul Friedl oder Sportgrößen wie den Langläufer Franz Bernreiter und den Fußballer Klaus Fischer reicht die Palette bis zur Musik und dem »Zwieseler Fink«. Dieser älteste europäische Volksmusikwanderpreis wird immer noch jährlich in diesem Raum ausgetragen. Auch der idyllische Innenhof mit seinen getreppten Sitzreihen eines Amphitheaters lädt im Sommer zum Verweilen ein und bietet die Möglichkeit für Freilichtspiele. So hält das Kulturzentrum Zwiesel mit dem hier bestens integrierten Waldmuseum eine Fülle an Nutzungsmöglichkeiten bereit. Wer sich traut, kann sich auch im Waldmuseum trauen lassen Ein großer Wunsch der Stadt Zwiesel war es, seinen Bewohnern einen zusätzlichen, nicht ganz alltäglichen Raum für standesamtliche Trauungen im Waldmuseum anzubieten. So gibt es in der ehemaligen Kapelle des Mädchenschulhauses neben der Dauerausstellung zum Thema »Glaubens-Welt« nun auch die Möglichkeit sich in einem außergewöhnlichen Ambiente trauen zu lassen, ein Angebot, das bislang sehr gerne genutzt wird.

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Aufwertung eines Schatzkästchens – das neue AschheiMuseum Mit der am 8. Mai 2015 erfolgten Eröffnung des »AschheiMuseums« ist der Schritt von der »Geschichtlich-Heimatkundlichen Sammlung Aschheim« zu einem nach modernen vermittlungstechnischen Kriterien konzipierten Museum abgeschlossen, was durch die neue Namensgebung zusätzlich unterstrichen wird. Die Beschränkung auf mehrere zeitübergreifend dargestellte Themenkomplexe, die für die Besiedlung Aschheims in allen vor- und frühgeschichtlichen sowie neuzeitlichen Epochen von Bedeutung waren, kann innerhalb der archäologischen Museumslandschaft Südbayerns als innovativ gewertet werden. Dadurch ist eine unmittelbare Identifizierung des Museumsbesuchers mit den Ausstellungsobjekten einfacher möglich. Darüber hinaus hat eine diachronische themengebundene Darstellung den Vorteil, dass archäologische Epochen, die im regionalen Befundbild nur wenig oder nicht nachgewiesen sind, trotzdem in eine Gesamt-Siedlungsgeschichte der Region integriert werden können. Da eine reine Gliederung nach archäologischen Epochen, von denen die wenigsten überhaupt in bayerischen Lehrplänen auftauchen, für einen Museumsbesucher ohnehin schon ziemlich komplex ist, eröffnet sich die Chance, hier einen niedrigschwelligen, aber fachlich korrekten Einstieg in vergangene Lebenswelten zu finden. Christof Flügel

Dass es in Aschheim ein Museum gibt, war bislang durchaus bekannt, der Name »Geschichtlich-heimatkundliche Sammlung« jedoch vermittelte vielfach einen falschen Eindruck. Leicht konnte man glauben, es würde sich um eine verstaubte Kammer mit einer Handvoll Objekte handeln. Dem war zwar schon früher nicht so, doch nach der Erweiterung und Neukonzeption der Sammlung dürfte das Museum nun eine angemessene Präsentation erhalten haben. Bisherige Situation und Anlass der Neukonzeption Die Geschichtlich-heimatkundliche Sammlung in Aschheim besteht seit 1987. Initiator war der damals neugewählte Bürgermeister Helmut J. Englmann. Zunächst im sogenannten »Badermo-Haus« untergebracht, erhielt sie 1992 eigene Räumlichkeiten im Keller des damals neugebauten »Kulturellen Gebäudes« an der Münchner Straße 8, wo sich das Museum auch heute noch befindet. Zu den Leitlinien seit ihrer Gründung gehören drei Grundsätze: Die Geschichte und Archäologie der zur Gemeinde gehörenden Orte Aschheim und Dornach soll erforscht, den Bürgern und Besuchern aufbereitet und nachvollziehbar gemacht sowie die historischarchäologischen Zeugnisse gesammelt und bewahrt werden. Gemäß diesen Grundsätzen wurde die Sammlung durch den Historiker Rainhard Riepertinger konzeptioniert und aufgebaut. In den folgenden Jahren erfuhr sie unter Michael Volpert und Anja Pütz (von 2004– 2006 gemeinsam mit Doris Gutsmiedl) immer wieder Anpassungen hinsichtlich didaktischer Anforderungen und Zugewinn an Exponaten. Während in den letzten 25 Jahren die Zahl der Ausstellungsstücke der jüngeren und jüngsten Ortsgeschichte nur in geringem Maße anwuchs, nahmen die archäologischen Exponate nahezu explosionsartig zu. Grund dafür war und ist die rege Bautätigkeit im Umland von München, verbunden mit der konsequenten Umsetzung der Belange der Bodendenkmalpflege im Gemeindegebiet. Mit aktuell etwas über 900 ausgestellten Exponaten von größtenteils überregionaler Bedeutung ist sie eine der bedeutendsten Sammlungen des Landkreises München und darüber hinaus. Diesem Umstand wurde die Präsentation in den letzten Jahren nicht mehr gerecht. Da der Zuwachs von Objekten und Erkenntnissen nach und nach geschah konnte das ursprüngliche Konzept nicht mehr einheitlich verfolgt werden. Dies zeigte sich in den unterschiedlichen Formen der Präsentation, Vitrinen diverser Bauarten und Typen und im stark variierenden Lichtkonzept. Durch den glücklichen Umstand, dass 2014 neben dem bisherigen

Anja Pütz Hans-Peter Volpert

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Ausstellungsraum ein weiterer etwa 80 m² großer Saal frei wurde, ergab sich die Möglichkeit einer Erweiterung der Ausstellungsfläche und damit auch ein willkommener Anlass zu einer kompletten Neuaufstellung. Das Konzept hierzu wurde im Herbst 2013 von den beiden Autoren erstellt und stieß sowohl bei der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen wie auch im Aschheimer Gemeinderat auf Wohlwollen. Dies änderte sich auch nicht, als 2014 mit Thomas Glashauser ein neuer Bürgermeister ins Amt kam – im Gegenteil: Gerade die modernen Ansätze sowie eine Medienstation wurden von ihm deutlich befürwortet. Die Umsetzung erfolgte zwischen Februar 2014 und Mai 2015. Die Finanzierung lag zum größten Teil beim Träger des Museums, der Gemeinde Aschheim, unterstützt durch die Förderung der Landesstelle. Seit dem 8. Mai 2015 ist die Ausstellung wieder eröffnet. Organisation der neuen Ausstellung Die neue Ausstellung folgt nicht mehr dem bekannten chronologischen Aufbau, sondern einem thematischen Ansatz. In sechs Bereichen wird grundlegenden Fragen zum menschlichen Leben im Gemeindegebiet nachgegangen. Innerhalb dieser Themenblöcke blieb die chronologische Aufstellung jedoch erhalten, um Entwicklungen in ihrer zeitlichen Tiefe darstellen zu können. Das Eingangsthema »Naturraum und Lebensgrundlage« behandelt die Entstehung der Landschaft des Lebensraums und seiner Wasserverhältnisse. Denn ein entscheidender Faktor bei der Besiedelung des Aschheimer Raumes ist die Lage am Rand des Erdinger Mooses – eine Situation, die auch für einige Nachbargemeinden grundlegend war. Das Manko weniger Fließgewässer im durchlässigen Kiesboden wurde durch die leichte Erreichbarkeit des Grundwassers mithilfe von Brunnen wettgemacht. Im 19. und 20. Jahrhundert allerdings erfuhr diese Situation durch die Moosentwässerung und den Bau des mittleren Isarkanals entscheidende Veränderungen, die bis heute prägen. Im Bereich »Siedlungen und Ortsentwicklung« kann die Erschließung der Gemeindeflur mit ihrer sich wandelnden Siedlungsorganisation und den Hinterlassenschaften ihrer Bewohner nachvollzogen werden. An einer Medienstation lassen sich diese Erkenntnisse anhand von Kartierungen anschaulich nachvollziehen. Weiterhin ist es möglich, sich hier über die einzelnen Ausgrabungen innerhalb des Gemeindegebiets und ihre Ergebnisse zu informieren. Den neuen Raum erreicht man über eine Rampe, die einen Zugang auch für Rollstuhlfahrer, Menschen mit Gehhilfen oder Kinderwägen möglich macht. Hier werden zum Thema »Bestattung und Totengedenken« die unterschiedlichen Grabbräuche und -ausstattungen von der schnurkeramischen Kultur bis heute thematisiert. Die Schwerpunkte liegen dabei bei den latènezeitichen Grabfunden aus Dornach mit ihren prächtigen Fibel- und Ringausstattungen sowie bei den Objekten der beiden frühmittelalterlichen Gräberfelder von Aschheim. Letzteren ist eine 6 m lange Wandvitrine gewidmet. Sieben geschnitzte, etwa 40 cm große Figuren mit Bekleidung erläutern dem Betrachter die Trageweise und Funktion einzelner Objekte sowie das Erscheinungsbild, wie man es sich aufgrund heutiger Erkenntnisse vorstellt. Die Ausstattung der Figuren orientiert sich dabei an den ausgestellten Grabfunden. Es handelt sich um ein keltisches Paar, eine Frau in der Tracht der frührömischen Heimstettner Gruppe und zwei bajuwarische Paare des 6. und 7. Jahrhunderts. Anhand eines Skeletts mit Ausstattung

Figurenpaar »Kelten«, im Hintergrund die Urnenwand mit spätbronze-und früheisenzeitlichen (1200–600 v. Chr.) Brandbestattungen Foto: Anja Pütz, AschheiMuseum

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Vitrinenwand mit den Funden aus den beiden frühmittelalterlichen (6.-8. Jh.) Gräberfeldern Aschheims Foto: Anja Pütz, AschheiMuseum

in einer »in-situ«-Installation werden die wichtigen Aussagen der Anthropologie für die Rekonstruktion früher Gesellschaften und der jeweiligen Lebenssituation thematisiert. Ein Vortragekreuz für die Beerdigungsprozession aus dem frühen 19. Jahrhundert leitet über zum Thema »Kult und Kirche«. Hier wird die zeitliche Gliederung umgekehrt und der Besucher in der Neuzeit mit dem Thema der Volksfrömmigkeit und der Feldkreuze abgeholt, um ihn zeitlich zurückzuführen über die frühen Aschheimer Kirchenbauten bis zur Christianisierung und den Zeichen vorgeschichtlichen Kultes, wie beispielsweise einer kleinen menschlichen Tonfigur aus der Urnenfelderzeit. Mit den wirtschaftlichen Grundlagen beschäftigt sich der Themenbereich »Handwerk und Landwirtschaft«. Unter anderem bietet das Thema Mahlsteine und Mühlen hier einen besonderen Aspekt, da neben frühen Mahlsteinen aus der späten Bronzezeit in Aschheim auch eine römische Kurbelmühle sowie verkohlte Körner diverser Getreidesorten gefunden wurde. Mahlsteine aus frühmittelalterlichen Zusammenhängen leiten über zu den seit dem Spätmittelalter am Aschheimer Bach entstandenen fünf Mühlen, die teilweise noch bis in die 1970er Jahre in Betrieb waren. Werkzeug und landwirtschaftliches Gerät aus den drei römischen Villae Rusticae veranschaulichen ebenso wie die Funde frühmittelalterlicher Textil- und Eisenverarbeitung die frühen wirtschaftlichen Grundlagen. Mit der modernen Landwirtschaft hängen auch die aktuell aufgegebenen Kartoffelbrennereien zusammen, die in der Schotterebene vielfach das dörfliche Ortsbild prägten und inzwischen zunehmend verschwinden oder eine Umnutzung erfahren. Schließlich zeigt »Migration und Fernkontakte« die weitläufigen Verbindungen, die sich seit der Jungsteinzeit nachvollziehen lassen. Interessant sind vor allem die Ergebnisse zu keltischer Migration, die anhand der naturwissenschaftlichen Analysen und Grabfunde aus Dornach sichtbar werden. Das prominenteste Stück des Museums ist die Statuette der Göttin Athene/Minerva. Sie wurde in einem keltischen Siedlungszusammenhang aus der Zeit um 100 v. Chr. gefunden und stammt ursprünglich aus dem Mittelmeerraum. In der Moderne spielt das Thema Krieg und Migration eine wichtige Rolle, da insbesondere nach 1945 die Unterbringung und Integration von Vertriebenen eine Herausforderung für das dörfliche

AschheiMuseum Münchner Straße 8 85609 Aschheim Tel. 089/90775970 [email protected] Öffnungszeiten: Montag und Mittwoch 16–19 Uhr, Mittwoch und Freitag 15– 18 Uhr, Donnerstag 10–13 Uhr. Jeden 1. Sonntag im Monat 10–13 Uhr. Jeden 3. Sonntag im Monat 14–17 Uhr mit einer Führung um 14.30 Uhr Der Zugang erfolgt üblicherweise über die Aschheimer Gemeindebücherei, an den 3. Sonntagen ist das Museum direkt zugänglich.

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Leben darstellte. Heutige Fernkontakte intensiverer Art zeigen die Kurzporträts der Aschheimer Partnergemeinden auf. Vermittlungskonzepte Die Vermittlung erfolgt weitgehend konventionell anhand von Text-Bildtafeln. An geeigneten Stellen ergänzen spezielle, im Layout leicht abgesetzte Tafeln, die Ausführungen, um naturwissenschaftliche Analysemethoden oder Vorgehensweisen zu erläutern. Die bereits genannte Medienstation sowie ein kleiner zeitgenössischer Filmbeitrag zum Bau des mittleren Isarkanals bieten visuelle Vermittlung und die Möglichkeit zur selbständigen, tiefergehenden Information. Bereits vorhandene, überarbeitete und neue Modelle bieten ebenso wie die erwähnten Schnitzfiguren die Möglichkeit, konkrete Vorstellungen mit den Funden zu verbinden und sich ein Bild von den für Laien oft schwer erschließbaren archäologischen Befunden zu machen. Objekte zum Anfassen und Mitmachen sind durch einen roten Streifen gekennzeichnet. Sie sollen, ebenso wie ein bajuwarisches Hausmodell zum Aufbauen, wissbegierigen Kindern und Erwachsenen einen erfassbaren Zugang zum Thema bieten. Im Bereich »Siedlungen und Ortsentwicklung« lassen sich die im Urkataster von 1809 enthaltenen Höfe mit ihren Hofnamen suchen. Diese Darstellung ergänzen je 1–2 Fotos pro Hof, die aus den letzten 90 Jahren stammen. Haupttexte führen in die Themenbereiche ein, deren Wechsel optisch durch je zwei sich abwechselnde Wandfarben gekennzeichnet ist. Durchbrochen wird diese Gliederung durch bewusst gesetzte Durchblick-Vitrinen, in denen dieselben Objekte von zwei Seiten unter verschiedenen Aspekten betrachtet werden können. Ein solches Durchblick-Fenster zeigt beispielsweise frühmittelalterliche Steckkreuze, die als jüngste Siedlungs- oder Nutzungsanzeiger im Frühmittelalter in der Apsis einer römischen Villae Rustica gefunden wurden. Gleichzeitig gehören sie mit ihrer christlichen Symbolik zum Themenbereich »Kult und Kirche«, wo sie ebenfalls zu sehen sind. Name und Logo Diesem neuen Konzept sollte auch mit einem neuen Namen und einem Logo Rechnung getragen werden. Mit » Aschheim Museum«, geschrieben »AschheiMuseum«, war ein kurzer und prägnanter Name gefunden, der durch den Untertitel »Archäologie – Geschichte – Heimat« ergänzt wurde. Durch den Untertitel sind die inhaltlichen Schwerpunkte des Museums kurz umrissen. Wobei »Heimat« als integrativer Begriff, im Sinne eines hineinwachsenden Prozesses verstanden wird. Sie entsteht dort, wo man auch die Entwicklung des Ortes und seiner Charakteristika kennt und damit auch zukünftiges positiv gestalten kann. Insofern können die drei Begriffe als sich ergänzende Kolonne gesehen werden. Archäologische Funde werden durch Schriftquellen ergänzt, dadurch entsteht Geschichte, durch deren Kenntnis Heimat entstehen kann. Das Logo ziert die Statuette der Göttin Athene, die 1994 im Gewerbegebiet Dornach gefunden wurde und sich sowohl durch ihre einladende Gestik, wie auch als bekanntestes Objekt für diese Rolle prädestiniert fand.

Ausstattung eines Frauengrabes vom Ende des 6. Jahrhunderts Foto: Anja Pütz, AschheiMuseum

Wissenschaftliches Konzept: Anja Pütz und Hans-Peter Volpert Ausstellungsfläche: 300 m² Beratung: Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen, Dr. Christof Flügel und Rainer Köhnlein Dipl.-Ing. (FH) Bauplanung: Baubüro Stilling, Aschheim, Architekten Barz und Barz, Almut Barz, Gemeinde Aschheim, Cornelia Lindermayr Schreinereinbauten: Schreinerei Andreas Sturm, Bichl Multimedia: P.medien, München Ausstellungsdesign/ Gestaltung: Anja Pütz und Hans-Peter Volpert Lichtkonzept: Hans-Peter Volpert Finanzierung: Gemeinde Aschheim mit Fördermitteln der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen

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Die Spannung zwischen Tradition und Moderne geschickt aufgebaut, um die Exponate herauszustellen. Foto: Fotostudio Lichtblick

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Erleben, schmecken, staunen. Das HopfenBierGut Museum im Kornhaus Spalt Ein bedeutendes Baudenkmal und das Thema »Bier« prägen die Stadt Spalt seit Jahrhunderten. Mit der Eröffnung des neuen Museums HopfenBierGut im sanierten ehemaligen Kornhaus aus dem späten Mittelalter verbindet die Stadt beides und fügt auch noch die örtliche TouristenInformation hinzu. Barrierefrei auf rund 1.200 m² lädt das neue Museum zu einer interaktiven und lebendigen Reise durch die Welt von Hopfenanbau, Bierproduktion und Hopfenexport ein, die Spalt mit seiner kommunalen Brauerei eine überregionale Beachtung verschafft haben und bis in die Gegenwart das Leben der Bewohner der Stadt im Verlauf eines Jahres bestimmen. Am Ende des Rundgangs durch die multimediale moderne Umsetzung der Ausstellung lockt eine Kostprobe der Spalter Braukunst. Otto Lohr

Einst Kornspeicher – heute ein modernes, multimediales Museum: Das ehemalige Kornhaus aus den Jahren 1456/1457 kann auf eine abwechslungsreiche Geschichte zurückblicken. Als dessen nördlichste Bastion wurde das 1352 erstmals als Stadt erwähnte Spalt im 14./15. Jahrhundert durch die Eichstätter Bischöfe mit Mauern und Befestigungsanlagen umgeben. Dadurch verlief eine Belagerung durch Nürnberger Landsknechte im Jahre 1450 für Spalt recht glimpflich, während im weiten Umkreis der Markgräflerkrieg große Verwüstungen anrichtete. Diese erfolgreiche Fürsorge der Eichstätter Bischöfe ließ wohl eine entsprechend große Dankbarkeitserwartung aufkeimen, die wenige Jahre später zum Bau des bischöflichen Kornkastens führte. 1457 entstand ein außergewöhnliches Gebäude mit einer Länge von 36 m, einer Breite von über 13 m und einer Höhe von 20 m. In diesen gewaltigen Zehentstadel hatte zukünftig jeder Bauer den zehnten Teil seiner Ernte zugunsten der Eichstätter Bischöfe abzugeben. Der Repräsentationscharakter der Eichstätter Kleriker spiegelte sich in der Außengestaltung wider. Ungefasste Fachwerkhölzer, ausgemauert mit sorgfältig hartgebrannten Ziegeln in Verbindung mit hellen Mörtelfugen bildeten eine natürlich-ästhetisch ansprechende Fassadengestaltung, die sich nur reiche und wohlhabende Bauherren leisten konnten. Heute hat das Kornhaus genau dieser repräsentativen Bauweise seinen denkmalgeschützten Status als außergewöhnliches Bauwerk zu verdanken. Etwa um 1790 kam es zu baulichen Veränderungen. Zur Stabilisation des Gebäudes wurde die Fachwerkkonstruktion im Erdgeschoss und an den Giebelseiten durch massive Sandsteinwände ersetzt. Die Absenkung durch den weichen Untergrund setzte sich jedoch über die Jahre hinweg unbemerkt fort. 1862 ging das Kornhaus in den Besitz der Stadt über und diente von 1897 bis 1984 als Hopfenlager und -signierhalle. Die drei Geschosse mit steilem Satteldach, drei zusätzliche Speichergeschosse sowie der Spitzboden boten ausreichend Platz zur Trocknung und Lagerung der gesamten Hopfenernte. 1984 endete die Nutzung des Kornhauses als Hopfenlager. Das riesige Gebäude stand leer, Sanierungsmaßnahmen wurden erforderlich. Das Kornhaus sollte eine neue Bestimmung als Tourist-Information und Hopfen- und Biermuseum finden. Die bauliche Umsetzung, geplant und durchgeführt von dem Architekten Elmar Greiner, erfolgte jedoch erst 2008. Der damals einsturzgefährdete Nordgiebel musste notgesichert werden, anschließend mussten am Dachstuhl verfaulte Holzteile ersetzt und das Dach neu eingedeckt werden. Grundsätzlich galt für die Außeninstandsetzung, die originale ungefasste Fassade im Wesentlichen beizubehalten und auf eine übliche Fachwerkgestaltung zu verzichten. Die

Sabrina Müller

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Fachwerkhölzer wie Gefache und Sandstein wurden lediglich repariert, Fehlstellen ergänzt und der Bestand dadurch gewahrt. Im Inneren wurde der kräftige kühle Grünton beibehalten, der sich als letzte Fassung auf Wand, Decke und Holzbalken erstreckte. Stark geschädigte Bereiche wurden ausgebessert, alle anderen Oberflächen lediglich gereinigt. In einem neu konzipierten Anbau vor der kaum einsehbaren Südseite, der behutsam mit dem historischen Gebäude verbunden wurde, brachte man einen behindertengerechten Aufzug, sowie Toilettenanlagen und die Haustechnik unter. Der neue Treppenturm nimmt in seiner Gestaltung das Grundprinzip des Kornhauses auf: mit einem massiven Sockelgeschoss ohne zusätzliche Oberflächengestaltung und darüber einer leichten, lichtdurchlässigen Konstruktion aus Glasprofilen über zwei Geschosse. Bei Befunduntersuchungen im Jahre 1998 entdeckte der baubegleitende Restaurator, Holger Wilcke, Malereibefunde im 1. Obergeschoss. Zum Zeitpunkt des damals nur relativ klein angelegten Befundfensters ließ sich noch nicht erahnen, dass es sich um eine figürliche Malerei, die einen lebensgroßen Soldaten zeigt, handeln würde. 2014 entschied man sich, im Zuge der Innenausstattung diesen Befund komplett freizulegen: Man erkennt bei genauer Betrachtung die Umrisse eines Kopfes samt Gesicht im Seitenprofil als Soldaten in Uniform und Mütze – vermutlich von einem Laien mit teils schneller Pinselführung gemalt. Der Malereibefund liegt eindeutig auf dem spätmittelalterlichen Putz, vermutlich auf der Zweitfassung in der Zeit nach 1790 zu Zeiten des napoleonischen oder französischen Krieges. Berichte über Einquartierung und Durchmärsche von Soldaten fanden sich in der Chronik der Stadt Schwabach, was diese Vermutung bestätigen könnte. Die Gebrauchsspuren der vergangenen 558 Jahre sind überall in den Räumlichkeiten und Stockwerken des Kornhauses zu finden, im neuen Museum bilden sie eine würdevolle Kulisse für die Exponate und verbinden so die Vergangenheit mit der Gegenwart. Einen perfekten Rahmen bieten die Museumsräume im ersten und zweiten Geschoss für die multimediale moderne Umsetzung der Ausstellung im Museum HopfenBierGut. Die Gebrauchsspuren an den alten Balken und der traditionell blau-grüne Wandanstrich in den weiten Lager- und Trockenräumen bezeugen ausdrucksstark die jahrhundertealte Vergangenheit wder Hopfenstadt und stehen gleichberechtigt neben den technischen Inszenierungen. Der Anbau von Hopfen ist eine zentrale Bezugsgröße der Stadt Spalt und seiner Einwohner. Wichtige Zugänge für eine museale Präsentation der Geschichte Spalts und die

Spalter Kornhaus – das Exponat No. 1 Foto: jangled nerves GmbH Ein unbekannter Soldat marschiert durchs Kornhaus Foto: Grafik Brigitte Behr

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Frage, wie Spalt zu dem wurde, was es heute ist, stellen daher kulturgeschichtliche Ansätze und der Blickwinkel der historischen Anthropologie dar: die Beschreibung historischer Zustände und die Entwicklung bis in die Gegenwart sind interessant. Die Perspektive richtet sich auf den Alltag und die Weltwahrnehmung der Menschen. Die übergreifende Frage ist, wie sie sich durch den Hopfenanbau als Konstante über Jahrhunderte strukturiert und entwickelt haben. Die historische Perspektive auf Spalt wird als Prozess verstanden, in dem Kontinuitäten und Veränderungen der Alltagswelt und von »Mentalitäten« der Menschen in ihrer lokalen Umwelt ausgemacht und dargestellt werden können. Auch kann etwa danach gefragt werden, wie Bräuche und Feste in ihrer historischen Entstehung und gegenwärtigen Ausprägung als Weltdeutungen zu verstehen sind, in denen sich eine soziokulturelle Praxis manifestiert. Der Mittelpunkt der musealen Präsentation besteht in Geschichte und Gegenwart Spalts als Stadt und sozialer Raum. Die Betrachtung der Besonderheiten eines lokalen Raumes bietet jedoch auch immer wieder Aussagekraft für größere Kontexte an, die mit dem Blick auf Spalts Hopfenkultur beleuchtet werden können. So kann etwa Hopfen als Kulturpflanze – auch aus einer naturwissenschaftlichen Perspektive heraus – exemplarisch am Spalter Fall vorgestellt werden, ohne darauf verzichten zu müssen, die Besonderheiten in Spalt – in diesem Beispiel die eigenen Hopfensorten – in den Vordergrund zu rücken. Die Stadt Spalt verfügt über eine umfangreiche Sammlung an Exponaten zum Hopfenanbau und zur Stadtbrauerei, jeweils in historischer und rezenter Form. Es handelt sich hierbei um Objekte wie landwirtschaftliche Gerätschaften für den Anbau und die Ernte von Hopfen, Vorrichtungen für Verpackung, Versand und Qualitätsprüfung sowie historische Dokumente zur Hopfenkultur in Spalt. Für die Stadtbrauerei sind Objekte wie Flaschen, Gläser, Werbemittel und Gerätschaften für den Brauprozess vorhanden. Bildmaterial liegt in Form von historischen Fotografien vor, die Anbau, Ernte, Verpackung und Versand des Hopfens sowie die Geschichte der Stadtbrauerei dokumentieren. Thematische Gliederung Das Themenfeld, in dem sich das Spalter Museumsprojekt bewegt, wird durch vier Eckpunkte abgesteckt: Die Stadt Spalt, der Hopfenanbau, die Bierproduktion in Spalt und der Hopfenexport. In den Ausstellungsbereichen werden lokale und globale Aspekte sowie historische und gegenwärtige Ebenen berücksichtigt und miteinander verwoben. Als übergeordnete Themengebiete, die in der Ausstellung präsentiert werden, sind vier Komplexe auszumachen, die die genannten Eckpunkte miteinander verbinden: Spalt als Hopfen- und Bierstadt: Die Gegenwart Spalts als weltberühmter Produzent von Hopfen ist ein historisch gewachsener Zustand. Stadtentwicklung und Hopfenanbau standen dabei in einer Wechselbeziehung zueinander und beeinflussten sich gegenseitig. Die Geschichte der Stadt und diejenige des Hopfenanbaus werden daher als nicht voneinander zu trennendes Thema behandelt und dargestellt. Kultivierung des Hopfens und seine Auswirkungen auf den Rhythmus Spalts: Bis in die Gegenwart prägt der Takt des Hopfenanbaus das Leben der Bewohner Spalts im Verlauf eines Jahres, sei es durch ihre direkte Beteiligung an der Pflege und der Ernte des Hopfens oder durch traditionelle Feste und andere Termine der kommunalen Gemeinschaft, die am

Das Tagebuch eines Hopfenzupfers von 1945 lädt zur Interaktion ein Foto: Fotostudio Lichtblick

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oben: Inszenierung der Großexponate unter Berücksichtigung der Architektur Foto: Fotostudio Lichtblick Zeitreise des 21. Jahrhunderts am interaktiven Kartentisch Foto: Grafik Brigitte Behr Eintauchen in das Spalter Hopfenjahr mit dem Panoramafilm auf 270 Grad Foto: Grafik Brigitte Behr

Anbauzyklus orientiert sind. Das »Hopfenjahr« und wie es sowohl für die Kulturpflanze als auch für die Bewohner Spalts verläuft, ist ein Thema, das auch synchrone und diachrone Zeitebenen miteinander verbinden kann. Spalt und die Welt des Bieres: Hopfen wird fast ausschließlich zum Bierbrauen verwendet und für diesen Zweck angebaut. Geschichte und Gegenwart des Hopfens und diejenige von Bier können daher kaum getrennt voneinander gedacht werden. Der Brauprozess und sein Endprodukt sind komplex und vielschichtig: Sie bieten zahlreiche Möglichkeiten und Blickrichtungen an, sich ihnen zu nähern, sowohl naturwissenschaftlich als auch kulturhistorisch. Als wichtiger Hopfenproduzent und Standort einer außergewöhnlichen Brauerei nimmt Spalt eine prominente Position in der globalen Welt des Bieres ein, auf die hierbei Bezug genommen werden kann. Die Marke Spalt: Spalt ist in mehrfacher Hinsicht eine Marke – als Namensgeber und Hauptanbaugebiet einer Hopfensorte und als Bierproduzent, der die eigenen Rohstoffe verarbeiten kann. Der Hopfenexport war und ist dafür verantwortlich, dass diese Marke in die Welt getragen wird. Globale Vernetzungen wirken hierbei auf die lokale Ebene zurück. Ausstellungskonzept Das historische Kornhaus in Spalt stellt ein eigenes Exponat dar, das die Relevanz des Hopfenanbaus für die Stadt kommuniziert. Der räumliche Eindruck des denkmalgeschützten Gebäudes soll erhalten bleiben. Vorhandene Oberflächen bleiben unangetastet; die Innenwände des Ausstellungsbereiches werden nicht belegt. Einbauten sind als reversibel konzipiert, um den Anforderungen des Denkmalschutzes zu genügen. Die Gestaltung der Ausstellungsbauten lässt sie als neue Elemente erkennen, die nicht mit dem historischen Gebäude konkurrieren und die Wahrnehmung des Kornhauses im Vordergrund belassen. Vitrinen sollen als zeitgenössische Bestandteile der Ausstellung in einen Dialog mit der historischen Bausubstanz treten. Barrierefreiheit ist ein großes Anliegen der Stadt, daher wurden die Vitrinen und Anordnungen in der Ausstellung so konzipiert, dass ein barrierefreies Erleben des Museums gewährleistet ist. Die Raumhöhe und die Struktur der Räume des Kornhauses mit der massiven Deckenkonstruktion und engem Stützraster waren ein weiterer Grund, die Einbauten für die Ausstellung auf einer niedrigen Bauhöhe zu halten, um den Raumeindruck nicht einzuschränken und Sichtlinien sowie Räume weiterhin in ihrer Gesamtstruktur wahrnehmen zu

Museum HopfenBierGut & Tourist-Information im Kornhaus Spalt Gabrieliplatz 1 91174 Spalt Tel. 09175/796550 [email protected] www.HopfenBierGut.de Öffnungszeiten: ganzjährig Dienstag bis Sonntag 10–17 Uhr

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Museumsporträts

können. Eine Ausnahme besteht im Panoramabereich für die Darstellung des Hopfenjahres, der die Schaffung von raumhohen Projektionsflächen notwendig macht; an seiner Außenseite wird dieser Einbau als vertikale Ausstellungsfläche genutzt. Jedes der vier Themen im Museum wird von einer medialen Inszenierung begleitet: → Die Zeitreise des 21. Jahrhunderts am interaktiven Kartentisch im Bereich der Bier- und Hopfenstadt Spalt: Zu Beginn steht die Hopfen- und Bierstadt im Mittelpunkt. Ein dreidimensionaler Stadtplan mit ausgewählten Landmarken in und um Spalt hilft, die Stadt zu erforschen. → Panoramafilm des Spalter Hopfenjahrs: Weiter geht es mit dem Eintreten in das Panoramakino. Der Panoramafilm läuft auf einer 270 Grad-Kinoleinwand. Mittendrin im Hopfengarten: um einen herum wächst der Hopfen und man ist mit dabei – im Lebenszyklus des Hopfens. → Aus Hopfen wird Bier: Ab in den begehbaren Braukessel! Rund um die Bierherstellung heißt es fühlen, riechen und beobachten. Die Spalter Braukunst erleben und erforschen: vom Spalter Hopfen zum Spalter Bier! → Spalter Markenvielfalt: Das moderne »Tischlein-deck-dich« zeigt auf Interaktion die nationale Bierkultur aus sechs Ländern. Die Gemeinsamkeit aller Länder steckt im Spalter Hopfen, denn alle vorgestellten Biere werden mit dem Spalter Aromahopfen gebraut. Eine spannende Visualisierung der Spalter Marken: Hopfen und Bier. Zum Schluss stimmt die Aromastation auf die Vielfalt der Spalter Biere ein: Hier gewinnt man einen Eindruck über die überraschende Vielfalt der Biernoten – eine Entdecker-Vitrine zum »Er-Riechen«. Im Anschluss an den Museumsbesuch können die Besucher und Besucherinnen mit dem Gutschein auf der Eintrittskarte an der ProBierBar ein echtes Spalter Bier genießen. Neben dem kulinarischen Biergenuss informiert die Tourist-Information im Kornhaus über Aktivitäten in Spalt und dem Fränkischen Seenland. Im Museumsladen findet man ausgewählte saisonale Produkte aus der Region rund um das Thema Hopfen und Bier sowie die Spalter Biere mit dem passenden Glas. Für Interessierte, die selbst einmal am Braukessel stehen wollen, bietet die Spalter Bierwerkstatt mit der museumseigenen Brauanlage seit Sommer 2015 individuelle Brau- und Bierseminare an. Darüber hinaus kann das Kornhaus gemietet werden.

Architekt: Elmar Greiner Planung und Gestaltung: Simone Baum, jangeld nerves GmbH Wissenschaftliches Konzept: Dr. Steffen Bender, jangled nerves GmbH Projektleitung: Sabrina Müller, Stadt Spalt Beratung: Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, Dr. Otto Lohr Ausstellungsfläche: Dauerausstellung: 800 m² Sondernutzungsfläche: 200 m² Gefördert durch: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER), Projektbetreuung durch das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Uffenheim, Wirtschaftsförderung der Regierung Mittelfranken, Schenkung Fritz Eckstein, Stadtbrauerei Spalt, Landkreis Roth, Bezirk Mittelfranken, Förderverein Historisches Kornhaus Spalt e. V., Bayerische Sparkassenstiftung, Sparkassenstiftung RothSchwabach, Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern Unterstützung: Förderverein Historisches Kornhaus Spalt e. V., Heimatverein Spalter Land e. V., Leihgeber, Spalter Bürgerinnen und Bürger

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Das Fugger und Welser Erlebnismuseum

Stefanie von Welser

Herausforderungen und Lösungen1 Museen definieren sich substantiell durch ihre Sammlungsbestände. Bereits 1994, mit der Eröffnung des Literatur-Museums zu Wolfram von Eschenbach in der gleichnamigen mittelfränkischen Stadt, diskutierte die bayerische Museumswelt das Thema »Museum ja oder nein« sehr kontrovers. Dort wie auch in der neuen Augsburger Einrichtung wird eine Ausstellung ohne originale Objekte präsentiert. Komplexe historische und wirtschaftsgeschichtliche Themen werden stattdessen mit Hilfe von Bühnenbildern und Inszenierungen veranschaulicht. Die Diskussion kann somit nach zwanzig Jahren fortgeführt werden. Hannelore Kunz-Ott

Das Gebäude Das im September 2014 eröffnete Fugger und Welser Erlebnismuseum befindet sich im Augsburger Domviertel. Ursprünglich war das Gebäude ein Gartenhaus im Renaissance-Stil mit Blick auf den heutigen Klostergarten der Benediktinerabtei St. Stephan. Dieser Klostergarten gehörte seit 1583 dem Stadtpfleger und Humanisten Markus Welser. Dendrochronologische Untersuchungen im originalen Dachstuhl lassen auf eine Erbauung des Gartenhauses schon um 1530 schließen. Der turmartige Hauptbau besitzt drei Stockwerke. Zum Garten (Norden) und zur Stadtmauer (Osten) hin weist er im Erdgeschoss einen Arkadengang, in den beiden Stockwerken je eine Loggia mit Kreuzgewölben auf. Das Seitengebäude auf der Westseite wurde wohl in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts verlängert. Vermutlich waren die ersten Eigentümer des Gartenhauses entweder die Augsburger Familie Jenisch oder Anton Welser d. J., der Bruder von Bartolomäus Welser und Großvater des Markus Welser. Landläufig wird das ehemalige Gartenhaus auch »Wieselhaus« genannt, bezeichnet nach dem bekannten Augsburger Optiker Johann Wiesel (1583–1662), der das Gebäude 1637 als Wohnhaus erwarb und hier zudem seine Werkstatt einrichtete. Die heutige Bestimmung des Gebäudes gründet sich auf Nutzungsgespräche zwischen der Stiftung Katholischer Studienfonds als Eigentümerin des Stephansgartens sowie des ehemaligen Gartenhauses und der Regio Augsburg Tourismus GmbH. Eine langwierige bauliche Sanierung schloss sich von Oktober 2009 bis Ende 2013 an. Herausforderungen: Historische Bausubstanz – komplexe Themen – keine Originale Insgesamt umfasst die Ausstellungsfläche etwa 400 m². Im turmartigen Haupthaus sind der erste Stock mit zwei Räumen sowie Loggia und Gang, im zweiten Stock ein großer Saal mit ca. 49 m² inklusive Loggia für die Ausstellung nutzbar. Im eingeschossigen Seitentrakt sind ein kleiner kabinettähnlicher Raum sowie drei Zimmer zuzüglich eines schmalen Gangs bespielbar. Zudem steht das Kellergeschoss zur Verfügung. Eine Ausstellung, die thematisch eng mit dem 16. Jahrhundert verknüpft ist, in einem historischen Gebäude des 16. Jahrhunderts zu konzipieren, das einhellig als ein bedeutendes Baudenkmal nördlich der Alpen bewertet wird, lässt auf glückliche Synergieeffekte hoffen. Das Haus ist somit selbst ein Ausstellungsstück. Die komplexe Geschichte der Handelshäuser der Fugger und Welser erforderte notwendigerweise inhaltliche Eingrenzungen, die baulichen Gegebenheiten eine zusätzliche thematische Reduktion. Eine grundsätzliche inhaltliche Entscheidung im Ausstellungskonzept war, Einblick in das wirtschaftliche Handeln der Fugger und Welser zu geben mit Schwerpunkt auf der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Um die Tragweite der beiden Handelshäuser erkennbar zu machen, war eine thematische Verortung in ihrer Zeit notwendig. Als Schlagworte seien hier beispielhaft zu nennen die Entdeckung der Novus Mundus – Amerika von 1492 und die Nutzung des Seewegs nach

1 Der Artikel basiert auf einem Vortrag im Rahmen der Reihe »Museumsreif. Strategien des Ausstellens« des Augsburger Lehrstuhls für Bayerische und Schwäbische Landesgeschichte.

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Museumsporträts

Internationaler Handel der Fugger und Welser: Ausstellungsraum »Transatlantikhandel« Foto: Norbert Liesz

Indien seit 1498 mit ihren Folgen für den Fernhandel, die Veränderung der politischen Bühne unter Karl V. bis zu seinem Rücktritt zu Lebzeiten als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 1556. Zudem wurde die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts sowohl von religiösen Umwälzungen bestimmt als auch von der Revolution der Medien, bedingt durch den Buchdruck. Um das Handeln der Fugger und Welser, das naturgemäß von Aktion und Reaktion bestimmt worden war, zu veranschaulichen, mussten im Ausstellungskonzept Voraussetzungen und Grundlagen, bestehende Strukturen und Netzwerke sowie Veränderungen und Erneuerungen berücksichtigt werden. Die besondere Herausforderung bestand jedoch darin, ein Fugger und Welser Erlebnismuseum zu errichten, kein Stadtmuseum, kein Bergbau- oder Renaissancewelt-Museum. Eine weitere Herausforderung ergab sich aus dem adäquaten Umgang mit der allgemeinen Rezeption, die Geschichte der Handelshäuser der Fugger und Welser mit den Unternehmerpersönlichkeiten Jakob Fugger und Bartholomäus Welser zu personalisieren und personifizieren. Dieses Rezeptionsverhalten sollte ebenso Eingang in das Ausstellungskonzept finden, um den beiden historischen Persönlichkeiten sichtbar eine besondere Rolle zukommen zu lassen. Daher liegt ein besonderer Fokus bei den interaktiven Rauminstallationen der »Goldenen Schreibstube« und dem »Geschlechtertanz« auf den Jahren zwischen 1520 und 1525.

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Verknüpfung eines historischen Themas mit der Gegenwart Von Anfang sollte der Besucher bei seinem Rundgang angeregt werden, darüber nachzudenken, zu vergleichen bzw. zu unterscheiden, inwieweit Ereignisse das Handeln und der Handlungsspielraum der Akteure Fugger und Welser sich in der Gegenwart in Wirtschaft, Gesellschaft aber auch Politik wiederholen. Im gesamten Haus sind daher immer wieder Bezüge zur heutigen Wirtschaft hergestellt. Der Besucher soll sich mit der Frage befassen, inwieweit die Faktoren des Erfolgs der Fugger und Welser – und auch des Misserfolgs – vergleichbar sind zu gegenwärtigen ökonomischen Systemen. Anders formuliert: Die Ausstellung soll die Möglichkeit bieten, Perspektive durch Retroperspektive gewinnen zu können. Ein wichtiger Maßstab bei der Bestimmung der Inhalte war der objektive Umgang mit der Geschichte der Handelshäuser und den heutigen Vergleichsmöglichkeiten. Die thematische Auswahl konnte aufgrund der genannten Gegebenheiten nur exemplarisch erfolgen. So wurden z. B. Themen wie Kinderarbeit, Sklaven und Globalisierung bewusst angesprochen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Geschichte des 16. Jahrhunderts nicht gefärbt durch die Brille des 21. Jahrhunderts zu bewerten, sondern im Sinne der damaligen Zeit zu verstehen ist. Gerade die hier genannten Themen sind charakteristische Begrifflichkeiten des 19. bzw. 20. Jahrhunderts. Ein Museum ohne Originale – der erweiterte Museumsbegriff Wir haben uns bewusst dafür entschieden, beim Fugger und Welser Erlebnismuseum überwiegend ohne originale Kunstwerke zu arbeiten. Vorreiter für diesen neuen Museumstypus finden sich in Norddeutschland. So arbeitet z. B. das Willy-Brandt-Museum in Lübeck in einem denkmalgeschützten Gebäude ausschließlich mit Repliken und lässt Zeitgeschichte mit haptischen und medialen Mitteln lebendig werden. Im Laufe der Zeit hat sich die Institution Museum gewandelt, von der fürstlichen Wunderkammer hin zum Erlebnisort. Nach der Definition des Internationalen Museumsrates ICOM gehören heute Bildung und Vermittlung zu den grundlegenden Aufgaben, die ein immer breiteres Publikum anziehen sollen. Der Anspruch des Museumsbesuchers hat sich sicherlich ebenso verändert. Die Museen haben erkannt, dass ihre Besucher unterschiedliche Zielgruppen mit sehr unterschiedlichen Bedürfnissen sind. Der Besuch eines Museums wird inzwischen auch nach dem Aspekt des Unterhaltungswerts entschieden. Die Menschen wollen im Museum sicher nach wie vor ihr Wissen erweitern, nicht aber mehr im klassischen Sinn belehrt werden. Nicht umsonst werden ursprünglich reine Kinder- und Jugendmuseen inzwischen als »Orte für alle Generationen« bezeichnet. Anders als für traditionelle Museen sind für diesen Museumstypus nicht die Reihenfolge der Kriterien Sammeln, Bewahren, Erforschen, Ausstellen und Vermitteln ausschlaggebend, sondern sie messen dem Vermittlungsaspekt neben der Präsentation der Sammlung die größte Bedeutung bei, indem sie alle Sinne des Besuchers ansprechen wollen. Leitlinien der Ausstellungskonzeption Die Ausstellung ist durch einen Aufzug barrierefrei zugänglich. Für ausländische Gäste wurde sie zweisprachig (deutsch/englisch) angelegt. Zudem gibt es eine integrierte Kinderroute für Kinder im Grundschulalter. Ein wichtiges Prozedere war die notwendige Reduktion der Inhalte, manchmal durchaus verbunden mit einem schmerzhaften »Selbsthäutungsprozess«. Mut zur Lücke war die ständige Herausforderung. Themen, die der Besucher vermissen mag, wurden in einer Mediathek in der Ausstellung untergebracht, wo ergänzende sowie vertiefende Inhalte aufbereitet und aktuelle Themen aufgegriffen wurden. Wichtig war den Konzipientinnen zudem, die Räume miteinander thematisch zu verknüpfen, um die vielfältigen ökonomischen und gesellschaftlichen strukturellen Abhängigkeiten immer wieder zu vergegenwärtigen. Einen entscheidenden Stellenwert bei einer Ausstellung ohne Originalexponate hat die gestalterische und technische Umsetzung der zu erzählenden Geschichte. Daher ist eine

Fugger und Welser Erlebnismuseum Äußeres Pfaffengässchen 23 86152 Augsburg Tel. 0821/502070 [email protected] www.fugger-und-welsermuseum.de Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen: 10–17 Uhr, für Schulklassen nach Voranmeldung bereits um 9 Uhr

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Museumsporträts

oben: Das Fugger und Welser Erlebnismuseum im »Wieselhaus« Foto: Rudolf Morbitz Fiktiver Dialog zwischen Jakob Fugger und Bartholomäus V. Welser im Februar 1525 in der »Goldenen Schreibstube« Foto: Norbert Liesz Porträts mit der Möglichkeit der Animation fiktiver Gespräche von 1521 im Festsaal Foto: Norbert Liesz

enge Zusammenarbeit von Konzipienten mit Gestaltern und Medienexperten unabdingbar. Der Erfolg der Präsentation ruht somit auf den zwei Säulen »Inhalt« und »Gestaltung/ Inszenierung«. Was nützt ein guter Inhalt ohne eine unterstützende gestalterische Aufbereitung? Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch: Ein gutes Design bedarf kompetenter Inhalte. Rundgang durch die Ausstellung Die Besucher werden im Foyer sowohl durch ein Leitsystem als auch mit dem so genannten Lebenden Buch in das Haus eingeführt. Sie erhalten an der Kasse ein kleines Pfeffersäckchen mit einem integrierten RFID-Chip, der an entsprechenden Stelen in der Ausstellung Hörstationen aktiviert. Der eigentliche Rundgang beginnt im Seitentrakt, dessen Motto »Unternehmergeist und weltweiter Handel der Fugger und Welser. Von Augsburg in die Welt« lautet. Nach einer Einführung in die Familiengeschichte wird im ersten Raum die Beziehung der Wirtschaftsmetropolen Venedig und Augsburg um 1500 mit Hinblick auf die Fugger und Welser thematisiert. Die Freie Reichs- und Handelsstadt Augsburg zeichnete sich in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts als Handelsplatz für Silber und Tuche sowie als Geld- und Wechselmarkt mit Anbindung an den internationalen bargeldlosen Zahlungsverkehr aus. Zudem war sie das Zentrum im Regionalhandel u. a. für Barchent und Importwaren aus Italien. Für Augsburg waren die wirtschaftlichen Kontakte zu dem Standort Venedig bedeutend, da die Seerepublik um 1500 der zentrale Absatz- und Beschaffungsmarkt zwischen Ost und West bildete und als Informationszentrum und Ausbildungsort für junge Kaufleute große Bedeutung hatte. Die herausragende Stellung des Fondaco dei Tedeschi wird gesondert betont. Der Blick in die Moderne zeigt, dass in der heutigen digitalen Welt Wirtschaftsstandorte nicht allein entscheidend sind. In den beiden angrenzenden Räumen wird der internationale Handel der Fugger und Welser nach Osten, nach Indien, und nach Westen, nach Südamerika erzählt. Als didaktische Mittel wurde ein Modell des Schiffes »Lionardo« eingesetzt, auf welchem Balthasar Sprenger

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nach Indien fuhr und seinen Bericht über die Meerfahrt verfasste. Außerdem wurden ein computergesteuertes Tischspiel entwickelt sowie Entdecker-Guckkästen als interaktive Elemente für den Besucher installiert. Die Ausstellung will die Besucher damit auf allen Sinnesebenen ansprechen und ein attraktiver Lern- und Erlebnisort sein. Im Kellergeschoss wird die »Bedeutung der Montanwirtschaft für die Handelshäuser Fugger und Welser« behandelt. Erzgewinnung, Metallverarbeitung und Metallhandel werden durch Installationen mit Filmsequenzen thematisiert. Es ergeben sich daraus Einblicke zu Arbeitsabläufen und Berufen im Bergbau des 16. Jahrhunderts. Vorgestellt werden zudem die maßgeblichen Erze Silber, Kupfer, Blei sowie die Legierungen Bronze und Messing. Das 1. Obergeschoss ist mit zwei Räumen wirtschaftlichen Themen gewidmet. Kommunikation, Globalisierung, Wirtschaftsethik und Erfolgsfaktoren spiegeln an vier Stationen das wirtschaftliche und gesellschaftliche Handeln der Fugger und Welser mit gegenwärtigen Entwicklungen. Eine besondere Attraktion ist die Inszenierung der sog. Goldenen Schreibstube. Im Handelskontor der Fugger treffen sich Jakob Fugger und Bartholomäus Welser zu einem fiktiven Dialog im Jahr 1525. Es darf gelauscht werden bei dem Gespräch der bedeutenden Handelsherren über große Politik, Finanzmacht und Unternehmergeist. Die Inhalte des Dialogs greifen Aspekte auf, die auch in den anderen Ausstellungsräumen unter einem anderen Blickwinkel behandelt werden. Hierzu gehören: Rasche Nachrichtenübermittlung, Kaiserwahl Karl V., Zahlungsmoral und Monopolklage, Zusammenarbeit und Aufbruch in die Neue Welt. Der Dialog kann vom Besucher mittels des kleinen Pfeffersäckchens unterbrochen werden, um vertiefende Informationen zu erhalten. Der Festsaal im 2. Obergeschoss beinhaltet als zentrales Thema die Bedeutung des sozialen Netzwerkes der Patrizier sowie gesellschaftliche Ereignisse als Kontaktbörse und Teil des wirtschaftlichen Handelns. In einer magischen Galerie mit nachgebildeten Renaissance-Rahmen kann der Besucher fiktiven Gesprächen aus dem Februar 1521 während eines so genannten »Geschlechtertanzes« lauschen. Angeschnitten werden die Themen Heiratspolitik, Münzrecht für Augsburg, gesellschaftliches Vergnügen, Luther und Geschäftspolitik. Auch hier trifft der Besucher wieder auf Jakob Fugger und Bartholomäus Welser. Die Loggien im ersten und zweiten Stockwerk sind als Ruhezone gedacht und laden zum Verweilen ein. Das Gesehene kann an der Medienstation vertieft oder durch selbständige Recherchen ergänzt werden. So wird hier z. B. auch auf das kulturelle Engagement der Fugger und Welser hingewiesen. Schon die Kaufleute der Renaissance setzten ihren wirtschaftlichen Gewinn für Kunst, Kultur und Wissenschaft ein. Am Beispiel der Musik wird etwa die Verflechtung von Wirtschaft und Kultur näher aufgezeigt. Ein kleines dem Museumsareal zugehöriges Gartengrundstück rundet den Besuch ab. Thematisiert werden hier u. a. die Bücher der Philipine und Sabina Welser. Resümee Nach sechs Monaten Öffnungszeit konnte die neue Augsburger Einrichtung bereits fast 14.000 Besucher und Besucherinnen verzeichnen. Diese erfreuliche Resonanz belegt eindrücklich, dass sich die intensiven Überlegungen bei der Entwicklung der Ausstellungskonzeption gelohnt haben. Mit dem neuen Fugger und Welser Erlebnismuseum wurde in Augsburg ein weiterer attraktiver Ort geschaffen, der eine sinnvolle Ergänzung zum Besuch der berühmten Fuggerei darstellt.

Träger: Regio Augsburg Tourismus GmbH Verantwortlich: Götz Beck, Tourismusdirektor Bauherr: Katholischer Studienfonds vertreten vom Wohnungsund Stiftungsamt der Stadt Augsburg Bauleitung: Schrammel Architekten, Augsburg Kuratorinnen bis 18.8.2014: Dr. Stefanie von Welser, Kunsthistorikerin, Prof. Dr. Angelika Westermann, Lehrstuhl für Wirtschaft und Sozialgeschichte der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel, unterstützt von Franz Karg M. A., Leiter des Fugger Archivs, Dillingen sowie Dr. Maximilian Kalus, Wirtschaftshistoriker und Informatiker Musikstation: Prof. Johannes Hoyer und Dr. Stefanie Bilmayer-Frank, Leopold-Mozart-Zentrum der Universität Augsburg Texte: Dipl.-Betriebsw. (FH) Martin Kluger, Dr. Martin Tschechne Wissenschaftliche Beratung: ab 1.6.2014: Dr. Peter Geffcken, Historiker Projektleitung: Astrid Kellner M. A., Wiebke Schreier M. A., beide Regio Augsburg Konzeptionelle Beratung ab 1.6.2014: Dipl.-Betriebsw. (FH) Martin Kluger Gestalterische Umsetzung: Dipl.-Des. Ilja Sallacz von LIQUID; Ulrich Styra, DEKO& DESIGN Technik: Dr. Maximilian Kalus, Wirtschaftshistoriker und Master of Computer Science

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Forschung im Museum

Suche nach NS-Raubkunst

Beatrix Piezonka

Provenienzforschung in der Städtischen Sammlung Würzburg Die Städtische Sammlung Würzburg, heute beheimatet im Museum im Kulturspeicher, wurde 1941 im Auftrag der NS-Stadtregierung gegründet. Eine gezielte Bestandsuntersuchung nach NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kunstwerken schien deshalb ratsam. Um eine proaktive Provenienzforschung1 realisieren zu können, wurde im Sommer 2014 bei der Arbeitsstelle für Provenienzforschung – seit 2015 Deutsches Zentrum Kulturgutverluste – die Finanzierung eines Projekts beantragt. Es wurde für zunächst zwei Jahre bewilligt. Ende vergangenen Jahres konnte die Spurensuche beginnen. Der Fokus der Recherche richtet sich zunächst auf die Neuzugänge der Jahre 1941 bis 1945: Der Gründungsdirektor und langjährige Sammlungsleiter Heiner Dikreiter (1893–1966) erwarb in dieser Zeit rund 5.000 Werke. Sie kamen zum größten Teil durch Ankauf oder Schenkung direkt vom Künstler oder von dessen Erben in die Städtische Sammlung Würzburg. In diesen Fällen ist die Herkunftsgeschichte der Objekte geklärt und kann als unbedenklich2 im Sinne eines NS-verfolgungsbedingten Entzuges eingestuft werden. Etwa 1.000 Werke stammen jedoch aus dem (oft überregionalen und durchaus renommierten) Kunsthandel und stehen somit unter Generalverdacht. Den Ausgangspunkt der Provenienzrecherche bildet das Inventarbuch, welches erst in der Nachkriegszeit – vermutlich 1950 – von Dikreiters Mitarbeiterin Annemarie Pabst erstellt wurde. Woher ihre Angaben stammten, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. (Aufklärung könnte noch die Fahndung nach versprengten Unterlagen an ehemaligen Standorten der Städtischen Sammlung bringen.) Die weitere, rudimentär vorhandene hauseigene Aktenüberlieferung setzt sich aus vereinzeltem Schriftverkehr sowie wenigen Künstlernachlässen – z. B. von Emy Roeder oder Hugo von Habermann – und den Nachlässen von Heiner Dikreiter und Annemarie Pabst zusammen. Letztere sind umfangreich und noch nicht aufgearbeitet. Die zeitaufwändige Durchsicht steckt in den Anfängen, jedoch muss (leider) ein zeitlicher Schwerpunkt auf die 1950er Jahre konstatiert werden.

Blick in die Inventarbücher der Städtischen Sammlung Würzburg Foto: Tom Haasner, Museum im Kulturspeicher Würzburg Ferdinand von LütgendorffLeinburg: Dame vor dem Spiegel (Frau von Muhr), 1834. Erworben am 4.7.1942 von der Galerie Wolfgang Gurlitt, Berlin Foto: Elmar Hahn Studios, Museum im Kulturspeicher Würzburg

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Die Rückseite des Gemäldes »Dame vor dem Spiegel« offenbart der Provenienzforschung Hinweise Foto: Christian Michel, Museum im Kulturspeicher Würzburg

Nicht selten stößt man im Inventar auf den allseits bekannten Namen Gurlitt: Dabei handelte es sich um die Galerie Gurlitt in Berlin. Zu dem Besitzer Wolfgang Gurlitt3 pflegte Direktor Dikreiter ein nahezu freundschaftliches Verhältnis. Da dieser Kunsthändler nachweislich mit verfolgungsbedingt entzogenen jüdischen Kulturgütern agierte, stehen die rund 50 bei ihm bis 1945 getätigten Erwerbungen im Fokus der Untersuchung. Dazu gehört das bekannte Gemälde »Dame vor dem Spiegel (Frau von Muhr)«, gemalt 1834 von Ferdinand von Lütgendorff-Leinburg und am 4. Juli 1942 für die Städtische Sammlung in Berlin erworben. Wer waren die Vorbesitzer? Sowohl die Kontextrecherche als auch die Objektautopsie, d. h. die Untersuchung der Rückansicht des Gemäldes, offenbarten eine Spur nach Österreich. Zwar steht der (leicht beschädigte) Aufkleber auf dem Kopf, jedoch ist der Aufdruck »Wien« gut lesbar. Dagegen ist der (teilweise abgerissene) mit Bleistift verfasste Zettel schwieriger zu entziffern, die Handschrift lautet »Gurlitt Berlin«, das Datum »6. März 42« wurde gestempelt. Vermutet wurde nun ein Zusammenhang mit der Wiener Versteigerungs-Anstalt Dorotheum4 und die Durchsicht der entsprechenden Kataloge zeitigte tatsächlich ein Ergebnis: Bei der Auktion am 24. Februar 19425 fand sich Frau von Muhr bzw. ihr Gemälde als Los 111. Im Austausch mit der Provenienzforscherin des heutigen Dorotheums konnte die oben links mit Kreide vermerkte Nummer »212630-72« eindeutig als Konsignationsnummer identifiziert werden. Die angehängte Zahl »72« bezieht sich auf die eingelieferten Objekte – derselbe Einlieferer hat demzufolge mindestens 72 Gegenstände eingebracht; die hohe Anzahl könnte auf einen anderen Händler hindeuten. Jedoch konnte aufgrund fehlender Unterlagen der Einlieferer bei der Auktion bisher nicht ermittelt werden. Vielleicht werden die Recherchen zu den Familien von Muhr und von Lütgendorff-Leinburg weitere Puzzleteile liefern. Zu verschiedenen Ankäufen ließen sich zumindest die Initialen der Einlieferer bereits eruieren. Einmal sogar trotz falscher Erstinformation: So vermerkt das Inventarbuch für das Gemälde »Mondnacht« (1918) von Friedrich Fehr das Zugangsdatum 6. April 1942. Alarmierend war die mit »Kunsthaus Wilhelm Ettle, Frankfurt am Main« angegebene Herkunft, denn hier wurden zwischen 1941 und 1944 beschlagnahmte Kunstwerke versteigert.6 Ein Auktionskatalog dieses Zeitraums ließ sich zwar nicht finden, jedoch ergab die konsequente Durchsicht einen Treffer im Katalog Nr. 103.7 Unter »Los 92« stimmten die Daten überein und die Abbildung (Tafel 8) erlaubte die eindeutige Identifizierung des mit »Nachtwächter« betitelten Werkes. Die Liste der Auftraggeber enthüllte den Einlieferer als »W. L.« Daraufhin wurde das Zugangsdatum korrigiert und in »6.4.1943« umgeändert, zumal ein zweites Gemälde – »Mädchen mit Wasserkrügen« von Rudolf Gudden – an eben diesem Tag und aus derselben Quelle

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Forschung im Museum

in die Städtische Sammlung kam. Für dieses Objekt ergab sich der Einlieferer »G. He.« Nun setze ich zwecks vollständiger Abklärung auf amerikanische Archivalien, speziell die sogenannten »Ettle Cases« – und hoffe natürlich auf die Unterstützung des Kollegenkreises, denn Vernetzung ist essentiell für die Provenienzforschung. Parallel zur reinen Recherche freue ich mich auf die Vermittlungstätigkeit: Eine erste Kurzführung liegt auf Halde, um interessierte Besucherinnen und Besucher für das Thema Provenienzforschung zu sensibilisieren.

Friedrich Fehr: Mondnacht (oder Nachtwächter), 1918. Erworben am 6.4.1943 vom Kunsthaus Wilhelm Ettle, Frankfurt am Main Foto: Christian Michel, Museum im Kulturspeicher

1 An dieser Stelle soll – und kann – weder eine vollständige Begriffserläuterung erfolgen noch der heutige Stand der Provenienzforschung in Bayern dargestellt werden. Letzterer ist in zwei Publikationen der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern nachzuvollziehen (als PDF unter www.museen-in-bayern.de abrufbar): Bambi, Andrea: Zur Provenienzforschung im Jahr 2013 in Bayern, ein Überblick, in: Ja was is denn des?! Forschen im Museum, 17. Bayerischer Museumstag 10.12.7.2013 in Passau, München 2014, S. 20-27; sowie Hanemann, Regina: Provenienzforschung in der Provinz, in: museum heute, (46) 2014, S. 43-46. Außerdem möchte ich auf die im Mai 2015 in Essen stattgefundene Jahrestagung des Deutschen Museumsbundes »Die Biografie der Dinge. Provenienzforschung weiter denken« verweisen, die das Themenspektrum der Provenienzforschung aufzeigte (vgl. hierzu S. 98 in diesem Heft).

Dass es auch andere Bedenken gibt, verdeutlichte 2013 eine Ausstellung des Museums im Kulturspeicher, die sich kritisch mit der Sammlungsgeschichte und der Person Heiner Dikreiters auseinandersetzte. Dabei wurde die

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inhaltliche Nähe der erworbenen Kunst zur NS-Ideologie beleuchtet. Vgl. Tradition & Propaganda. Eine Bestandsaufnahme. Kunst aus der Zeit des Nationalsozialismus in der Städtischen Sammlung Würzburg, Würzburg 2013 (Ausstellungskatalog). 3 Nicht zu verwechseln mit seinem Cousin Hildebrand Gurlitt und dessen Sohn Cornelius, den Protagonisten des »Schwabinger Kunstfundes«. Wolfgang Gurlitt lebte, in Berlin ausgebombt, kurzzeitig in Würzburg; zu seiner Person (und zur Familiengeschichte) sei auf folgenden Aufsatz verwiesen: Schuster, Walter: Facetten des NS-»Kunsthandels« am Beispiel Wolfgang Gurlitt, in: Anderl, Gabriele/Caruso, Alexandra (Hrsg.): NS-Kunstraub in Österreich und die Folgen, , Innsbruck 2005, S. 212226«.

Zur Beteiligung des Dorotheums am Kulturgüterraub in Österreich siehe Lütgenau, Stefan/Schröck, Alexander/Niederacher, Sonja: Zwischen Staat und Wirtschaft. Das Dorotheum im Nationalsozialismus, Wien/München 2006

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5 Dorotheum, Wien/Kunstabteilung (Hrsg.): Gemälde des 15. bis 20.

Jahrhunderts, Aquarelle, Handzeichnungen, Miniaturen, Graphik, Skulpturen, Möbel, Bildteppiche und sonstige Textilien, Arbeiten in Gold, Silber, Zinn u. a. Metallen (Waffen), Ostasiatisches Kunstgewerbe: Versteigerung: 24., 25., 26. und 27. Februar 1942 (Katalog Nr. 471), Wien 1942. Dieser Auktionskatalog konnte online recherchiert werden unter: http://digi.ub.uni-heidelberg. de/diglit/dorotheum1942_02_24. 6 Vgl. u. a. im biografischen Verzeichnis bei Fleckner, Uwe/Hollein, Max (Hrsg.): Museum im Widerspruch. Das Städel und der Nationalsozialismus, Berlin 2011, S. 343-344, sowie Koldehoff, Stefan: Die Bilder sind unter uns. Das Geschäft mit der NS-Raubkunst. Frankfurt a. M. 2009, S. 126-136

Kunsthaus Wilhelm Ettle, Frankfurt a. Main (Hrsg.): Gemälde neuer und alter Meister, Plastik, Aquarelle, Zeichnungen, Möbel, antike Teppiche aus oberhessischem und verschiedenem Besitz: 23., 24. Februar 1943 (Katalog Nr. 103), Frankfurt a. M. 1943, online unter: http://digi.ub.uni-heidelberg. de/diglit/ettle1943_02_23

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Das »Kalthaus« aus Nordheim vor der Rhön

Sabine Fechter

Ein neues Museumsgebäude für das Fränkische Freilandmuseum Fladungen Mit Blaulicht ins Museum – Spektakulärer Transport des Kalthauses ins Freilandmuseum Noch vor Wintereinbruch am 21. November 2014 kam die 1958 erbaute Gemeinschaftsgefrieranlage aus Nordheim vor der Rhön mit einem Schwerlasttransport an seinen neuen Standort in das Freilandmuseum Fladungen. Der Wunsch der Museumsleitung, das ca. 6,50 m x 7 m große Gebäude zugunsten seiner Originalität im Ganzen zu transportieren, wurde nach einem ersten Ortstermin erst einmal verworfen. Erst eine eingehendere Beschäftigung mit dem Bauwerk durch mehrere Fachleute und der Mut des Bauunternehmers Alfred Allgeier der Ostheimer Firma Stiel-Bau gaben dann den Ausschlag, dieses knifflige Projekt doch zu wagen. Ideen und sorgfältige wochenlange Planung waren nun gefragt, um das Objekt auf den Transport vorzubereiten. Auch die Zusammenarbeit mit professionellen Partnern wie dem Schwerlasttransportunternehmen Markewitsch aus Nürnberg oder mit Herrn Gernot Meyer des zuständigen Architekturbüros Wiener und Partner aus Karlstadt, ließen schließlich dieses Projekt glücken. Voraussetzung für das Anheben und den sicheren Transport in einem Stück war, das Gebäude vorsichtig von seinem alten Fundament zu trennen und ein neues zu schaffen. Dazu trug die Firma Stiel zunächst Stück für Stück des alten Fundaments unter dem Gebäude ab und ersetzte es mit insgesamt 19 Stahlträgern im Abstand von 30 cm. Das Gerüst wurde mit Beton verpresst, das Gebäude selbst mittels einer Stahlkonstruktion verspannt und stabilisiert, damit der Kran es überhaupt anheben konnte. Mit Stützkonstruktion wog es nun 110 Tonnen, wie sich bei einem am Abend vorher geglückten »Probehub« herausstellte. Nun konnte das Projekt am nächsten Morgen starten. Ein Schwerlastkran hob das Kühlhaus über acht Meter hoch auf einen 16-achsigen Schwerlasttieflader, da ein Nachbargebäude überwunden werden musste. Danach fuhr der Transporter das gesamte Kühlhaus vorsichtig bei langsamem Tempo und mit Blaulicht rund sieben Kilometer weiter nach Fladungen ins Fränkische Freilandmuseum, wo es noch am Nachmittag an seinem endgültigen Standort nahezu unversehrt ankam. Auf der Fahrt durch den Ort Nordheim wurde es nochmal spannend. Hier leistete die Firma Markewitsch Präzisionsarbeit, denn auf dem Weg wurde die Ortsdurchfahrt so eng, dass zwischen dem Kühlhaus und der Ortsbebauung nur wenige Zentimeter Platz waren. Schließlich war die spektakuläre Aktion erfolgreich, die sowohl bei Einheimischen als auch Presse und Fernsehen für große Aufmerksamkeit sorgte und bei allen Beteiligten für Erleichterung. Gemeinschaftsgefrieranlagen – praktische Erfindung für nur kurze Zeit Der Griff in das eigene Tiefkühlfach ist heute in jedem Haushalt selbstverständlich, doch das war nicht immer so. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Tiefgefrieren entwickelt, um Lebensmittel länger haltbar zu machen. Erst in den 1950er Jahren verbreitete sich diese Technik flächendeckend. Vielerorts in ganz Deutschland entstanden sogenannte »Gemeinschaftsgefrieranlagen« oder »-häuser« mit Kühlfächern, die als neue technische Errungenschaft begrüßt wurden. Entweder errichteten die Dorfbewohner eigens für diesen Zweck Gebäude wie in Nordheim oder die Gefrieranlagen wurden in Kombination mit anderen Gemeindefunktionen wie z. B. Gemeindewaschhaus, Backhaus o. ä. installiert. Die Kühlfächer konnten in Wandschränken (Schrankanlagen), ebenerdigen Truhen (Truhenanlagen) oder in Form eines Karussells angeordnet sein, wie bei unserem Beispiel. Wegen ihrer Drehfunktion

Dieser Aufsatz erschien in leicht veränderter Fassung auch in: Franken unter einem Dach, (36) 2014

Das Kühlhaus aus Nordheim vor der Rhön am Haken Foto: Archiv des Fränkischen Freilandmuseums Fladungen, S. Fechter Das Kühlhaus mit dem Schwerlasttransport auf dem Weg ins Museum Foto: Archiv Fränkisches Freilandmuseum Fladungen, S. Fechter Am Kühlhaus angebrachtes Firmenschild der KühltechnikFirma Ate Foto: Archiv Fränkisches Freilandmuseum Fladungen, H. Hacker

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war der zeitgenössische Fachausdruck für diesen Funktionstyp »Rotofrostanlage«. Diese Gefrieranlagen entstanden meist in Gemeinschaftsleistung und waren auch genossenschaftlich organisiert. Für einen geringen Betrag konnte man eines oder mehrere Fächer mieten. Diese in den 1950er und vor allem 1960er Jahren gemeinschaftlich betriebenen Kühlhäuser in den Dörfern können als Vorreiter der Gefriertruhen und -schränke in den Privathaushalten bezeichnet werden. Bisher war es üblich, dass das Kühlen und Gefrieren wie seit Jahrhunderten in Kellern und Eiskellern stattfand. Fleisch konnte nur durch Pökeln, Räuchern oder Einmachen in Dosen und Gläsern haltbar gemacht werden. Mit den ersten Gefrieranlagen begann ein neues Zeitalter der Lagerung von Lebensmitteln. Sie boten der ländlichen Bevölkerung neue Möglichkeiten der Konservierung und ein jahreszeitlich unabhängiges Wirtschaften. Schlachtungen konnten beispielsweise nun auch in den warmen Sommermonaten durchgeführt werden. Auch Gemüse wurde auf diese Weise haltbar gemacht, so dass immer frische Produkte zur Verfügung standen. Die Kühlhäuser garantierten damit das ganze Jahr über eine hygienische Vorrats- und Frischhaltung von Lebensmitteln. Für Familienhaushalte und den privaten Gebrauch waren Gefriertruhen damals noch nahezu unbezahlbar. Deshalb galten die Gemeinschaftsgefrieranlagen auf den Dörfern nicht nur als neuartige, sondern auch als finanziell erschwingliche Lösung. Trotz der flächendeckenden Errichtung solcher Gefrieranlagen und der staatlichen Unterstützung solcher Initiativen ließen vor allem der rasante technische Fortschritt in den Privathaushalten diese Einrichtungen schon nach kurzer Zeit funktionslos und damit überflüssig werden. Kühlkarussell als besondere Attraktion1 Einer der letzten Vertreter des Funktionstyps »Rotofrostanlage« stand bis vor kurzem in Nordheim vor der Rhön. Das Häuschen befand sich an dem Flüsschen Streu, unmittelbar an der südöstlichen Ortsmauer des Altortes. Das nur 6,50 m breite und 7,25 m lange, verputzte Gebäude mit Satteldach ist massiv aus Ziegelsteinen gemauert. Die Außenmauern sind im Bereich der Kühlräume zur Isolierung mit verputzten teerhaltigen Korkdämmplatten verkleidet. Die zum Wasser gewandte Seite weist ein großes vierflügeliges Sprossenfenster auf, die Fenster zum Motorenraum besitzen Öffnungen mit Jalousienklappen, die zur Lüftung dienen. Im Inneren des Kühlhauses befindet sich ein zentraler belichteter, gefliester Arbeitsraum, in dem das Gefriergut zum Einfrieren vorbereitet oder abgepackt werden konnte. Daran schließt sich ein Technikraum an, in dem sind Kältemittelverdichter mit Antriebsmotor und Verflüssiger installiert, um die entsprechenden Kühltemperaturen zu erzeugen. Ein kleiner separater Raum wird Vorfroster genannt.

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Der zentrale Arbeitsraum im Kühlhaus Foto: Archiv Fränkisches Freilandmuseum Fladungen, H. Hacke

Er diente dazu, bei -25°C große Mengen von Kühlgut möglichst schnell einzufrieren, bevor es im eigentlichen Gefrierfach eingelagert wurde. In einem weiteren gefliesten Kühlraum konnte großes Schlachtgut gekühlt werden. Darin befand sich ein hölzernes Regal und es war eine Hakenleiste angebracht, an die die großen Fleischstücke wie Wild oder Schweinehälften gehängt wurden. An der Wand war ein Verdampfer mit Lüfter montiert. Schließlich gab es noch den Raum mit drehbarem Fächerschrank (Drehkarussell mit Gefrierfächern), der als Herzstück der Gemeinschaftsgefrieranlage bezeichnet werden kann. Es handelt sich um eine seltene, aber platzsparende Lösung der Kühltechnik-Firma Ate (Alfred Teves GmbH Frankfurt a. M.) zur Unterbringung des Gefriergutes in einem Drehgestell. In Nordheim sind die 144 Gefrierfächer in neun Ebenen zu 16 Fächern in einem Drehkarussell ähnlich wie Kuchenstücke einer mehrstöckigen Torte angeordnet. Durch Bedienung eines Schaltbordes setzte der Nutzer das Karussell in Bewegung und brachte es durch Voroder Zurückschalten in die richtige Position, um an sein Gefrierfach zu gelangen. Der Raum selbst wurde nicht betreten. Als mobile Gegenstände befanden sich im Kühlhaus noch eine hölzerne Trittleiter, um an die oberen Fächer zu gelangen, ein Tisch zur Verarbeitung des Schlachtgutes und ein kleines Fahrgestell, das zum Schockgefrieren des Schlachtgutes in den Vorfroster eingestellt werden konnte. War das Gefriergut kühl genug, kam es in die Gefrierfächer. Wenn aus wirtschaftlichen Erwägungen die Kühlung im Freilandmuseum auch nicht mehr in Betrieb genommen wird, so kann der Besucher hier selbst ausprobieren, wie das Schaltbord bedient werden muss, um das Karussell in die gewünschte Position zu bringen. Neben der technischen Funktionsweise erfährt er natürlich auch etwas über die Entstehung, die Nutzung und den Betrieb des Nordheimer »Kalthauses«. Betrieb und Nutzung Leider haben wir aufgrund der fehlenden schriftlichen Unterlagen zum Kühlhaus in Nordheim wenige nachprüfbare Angaben. Doch durch mündliche Aussagen von Zeitzeugen und vor allem durch das Interview mit Christof Beck, der die Gemeinschaftsgefrieranlage von 2003 bis 2009 betreute, erfahren wir mehr über die Nutzung und den Betrieb dieser Anlage. Als Initiativpersonen zum Bau des Kalthauses und zur Gründung der Gefriergemeinschaft können drei Familien und eine Einzelperson identifiziert werden. Sie organisierten den Bau, den Betrieb, die Reinigung und nahmen auch technische Wartungen vor. Es handelte sich aber vermutlich um keine eingetragene Genossenschaft, da hierzu jegliche Eintragung in einem Genossenschaftsregister fehlt. Zu Beginn wurden die Fächer durch die Erbauer und Gründungsmitglieder einer Kühlgemeinschaft belegt. Diese setzte sich aus wohlhabenderen Landwirten zusammen, die auch mal zwei Fächer belegen konnte, denn zu Beginn war die neue Möglichkeit der Kühlung sehr begehrt. Eine Weitergabe von Kühlfächern fand vermutlich »von Hand zu Hand« statt. Weder konnten hierzu Dokumente zur offiziellen Ablöse eines ausscheidenden Mitglieds oder Übergabeprotokolle noch Vertragsunterlagen aufgefunden werden. Das Haus war von 2003 bis 2009 ganztägig offen, nur nachts wurde es abgeschlossen. Zu den einzelnen Kühlfächern hatte jeder Besitzer seinen Schlüssel.

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Ein Glücksfall für das Freilandmuseum In den 1950er und -60er Jahren gab es Gefrieranlagen in beinahe jedem Dorf. Heute findet man sie nur noch selten. Entweder existieren sie in umgenutzter Form beispielsweise als Bushäuschen oder Lagerräume weiter oder sie wurden abgebrochen. Da das äußere Erscheinungsbild dieser Gebäude in der Regel unscheinbar ist, sind diese Technikbauten auch stark in ihrem Bestand gefährdet. Im Gegensatz zu repräsentativen Gebäuden besteht hier kaum der Wunsch nach Erhaltung. So war es für das Freilandmuseum ein Glücksfall, dass die Gemeinde Nordheim ihr »Kalthaus« – wie die Nordheimer es nennen – an den Zweckverband Fränkisches Freilandmuseum zur Übernahme für sein Museum anbot. Hinzu kommt, dass es bis zum 31. Dezember 2009 in Betrieb war und noch von einigen wenigen Nordheimer Bewohnern genutzt wurde. Das Freilandmuseum erhielt das Angebot eines funktionsfähigen und seit seiner Erbauungszeit in Ausstattung und Bausubstanz kaum veränderten Originalgebäudes. In seiner Vollständigkeit dürfte es unterfrankenweit einer der letzten Vertreter dieses Funktionstyps sein. Damit erhalten wir ein wichtiges Zeugnis dörflicher Geschichte, denn diese Gefrieranlagen prägten nicht nur das Ortsbild vieler Dörfer, sondern stehen für eine kurze, aber wichtige Modernisierungsphase in der Entwicklung des Dorflebens. Sie sind aber auch Dokument für das genossenschaftlich ausgerichtete Wirtschaften jener Jahre, das in Unterfranken durch alle Zeiten hindurch wirksam war. Daher verdient das Nordheimer Kühlhaus zu Recht einen Platz in einem unterfränkischen Museum für dörfliche Kultur.2 Selbstverständlich war auch die Übertragung des Kühlhauses in einem Stück auf das Museumsgelände eine Meisterleistung aller Beteiligten, und wiederum ein Glücksfall für das Freilandmuseum. Denn durch diese Versetzungsmethode war es möglich, die Originalbausubstanz der 1950er Jahre einschließlich sämtlicher Oberflächen und Materialien zu erhalten. Alles blieb so, wie es am alten Standort war und musste nicht ab- und wiederaufgebaut werden. Nach umfassenden Reinigungsarbeiten, kleineren Reparaturen und konservatorischen Maßnahmen konnte es am 19. April 2015 feierlich eröffnet werden. Damit halten nun auch baulich die 1950er Jahre Einzug ins Fränkische Freilandmuseum Fladungen.3

1 Hierzu liegt eine bauhistorische Untersuchung aus dem Jahr 2012 von Peter Dresen vor. Außerdem das unveröffentlichte Manuskript »Präsentationskonzept für das Fränkische Freilandmuseum Fladungen September 2014« von Eike Lossin, das Befragung, archivalische Recherchen und Präsentationsideen enthält.

Siehe auch die Gemeinschaftsgefrieranlage im Kirchenburgmuseum Mönchsondheim, die in situ ist und das Museumskonzept ergänzt, aber nur teilweise eingerichtet ist. Siehe dazu: Franken unter einem Dach, (34) 2012, S. 133

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3 Siehe auch May, Herbert: Stahl statt Fachwerk, Schrankwand statt Bauernschrank. Neue Schwerpunkte in Freilichtmuseen, in: Franken unter einem Dach, (34) 2012, S. 5-12

Das Kühlkarrussell mit den abschließbaren Fächern für das Gefriergut Foto: Archiv Fränkisches Freilandmuseum Fladungen, H. Hacker

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»Künstliche Kälte« im Verbund Die Transferierung des Kalthauses aus Nordheim nach Fladungen In einigen Freilandmuseen Deutschlands wurde in jüngster Vergangenheit das Thema Ernährung aufgegriffen und facettenreich präsentiert, so beispielsweise im sogenannten »Alimentarium« des Freilichtmuseums am Kiekeberg nahe Hamburg (vgl. museum heute, (42) 2012, S. 35-38) oder im »Culinarium« im Freilandmuseum Domäne Dahlem in Berlin. Das Kalthaus aus Nordheim, welches kürzlich im Fränkischen Freilandmuseum Fladungen wiedereröffnet wurde, spricht sehr anschaulich einen besonderen Aspekt dieses Bereichs an: die genossenschaftlich organisierte Lagerung tiefgefrorener Nahrungsmittel auf dem Land. »Den vielleicht markantesten Beitrag zur Nationalisierung, Globalisierung und jahreszeitlichen Permanenz der Lebensmittelversorgung leistete die Kühltechnik.«1 »Für die Tiefkühlung mußte bei dem Landwirt erst psychologische Vorarbeit geleistet werden.«2 Bis ins 20. Jahrhundert hinein bildete die Lagerung von verderblichen Lebensmitteln ein echtes Problem. Bier und Wein blieben in kühlen Kelleranlagen vor zu hohen Temperaturen geschützt, beim Bier sorgte man zusätzlich durch das Einbringen von Stangeneis im Winter für herabgesetzte Temperaturen bis in den Sommer hinein. In zentralen Kühlhäusern des 19. Jahrhunderts deponierte man das Eis unter dem Dach, was entsprechende statische Ertüchtigung erforderlich machte. Die Geschichte der Kühlhäuser mit technisch erzeugter Kälte, die diese Bauweise dann ablösten, reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Um 1870 begann man nach Vorbildern in den USA und Skandinavien auch in Deutschland große zentrale Kühlbauten mit technisch erzeugter Kälte zu errichten. Anlass gab das Wachsen der Städte, dem beispielsweise die Schaffung zentraler Schlachthöfe nachfolgte und die notwendige Zwischenlagerung des Fanges in küstennahen Gebieten, in denen Fischfang auch in den wärmeren Monaten für den Export betrieben wurde. Für den privaten Gebrauch kamen zwar Kühlschränke schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den Handel, doch verdankten diese ihre Wirkung zunächst noch dem traditionellen Stangeneis. Fortschritt im »Wirtschaftswunder« Die mit elektrischem Strom betriebenen Kühlschränke lösten in den frühen Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg diese Typen ab und zählten in ihrer Zeit zu den Insignien des Aufschwungs und als Symbole für Innovation und technischen Fortschritt im Haushalt. Als 1950 auf der »Deutschen Industrie Ausstellung zu Berlin« mit einem Fertighaus unter dem bemerkenswerten Slogan »Amerika zu Hause« ein anschauliches Modell der Zukunft im Eigenheim präsentiert wurde, verfügte dieser aus heutiger Sicht bescheidene Bau in der Küche ganz selbstverständlich über einen Kühlschrank – allerdings noch nicht, wie u. a. in den USA schon länger üblich, als passendes Untertisch-Einbaumöbel. Auf dieser Ausstellung boten sieben deutsche Firmen Kühlschränke an, »Kühlschränke (elektrisch)« erschienen allerdings nur unter Brown Boveri Company mit Sitz in Mannheim. Im weiteren Verlauf der 1950er Jahre erweiterten immer mehr Firmen ihre Produktpalette um Kühlschränke für den privaten Haushalt, auch solche mit Tiefkühlfächern (-18°C), doch blieb vor allem wegen des hohen Preises diese Neuerung noch längere Zeit keine Option für Verbraucher auf dem Land.

Georg Waldemer

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Alfred Teves K G Bei der genannten Ausstellung in Berlin fanden die Besucherinnen und Besucher in Halle 11 unter den Produkten der »Kälteindustrie« bei Stand 110 »Kühlanlagen« der Firma »Alfred Teves K. G.«. Jene war 1906 in Frankfurt am Main gegründet worden und festigte ihren Ruf über die Jahre mit hydraulischen Bremssystemen, bevor 1928 in Erweiterung der Produktpalette der erste Haushaltskühlschrank das Werk verließ. Als Besonderheit besaß dieses Erzeugnis als erster Kühlschrank in Europa einen selbstregelnden Thermostat. »Ate« errang ein nicht unbedeutendes Marktsegment in Landwirtschaft und Milchwirtschaft, bei der Speiseisproduktion, bei fleischverarbeitenden Betrieben wie Wurstfabriken, in der Gastronomie und im Krankenhausbereich.3 Nach Wiederaufnahme der Produktion im Jahr 1946 und der Produktion von u. a. »Rotofrost-Anlagen«, wie sie in Nordheim eingebaut wurde, stellte die Firma Mitte der 1960er Jahre den Bereich Kältetechnik komplett ein4 und griff erneut die Produktion von Fahrzeug-Bremssystemen auf. Sie besteht heute als »Continental Teves AG & Co. oHG« mit Sitz in Frankfurt am Main weiter. »Ate«-Produkte der Kältetechnik arbeiteten mit dem Kompressionsprinzip, welches der deutsche Ingenieur und Thermodynamiker Carl Linde (1842–1934) zur Serienreife in Kälteanlagen entwickelt hatte. Auch die von Linde gegründete Firma – noch heute sehr erfolgreich in dieser Branche – lieferte wie der Konkurrent »Ate« in den 1950er Jahren zahlreiche Kühlaggregate und »Lockers«, also Schließfachanlagen, für genossenschaftliche Kalthäuser. Genossenschaften für Kalthäuser Solange der Kauf eines eigenen Kühlschrankes wegen des nicht unbeträchtlichen Preises noch nicht getätigt werden konnte, bedeutete die Entwicklung genossenschaftlich betriebener Kühlhäuser eine attraktive Alternative. In solchen Kühl- oder »Kalthäusern« konnte man für vergleichsweise wenig Geld ein Fach oder mehrere zum Zwecke des Tiefgefrierens anmieten und sparte sich damit die hohe Investition im eigenen Haus. Der Bau solcher Anlagen wurde deshalb staatlicherseits gefördert und von Seiten der Landwirtschaftsberatung unterstützt.5 So organisierte die Landfrauenabteilung bei der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft im Jahr 1953 eine Besichtigungsfahrt zu Gemeinschaftsgefriereinrichtungen in Dänemark, wo derartige Anlagen schon vermehrt im Einsatz waren.6 Offenkundig unternahm man auch vor Ort werbliche Maßnahmen. Eine solche Initiative, die offenbar zum Abbau von Vorbehalten in der Bevölkerung gegenüber dem Einfrieren von Fleisch unternommen wurde, ist in einem Zeitungsbericht der Passauer Neuen Presse vom 1. April 1959 für einen Ort in Niederbayern dokumentiert: »Werbung für die Gefrieranlage. Tiefenbach. In den letzten Tagen ist die genossenschaftliche Gefrieranlage, die im Raiffeisenhaus untergebracht ist, ihrer Bestimmung übergeben worden. Die Genossenschaften haben nun sofort ihre Kühlfächer mit Frischfleisch der letzten Hausschlachtungen gefüllt. Um allen Bevölkerungsschichten den großen Vorteil einer Gefrieranlage zu veranschaulichen und um den bekömmlichen Genuß von Gefrierfleisch ausprobieren zu können, werden heute in der Zeit von 10 bis 11 Uhr und von 13 bis 14 Uhr vor der Gefrieranlage an alle Kostproben von Gefrierfleisch ausgegeben.« In Deutschland trafen die Anregungen, Bau und Betrieb von Kühlhäusern genossenschaftlich zu regeln, auf dem Land auf positive Resonanz, nicht zuletzt wohl auf Grundlage des bereits stark ausgebildeten Genossenschaftsgedankens in der Landwirtschaft: Die Bedeutung der Initiative von Friedrich Wilhelm Raiffeisen für diesen Bereich ist allgemein bekannt.7 Außerdem gab es damals auf lokaler Ebene auch in Bayern bereits eine Vielzahl

Auf der »Deutschen Industrie Ausstellung« 1950 in Berlin sollte dieses Fertighaus für den »American Way of Life« werben. In der Einbauküche stand selbstverständlich schon ein elektrischer Kühlschrank (Umschlag des Begleitheftes)

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oben: Interessierte Blicke einer Abordnung der Landfrauen der DLG richten sich beim Besuch einer Gemeinschaftsgefrieranlage 1953 in Dänemark auf die Reihe von Kühltruhen (Abb. in Lachenmaier 1985 [Anm. 6], S. 117) In eindrucksvoller Weise führt diese Graphik im Fachblatt Die Kälte den imposanten Boom vom »Gemeinschafts-Gefrieranlagen« gegen 1960 in Deutschland vor Augen. (Die Kälte, 1960, S. 281) Dieser Grundriss aus dem Fachblatt »Die Kälte« zeigt exakt eine Karussellanlage, wie sie in Nordheim gebaut wurde (Die Kälte, 1960, S. 76)

genossenschaftlicher Einrichtungen, wie beispielsweise bei Molkereien und Käsereien. Vormoderne gemeindliche Einrichtungen wie das Hirtenwesen oder die Tradition der Gemeindebacköfen, wie sie besonders für Unterfranken nachgewiesen ist8, mögen auch die Akzeptanz für derartige Organisationsformen begünstigt haben. Grobe statistische Daten für die Situation zu Beginn der 1950er Jahre in Deutschland und dem Vorbild Dänemark sind dem Handbuch der Kältetechnik zu entnehmen, das 1952 in seiner ersten Auflage publiziert wurde: »In Deutschland wurden 1948 insgesamt etwa 350 Kälteschließfachanlagen betrieben. [Zu Dänemark:] 1951 sollen bereits 1.400 Anlagen mit durchschnittlich 70 Schließfächern (Lockers) bestanden haben, es gibt jedoch auch solche mit 500. Auf 1.000 Einwohner kommen in Dänemark demnach etwa 23 Lockers (1951), in USA dagegen schätzungsweise 39 (1949). Die Zahl der Schließfächer der einzelnen Anlagen ist meist nur auf den Bedarf eines einzigen [= einzelnen] Dorfes abgestimmt […]. Etwa die Hälfte der Lockeranlagen ist im Besitz von Genossenschaften.«9 Verschiedene Typen Genaueren Aufschluss über die Verhältnisse – auch in Bayern – gewinnen wir aus der Fachpresse jener Jahre, insbesondere der Fachzeitschrift Die Kälte10. Grundsätzlich unterschied man zwischen drei Systemen: den »Raumgefrieranlagen«, den »Schrankgefrieranlagen« und den »Boxen- oder Kummenanlagen«.11 Die genannten Systeme konnten kombiniert werden. Bei den beiden letztgenannten Systemen brauchte nicht der ganze Raum heruntergekühlt zu werden, da darin befindliche Einbauten wie Schränke oder Truhen die Kühlung übernahmen, weswegen man dafür auch den Begriff der »Warmraumanlagen« gebrauchte.12 Eine solche Anlage – mit großen Truhen – hat sich in Mönchsondheim bei Iphofen erhalten, wurde jüngst von Seiten des dortigen Kirchenburgmuseums didaktisch aufbereitet und wird der Öffentlichkeit im Rahmen von Führungen gezeigt.

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Die Situation in Bayern Als im Jahr 1958 in Nordheim das nunmehr auf dem Gelände des Freilandmuseums befindliche Kalthaus erbaut wurde, zählte man in der Bundesrepublik Deutschland etwa 5.500 Gemeinschaftsgefrieranlagen mit circa 207.000 Fächern. Ihnen standen etwa 30.000 Truhen in ländlichen Haushalten gegenüber.13 Bis zur Jahresmitte 1959 war die Zahl auf 7.713 Anlagen gewachsen, mit insgesamt 290.990 Fächern. »Der Vorteil der Gemeinschaftsgefrieranlage gegenüber dem einzelnen Kühlmöbel liegt im niedrigeren Anschaffungspreis je Nutzraumeinheit, in geringeren Unterhaltungskosten und in den meist günstigeren Gefrierbedingungen« fasste ein Autor im Jahr 1960 zusammen.14 Und doch wurde noch im selben Jahr aufgrund aktualisierter Zahlen festgestellt, dass der Grund für einen gewissen Abfall im Zuwachs von Gemeinschaftsgefrieranlagen »im Vordringen der Einzeltruhe zu suchen« sei.15 Der Boom des Neubaus von Gemeinschaftsgefrieranlagen flachte gerade in dieser Zeit ab. Insgesamt hatte der Bau solcher Anlagen in Deutschland einen beispiellosen Aufschwung erlebt: 1953 war der Stand gleich Null, 1954 schon bei etwa 850, 1955 mehr als das Doppelte um sich 1956 wiederum zu verdoppeln. Nordheims »Rotofrost-Anlage« Unter den drei Typen waren die »Karussell-Anlagen« zuletzt hinzugekommen: »In den letzten Jahren wurde eine neue Bauart – die Karussellanlage – eingeführt, bei der weitgehend die Schwächen der Kalt- und Warmanlagen vermieden, deren Vorzüge aber erhalten blieben. Auch sie arbeitet mit bewegter Kühlung […]. Auch die Karussellanlage wird mit einem Vorkühlraum und einem Frosterabteil ausgestattet […].« Dass es sich bei der in Nordheim installierten Anlage um ein – relativ zu den beiden anderen Typen – spätes Entwicklungsprodukt handelte, das im weiteren Verlauf der Entwicklung keine größeren Marktanteile erringen konnte, macht folgende Passage aus dem bereits zitierten Beitrag deutlich: »Die Karussellanlagen als neueste Bautypen haben bisher wenig Eingang gefunden. Ihr Anteil beträgt für das Bundesgebiet nur ca. 1 ½ %. Sie eignen sich nur für größere Gefriergemeinschaften, und zwar hauptsächlich dann, wenn ein Neubau für die Gemeinschaftsanlage erforderlich ist. Die wesentlichsten Vorteile sind […] der geringe Platzbedarf und die geringen Betriebskosten. Infolge des geringen Platzbedarfes sind die Baukosten am niedrigsten von allen Bautypen. Die Karussellanlage hat mit ca. 8 bis 9 kWh pro Fach und Monat auch den geringsten Energieverbrauch aller Bauarten. […]«16 Bundesweit betrug der Anteil an »Rotofrostanlagen« nicht mehr als 160, bzw. 2,1 %. In Bayern rangierte die »Karussellanlage« erst recht ganz unten in der Statistik: 1959 hielt sie 0,2 % gegenüber 72,7 % bei den Truhenanlagen. Im Nachbarland Hessen dagegen lag die Quote immerhin bei 5,5 %, was wohl nicht zuletzt mit dem Standort der Firma »Ate« in Frankfurt am Main zusammenhing.17 Den bei weitem bedeutendsten Anteil an Gefriergemeinschaften hatte Bayern mit annähernd 40 % der Anlagen im Bundesgebiet, gefolgt von Baden-Württemberg und Niedersachsen. Anders sah das Bild beim »Sättigungsgrad« aus: Hier lag Niedersachsen mit 30 % an der Spitze, Bayern dagegen auf dem vierten Platz. Eingehendere Untersuchungen zu Gemeinschaftsgefrieranlagen (in Bayern) stehen noch aus. Man gewinnt aber auf der Grundlage dieser vorläufigen Recherchen den Eindruck, als habe man gegen 1960 den Zenit bereits überschritten gehabt, weswegen die Beobachtung eines Autors aus jenem Jahr auch langfristige Prognose hätte sein können: »Der vorhandene Sättigungsgrad läßt erkennen, daß mit einer weiteren Verbreitung der GGA für die nächsten Jahre noch zu rechnen ist. Es hat allerdings den Anschein, daß der Landwirt in letzter Zeit der Einzeltruhe eine stärkere Aufmerksamkeit schenkt als bisher.«18 Er sollte Recht behalten. Der Wandel hin zum privaten Kühlmöbel war schon in den 1970er Jahren unübersehbar: 1973 ergab die Zählung für das gesamte Bundesgebiet noch 338 Kalthaus-Genossenschaften, also weniger als 5 % der Zahl von 1959.19

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Literaturhinweise ➡ Andritzky, Michael: Die elektrische Speisekammer, in: ders. (Hrsg.): Oikos: Von der Feuerstelle zur Mikrowelle. Haushalt und Wohnen im Wandel, Gießen 1992, S. 227–245 sowie Fuchs, Thomas: Einst ein mühsam Walten, jetzt ein schnelles Schalten, ebd., S. 124–132 ➡ Gerhard, Albrecht: Die soziale Funktion des Genossenschaftswesens, Berlin 1965 ➡ Krieg, Beate: »Landfrau, so geht’s leichter!« Modernisierung durch hauswirtschaftliche Gemeinschaftsanlagen mit Elektrogroßgeräten im deutschen Südwesten von 1950 bis 1970, München 1996 ➡ Rump, Kai: Einer für alle, alle für einen! Ländliche Genossenschaften in der Lüneburger Heide (1890–1930) (= Schriften des Freilichtmuseums am Kiekeberg, Bd. 84), Ehestorf 2013 ➡ Tschoeke, Jutta: Kälteburgen für Eier und Kaviar. Zur Ikonographie des Kühlhauses, in: Museum Industriekultur Nürnberg (Hrsg.): Unter Null. Kunsteis, Kälte und Kultur, München 1991 ➡ Thurnwald, Andrea K.: Krautfaß & Schmalzhafen: Konservieren und Aufbewahren von Nahrungsmitteln im Spiegel lebensgeschichtlicher Erzählungen von Bäuerinnen (= Schriften und Kataloge des Fränkischen Freilandmuseums, Bd. 13), Bad Windsheim 1991

1 König, Wolfgang: Geschichte der Konsumgesellschaft (= VSWG Beihefte, 154), Stuttgart 2000, S. 142

Rieger, G.: Gemeinschafts-Gefrieranlagen, in: Die Kälte, (2) 1960, S. 73-79, hier S. 73

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3 www.vhkk.org/geschichte/liste. Die im Archiv des Deutschen Museums verwahrten Firmenschriften enthalten kaum Material zur Sparte Kühltechnik dieser Firma.

Frankfurt a. M. 1985, S. 117. Ergänzend dazu: »Viele Interessenten haben Besichtigungsreisen nach Dänemark unternommen, um sich hier, wo schon jahrelang Erfahrungen vorliegen, von den Vorzügen zu überzeugen und die einzelnen Systeme zu studieren.« Jensen, Werner: Gefrieranlagen zur Lebensmittelkonservierung auf dem Lande, in: Die Kälte, (10) 1953, S. 287-290, hier S. 288 In Bayern hat das Oberpfälzer Freilandmuseum Neusath-Perschen eine sogenannte »Raiffeisenhalle« auf dem Gelände stehen, worin eine Ausstellung zur Geschichte dieser Genossenschaft zu sehen ist.

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Das Datum 1964 für diesen Schritt, wie in der Internetquelle (Anm. 3) angegeben, kann nicht korrekt sein: In der Sammlung des »Frigotheum« (Historische Kälte- und Klimatechnik e. V., Maintal) findet sich ein »wassergekühlter Verflüssigerersatz mit Hubkolbenverdichter«, dessen Plakette das Baujahr 1966 angibt.

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5 In einem Beitrag der Passauer Neuen Presse vom 8. November 1958 ist die Rede von einem »Staatszuschuß« in Höhe von 15 % zu den Errichtungskosten. In Österreich flossen hierzu Zuschüsse aus dem aus dem Marshall-Plan erwachsenen »European Recovery Program«. Bauer: Die Entwicklung der Gemeinschaftsgefrieranlagen in Österreich, in: Die Kälte, (6) 1958, S. 237-238, hier S. 237 6 Lachenmaier, Fritz: 100 Jahre Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft. Ein Rückblick in Wort und Bild,

Kapfhammer, Günther: Gemeindebacköfen im nördlichen Unterfranken, in: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 1969, Volkach bei Würzburg 1970, S. 133-175

Falle Lokalblätter und das Landwirtschaftliche Wochenblatt in den entsprechenden Jahren ausgewertet werden. 11 Jensen, Werner (1953), S. 287290

Lang, Otto: Die Schließfachanlagen zum Einfrieren und Lagern von Lebensmitteln auf dem Lande, in: Die Kälte, (7) 1954, S. 204-207

12

13 Rieger, G.: Gemeinschafts-Gefrieranlagen, in: Die Kälte, (2) 1960, S. 73-79 14

ebda., S. 73-79

15

ebda., S. 281-282, hier S. 281

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ebda., S. 73-79, hier S. 77

8

9 Strigel, Werner: Statistischer Überblick über die Erzeugung und Verwendung kältetechnischer Anlagen, in: Plank, Rudolph (Hrsg.): Handbuch der Kältetechnik, Bd. 1: Entwicklung/Wirtschaftliche Bedeutung/ Werkstoffe, Berlin/Heidelberg 1952, 2 1954 10 Auch die entsprechenden Jahrgänge der Zeitschrift Kältetechnik wurden konsultiert, allerdings ohne nennenswerten Erfolg. Für eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Thematik müssten in jedem

Die Daten bei Rieger, G.: Gemeinschafts-Gefrieranlagen, S. 281, ermittelt vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

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18 Rieger, G.: Gemeinschafts-Gefrieranlagen, in: Die Kälte (2) 1960, S. 73-79, hier S. 79 19 Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1973

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Hinterglasmalerei: eine künstlerische Technik der Moderne

Gisela Geiger Simone Bretz

Zwei Forschungsprojekte am Museum Penzberg/ Sammlung Campendonk Wie schafft man es, in einem kleinen Museum Zeit und Kapazitäten freizusetzen für ein großes Forschungsprojekt? – Mit Begeisterung, einem guten Thema und der großzügigen Unterstützung von außen. Die Hinterglasbilder Heinrich Campendonks Die Sammlung des Penzberger Museums ist auf den expressionistischen Künstler Heinrich Campendonk (1889–1957) ausgerichtet, den Jüngsten der Blauen Reiter. Eine Besonderheit darin bildet ein Konvolut von zehn Hinterglasbildern dieses Künstlers.1 Für ein Museum im »Blauen Land«, dem Land der Blauen Reiter, ist damit auch ein einschlägiges Spezialgebiet gewählt, das in den Nachbarmuseen ebenfalls mit zahlreichen Werken vertreten ist. Seit den Anfängen um 1911 bis in sein Spätwerk in den 50er Jahren übte Campendonk diese Technik aus und vermittelte sie seinen Schülern. Ausgangspunkt für den Wunsch, zu den Arbeiten der eigenen Sammlung weitergehende Forschungen anzustellen, war die erstaunte Feststellung, dass die kunsthistorische Forschung sich den modernen Hinterglasbildern bisher nicht explizit und systematisch gewidmet hat, wenn auch in einigen Publikationen darauf Bezug genommen wird.2 Die Hinterglasbilder der Blauen Reiter gelten kunsthistorisch eher als kuriose Nebenprodukte, wenngleich ihnen immer wieder ein besonderer Reiz zugesprochen wurde. In der Rezeption wirkte sich die Nähe der Hinterglasmalerei zu Volkskunst und Kunsthandwerk als ein Hemmnis der Wertschätzung aus, wobei beides de facto vitale Wurzeln der Moderne waren.3 Tatsächlich löste die Beschäftigung der Künstler mit dieser volkstümlichen Technik eigene weiterführende malerische Experimente aus. Dass sich gerade darin künstlerisch etwas völlig Neues entwickeln konnte, wurde bisher nicht thematisiert. Dementsprechend ist die kunstgeschichtliche und kunsttechnologische Auswertung der modernen Hinterglasmalerei nicht annähernd so weit gediehen wie die der Arbeiten auf Leinwand oder Papier. Das rückwärtige Bemalen von Glas wurde für diese Maler vor allem als maltechnisches Experiment bedeutsam, da es nicht als approbierte »Standardtechnik« an den Akademien gelehrt wurde. Seit der Aufnahme mehrerer Hinterglasbilder in die Ausstellung »Der Blaue Reiter« 1911 in der Münchner Galerie Thannhauser konnte allerdings an der Selbsteinschätzung dieser Werke seitens der Künstler kein Zweifel bestehen. Was die Künstler des Blauen Reiters an der Hinterglasmalerei faszinierte, war die Tendenz zur Abstraktion, der durchgehende Antinaturalismus sowie die besondere, innerliche Ausdrucksdimension.4 Zudem haben Hinterglasbilder ein besonderes Lichtspiel, ein intensives Tiefenlicht, das bei den vom Orphismus und seinen Transparenzen begeisterten Künstlern einen besonderen Eindruck hinterlassen hat. Konkreter Beweggrund für eine eingehende Beschäftigung mit dieser Thematik war zudem die grundsätzliche konservatorische Problematik der Hinterglasmalerei: die schwache Haftung

Hirte, August Macke, um 1912, Privatsammlung Foto: Michael Aust

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der Malschicht auf dem nicht-saugfähigen Glasuntergrund. Sie präsentiert sich als Malschichtablösung, einhergehend mit der Gefahr von Abblätterung und Substanzverlust. Aus der musealen Aufgabe der Bewahrung der eigenen Sammlung entwickelte sich 2014 ein interdisziplinäres Forschungs- und Konservierungsprojekt an den Hinterglasbildern Heinrich Campendonks, das von der Ernst von Siemens Kunststiftung, München finanziert wird.5 Die auf Hinterglasmalerei spezialisierte Restauratorin Simone Bretz, Garmisch-Partenkirchen widmet sich den mal- und schadenstechnischen Fragen.6 Neben der kunsthistorischen Aufarbeitung sind kunsttechnologische Studien Kernaufgabe des Projektes. Dabei werden auch der Bildträger aus Glas und Zutaten wie Unterlagepapier, Rückseitenkarton und Rahmen erfasst. Die Untersuchungen werden an 32 Hinterglasbildern Campendonks in Museen und Sammlungen in Penzberg, Murnau, München, Köln, Krefeld, Neuss, Stuttgart, Wiesbaden, Amsterdam, Brüssel und Basel vor Ort von der Hinterglasrestauratorin durchgeführt. In der Entwicklungslinie Campendonks von gut vierzig Jahren Praxis in dieser Technik sollen die charakteristischen Werkspuren sichtbar gemacht und dokumentiert werden. Die Untersuchung von Hinterglasbildern bietet den Vorzug, sowohl von der Schau-, wie auch von der Malseite den Farbauftrag und seinen Duktus erfassen zu können. Wie ein Präparat auf dem Objektträger bietet sich die Malschicht der Untersuchung dar. Visuelle Analysen bei unterschiedlicher Lichtführung im Auf-, Durch- und Streiflicht erlauben einen tiefen Einblick in den Arbeitsprozess Campendonks. Neben diesen maltechnischen Erkenntnissen wird gleichzeitig der Erhaltungszustand dokumentiert. Fast durchgehend zeigt sich, dass die Hinterglasmalereien Campendonks Restaurierungs-, d. h. Festigungsbedarf der lockeren Malschicht zeigen. Wichtiger Partner im Projekt ist das Doerner Institut der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, München, vertreten durch Dr. Heike Stege, Dr. Patrick Dietemann und Ursula Baumer, welche die chemischen Analysen zu Farb- und Bindemitteln durchführen. Die erst in jüngster Zeit publizierten Berichte zur Untersuchung von Temperamalerei z. B. Ernst Ludwig Kirchners7 führten zu einem Umdenken der bisherigen maltechnischen Erkenntnisse über Kunstwerke des frühen 20. Jahrhunderts. Der Begriff »Temperamalerei« wurde neu definiert, die Möglichkeiten und Grenzen der Bindemittelanalytik neu bewertet.8 Als weiterer Partner bei der Materialanalyse ist die BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Berlin beteiligt. Prof. Dr. Oliver Hahn untersucht die Hinterglasbilder mit Hilfe nicht-invasiver,

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mobiler Untersuchungstechnik vor Ort, ohne Probenmaterial entnehmen zu müssen. Aus den Analyseergebnissen beider Institutionen kann anschließend die Vorgehensweise bei den Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten abgeleitet werden. Für Hinterglasbilder aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts liegen – anders als für solche aus der Zeitspanne vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert9 – kaum materialtechnologische Analysen vor. Exemplarisch durchgeführte Konsolidierungsmaßnahmen an Hinterglaswerken Campendonks sollen stellvertretend für zukünftige Restaurierungsprojekte stehen. Als Ergebnis ist ein Hinterglas-Werkkatalog zu Heinrich Campendonk geplant, welcher das aktuelle kunsthistorische, kunsttechnologische und naturwissenschaftliche Wissen gleichermaßen versammelt. Zur Wiedereröffnung des Penzberger Museums im Frühjahr 2016 wird er vorgelegt. Eine Bestätigung des Interesses an dieser speziellen Forschung bot das Forschungs- und Restaurierungsprojekt von Hinterglasbildern Paul Klees (1879–1940) des Zentrums Paul Klee in Bern, das die ab 1905 entstandenen Hinterglasbilder des Künstlers untersuchte und restaurierte. In diesen Tagen wird der Werkkatalog vorgelegt.10 Sein Erscheinen bezeichnet den Beginn eines bemerkenswerten Umdenkens in Bezug auf die moderne Hinterglasmalerei und ihren Eingang in die künstlerische Malerei der Klassischen Moderne. Hinterglasmalerei als Technik der Klassischen Moderne 1905–1955 Im Rahmen des Förderprogramms »Forschung in Museen« hat die VolkswagenStiftung in Hannover dem Stadtmuseum Penzberg zusammen mit den Kooperationspartnern der BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung und mit dem Doerner Institut das Forschungsprojekt »Hinterglasmalerei als Technik der Klassischen Moderne 1905–1955« bewilligt. Das durch das Campendonk-Projekt eingespielte interdisziplinäre Forschungs-

oben: Brocard-Katze sich leckend, Paul Klee, 1905, 20, Zentrum Paul Klee, Bern Foto: Zentrum Paul Klee, Bern

von links: Zwei Frauen am Tisch, Heinrich Campendonk, um 1922, Pinakothek der Moderne, München, Vorderseite im Auflicht Rückseite im Auflicht Rückseite im Durchlicht Fotos: Simone Bretz, Garmisch-Partenkirchen

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team wird die Hinterglasmalerei als eigenständige und kunsthistorisch relevante Technik der Klassischen Moderne untersuchen und Aufschluss über die Maltechnik und die verwendeten Materialien geben. Die weite Verbreitung der Hinterglasmalerei unter den Künstlern nicht nur des Blauen Reiters, sondern auch im Rheinischen Expressionismus, der Galerie Der Sturm und im Bauhaus wurde bisher in der kunsthistorischen Forschung nicht explizit behandelt, wie auch kunsttechnologische Studien und materialanalytische Untersuchungen fehlen. Im neuen Projekt geht es um die Erfassung der Künstler und des Umfangs ihres Hinterglasbild-Œuvres, die Ausbreitung der Technik bis nach Russland, Belgien und in die Niederlande sowie um die Einordnung dieser speziellen Technik in die künstlerische Entwicklung einzelner Künstler. Die Erforschung der Hinterglasmalerei als Technik der Klassischen Moderne – durch Diana Oesterele M. A., Doktorandin der LMU München und wissenschaftliche Mitarbeiterin des Penzberger Museums – birgt kunsthistorisch einen großen Gewinn. Werden doch bisher wenig beachtete Werke von großen und bekannten Malern des 20. Jahrhunderts mit neuer Aufmerksamkeit betrachtet und einer Neubewertung unterzogen. Die Spezialuntersuchungen zu Campendonk und Klee bilden für das neue Projekt jeweils außerordentliche Referenzpunkte, da sie deren Werke in einer Tiefendimension erschließen, die für die anderen Künstler in diesem Rahmen nicht möglich sein wird. Zudem erschließt der Ansatz bei dieser Technik eine bedeutende Anzahl von Werken auch weniger bekannter Künstler, denn die Hinterglasmalerei erweist sich keineswegs als Randphänomen. Vierzig Jahre nach den ersten Werkmonographien und Rezensionen der 1960er und -70er Jahre und einer Fülle weiterer Publikationen findet ein neuer Aspekt der Klassischen Moderne Beachtung, der andere als die bislang thematisierten Anhaltspunkte der künstlerischen Entwicklung dieser Künstler freilegt. Erst durch die Zusammenführung der maltechnischen Untersuchungen durch die Restauratorin mit den Ergebnissen der Materialanalytik ist ein besseres Verständnis auch der künstlerischen Besonderheiten der modernen Hinterglaskunst des 20. Jahrhunderts zu erwarten. Der Schwerpunkt der analytischen Untersuchungen wird auf einer Kombination noninvasiver, mobiler Techniken vor allem zur Farbmittelidentifizierung liegen, die in situ durchgeführt werden können. Diese im ersten Schritt an einer größeren Auswahl von Hinterglasbildern vorgesehenen Messungen sollen durch einen Naturwissenschaftler der BAM, Berlin mit angestrebter Promotion (Betreuung durch Prof. Dr. Oliver Hahn und PD Dr. Heike Stege) vorgenommen werden und basieren insbesondere auf der zerstörungsfreien Raman-Spektroskopie. Generell unterliegen analytische Methoden Grenzen in ihrer Aussagekraft. Dies gilt auch für die Künstlermaterialien der Moderne. So eroberten neue Farbstoffe den Markt und lösten die historischen Pigmente sukzessive ab. Künstler experimentierten auch seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert mit neuen Bindemittelsystemen von bis dahin ungekannter materieller Komplexität. An einer begrenzten Anzahl von Hinterglasarbeiten werden über Malschichtfragmente zur genaueren Charakterisierung des Bindemittels am Doerner Institut Analysen vorgenommen. Die Verknüpfung der Museen, ihrer Sammlungen und deren Bewahrung, mit Wissenschaft und Lehre ist ein Grundzug des VW-Forschungsprojekts. Praktisch soll in einer Reihe von Lehrveranstaltungen den Studenten der Kunstgeschichte an der LMU München, Lehrstuhl Prof. Dr. Burcu Dogramaci, ein direkter Kontakt mit den musealen Objekten der Hinterglasmalerei in Material, Technik und künstlerischen Gestaltungsmöglichkeiten erschlossen werden. Wissenschaftliche Tagungen, u. a. die »10. Tagung zur Hinterglaskunst« im Oktober 2017 im Museum der Phantasie in Bernried, veranstaltet vom Museum Penzberg, ein Katalog der untersuchten Werke sowie Handreichungen für den Umgang mit Hinterglasbildern für Museen und Sammler werden die Ergebnisse der Forschung verbreiten. Über den Zeitraum von drei Jahren soll das Forschungsteam aus Kunsthistorikerin, Restauratorin und Chemiker die Werke in den Sammlungen aufsuchen, dokumentieren und analysieren. Ein Transport wird den Hinterglasbildern nicht zugemutet, um keine Schäden hervorzurufen oder zu verstärken. Den Anfang wird daher eine Fragebogenaktion bilden,

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in der die Bestände an Hinterglasbildern in öffentlichen und privaten Sammlungen erhoben werden. Um ein möglichst vollständiges Bild zu erreichen, ist eine breite Unterstützung gerade durch die Museen nötig, die auch private Sammler auf das Forschungsprojekt aufmerksam machen und diese Kontakte zu knüpfen hilft. Daher bittet das Forschungsteam, Hinweise auf Hinterglasbilder aus öffentlichen und privaten Sammlungen dem Penzberger Museum weiterzugeben. So ist es beispielsweise schon gelungen, mehrere verschollen geglaubte Hinterglasbilder Campendonks wieder aufzufinden, bzw. zur Substanzsicherung der Werke beizutragen. Und das ist einige Anstrengung wert!

1 Vgl. Geiger, Gisela: …ein seltsam funkelndes Leben. Heinrich Campendonk als Hinterglasmaler, in: Wierschowski, Miriam (Hrsg.): Kristalline Welten. Die Glasgemälde Heinrich Campendonks, Linnich 2014, S. 130-143

Vgl. Gollek, Rosel: Gabriele Münter. Hinterglasbilder, München/Zürich 1981; Lülf, Barbara: Die Hinterglasmalerei des Blauen Reiters, in: Möller, Magdalena M. (Hrsg.): Der Blaue Reiter und seine Künstler (Ausstellungskatalog), München 1998, S. 147-162; Dütsch, Irene: Glasklar oder bewusste Trübung. Hat Alexeij Jawlensky Hinterglasbilder gemalt?, in: Weltkunst, (69) 1999, S. 920-922; Dütsch, Irene: Eine kulturgeschichtliche Reise 1912 und ihre Folgen. Besuch bei Münter und Kandinsky in Murnau sowie bei Jaques-Dalcroze in Hellerau, in: Schriften des Historischen Vereins Murnau am Staffelsee e. V., (29) 2012, S. 97-138; Gockerell, Nina: Zur Hinterglasmalerei Gabriele Münters, in: Mössinger, Ingrid/Friedrich, Thomas (Hrsg.): Gabriele Münter: Werke im Museum Gunzenhauser, Bielefeld 2008, S. 163-167; Werner, Constanze: Eine »reine« Kunst. Hinterglasmalerei als Inspirationsquelle des »Blauen Reiter«, in: Der große Widerspruch. Franz Marc zwischen Delaunay und Rousseau (Ausstellungskatalog), Kochel 2009, S. 92-95

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3 Die Einbeziehung nichtakademischer künstlerischer Quellen war für die Künstler des »Blauen Reiters« Programm, wie der 1912 erschienene Almanach deutlich ausspricht. Hinzu kam die Offenheit für die Kunsthandwerksbewegung und die Wertschätzung kunsthandwerklichen Arbeitens, sogar die eigene Praxis darin. Es gibt von den Künstlern viele Objekte und Entwürfe für Töpfereien, Stickereien, dekorierte Möbel.

»Die serienmäßige Massenproduktion in hausindustrieller Arbeitsteilung nach bestimmten Vorlagen hat eine weitgehende Abstraktion der Darstellung zur Folge. Alle jene Stilelemente, die wir antinaturalistisch zu nennen pflegen, gelangen im Hinterglasbild zu beispielhafter Erscheinung: Flächigkeit in Farbe und Linie, Raumlosigkeit von Figur und Szene, Preisgabe von Perspektive und Proportion, Verzicht auf detailliertes Beiwerk; dafür ornamentale Schmuckfunktion aller Mittel, Vorherrschaft des Bedeutungsmaßstabes und der einfachen Gebärde, ungeahnte Steigerung des Ausdrucks.«, vgl. Lankheit, Klaus: Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert (Katalog zur Ausstellung im Gutenberg-Museum), Mainz 1962, Vorwort S. 2

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5 Das Campendonk-Projekt trägt den Titel »Kunsttechnologisch-naturwissenschaftliche Studien und exemplarische Konservierungen/Restaurierungen an Hinterglasbildern von Heinrich Campendonk«. Als Pilotprojekt ist die Restaurierung und Materialanalyse des Hinterglasbildes Franz Marcs »Landschaft mit Tieren und Regenbogen«, 1911, Franz Marc Museum, Kochel zu bewerten, bei dem eine Vielzahl verschiedener Bindemitteln nachgewiesen wurde und das dadurch auf die Problemlage aufmerksam machte, siehe in: Schott, Franz Leonhard/Strobl, Andreas: Franz Marc, Landschaft mit Tieren und Regenbogen, Kulturstiftung der Länder in Verbindung mit der Franz Marc Stiftung, Kochel am See, Berlin/Kochel 2008; Baumer, Ursula/Fiedler, Irene/ Bretz, Simone/Ranz, Hans-Jörg/ Dietemann, Patrick: Decorative reverse-painted glass objects from the fourteenth to twentieth centuries: An overview of the binding media, IIC Preprints Vienna Congress, Studies

in Conservation, Supplement 1, (57) 2012, S. 9-18 6 Bretz, Simone: Hinterglasmalerei. …die Farben leuchten so klar und rein. Maltechnik.Geschichte. Restaurierung, München 2013

Kase, Oliver/Skowranek, Heide: Farbenmensch Kirchner, München 2014

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8 Koller, Johann/Baumer, Ursula: Kapitel 5, in: Wackernagel, Rudolf H.: »Ich werde die Leute in Öl und Tempera beschwindeln, ...«. Neues zur Maltechnik Wassily Kandinskys, Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung, (11) 1997, S. 118128; Fischer, Ulrike/Stege, Heike/ Oggenfuss, Daniel/Tilenschi/ Cornelia/Willischl, Susanne/ Winkelmeyer, Iris: '…I came to understand how to translate nature into colour according to the fire in my soul' – Alexej Jawlensky's painting technique in his Munich oeuvre, in: Saunders, D./Townsend, J. H./Woodcock, S. (Hrsg.): Preprints of the 21st IIC Congress in Munich, The Object in Context, Crossing Conservation Boundaries, 2006, S. 49-55

Bretz, Simone/Hagnau, Carola/ Hahn, Oliver/Ranz, Hans-Jörg: Deutsche und niederländische Hinterglasmalerei vom Mittelalter bis zur Renaissance, München (voraussichtlich Ende 2015); Hahn, Oliver: Untersuchungen von Farbmitteln an Hinterglasbildern des 18./19. Jahrhunderts, in: »welche zuweilen Kunstwerth haben«, Hinterglasmalerei in Südbayern im 18. und 19. Jahrhundert (Ausstellungskatalog), Schloßmuseum Murnau, 2003, S. 107-110 9

10 Zentrum Paul Klee Bern (Hrsg.): Paul Klee: Die Hinterglasbilder, Köln 2015

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Migrationsgeschichte – sammeln, sortieren und zeigen

Gesa Büchert

Umfangreiche Materialien für die Projektarbeit mit Schülern »Als Schüler kommen und als Forscher gehen«, lautet das Motto des Programms »Denkwerk« der Robert-Bosch-Stiftung, die damit Projektpartnerschaften zwischen Wissenschaftlern, Lehrern und Schülern fördert. Von 2011 bis 2013 finanzierte die Robert-Bosch-Stiftung das Denkwerk-Projekt »Nürnbergs Migrationsgeschichte – Sammeln, sortieren und zeigen«, das vom Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte der Universität Erlangen-Nürnberg in Kooperation mit dem Museum Industriekultur Nürnberg sowie dem Stadtarchiv Nürnberg durchgeführt wurde. Das Schüler-Projekt Im Rahmen des Projekts beschäftigten sich neun Schulklassen und zwei Oberstufen-Projektseminare von zwei Gymnasien, einer Fachoberschule und einer Realschule mit der Zuwanderung nach Nürnberg sowie dem Alltag der hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund. Nach einer fachlichen Einführung in die Geschichte der Migration nach 1945 erarbeiteten sich die Schüler das methodische Instrumentarium zur Analyse und Auswertung von Dokumenten, Fotografien und dreidimensionalen Gegenständen. Dabei erhielten sie auch Einblick in die Aufgaben von Archiven und Museen. In einem überschaubaren Rahmen erprobten sie anschließend selbst die Tätigkeit von Archivaren und Museumswissenschaftlern und sammelten eigenständig Dokumente, Fotos und Objekte der Nürnberger Migrationsgeschichte, mit denen sie eine dokumentarische Ausstellung vorbereiteten. Um Menschen mit Migrationshintergrund und Zuwanderungsgeschichte auf das Projekt aufmerksam zu machen und zum Mitmachen zu bewegen, verfassten und verteilten die Klassen eigene Sammelaufrufe und Flyer. Anschließend führten sie in ihrer Schule, bei Familienangehörigen, Nachbarn und Bekannten sowie in unterschiedlichen Kulturvereinen Sammelaktionen durch. Die Schüler erhielten dabei ganz unterschiedliche Materialien, von alten Pässen bis zu Arbeitsgenehmigungen, Fotografien, Erinnerungsstücke an die alte Heimat oder Gegenstände, die das Einleben in Deutschland erleichterten. Besondere Heiterkeit löste ein Paar ungetragene Galoschen aus, die ein italienischer Gastarbeiter mitbrachte. Sein Großvater hatte sie ihm 1960 vor seiner Abreise geschenkt, damit er seine Schuhe in dem regnerischen Deutschland vor Verschmutzung schützen könne. Manche Klassen veranstalteten mit den Leihgebern umfangreiche Zeitzeugengespräche: Kleingruppen entwickelten für diese Gespräche eigene Interviewleitfäden, anhand derer sie die Befragung durchführten. Andere Gruppen dokumentierten während des Ge-

Schüler des Pirckheimer Gymnasiums Nürnberg bei der Auswertung der Objekte, die sie bei Verwandten und Bekannten gesammelt haben. Foto: Konrad Brandmüller Die Schülerausstellung im Museum Industriekultur Nürnberg 2013: Die Ausstellung wurde als Insel an zentraler Stelle inmitten der Dauerausstellung präsentiert. Foto: Peter Hülsberg, 3pix

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sprächs das Erzählte und füllten für jede Leihgabe, die ihnen der Zeitzeuge übergab, einen von der Klasse entwickelten Inventarisierungsbogen aus. Im Rahmen von Projekttagen bereiteten die Jugendlichen das gesammelte Material schließlich für eine Ausstellung auf. Dabei beschränkten sie sich nicht nur auf das Schreiben von ansprechenden, zum Teil sehr persönlichen Texten; einige gestalteten künstlerische Plakate zum Leben von Zeitzeugen oder zeichneten Comics zur Geschichte einzelner Gegenstände. So entstanden zwei Schüler-Ausstellungen zu Nürnbergs Migrationsgeschichte, die jeweils am Ende des Schuljahres, im Sommer 2012 und 2013 im Museum Industriekultur zu sehen waren. Um die Schüler auf die anspruchsvolle Projektarbeit für die Ausstellungen vorzubereiten, entwickelte der Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte der Universität ErlangenNürnberg zahlreiche Unterrichtssequenzen, die nun zu umfangreichen Lehrermaterialien aufbereitet wurden. Mit Hilfe dieser Materialien können Lehrkräfte, Museen und Archive selbstständig solche oder ähnliche Projekte mit Schulklassen durchführen. Die Schüler erhalten dabei fundierte Einblicke in die örtliche Migrationsgeschichte und die Bedeutung von Zuwanderung. Gleichzeitig lernen sie praxisnah die Tätigkeit von Archiven und Museen kennen. Diese können mit solchen Projekten bei den Schülern und deren Angehörigen, aber auch bei Zeitzeugen und Leihgebern längerfristiges Interesse an ihrer Arbeit wecken, sich neue Nutzer und Besucher erschließen und bestenfalls auch noch ihre Sammlungen ergänzen. Die Lehrer-Materialien bestehen aus insgesamt 22 unabhängigen Unterrichtsmodulen, die einzeln oder in Auswahl mit den Schülern durchgeführt werden können. Eingeführt wird jedes Modul durch einen kurzen fachlichen Abriss und Hinweise auf wichtige Literatur. Anschließend werden der Aufbau und die Ziele der jeweiligen Unterrichtseinheit skizziert und die einzelnen Sequenzen sowie auch die verwendeten Materialien methodisch-didaktisch eingeordnet. Im letzten Teil des Moduls befinden sich schülergerecht aufbereitete Handreichungen und Arbeitsblätter, die als Kopiervorlagen dienen können. Acht inhaltliche Unterrichtsmodule dienen dabei vor allem der fachlichen Vermittlung von Wissen und Hintergrundinformationen zu den einzelnen Migrantengruppen, zu den Hintergründen ihrer Migration sowie zu ihrem Leben in Deutschland. Fünf methodische Module vermitteln den Schülern das Rüstzeug für die eigentliche Projektarbeit: Sie erhalten Einblicke in die Recherche von Informationen, erfahren, was bei der Befragung von Zeitzeugen zu beachten ist und lernen Dokumente, Fotografien sowie Gegenstände zur Migrationsgeschichte auszuwerten. In einer weiteren Sequenz lernen die Schüler die Bedeutung der Inventarisierung kennen und üben das korrekte Ausfüllen eines Inventarisierungsbogens ein. Schließlich enthalten die Materialien zwei Module, die zeigen, wie Schülern die Aufgaben und Tätigkeitsbereiche von Museen und von kommunalen Archiven näher gebracht werden können. Unterrichtsmodule zur »Projektarbeit« runden die Materialien ab. Schüler erhalten dabei detaillierte Anleitungen, um selbst Sammelaktionen zu veranstalten, um das gesammelte Material für eine dokumentarische Ausstellung aufzubereiten, um für die Ausstellung Öffentlichkeitsarbeit durchzuführen und die Ausstellung im Rahmen von Führungen interessierten Besuchern näher zu beringen. Die beiden Module »Gymnasiasten unterrichten Grundschüler« sowie »Gymnasiasten treffen Flüchtlingsklassen« beschreiben schließlich Teilprojekte mit multinationalen Übergangsklassen und Sprachintegrationsklassen.

Literaturhinweis ⇒ Büchert, Gesa/Burkhardt, Hannes: Migrationsgeschichte – Sammeln, sortieren und zeigen. Ein Leitfaden für Lehrkräfte an Gymnasien und Realschulen, Nürnberg 2014, www.geschichtsdidaktik.ewf.uni-erlangen.de/migrationsgeschichte.shtml

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»MuseobilBox – ein Museum zum Selbermachen

Jana Schindler

»Gebaute Berge« im Alpinmuseum in Kempten »Schöne Wildnis« hat Felix sein kleines Museum betitelt. Im Inneren der etwa 60 cm langen, 40 cm tiefen und 40 cm hohen MuseobilBox ist eine Höhle aus Steinen zu sehen. Am Boden schlängelt sich ein Bach durch die grüne Wiese, auf die Rückwand hat Felix steil in den Himmel ragende Felsen gemalt. »Und das ist einer meiner schönsten Schmetterlinge aus meiner Schmetterlingssammlung. Und hier ein Fossil von einem Tintenfisch, der vor langer Zeit gelebt hat«, erzählt der Drittklässler dem Fernsehteam, das einen Tag lang das Projekt MuseobilBox im Alpinmuseum begleitet hat und zeigt auf den Schmetterling, den er auf einem Stein befestigt hat. Felix ist ein neunjähriger Schüler der Grundschule an der Sutt in Kempten und damit einer von 29 Schülern und Schülerinnen, die in den Osterferien in zwei Maßnahmen MuseobilBoxen im Alpinmuseum Kempten gestaltet haben. Das Projekt »MuseobilBox – Museum zum Selbermachen« ist eine Initiative des Bundesverbandes Museumspädagogik im Rahmen des Förderprogramms »Bildung macht stark« des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Das Alpinmuseum Kempten – eines der größten alpingeschichtlichen Museen Europas – hatte sich mit dem Konzept »Gebaute Berge« beworben. Die Grundschule an der Sutt und das Amt für Jugendarbeit haben sich als weitere lokale Bündnispartner gefunden. Zwei Maßnahmen fanden in den Osterferien statt. Jede umfasste vier halbe Tage. Davon war ein Tag für die Museumserkundung, einer für die Naturerfahrung an der Iller und zwei Tage für das künstlerische Gestalten vorgesehen. Kulturelle Teilhabe benachteiligter Kinder Um dem Ziel von »Kultur macht stark«, der vermehrten kulturellen Teilhabe für benachteiligte Kinder, nachzukommen, haben Museum und Amt gemeinsam eine Innenstadt-

Die Schüler der Grundschule an der Sutt mit ihren MuseobilBoxen. Fotos: Jana Schindler Evin beim Modellieren des Adlers.

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schule mit sehr heterogenen Schülerfamilien gesucht. Im Einzugsbereich der Sutt-Schule befinden sich viele ältere und preiswerte Wohnungen, in denen der Großteil der Familien der SchülerInnen zur Miete lebt. Grünflächen sind im Innenstadtbereich nur in sehr begrenztem Maße vorhanden, so dass viele Naturerfahrungsfelder den Kindern verschlossen bleiben. Der Anteil an SchülerInnen mit Migrationshintergrund divergiert in den Klassen zwischen 60 und 91 %. Insgesamt beträgt der Anteil 75,5 % an der Schule. Nach Schätzungen des Schulleiters kommen circa 30 bis 40 % der Kinder aus Ein-Eltern-Familien. Das praxisorientierte und Selbsttätigkeit fördernde MuseobilBox-Konzept trägt dieser Diversität Rechnung. Einen weiteren wichtigen Beitrag zum Gelingen der Integration in den lebensweltlichen Kontext der Kinder leistete die zentrale Lage des Alpinmuseums. In dessen Nähe sind Allgäu-Museum, städtische Musikschule, Stadtbücherei und ein familienfreundliches City-Café angesiedelt. Fußläufig ist es zehn Minuten von der beteiligten Grundschule entfernt. Außerdem fand der Ausflug in die Natur zu einer Kiesbank an der Iller statt, an dem die gesamte Schule jährlich ein Luciafest feiert. Somit war gewährleistet, dass sich die Kinder mit vertrauten Bezugspersonen und teilweise vertrauter Umgebung voll und ganz auf das Neuland »Museum« einlassen konnten. Museum als Ort des sinnlichen Erlebens und des entdeckenden Lernens Die Dauerausstellung des Alpinmuseums zeigt die Erlebniswelt der Alpen. Zu sehen ist die Geschichte der Alpen als Lebensraum für Mensch und Tier sowie die Entwicklung des Alpinismus. Die mühevolle Besiedlung des Gebirges sowie der Kampf ums Überleben in den Bergen werden genauso gezeigt wie die Entwicklung der letzten 150 Jahre, in denen sich die Alpen zu einem Zentrum des Tourismus entwickelt haben. Die MuseumspädagogInnen haben für die Grundschulkinder vier inhaltliche Schwerpunkte gesetzt: Tiere der Alpen, Mineralien und Fossilien, Bäume und die Verwendung von Holz sowie den Bereich Expedition. Da die Dauerausstellung stark dem Präsentationsstil einer »klassischen« Ausstellung mit in Vitrinen präsentierten Objekten und einer Wissensvermittlung durch Bildunterschriften und Texttafeln entspricht, haben sie für die sechs- bis zehnjährigen Kinder eine interaktive Führung mit vielen Mitmachelementen konzipiert. Die methodische Gewichtung lag dabei auf dem Zusammenspiel von Erlebniselementen und Bildungsaktivitäten: Zum einen sollten die Maßnahmen als Ferienerlebnis wahrgenommen werden, zum anderen sollte das Museum als Ort des sinnlichen Erlebens, des entdeckenden Lernens, der Auseinandersetzung und der Kreativität in Erinnerung bleiben. Erklärtes Ziel war es, bei den Kindern Interesse und Verständnis für die Besonderheiten der Bergwelt zu wecken und ein Bewusstsein für die sozialund umweltverträgliche Entwicklung des Alpenraumes zu entwickeln. Bilderbuch und Museumsrallye Das Bilderbuch »Franz, der Junge, der ein Murmeltier sein wollte« bot einen ersten Zugang zum Leben in den Bergen. Die Identifikation mit dem Jungen, der sich in das Leben eines Murmeltieres hineinversetzt und damit sein Leben riskiert, erwies sich für einen abenteuerlichen und stimmungsvollen Einstieg als sehr geeignet. Anschließend konnten Wissen und Eindrücke mit Hilfe einer Fühlbox, ausgestattet mit Fell, Kissen, Trillerpfeife, RaubvogelFeder und Heusack, assoziativ vertieft werden. Es zeigte sich, dass Erfahrungen mit den Bergen bei den SchülerInnen sehr unterschiedlich ausgeprägt waren: Von »Ich war noch nie in den Bergen« bis hin zu Erlebnisberichten, wie toll die Hüttenübernachtung gewesen sei, war alles vertreten. Im Anschluss eroberten die Grundschüler – wie die Murmeltiere im Frühjahr die Berge und Almwiesen – mit Hilfe einer Rallye das Museum in all seiner Themenvielfalt. Mit Hilfe von Fotos, die Ausschnitte von Museumsobjekten zeigten, mussten sie paarweise auf den drei Stockwerken die dargestellten Objekte finden und beschreiben. Es schloss sich ein Gespräch über eigene Museumserfahrungen an, wobei die zentrale Frage, was ein Museum ist und warum gesammelt wird, im Gruppengespräch erarbeitet

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wurde. Hier wurde auch auf die Leitfrage der MuseobilBoxen hingeführt: Was aus meinem Lebensumfeld sollte in einem Museum für die Menschen in der Zukunft aufbewahrt und präsentiert werden? Wie kommen Meerestiere auf die Berge? Die Museumsführung durch die beiden Pädagogen fand in zwei Kleingruppen zu je etwa sieben Kindern statt. Beim Thema Tiere der Alpen bildete eine dialogische Führung an dem großen Schaukasten, in welchem die Tiere als Präparate in ihrer natürlichen Lebensumgebung ausgestellt sind, den Anfang. Den inhaltlichen Schwerpunkt stellte deren Anpassung an die Bergwelt dar. Wie das Murmeltier pfeifen kann, das erfuhren die SchülerInnen anschließend beim Tierstimmenerraten. Beim Thema Fossilien und Mineralien bildete ein Stein von einem bekannten lokalen Berg, dem Grünten, den Ausgangspunkt. Es folgte die Entdeckung fossiler Meerestiere im Museum mit der zentrale Leitfrage: Wie kommen Meerestiere auf die Berge? Nach den Erklärungen bot sich ein Steine-Memory an: Immer zwei gleiche Steine mussten gefunden werden. Beim Thema Bäume bot sich ein Tastspiel in dem im Museum befindlichen künstlichen Bergwald an: Die mit verbundenen Augen ertasteten Bäume mussten an ihrer Rindenstruktur erkannt und wiedergefunden werden. Das Führungsgespräch bei den Exponaten bezog sich vor allem auf die Verwendung und Verarbeitung von Holz in früherer Zeit. Mit dem Spiel »Ich packe meinen Rucksack« wurde sich dem Thema Expedition genähert. Was braucht man für eine Bergtour, was für eine Hochgebirgstour? Und was für eine Südpolexpedition? Dabei wurde die Geschichte über den Wettlauf zum Südpol erzählt. Anhand von Steckbriefen diskutierten die Kinder in kleinen Gruppen, welcher Expeditionstrupp es als erster geschafft haben könnte. Die Pausen haben die Kinder im benachbarten Jugendhaus, einer städtischen Einrichtung der offenen Jugendarbeit, verbracht. Diesen Ort zogen sie selbst bei schönstem Wetter Park und nahegelegenen Spielplatz vor. Die dort vorhandene Boulderwand, teilweise mit Überhang, bot eine hervorragende gefahrlose Möglichkeit, eigene Klettererfahrungen zu machen. Auch hier zeigten sich wieder die unterschiedlichen Voraussetzungen: Hatten manche Kinder schon Kletterkurse belegt, wussten andere nichts von der Existenz solcher Kletterwände. Schwemmholzlandschaften und Steinmauern Das Material zur Ausgestaltung der MuseobilBoxen sollte die Natur liefern – so die Idee. Alles, was die Berge freigeben und was durch die Iller geformt und in die Stadt transportiert wird, sollte als Grundmaterial für die Boxen dienen. Am zweiten Tag fand deshalb die Exkursion an eine Kiesbank der Iller statt, zusätzlich begleitet von einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin. Hier zeigten sich die »Früchte« des Museumsbesuchs vom Vortag. Der Wissensdurst der Kinder bezog sich auf Herkunft und genaue Bezeichnung jedes Steines, und sie konnten auch viele kennengelernte Gesteine selbst bestimmen. Im Zentrum des Gestaltens der Boxen standen die selbstgesammelten Naturmaterialien: vorwiegend Schwemmhölzer und Steine. Dieses Material konnte mit Schnüren, Stoffen, Styropor, Wellpappe, Draht, Steckmasse und Ton erweitert werden. Zur Ausgestaltung der Boxen und der Materialien standen den Kindern Acrylfarben zur Verfügung. Außerdem hatten sie die Möglichkeit, Abdrücke von Fossilien herzustellen. Interessant zu beobachten waren zwei grundverschiedene Herangehensweisen an die Gestaltung der Box. Zum einen bauten die Kinder ein Museum, stellten also gefundene oder kreierte Objekte aus, beschrifteten sie und verorteten sich in ihrem Museum. Zum anderen bauten sie Gebirgslandschaften nach, gestalteten mit den Steinen und Hölzern Höhlen und Berge, bauten Brücken und legten Wege. Wie in Felix' Box der Schmetterling fanden auch bei anderen Kindern Tiere und Pflanzen Einzug in die MuseobilBoxen, die sie gesammelt, zu

Titel des Projekts: »Gebaute Berge« – MuseobilBox im Alpinmuseum Kempten Lokale Bündnispartner: Museen der Stadt Kempten unter der Leitung von Frau Dr. Christine Müller Horn, vertreten durch Ines Leidler M. A., Abteilungsleiterin i. V. Museen, Grundschule an der Sutt, Rektor Tobias Schiele, Amt für Jugendarbeit, Leiter Thomas Baier-Regnery Orte: Alpinmuseum Kempten, Jugendhaus Kempten, Iller, Kempten Beteiligte: 2 freiberufliche Museumspädagogen (Klaus Frühschütz und Jana Schindler), 29 GrundschülerInnen der Grundschule an der Sutt, erste bis vierte Klasse, 2 Betreuerinnen der SuttSchule, 1 ehrenamtliche Helferin für den Tag am Fluss Zeit/Dauer: Maßnahme: 30.3.–2.4.2015 2. Maßnahme: 7.4.–10.4. 2015, jeweils von 8–12 Uhr

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Hause aufbewahrt und mitgebracht hatten – Dinge aus ihrem Leben, die in der MuseobilBox für die Menschen in der Zukunft aufbewahrt und präsentiert werden sollen. Hindernisse und Ausblick Fazit: Selbst die aktive Partizipation eines Kind, das erst vor ein paar Wochen mit seinem Vater aus Spanien nach Deutschland gekommen war, konnte gewährleistet werden, weil das Konzept auf einen vielfach verschränkten Lernprozess – kognitiv, ästhetisch, kommunikativ und emotional – und vor allem handlungsorientiert ausgerichtet war. Als nicht ganz einfach erwies sich die Differenzierung bezüglich des Alters der Kinder. Haben die Erstklässler sich in einem großen Museum erst zurechtfinden müssen und waren sie mit einem vierstündigen Programm gut ausgelastet, fanden sich unter den Viertklässlern richtige Experten für bestimmte Themengebiete, die noch mehr geistiges Futter vertragen hätten. Zu kurz kam in den vier Tagen ein wichtiges Thema: die Auseinandersetzung mit nachhaltigem Naturschutz und einer umweltverträgliche Entwicklung des Alpenraumes. Im Herbst wird eine dritte Maßnahme der MuseobilBoxen stattfinden, die einen Tag länger dauern wird – Zeit, die für eine gründlichere Auseinandersetzung und eine sorgfältigere Ausgestaltung der Boxen genutzt werden wird. Außerdem wird im Anschluss die Präsentation aller Boxen für die Öffentlichkeit erfolgen.

Marc beim Klettern Foto: Jana Schindler

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»Schule im Nationalsozialismus«: Neue Wege der Vermittlung für Jugendliche

Mathias Rösch

Eine Ausstellung des Schulmuseums Nürnberg Die Vermittlung der Thematik »Nationalsozialismus« an Jugendliche ist für die Demokratie- und Menschenrechtserziehung in Deutschland unverzichtbar. Eine Herausforderung sind die sich stetig verändernden Wahrnehmungs- und Arbeitsformen dieser Zielgruppe. Entscheidend sind nicht nur Medienaffinität, Leseverhalten oder Konzentrationsvermögen, sondern auch das starke Bedürfnis nach Authentizität und Identifizierungsmöglichkeiten – eine besondere Herausforderung, da es in absehbarer Zeit keine Zeitzeugen mehr geben wird. Vor diesem Hintergrund entwickelte das Schulmuseum Nürnberg zusammen mit Partnern ein Ausstellungsformat für Schülerinnen und Schüler von Mittel- und Realschulen sowie Gymnasien, das in seinen didaktischen Zugängen neue Wege geht. Auf vier Ebenen wurde eine maximale Ausrichtung auf die Bedürfnisse von Jugendlichen versucht:

Schüler einer 9. Klasse in der Lernstation zur NSRassenkunde Foto: Giulia Iannicelli

→ Betrachtung der NS-Diktatur aus der Schulperspektive, d. h. aus der Perspektive von Jugendlichen, die etwa genauso alt waren wie die Zielgruppe der Ausstellung → Verknüpfung von Ausstellung und Lernlabor → Besonders intensiver Zugang zu historischen Objekten und Dokumenten → Das Lernlabor wurde größtenteils von Jugendlichen mitentwickelt und kuratiert Die Ausstellung mit Lernlabor wurde vom 23. Februar bis zum 10. Mai 2015 im Sonderausstellungsraum des Museums Industriekultur in Nürnberg gezeigt. Sie wird erneut im Frühjahr 2016 an der PH Luzern und anschließend bis zum Sommer des Jahres im Nürnberger Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände präsentiert werden. Schule – ein besonderer Zugang zur Geschichte der NS-Diktatur Ausstellung und Lernlabor thematisieren den Schulalltag in den Jahren der Hitlerdiktatur im mittelfränkischen Großraum Nürnberg, Fürth, Erlangen. Diese lokalgeschichtliche Perspektive wird mit den großen historischen Zusammenhängen und mit dem Alltag in der Diktatur verknüpft. Das Phänomen Schule bietet einige Vorteile für eine intensivere Betrachtung der NS-Diktatur. Heutige Schüler können sich sehr viel schneller für die Thematik interessieren, finden Anlässe zum Vergleichen mit dem eigenen Schulalltag, fühlen sich vielleicht sogar als »Experten«. Zudem ermöglicht der Blick auf die etwa gleichaltrigen Jugendlichen 1933 bis 1945 einen stärkeren emotionalen Zugang. Ferner sind die Objekte und Materialien zumeist von vornherein auf die Altersgruppe ausgerichtet: Bereits 1933 bis 1945 bemühte man sich, die NS-Ideologie in vereinfachter, leicht verständlicher Form für Schüler aufzubereiten.

rechte Seite: Lernstation zur Judenverfolgung in der Schule Fotos: Giulia Iannicelli Gerät zum Vermessen von Schädeln, benutzt im Schulunterricht vor 1945 Schüler diskutieren im Austauschraum über die Ausstellung.

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Zum anderen spiegeln der tägliche Schulunterricht und die Objekte, die er hervorbringt, nicht nur die Vorgaben der Lehrkräfte und Lehrpläne, sondern durchaus auch allgemeine gesellschaftliche Mentalitäten und Haltungen gegenüber den Auswirkungen des Krieges und die Ambivalenzen und Gegensätze der Diktatur. Sichtbar wird das Spannungsverhältnis zwischen dem fachlichen Anspruch von Schule und den Forderungen der Diktatur. Deutlich wird aber auch, wie intensiv die NS-Ideologie tiefmenschliche Bedürfnisse nach Gemeinschaft, bedingungsloser Zusammengehörigkeit und Solidarität, Konfliktvermeidung und Stärkung des eigenen Selbstwertgefühls verkörperte und diese Bedürfnisse mit einer quasireligiösen Erlösungsbotschaft auf einen brutalen Raub- und Vernichtungskrieg hin ausrichtete. Die auf die Kernbotschaften reduzierte Präsentation der NS-Ideologie fordert die Besucher geradezu heraus, an politisch-menschenrechtliche Fragen der Gegenwart anzuknüpfen. Eine 15-jährige Besucherin brachte dies an einer Lernstation auf den Punkt: »So etwas könnte heute noch genauso die Menschen begeistern«. Die NS-Ideologie, Reaktion von Schülern und Lehrkräften, Schule und Krieg Die Ausstellung mit Lernlabor gliedert sich in drei Themeninseln: die »NS-Ideologie im Unterricht«, die »Reaktionen von Schülern und Lehrkräften« auf diese Ideologie und »Schule und Krieg«. Die erste Themeninsel zeigt die umfassende Ausrichtung der gesamten schulischen Erziehung und Lehre auf die NS-Ideologie unmittelbar ab 1933, die Bedeutung von Schule für die Ideologen und die Grenzen der Ideologisierung. Die zweite Themeninsel bietet einen Blick auf die innerschulischen Reaktionen auf die Indoktrination, auf Gemeinschaftsgefühle, Ausgrenzung, Verfolgung, aber auch Skepsis, Ablehnung und Widerstand. Die dritte Themeninsel widmet sich dem Krieg im Schulalltag, von Kriegsverherrlichung und Militarismus bis zum Kriegseinsatz von Schülern und zur Kinderlandverschickung. Eine Ausstellung mit Lernlabor Der Ausstellungsbereich führt allgemein in die Themen ein. In 20 historischen Schulschränken werden Objekte und Hörstationen präsentiert. Die unregelmäßige Anordnung der Schränke symbolisiert die Quellensituation: So lagern Schränke und oft auch Dokumente und Objekte heute noch auf den Dachböden vieler Schulen. Der Lernlaborbereich, der in Abgrenzung zum Ausstellungsbereich in modernem Design gehalten ist, soll intensiven Kontakt mit den Objekten und eigenständiges Lernen ermöglichen. Historische Objekte, insbesondere solche mit biografischem und regional- bzw. alltagsgeschichtlichem Hintergrund, können bei den Jugendlichen besonderes Interesse hervorrufen, weil sie deren Bedürfnis nach Authentizität und Identi-

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fizierung entgegenkommen. Jede der drei Themeninseln verfügt über sechs unterschiedliche Lernstationen, die jeweils mit einer Eckbank und einem Objekttisch ausgestattet sind. Hier können sich bis zu vier Schülerinnen und Schüler die Themen selbst erarbeiten – nach eigenem Interesse und ohne Anleitung durch Dritte. Auf dem Tisch werden jeweils drei bis vier Objekte – hinter Plexiglas – fast zum Greifen nahe präsentiert. Durch eine Kombination der Objekte lässt sich die »Geschichte hinter den Objekten« erschließen. Zur Verfügung stehen »Übersetzungen« von Sütterlin-Texten und kleine Wörterbücher, die einzelne Begriffe der Dokumente erläutern. Die Lernarrangements arbeiten gezielt mit irritierenden Objekten sowie mit Objekten, die auf die inneren Widersprüche der NS-Ideologie verweisen und die Möglichkeit zum Transfer in die Gegenwart ermöglichen. Die Besucher sind frei in ihrer Wahl, welche Lernstationen sie nutzen und wie lange sie dort arbeiten wollen. Damit sollen Eigeninteresse sowie die Entwicklung eigener Fragen und Erklärungsansätze, aber auch der Perspektivwechsel gefördert werden. Um dem sehr unterschiedlichen Vorwissen und den Vorstellungen der Schüler gerecht zu werden, sind die Lernarrangements auf verschiedene Kompetenzstufen ausgerichtet. Studierende der Pädagogik und Lehramtsstudenten übernahmen bei der Ausstellung im Museum Industriekultur in Nürnberg die pädagogische Betreuung bzw. die Unterstützung der Schüler bei ihrer eigenständigen Arbeit. Bewusst wurde auf jede ergebnisorientierte Lenkung verzichtet. Jede Gruppe erhielt eine kurze Einführung zum Nationalsozialismus und zu den Lernstationen. Zum Abschluss eines Ausstellungsbesuchs boten Räume die Möglichkeit zum Austausch. Eng aneinander gereihte Sitzsäcke schufen eine gemütliche Gelegenheit zum Verweilen. An der Wand dieser Räume waren ein Hitler-Zitat zur Schule und Fotografien als Anregungen für die Diskussion angebracht. Die Betreuungskräfte stellten den Gruppen Fragen zu ihrer Meinung zum didaktischen Konzept der Ausstellung und zu Erzählungen der eigenen Urgroßeltern, die sie an die Inhalte der Ausstellung erinnerten. Diese offenen Fragen sollten auch Jugendlichen mit Migrationshintergrund, für die die NS-Geschichte nicht die Geschichte der eigenen Heimat war, die Möglichkeit zur Beteiligung bieten. Die Reaktionen der Schülerinnen und Schüler waren quer durch alle Schularten überdurchschnittlich positiv. Ein ungewöhnlich positives Echo erhielt das Vorhaben aber auch von erwachsenen Besuchern, insbesondere von Senioren. Besonders hohe Zustimmung erhielten vor allem folgende fünf Faktoren: 1. Die Möglichkeit, sich frei für ein Thema bzw. eine Station entscheiden zu können 2. Die Möglichkeit, sich in Ruhe und konzentriert mit historischen Objekten beschäftigen zu können – gelobt wurde vor allem die Möglichkeit zum Sitzen 3. Die besondere physische Nähe zu den Objekten 4. Die Möglichkeit, sich auf den Eckbänken mit anderen über die Themen austauschen zu können 5. Die Austauschräume mit ihrer gemütlichen Atmosphäre und offenen Fragestellung

Beitrittsurkunde zur HJ, präsentiert in einem Schulschrank der Jahre 1933–1945 Fotos: Giulia Iannicelli Lernstation Einsatz von Schülern im Bombenkrieg

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Die Lernstationen initiierten in sehr hohem Maße die Kommunikation der Besucherinnen und Besucher. Besucher lasen sich gegenseitig Dokumente vor, versuchten diese zu interpretieren und kamen immer wieder auch auf Erlebnisse der eigenen Familie zu sprechen. Senioren setzten sich zu Schülergruppen, hörten zu und erzählten aus ihrem eigenen Schulalltag. Insbesondere das Sitzen auf der Eckbank schien diese Kommunikation zu stärken. Die erhöhten Rückwände erleichterten das Hören (als Schalltrichter) und stärkten das Sicherheitsgefühl (der Rücken ist geschützt, der Blick nach vorne ist frei). Von der Eckbank aus ließen sich Besucher in anderen Lernstationen beobachten aber auch Objekte an anderen Tischen. Dies lieferte zusätzliche Anregungen und ließ neugierig werden auf weitere Stationen. Entwicklung zusammen mit Schülern In die rund zwei Jahre währende Entwicklungsphase waren von Anfang an Schülerinnen und Schüler eingebunden. Ausgewählte Gruppen von drei Mittelschulen und einem Gymnasium aus Nürnberg und Fürth trafen eine erste Auswahl der historischen Objekte, entwickelten zusammen mit Studierenden in Universitäts-Seminaren Prototypen für die Lernstationen und testeten die Lernarrangements. Wieder andere Gruppen planten die Austauschräume und produzierten die Hörstationen. Erprobt wurden unterschiedlichste methodische Zugänge, von der historischen Inszenierung bis zum nüchternen Arbeitstisch ebenso wie der Umfang einzelner Texte oder auch die Ausrichtung der Dokumente auf den Lerntischen. Richtungsweisend waren die Erfahrungen mit den mathematisch-naturwissenschaftlichen Lernwerkstätten, die das Schulmuseum zusammen mit Partnern in den Vorjahren entwickelt hatte. Im »Matheland« und im »Technikland« waren Lernarrangements entwickelt und getestet worden, wie sich Schülerinnen und Schüler von der Grundschule bis zur Sekundarstufe zu konzentrierter, selbstständiger Arbeit motivieren lassen. Neben den Schülern waren auch Wissenschaftler und Didaktiker beteiligt. Die Entwicklung des Lernlabors wurde durch das Nürnberger Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände sowie das Kunst- und Kulturpädagogisches Zentrum Nürnberg und verschiedene Lernlaborbetreuer von Schulen unterstützt. An der Umsetzung der Austauschräume war der Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte der Universität Erlangen-Nürnberg beteiligt. Für den Ausstellungsbereich engagierten sich der Förderverein des Schulmuseums sowie die Historiker Dr. Fritz Schäffer, Dr. Jörg Link (Universität Potsdam) und Prof. Dr. Georg Seiderer (Universität Erlangen-Nürnberg). Finanziell getragen wurde das Projekt durch die Universität Erlangen-Nürnberg, den Förderverein des Schulmuseums, den Bezirk Mittelfranken, den BLLV, den Philologenverband Mittelfranken, die Hermann Gutmann Stiftung und die Robert Bosch Stiftung.

Das Schulmuseum Nürnberg Das Schulmuseum Nürnberg ist eine Kooperation der Universität Erlangen-Nürnberg und der Stadt Nürnberg und zählt rund 40.000 Besucher jährlich (ca. 60 % Schüler). Im Mittelpunkt steht die gesellschaftliche Bedeutung von Bildung. Die Sammlung mit ca. 180.000 Objekten unterstützt die universitäre Forschung und Lehre. Das Museum entwickelt Lernwerkstätten und betreibt Wanderausstellungen im gesamten Bundesgebiet. Geisteswissenschaftliche Lernlabore in Deutschland Im Gegensatz zu naturwissenschaftlichen SchülerLernlaboren stehen deren geisteswissenschaftliche Pendants in Deutschland erst am Anfang. Die vier größeren (universitären) Lernlabore in Bochum, Berlin, Hamburg und Hannover richten sich an die gymnasiale Oberstufe und setzen auf intensive pädagogische Anleitung. Die Themen erstrecken sich von der NS-Zwangsarbeit über mittelalterliche Handschriften bis zur Friedensforschung.

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Alexa, Wolfgang Aulbach (WAUL), 2001, Birnbaum, farbig gefasst, H 55,5 cm, Mainfränkisches Museum Würzburg Foto: Museen der Stadt Aschaffenburg

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KUNST GEHT FREMD... und unter die Haut 28.7. – 8.11.2015 »Kunst geht fremd« feiert Geburtstag. Bereits zum fünften Mal schicken unterfränkische Museen ihre Kunstschätze auf die Reise: Wenn ein Objekt in einem fremden Kontext wirken kann, garantiert das jedes Mal wieder einen einzigartigen Perspektivwechsel. Was im Jahr 2011 als Austausch zwischen vier Einrichtungen begann, bindet in diesem Jahr zehn unterfränkische Museen mit ein: die Museen Schloss Aschach, die Museen der Stadt Aschaffenburg, das Museum Obere Saline Bad Kissingen, das Knauf-Museum Iphofen, die Museen der Stadt Miltenberg, die Kulturagentur Rhön-Grabfeld, die Kunsthalle Schweinfurt sowie die Barockscheune Volkach, das Museum im Kulturspeicher Würzburg und das Mainfränkische Museum Würzburg. Jeweils ein ausgewähltes Kunstwerk wird in ein anderes Haus ausgeliehen und erfährt dadurch eine Art »Tapetenwechsel«: Die Objekte präsentieren sich in einem neuen, aber regionalen Umfeld, sie fügen sich in eine andere Ausstellungskomposition mit ein – oder führen dort ganz bewusst zu gewissen »Irritationen«. Der Tausch verläuft dabei nicht starr bilateral, sondern er spinnt seine künstlerischen Fäden quer durch Unterfranken. Das gewährt nicht nur einen anderen Blick auf Ausstellung und Kunst, sondern schafft auch ein heterogenes, lebendiges Netzwerk, von dem Besucher und Kulturschaffende vor Ort profitieren können. Eben diese Vielfalt an unterschiedlichen Sammlungsschwerpunkten und Vermittlungsansätzen kommt durch das diesjährige Thema unseres Kunsttausches zur Geltung: Das Motto »Kunst geht fremd... und unter die Haut« zeigt, wie facettenreich die Assoziationen der einzelnen Museen zu einem bestimmten Thema sein können. Das Thema »Haut« als Kunstbegriff ist vielfältig geprägt und verspricht gleichzeitig eine geheimnisvolle Intimität. Die Haut macht Emotionen sichtbar, etwa bei der Gänsehaut oder wenn man vor Scham errötet. Mit diesen Assoziationen wollen wir im Sommer spielen und experimentieren. »Kunst geht fremd 2015« bietet Objekte von unterschiedlichster Herkunft und Beschaffenheit: Haut kann als Gefäß, zum Beispiel als Vase oder Flasche verstanden werden. Auch ein Gebäude hat eine Außenhaut. Es kann sich aber auch ganz wörtlich um Haut handeln, zum Beispiel um die erotisierende zarte Haut einer jungen Frau oder die tierische Haut, als Leder oder Pergament. In unserem Fall wird Haut thematisiert in zeitgenössischen Skulpturen ebenso wie auf Aktgemälden, als Behältnis für Wein oder in Form von ledernen Exotika aus Übersee. Von Ende Juli bis Anfang November 2015 werden die teilnehmenden Kulturbetriebe die Kunst-Gäste aufnehmen und präsentieren – ganz nach Art des Hauses (oder eben gerade nicht). In Bad Kissingen ist die Auswahl an Bocksbeuteln aus Volkach ein willkommener Gratulant für das Bismarck-Jubiläum 1815–2015. Ganz anders verhält es sich bei der Alexa-Skulptur von Wolfgang Aulbach (2001) aus Aschaffenburg, die sich auf der Festung Marienberg keck gegenüber dem »Göttermahl« von Johann Rudolf Byss (1734) platzieren wird. Was Fürstbischof Friedrich Karl von Schönborn, der Besitzer des barocken Gemäldes wohl dazu gesagt hätte? Auch der Torso des zeitgenössischen Bildhauers Philipp Mendler aus Rhön-Grabfeld wird mit seinen porösen, aufgeworfenen Strukturen zwischen den Repliken antiker Weltkunst des Knauf-Museums in Iphofen mehr als nur auffallen. Zumindest thematisch näher sind sich da die Nymphe auf dem Miltenberger Reliefstein aus einem römischen Kastellbad, die das ehemalige Ernst-SachsBad in Schweinfurt besuchen darf. Rechtzeitig zum fünfjährigen Bestehen freut sich »Kunst geht fremd 2015« auch über einen neuen Look. Die Präsentation von erstmals zehn teilnehmenden Museen und deren Ideen wird aufgefangen durch ein frisches, aufgelockertes Layout, das das Konzept und seine Dynamik gestalterisch zeigt.

Anna Valeska Strugalla

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Inklusion für hörgeschädigte Museumsbesucher

Peter Lottner

Die induktive Übertragung bietet neue Möglichkeiten Bei den aktuellen Bemühungen um Barrierefreiheit im öffentlichen Bereich sollte die Inklusion der Menschen mit Beeinträchtigung im Vordergrund stehen, d. h. die Betroffenen sollen möglichst an »normalen« Veranstaltungen teilnehmen können. Spezielle Angebote können zwar vereinzelt helfen, sie widersprechen aber dem Ziel der Inklusion. Insbesondere für hörgeschädigte Menschen ist Inklusion sehr gut durchführbar. Zu den üblichen Hilfen zählen Gebärdensprachunterstützung, Schriftdolmetschen und Höranlagen mit Infrarot-, Funk- oder induktiver Übertragung. Funkübertragung und induktive Übertragung werden oft miteinander verwechselt, insbesondere weil es Kombinationen dieser Techniken gibt. Bei der reinen Induktivübertragung sind i. d. R. unter dem Fußboden Induktionsschleifen verlegt (z. B. in großen Veranstaltungsräumen). Der Induktionsschleifenverstärker (Konstantstromverstärker) ist an die Beschallungs-/Mikrofonanlage angeschlossen und speist die Tonquelle in das Schleifenkabel ein, sodass ein schwaches Magnetfeld im Rhythmus des Tons abgestrahlt wird. Dieses Magnetfeld wird von der (in 70 % aller Hörgeräte standardmäßig enthaltenen) Magnetfeldempfangs-/Telefonspule aufgenommen und vom Hörgerät wieder in Ton umgewandelt. Dazu müssen Hörgeräteträger lediglich ihr Gerät vom Normalbetrieb »M« auf die Betriebsart »T« (oder ggf. auch »MT«) umstellen, was entweder per Knopfdruck am Gerät oder mit Hilfe einer Fernbedienung möglich ist. Das »induktive Hören« verhilft dem Betroffenen dazu, das Gesprochene besser zu verstehen, weil drei Störfaktoren ausgeklammert werden: schlechte Raumakustik, störende Nebengeräusche und eine große Entfernung zum Sprecher. In dieser beschriebenen Form ist das induktive Hören auf den Raum beschränkt, in welchem die Schleife verlegt ist. Sofern in einem Gebäude mehrere Induktionsschleifen in nebeneinander liegenden Räumen betrieben werden sollen, muss eine exakte Planung der Schleifenverlegung erfolgen. Das Magnetfeld kann nämlich mehrere Meter »springen« und wäre somit evtl. im Nebenraum hörbar. Die Technik der induktiven Übertragung ist aber auch mobil nutzbar. Statt eines Kopfhörers können an Audio- oder Tourguide-Empfängern induktive Halsringschleifen angeschlossen werden. Wie der Name sagt, handelt es sich dabei um Induktionsschleifen,

Selbsthilfegruppe im Georg-Schäfer-Museum in Schweinfurt Foto: Barbara Weickert

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welche der Hörgerätbesitzer um den Hals trägt. Nun kann der Betroffene ohne störende Nebengeräusche der Führung in einem Museum folgen. Es spielt nun für ihn keine Rolle mehr, wie groß die Gruppe der Besucher oder wie weit der Sprecher entfernt ist. Viele Hörgeschädigte müssten sonst z. B. sehr nahe beim Sprecher stehen und von dessen Mundbild absehen. Dadurch kann man sich nicht auf das gerade erklärte Objekt konzentrieren. Für Hörgeräteträger ist Hören nicht gleich Verstehen. Sie müssen mühsam das bruchstückhaft Verstandene zu einem sinnvollen Satz ergänzen. Dadurch ermüden sie schnell und können der Führung schon nach kurzer Zeit nicht mehr folgen. Nicht jeder Audio- oder Tourguide-Empfänger und nicht jede Halsringschleife sind tauglich. Es gibt auf dem Markt leider nur wenige gute Geräte-Kombinationen. Damit induktive Höranlagen für Hörgeräteträger sinnvoll nutzbar sind, müssen die Anforderungen der Norm »EN 60118-4« erfüllt werden. Es handelt sich dabei nicht um eine Geräte-Norm, sondern um eine Funktions-Norm. Sie beschreibt, in welchem Frequenzbereich die magnetische Feldstärke wie hoch sein muss und wie stark Störungen sein dürfen, damit man trotzdem einen Hörgewinn hat. Eine versierte Fachfirma wird daher im Vorfeld auch magnetische Störfelder ausfindig machen, um Hörgeräteträgern das induktive Hören überhaupt erst zu ermöglichen. Da Kopfhörer oder Einohrhörer von Audio- oder Tourguide-Empfängern ebenso Magnetfelder abstrahlen, könnten Hörgeräteträger damit ebenso induktiv hören. Dies sollte aber nur als Notlösung in Betracht gezogen werden, weil die Hörer an den Ohren von Hörgeräteträgern nicht gut halten bzw. unbequem sind. Einige (teure) Hörgeräte bieten als Zubehör kleine Funkmikrofone, welche direkt (also nicht induktiv) in die Hörgeräte übertragen. Sofern diese Funkmikrofone über einen externen Toneingang (i. d. R. Miniklinkenbuchse) verfügen, kann der Audio- oder TourguideEmpfänger damit verbunden werden. In diesem Fall kann der Hörgeräteträger auch trotz vorhandener magnetischer Störfelder den Audio- bzw. Tourguide-Empfänger sinnvoll nutzen.

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Bayerische Museumsakademie Die Bayerische Museumsakademie (BMA), getragen vom Institut für Bayerische Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München, dem Museumspädagogischen Zentrum München (Sitz der Geschäftsstelle) und der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, hat sich in der Herbstakademie und der Frühjahrsakademie zwei elementaren, gesellschaftlich relevanten Themen gewidmet. Kulturelle Bildung stand im Fokus der Veranstaltung im Oktober in München, während die Themen Barrierefreiheit, Inklusion und kulturelle Teilhabe für alle im April in Würzburg diskutiert wurden. Darüber hinaus gab es zahlreiche Seminare, Workshops und Vorträge sowie spannende Exkursionen. Inhaltliche Schwerpunkte der BMA-Veranstaltungen liegen auf den Grundlagen der Museologie und des Museumsmanagements, auf allen Aspekten rund um die Museumsarbeit wie beispielsweise Ausstellen als interdisziplinäre Aufgabe sowie auf dem wichtigen Bereich der Bildung und Vermittlung im Museum. Insbesondere bei den museumsspezifischen Fragen bringt sich die Landesstelle zusammen mit den Kooperationspartnern intensiv ein.

Dr. Astrid Pellengahr Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern

Dr. Josef Kirmeier Museumspädagogisches Zentrum (MPZ)

Prof. Dr. Ferdinand Kramer Institut für Bayerische Geschichte der LMU München

An dieser Stelle möchten wir Ihnen eine Auswahl an Veranstaltungen ab Herbst 2015 zur Vorabinformation nennen: → »Umgang mit der Sammlung: Klima – Präventive Restaurierung« (mit Depotbesuch), München, 22.9.2015 → Herbstakademie »Der Verantwortung gerecht werden«. Konzeption, Gestaltung und Vermittlung von Ausstellungen zur NS-Zeit in stadt-, orts- und regionalgeschichtlichen Museen, KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, 8./9.10.2015 → »Ins rechte Licht rücken« – konservatorische und inszenatorische Aspekte von Museumslicht, München, Mitte Oktober 2015 → »Grundschulkinder im Museum«, München, 28.10.2015 → Museumslandschaft Schwaben und Vorarlberg (Exkursion), 29.10.–1.11.2015 → »Ü-Klassen – Herausforderungen in der Vermittlung«, München, 25.11.2015

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»Barrierefreiheit ist mehr als die Rampe am Eingang. Auf dem Weg zu einem inklusiven Museum«

Helen Schleicher

Frühjahrstagung der Bayerischen Museumsakademie, Würzburg, 23.–24.4.2015 Museen stehen in den nächsten Jahren vor der großen Aufgabe, auch Menschen mit verschiedensten Beeinträchtigungen kulturelle Teilhabe zu ermöglichen. Die Tagung im Würzburger Museum am Dom, die in Kooperation zwischen Bayerischer Museumsakademie, dem Bezirk Unterfranken, dem Museum am Dom und der Professur für Museologie der JuliusMaximilians-Universität Würzburg veranstaltet wurde, bot mit einer Vielzahl an Fachvorträgen, Erfahrungsberichten und Praxisbeispielen ein facettenreiches Programm zum Thema Inklusion. Zum Auftakt beleuchtete Klemens Kruse vom Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit den Begriff Inklusion in seiner Schlüsselrolle für die Behindertenrechtskonvention. Er forderte die Abkehr von defizitären Denkmustern zugunsten der Haltung, die Betroffenen so weit wie möglich in ihrer Autonomie und Selbstbestimmung zu fördern. Nach Dr. Volker Metzger von der Klassik Stiftung Weimar ist der Abbau kultureller Barrieren im Museum mindestens genauso wichtig wie der Abbau physischer Barrieren. Zudem ist hier ein generelles Umdenken notwendig, da die klassische Definition der Aufgaben eines Museums kaum unserer heterogenen, sich wandelnden Gesellschaft gerecht wird. Dr. Astrid Pellengahr machte in ihrem Vortrag Mut, inklusive Angebote als Erweiterung des zielgruppen- und lerntypenspezifischen Spektrums einer Ausstellung zu betrachten. Diese bieten einen Mehrwert für alle Besucher und sind daher als Schritt zu einer größeren Serviceorientierung der Museen, insbesondere auch im Hinblick auf den Demografiewandel, zu verstehen. Im Anschluss berichtete Dr. Siegfried Saerberg von seinen Erfahrungen als blinder Museumsbesucher und stellte drei Ausstellungsprojekte vor, an denen er als Kurator mitgewirkt hat und die mit multisensorischen Angeboten blinde wie sehende Besucher gleichermaßen ansprachen. Am Nachmittag gab es die Gelegenheit, an verschiedenen Führungen teilzunehmen. So konnte man beispielsweise im Museum am Dom die im Rahmen eines Praxisseminars der Universität Würzburg entstandenen Taststationen erproben. Auch der Freitag bot eine Vielzahl spannender Beiträge und Diskussionen. Nach den Grußworten der Schirmherrin Irmgard Badura, der Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für Menschen mit Behinderung, beleuchtete die Philosophin und Humangenetikerin Prof. Dr. Sigrid Graumann den Begriff Inklusion aus ethischer Perspektive und aus Sicht der Anerkennungstheorie. Im Anschluss stellte Birgit Tellmann von der Bundeskunsthalle Bonn ein Pilotprojekt vor, bei dem in Kooperation mit vier Museen ein modulares, inklusives Vermittlungskonzept entwickelt werden soll, das sich auf verschiedenste Ausstellungskonzeptionen übertragen lässt. Danach gab es die Gelegenheit, die von zwei

Taststation für Blinde im Stadtmuseum Kaufbeuren Foto: Melanie Gotschke, Stadtmuseum Kaufbeuren

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Das Tastmodell des Gemäldes lässt sich Schicht um Schicht zum Gesamtbild komponieren Foto: Markus Hauck (POW)

Studentinnen der Universität Würzburg organisierte Posterausstellung, bei der Inklusionsprojekte aus ganz Deutschland präsentiert wurden, zu betrachten und mit den Initiatoren zu diskutieren. Im Anschluss stellten Claudia Schönitz von der Wichern-Schule in Würzburg, Caroline Buffet, Dreiländermuseum Lörrach, Simone Doll-Gerstendörfer von der Universität Würzburg und Alicia von Wiedersperg, Dr. Karl-Kroiß-Schule, drei spannende Projekte näher vor, bei denen sich u.a. zeigte, dass Museen sich bestens als Orte der Begegnung und der Integration eignen. Am Nachmittag machte Anja Dworski (Landesverband Sachsen – Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung) deutlich, dass auch das Sprachniveau von Schriftund Hörtexten ein entscheidender Aspekt von Inklusion ist und stellte die wichtigsten Regeln der Leichten Sprache vor. Helmut Vogel vom Geschichtsbüro »Deaf History Now«, betonte anschließend, dass die Deutsche Gebärdensprache (DGS) als offiziell anerkannte Sprache im Museumsbereich genau wie andere Fremdsprachen angeboten werden sollte. Führungen oder Videoguides in DGS würden so entscheidend zum Abbau kommunikativer Barrieren beitragen. Den Schlussvortrag hielt Dr. Regina Franken-Wendelstorf (Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin), die sich mit multimedialen Anwendungen und ihrer Eignung für inklusive Vermittlung beschäftigte. Die regen Diskussionen im Anschluss an die Vorträge und die hohe Teilnehmerzahl unterstrichen die große Bedeutung und Aktualität des Themas Inklusion. Es wurde deutlich, dass der Weg zum inklusiven Museum zwar nicht immer einfach sein wird, dafür aber große Chancen und zahlreiche neue Perspektiven bietet. Der Schlüssel zum Erfolg liegt hierbei in der engen Zusammenarbeit und im ständigen Austausch mit Betroffenen, Fachleuten und Verbänden, wodurch sich Lösungen finden lassen, von denen letztlich alle Museumsbesucher profitieren.

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Seit 11 Jahren ein Schaufenster der Museen – der Infopoint Museen & Schlösser in Bayern Ein »Infopoint« für Museen & Schlösser (er)findet sich Demnächst werden 10+1 Jahr(e) vergangen sein, seit in Münchens Altstadtkern ein deutschland-, wenn nicht gar weltweit einzigartiges Informationszentrum als zentrale Besucherinformation für Museen und Schlösser eines ganzen Bundeslandes seine Tore öffnete. Das Wagnis, das der Freistaat Bayern im Juni 2004 einging, wurde zum Jubiläumsjahr 2014 mit einem besonderen Erfolg belohnt: Die jährliche Besucherzahl stieg nochmals von zuletzt soliden 50.000 Besuchern auf 64.500 Besucher an – seit Eröffnung bis Ende 2014 kamen insgesamt 425.000 Gäste. Wir empfinden dies als ein Zeichen, dass der Infopoint im Münchner Stadtleben angekommen ist: Dass hier Einheimische und einheimisch Gewordene, Schulklassen, einzelne und in Gruppen Reisende dankbar die »Münchner Kaiserburg im Alten Hof« nutzen, um fundierte Einblicke in die Stadtgeschichte zu erhalten; dass sie trotz des großen Kulturangebots Münchens, neugierig sind auf das Umland ebenso wie auf das restliche Bayern, wo über 1.350 Museen mit großen und kleinen Schätzen aufwarten. Struktur und Netzwerk Die Serviceeinrichtung Infopoint Museen & Schlösser in Bayern bildet eine Schnittstelle zwischen den Besuchern, den Museumskollegen und auch Verwaltungen. Von der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern als Schaufenster der Museen konzipiert wird der Infopoint auch von ihr getragen. Mit einer Informationswand zu den bayerischen Schlössern ist der Infopoint auch ein enger Partner der Bayerischen Schlösserverwaltung (BSV). Er vertreibt nicht zuletzt deren beliebte Jahres- und Mehrtagestickets in seinem Museumsshop. Kooperationen mit dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München, dem Arbeitskreis Öffentlichkeitsarbeit der Münchner Museen und Ausstellungshäuser und München Tourismus mündeten im Laufe der Jahre in viele ansprechende Serviceprodukte. So übermittelt das Museumsportal www.museen-in-bayern.de mit den Museumsstammdaten, die die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern zur Verfügung stellt, alle aktuellen Ausstellungen und Veranstaltungen an ein weiteres sich finanziell selbst tragendes Museumsportal: Aus der Initiative des Arbeitskreises der Münchner Museen und Ausstellungshäuser entstand www. museen-in-muenchen.de (seit 2010 online). In einer übersichtlichen Auswahl von rund 60 Häusern findet man hier redaktionelle Themen und Veranstaltungstipps auf der Startseite sowie Besucherinfos mit informativen Übersichten wie Montags- und Abendöffnungen. Mit Unterstützung des Kulturreferats der Landeshauptstadt München stellen sich das Münchner Museumsportal und der Infopoint Museen & Schlösser in Bayern als zentrale Anlaufstellen für die Besucher dar. So präsentieren sich beide auch in dem Museumsführer »Museen in München« im Taschenformat, der inzwischen seine dritte Printauflage erfuhr (insgesamt 150.000 Exemplare). So öff-

Sabine Wieshuber

Der Alte Hof – touristische Anlaufstelle mit dem Infopoint Museen & Schlösser in Bayern und der Ausstellung Münchner Kaiserburg. Foto: Michael Forstner, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

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nen touristische Initiativen von Münchens Museen immer auch ein Fenster auf die bayerische Museumslandschaft. Wo? Wann? Wer? Was? Ambitioniert vertritt der Infopoint als Plattform seit bald elf Jahren über 1.350 Museen und Schlösser und fast 130 Ausstellungshäuser, ansässig im Alten Hof in München und virtuell mit dem Museumsportal Bayern. Das komplette Angebot an Sammlungen und Ausstellungen samt ihrer tagesaktuell gepflegten Vermittlungsprogramme unabhängig von ihrer staatlichen, städtischen oder privaten Trägerschaft zugänglich zu machen, war von Beginn an Gebot der Stunde. Jeder Besucher und Internetnutzer ist eingeladen, historische, kunst- und kulturhistorische, archäologische und technische Museen zu entdecken. Naturkundliche Sammlungen, Freilicht- und Bauerhofmuseen, Schlösser und Burgen gehören genauso dazu. Im Infopoint inspirieren zudem wechselnde kleine Ausstellungen, in denen sich ein Museum oder ein Museumsverbund präsentiert, zu Ausflügen. Jubiläen können besondere Anlässe für diese Präsentationen sein. Regelmäßige Partner sind das Haus der Bayerischen Geschichte mit seinen Landesausstellungen ebenso wie die jährlichen Ausstellungen des Rosenheimer Lokschuppens. Neu renovierte und mit neuen Rundgängen ausgestattete Schlösser der Bayerischen Schlösserverwaltung wie Höchstädt mit der Schlacht 1704 und dem neuen Fayencemuseum, die Ausstellung zur Nibelungensage auf Burg Prunn und die Kaiserburg Nürnberg hatten hier ihren Auftritt. Aber auch kleinen Häusern stehen die Türen weit offen – jüngst nutzte das Grafikmuseum Stiftung Schreiner in Bad Steben die Gelegenheit, Originalgrafiken und Drucktechniken zu zeigen. Gemeinsam stark Stilvoll eingerichtet überzeugt der Infopoint mit seiner runden Informationstheke. Um diese herum schlendert der Besucher an geschwungenen Informationswänden zu München, den Schlössern und der Vielfalt der bayerischen Museumsorte von A-Z entlang und kann sich Ausstellungsbroschüren und Quartals- oder( Halb-)Jahresprogrammen durchlesen. Dass dieser Rahmen attraktiv für Presseveranstaltungen in der Landeshauptstadt sein kann, beweist das Franz Marc Museum Kochel am See, welches es seit seiner Neukonzeption zur Tradition hat werden lassen, hierher zur Jahrespressekonferenz einzuladen. Auch stellte sich beispielsweise die neue Dachmarke »Domberg – Museen um den Bamberger Dom« 2012 zuerst im Infopoint der Öffentlichkeit vor. Das DB Museum Nürnberg nutzte die Räumlichkeiten im Infopoint, um hier sein mit Kindern konzipiertes Kinderbahnland (2013) der Presse ausführlich zu erläutern. Daneben hat sich der Infopoint als Veranstaltungsort, etwa im Rahmen des bayerischen Hospitationsprogramms für ost- und südosteuropäische Fachleute aus dem Museums-, Archiv- und Bibliothekswesen, bewährt. Die zentrale Lage am Münchner Marienplatz kommt Museumskollegen, Journalisten und Besuchern gleichermaßen zu Pass und ermöglichte so die Etablierung eines lebendigen Ortes des Austauschs. Des Alten Hofes neue Kaiserburg Seit 2007 suchen Tagesgäste, Touristen, Stadtralleys und Schulklassen den Infopoint besonders stark auf. Dies ist in erster Linie dem neuen Zusatzangebot zu verdanken: Eine multimediale Dauerausstellung zu Ludwig dem Bayern und dem Alten Hof, » Münchner Kaiserburg«, zieht das Publikum bei freiem Eintritt an. Im gotischen Gewölbe betrachten die Besucher den Querschnitt der um 1200 datierten Burgmauer, informieren sich über Baugeschichte und Nutzungen des ersten Sitzes der Wittelsbacher in München. Anschaulich und interaktiv thematisiert werden zudem das Leben am mittelalterlichen Hof und der Konflikt zwischen Kaiser und Papst, bei dem sich profane und sakrale Herrschaftsansprüche unversöhnlich gegenüber standen. Auf dem Weg dorthin und hinaus

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stoßen die Besucher auf noch mehr »Kultur« und lassen sich zumeist nicht davon schrecken, sondern begeistern! Zurück zu den Wurzeln – den Kindern sei Dank Dass Familien mit ihren Kindern den von vier Flügeln umgebenden verkehrsberuhigten Burghof aufsuchen, in dessen Mitte einer ruhigen Oase gleich ein Brunnen fließt, verwundert kaum. Dass sie im Frühsommer zumal in Scharen kommen, ist nicht unbegründet. 2008 gastierte zum 850. Stadtgründungsfest Münchens mit mittelalterlichem Schwerpunkt das offizielle Kinderfest erstmals im Alten Hof. Seither sind die daraus entstandenen Verbindungen gediehen. Kreative Köpfe und anpackende Hände aller Mitwirkenden rund um Kultur- und Spielraum e. V. schaffen es, auf dem gerade noch leeren Hof mit ein paar Brettern, Farbe, Pflanzen und wunderbaren Details einen Hofstaat mit herrschaftlicher Hofküche, Hofkommissariat und vielen Mitmachstationen entstehen zu lassen. Der so besetzte, geschützte Raum des Alten Hofes bleibt aber nie verschlossen, sondern durch seine Passierwege nach allen Seiten geöffnet. So ginge es unterm Burgtor hindurch übrigens direkt nach Polling – einen uralten Klosterort, dessen Tuffstein auch im Alten Hof verbaut ist. Polling nutzt während des Kinderfestes 2015 seine Präsentation mit DASMAXIMUM KunstGegenwart Traunreut im Infopoint, um Klein und Groß aktiv an ein ästhetisches Erleben heran zu führen. Nachts im Infopoint Mit dem Alleinstellungsmerkmal »einziges Museum außerhalb Münchens« traten im Infopoint immer wieder auch nicht-Münchner Institutionen als unsere Partner der Langen Nacht der Münchner Museen in den Ring: das Stadtmuseum Schwabach (2005), das noch nicht eröffnete Textil- und Industriemuseum tim in Augsburg (2006), Die Kiste – Augsburger Puppentheatermuseum (2007), das Deutsche Hopfenmuseum Wolnzach (2008), das Geigenbaumuseum Mittenwald (2009) oder die Kulmbacher Museen (2010), aber auch das Museumspädagogische Zentrum MPZ (2011) und schließlich die Spitzensammlung Nordhalben (2012), das Penzberger Bergwerksmuseum (2013) sowie das Stadtmuseum Kaufbeuren (2014). Im Herbst 2015 wird das Deutsche Hutmuseum Lindenberg den Staffelstab übernehmen. Dem ersten Gast 2004, der Schaustellereisammlung des Münchner Stadtmuseums, haben wir die Aufstellung der inzwischen zur Institution gewordenen historischen Schaustellerorgel zu verdanken, die seither alljährlich mit ihrer Musik die Nachtschwärmer in den Alten Hof zieht. Begeistern, begeistern und nochmals begeistern Aber was sind Zahlen allein, was geben uns trockene Informationen, wenn sie nicht von begeisterten Menschen vermittelt und von neugierigen und offenen Menschen aufgenommen und weitergetragen werden? Der Internationale Museumstag im Mai und der

Zum Internationalen Museumstag 2014 postete der Infopoint dieses Foto seiner bunten Museums-und Ausstellungs-Flyer-Sammlung zur Social-Media-Aktion #mycollection14 Foto: Landesstelle

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Tag des Offenen Denkmals im September sind für uns fest gesetzte Termine, an denen wir in öffentlichen Führungen den direkten Austausch mit unseren Besuchern suchen. Hier öffnen wir auch den sonst nicht begehbaren historischen Holzdachstuhl und vermitteln die Schwerpunkte der Ausstellung Münchner Kaiserburg persönlich. Das kleine Team des Infopoints entwickelt sich dynamisch weiter und umfasst mittlerweile sieben Personen. Ihre Energie, ihr Engagement und eine wunderbare Teamarbeit eröffnet hier neben dem Studium, der Dissertation oder einer freien Tätigkeit unterschiedlichsten Talenten die Möglichkeit, sich professionell in Richtung kultureller Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu entwickeln. Inzwischen sind einige unsere ehemaligen Kolleginnen unsere Ansprechpartner an den Museen geworden. Hilfreich steht das Infopoint-Team Besuchern und internationalen Gästen bei der Planung ihrer Museumsexkursionen zur Seite. Hierzu braucht es natürlich den Rückhalt und ständigen Informationsfluss im direkten Austausch mit den bayerischen Museumskollegen. Auch von unseren Besuchern und weitgereisten Stammgästen hören wir von manchen sehenswerten Ecken. Auch halten wir Augen und Ohren über soziale Kanäle mit unserer Facebook-Seite und den Blog des Infopoints offen – wir verstehen sie als zusätzliche Räume der Vernetzung, in denen wir gerne Museumsinitiativen und Neuigkeiten weitertragen.

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Gemeinsam sind wir stark

Linda Herrmann

Freilichtmuseum am Kiekeberg. Ein Beispiel für die gelungene Zusammenarbeit zwischen einem Museum und seinen Förderern Das Freilichtmuseum am Kiekeberg liegt im Süden Hamburgs. Mit jährlich rund 200.000 Besuchern ist es die zentrale kulturelle Institution im Landkreis Harburg. Im Mittelpunkt seiner Arbeit stehen das Sammeln, Bewahren, Erforschen und Vermitteln von Zeugnissen der Kulturgeschichte der Lüneburger Heide und der Winsener Elbmarsch. Die 30 historischen Gebäude, die bäuerlichen Gärten und die Nutztierrassen vermitteln ein lebendiges Bild der Geschichte der Region. In der 2012 neu eröffneten Ausstellungswelt Agrarium bestaunen die Besucher historische Traktoren und landwirtschaftliche Nutzgeräte. Dort wird die Entwicklung der Landwirtschaft und der Ernährungsindustrie anschaulich dargestellt. Bereits vor 25 Jahren gründete ein kleiner Kreis von engen Museumsfreunden und Mitgliedern der Verwaltung den Förderverein des Freilichtmuseums am Kiekeberg. 2014 feierte der Verein und mit ihm das ganze Museum neben dem 25. Geburtstag auch das 10.000 Mitglied. »Vor einem Vierteljahrhundert hätten wir nicht gedacht, dass unser Förderverein so viele Menschen bewegt«, sagt Professor Dr. Rolf Wiese, Museumsdirektor und Gründungsmitglied des Vereins. Ziel des Fördervereins ist es, das Freilichtmuseum und seine Außenstellen Museumsbauernhof Wennerstorf, Mühlenmuseum Moisburg und Feuerwehrmuseum Marxen ideell, finanziell und tatkräftig zu unterstützen und die Museumsarbeit zum Wohl der Besucher und der Gesellschaft auszurichten. Und das mit Erfolg: Die Vereinsgelder sind eine wichtige Stütze für die Museumsarbeit – viele Projekte wurden erst durch sie möglich. Zum Beispiel der Wiederaufbau historischer Gebäude im Museum, wie der Historische Tanzsaal, die Brennerei oder die Tesper Scheune, museumspädagogische Programme, die jährlich von über hundert Schulklassen wahrgenommen werden, oder die zeitgemäße Ausstattung von Sammlungsdepots. Der Verein publiziert auch wissenschaftliche Arbeiten und Begleitbände zu Ausstellungen. Immer wieder erwirbt er wichtige Exponate für das Museum, wie ein Kettenkarussell der Nachkriegszeit für rund 23.500 EUR. Knapp über 10 Millionen EUR wurden so in den vergangenen 25 Jahren für das Museum aufgewendet. Rund 280 Mitglieder sind außerdem regelmäßig vor oder hinter den Kulissen des Museums ehrenamtlich aktiv. 1.700 Stunden pro Monat engagieren sie sich bei Kinderaktionen oder in den Gärten des Museums. Auch der Vorstand und ein Teil der Finanzverwaltung des Vereins arbeiteten ehrenamtlich. »Die hohe Zahl an ehrenamtlichen Helfern liegt nicht nur an den wachsenden Mitgliederzahlen, sondern auch an den vielfältigen Möglichkeiten der Betätigung: Vom Restaurieren historischer Landmaschinen, Arbeit im Pressearchiv bis zum Kuchenverkauf«, erklärt Marc von Itter, Kaufmännischer Geschäftsführer des Freilichtmuseums. Finanzierung und Organisation des Vereins Der Förderverein des Freilichtmuseums am Kiekeberg e. V. finanziert sich zum einen durch die jährlichen Mitgliedsbeiträge: Einzelmitglieder zahlen 45 EUR,

Freilichtmuseum am Kiekeberg – Hof Meyn aus Marschacht – erbaut 1550 Foto: FLMK

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Paare 70 EUR, Firmen 200 EUR und mehr. Einige Mitglieder zahlen freiwillig einen höheren Beitrag. Darüber hinaus spenden die Mitglieder und übernehmen Patenschaften. Zum anderen werden museale Gegebenheiten genutzt, um diese einerseits wirtschaftlich wiederzubeleben und andererseits das Vereinsvermögen zu mehren: Die traditionellen Betriebe Bäckerei, Brennerei, die Museumsläden sowie die Landwirtschaft im Museum sind Basis für Einzelhandel und Raumvermietung. Als Schaubetriebe erhöhen sie auch die Attraktivität des Museums für die Besucher, die traditionelles Handwerk so hautnah erleben und sich die dabei entstehenden Produkte als Erinnerung mit nach Hause nehmen können. Weiterhin verpachtet der Verein den Museumsgasthof und die Kaffeerösterei. Seit 1994 gibt der Verein die Museumssoftware FirstRumos heraus, die 300 Museen und Archive in Deutschland und Österreich verwenden. Ziel ist es, mit einem Gesamtüberschuss die Museumsarbeit zu unterstützen. Für die vielseitigen Aktivitäten beschäftigt der Verein mittlerweile 12 Arbeitskräfte in Voll- und Teilzeit. Bemerkenswert ist das frühe Engagement des Vereins für sozialintegrative Projekte: Seit 1997 arbeitet auf dem Museumsbauernhof Wennerstorf eine Gruppe von Menschen mit Behinderung. Als die Idee entstand, diesen Menschen mit einem museumseigenen Wohnheim auch einen Lebensraum inmitten einer familiären Gemeinschaft zu ermöglichen, startete der Verein eine große Spendenaktion. Mit Erfolg: 2008 konnte der Förderverein das Wohnheim Wennerstorf schlüsselfertig und schuldenfrei an die Museumsstiftung übergeben. Mit Begeisterung für das Museum Knapp 11.000 Mitglieder hat der Förderverein mittlerweile, 280 davon arbeiten regelmäßig ehrenamtlich im Museum. Die entferntesten Mitglieder wohnen in der Schweiz oder sogar auf Zypern. Als Gegenleistung für ihre Mitgliedschaft erhalten die Mitglieder freien Eintritt in das Museum und seine Außenstellen. 80 % der Mitglieder besuchen das Museum mehr als fünf mal pro Jahr und haben somit einen finanziellen Vorteil. Zusätzlich zum freien Eintritt erhalten die Mitglieder regelmäßig Post mit aktuellen Informationen sowie Einladungen zu exklusiven Veranstaltungen wie z. B. Ausstellungseröffnungen. Zusätzlich zeigt das Museum den Mitgliedern einmal im Jahr seine Wertschätzung: Das gesamte Museumsteam bereitet ein großes Fest vor, bei dem 1.500 Personen. Dieses Format besteht übrigens schon seit den Anfangsjahren des Vereins – verändert hat sich dabei nur die Teilnehmerzahl, der Charakter des Festes allerdings nicht. Diese Beständigkeit passt zum Freilichtmuseum und wird von den Mitgliedern geschätzt. Beim Kontakt mit den Mitgliedern und den Ehrenamtlichen steht die Wertschätzung der geleisteten Unterstützung im Vordergrund. »Gemeinsam sind wir stark« oder »Ackern Sie mit uns« heißt es in der Mitgliederkommunikation. Die Förderer sind mit »ihrem« Museum emotional verbunden und identifizieren sich mit seiner Arbeit. Mitgliederwerbung Die Mitgliederzahl ist besonders in den vergangenen Jahren rasant gestiegen: von 2.000 im Jahr 2003 stieg die Zahl 2013 auf 9.000 an. Um im Jubiläumsjahr 2014 die magische 10.000 zu knacken, startete das Museum eine breite Medienkampagne. »Machen Sie uns voll« oder »Sie fehlen noch in unserer Sammlung« hieß es auf den Werbefaltblättern zur Mitgliedschaft. Tausende überzeugte Mitglieder in der Region sind starke Multiplikatoren, die das Museum und den Verein auf individuelle Weise sichtbar machen. Viele Mitglieder werben selbstverständlich privat für den Förderverein, Firmenmitglieder versenden Briefbeileger an ihre Geschäftskontakte. Das Museum animiert auch ganz bewusst zum persönlichen Empfehlungsverhalten. Zum Beispiel durch Angebote wie die Schnupper-Eintrittskarte für Noch-nicht-Mitglieder oder durch die Bitte, in der Briefpost, beiliegende Werbematerialien an Bekannte zu verteilen. Außerdem verschenken viele Mitglieder Jahresmitgliedschaften an Familie

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und Freunde. Der Förderverein verschickt dafür Geschenkkarten, die mit historischen Motiven bedruckt werden – die Resonanz ist beeindruckend. Letztlich bewirkten gezielte Marketingmaßnahmen im Zusammenspiel mit gesellschaftlichen und politischen Tendenzen den größten Mitgliederzuwachs. Anfangs stand die Einwerbung von Drittmitteln im Vordergrund, daneben gab es einen Zuwachs von 50 bis 80 Mitgliedern pro Jahr. Erst ab 1994 richtete sich der Fokus auf die Gewinnung neuer Mitglieder. Durch kontinuierliche Werbung und die Auslobung eines Gutscheins für den Museumsladen pro drei geworbener Mitglieder wurde die Mitgliederzahl auf über 1.000 Personen gesteigert. Ab 2008 traten allein jährlich knapp 1.000 neue Mitglieder dem Verein bei. Einen besonders hohen Zuspruch erzielen Kooperationen durch die regionale Presse, wie zum Beispiel jährliche Artikelserien, in denen Mitglieder über ihre Erfahrungen mit dem Verein berichten. 25 Jahre und 10.000 Mitglieder Das Jubiläum 2014 diente als Anlass für zahlreiche Aktionen, die in den Medien und der Öffentlichkeit auf breite Resonanz stießen: Die Publikation »Mit Schwung in die Zukunft! 25 Jahre Förderverein des Freilichtmuseums am Kiekeberg e. V.« wirft einen Blick auf die Geschichte des Vereins. Auf einer neuen Homepage www.foerderverein-kiekeberg.de können sich Mitglieder und Interessierte eingehend über den Verein und seine Aktivitäten informieren. Als Dankeschön an seine Mitglieder verloste der Förderverein bei einer großen Tombola über 60 attraktive Preise. Mehr als 50 regionale Unternehmen spendeten dafür Gewinne im Gesamtwert von über 7.000 EURO. Der Höhepunkt des Jahres war das große Fördervereinsfest, das im Rahmen des Historischen Jahrmarkts stattfand. »With a little help from my friends – Fördervereine und Freundeskreise von Museen« lautete auch das Thema der Museumsmanagement-Tagung im November 2014 am Kiekeberg. Dort teilten Vertreter des Freilichtmuseums und weitere prominente Redner ihre Erfahrungen aus der langjährigen Zusammenarbeit mit Fördervereinen. Die Ergebnisse wurden in einem Tagungsband publiziert. Blick in die Zukunft Der Förderverein und seine Museen sind ein Treffpunkt für Menschen unterschiedlicher beruflicher, ethnischer und religiöser Hintergründe als auch für Menschen mit Behinderung und anderen Benachteiligungen. Er will die Bürger regional und überregional zu bürgerschaftlichem Engagement motivieren und ihr Heimatinteresse und Verantwortungsgefühl für kulturelle, ökologische und soziale Belange stärken. Mit der geplanten Eröffnung der historischen Stellmacherei in Langenrehm als Museum wird der Verein einen weiteren traditionellen Handwerksbetrieb als Museum für Besucher zugänglich machen und betreiben. Dafür muss die Zukunftsfähigkeit des Vereins gesichert werden und müssen Mitglieder in allen Lebensphasen trotz des demographischen Wandels und der Interessensverlagerung junger Menschen weiter an den Verein gebunden werden. Außerdem sollen die anfangs weit verbreiteten Jahresmitgliedschaften in dauerhafte Mitgliedschaften umgewandelt werden. Ein weiteres Ziel ist es, noch mehr Firmen der Region vom Nutzen einer Firmenmitgliedschaft zu überzeugen, die Mitgliedszahlen weiter zu steigern und noch mehr Menschen von einer aktiven ehrenamtlichen Tätigkeit im Museum zu begeistern.

Mitglieder beim jährlichen Fördervereinsfest 2013 Foto: FLMK

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Meistens nicht mal Mindestlohn Zur Situation bayerischer Volontäre zwischen Arbeit, Ausbildung und Vergütung Diskussion um den Mindestlohn Die Diskussion rund um den Mindestlohn hat die Volontäre in Bayern verstärkt dazu bewogen, sich erneut mit ihren monetären Verhältnissen auseinander zu setzen.1 Neben der Umfrage, die der »Arbeitskreis der wissenschaftlichen Volontärinnen und Volontäre in Bayern« (AK ViB) jährlich durchführt, zeigen zahlreiche Recherchen und Anfragen, dass dem Großteil der bayerischen Volontäre kein Mindestlohn gezahlt wird.2 Außerdem werden die Forderungen des Deutschen Museumsbundes und des internationalen Museumsrates ICOM (Deutschland) nach einer Vergütung gemäß 0,5 TVöD 13 weiterhin nur an wenigen Stellen umgesetzt. Um einen Beitrag zur Diskussion über die Bezahlung der Volontäre zu leisten, soll an dieser Stelle auf die Situation der bayerischen Volontäre eingegangen werden. Die Darstellung spiegelt neben allgemeinen Recherchen vor allem die Ergebnisse aus zahlreichen informellen Gesprächen, den Sitzungen des AK ViB und dem Mail-Verkehr unter den Volontären wider. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Perspektive der Volontäre, nicht der Träger und Verantwortlichen. Dieser Artikel wurde vorab den bayerischen Volontären vorgestellt, die im März 2015 an der Volontärsakademie der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern teilnahmen. Es sollte überprüft werden, ob er die Situation der Mehrzahl der Volontäre in Bayern wiedergibt. Eine Vielzahl von positiven Rückmeldungen bestätigte, dass die Darstellung die »Arbeits- und Lebensrealität der Volontäre« trifft.3 Die Situation der Volontäre Das Volontariat ist nach wie vor ein klassischer Einstieg in das Berufsfeld Museum und in ähnliche Einrichtungen. Von Einzelfällen abgesehen führt kaum ein Weg daran vorbei. Die schlechte Bezahlung muss daher von vielen in Kauf genommen werden, die in diesem Bereich arbeiten wollen. Doch der Verdruss über die schlechte Bezahlung wächst, besonders, weil sie kaum im Verhältnis zur erbrachten Leistung und dem Bildungsaufwand der jungen Akademiker steht. Mit einem Bruttostundenlohn von unter acht Euro (netto meist weniger als sechs Euro) liegen 60 % des Kulturnachwuchses gerade in Bayern deutlich unter dem Mindestlohn.4 Mit etwa 12.000 EUR Nettojahreseinkommen (inklusive jährlicher Sonderzahlungen) liegen die Gehälter am Schwellenwert zur Armutsgefährdung, der 2013 in Deutschland für Alleinlebende 11.749 EUR pro Jahr betrug.5 Zum Vergleich: 2013 werden in Baden-Württemberg 64 % der Volontäre nach 0,5 TVöD 13 bezahlt, das entspricht etwas mehr als zehn Euro Bruttostundenlohn. In Niedersachsen ist für staatliche Einrichtungen eine Vergütung nach 0,5 TV-L 13 bereits seit 2008 gesetzlich festgelegt.6 Sie ist mit 0,5 TVöD 13 vergleichbar. Alltagswirklichkeit und Qualifikationsniveau der Volontäre Das Privatleben der Volontäre ist geprägt von doppelten Haushaltsführungen, Trennung von der Familie oder dem Partner und ständiger Geldknappheit.7 81 % der bayerischen Volontäre mussten für die Stelle ihren Wohnort verlassen, viele davon werden nach Beendigung des Volontariats wieder umziehen müssen.8 Die Bereitschaft, viel an Wochenenden zu arbeiten, ist eine Grundvoraussetzung, die gerne erfüllt wird, wenn sie nicht ausgenutzt wird. Dennoch erschwerten die Wochenendarbeit und das Gehalt oft eine Heimreise. Es geht nicht um ein Jammern auf hohem Niveau. Die Volontäre arbeiten gerne und sind auch

Christoph Mayr Stefanie Bock Roman Tischberger Johanna Fendl

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bereit, viel zu leisten. Dies zeigt sich nicht zuletzt in deren Biographien. Sie haben für eine Stelle als wissenschaftliche Volontäre etwa 60.000 EUR und sechs Jahre in ein Studium investiert.9 Weiterhin absolvierten sie in der Regel zahlreiche Praktika und Nebenjobs im kulturellen Bereich. Sie erlernten verschiedene Fremdsprachen und bildeten sich im Umgang mit modernen Computerprogrammen fort. Mehrfach wechselten sie für ihre Ausbildung den Wohnort – bis hin zu mehrmonatigen Auslandsaufenthalten. Für einige folgte darauf eine mehrjährige selbstständige Forschungsarbeit im Rahmen einer Promotion. Weshalb all diese Qualifikationen nicht einmal den Mindestlohn rechtfertigen, entzieht sich jeder von Fairness und Aufrichtigkeit geprägten Logik. Arbeitsrealität vieler Volontäre und die rechtliche Situation Blickt man auf die Stellenausschreibungen, findet man hohe Erwartungen und in rund 30 % der Fälle auch die Promotion als Voraussetzung – teils nur erwünscht, teils auch zwingend.10 Daneben steht die Verantwortung, die die Volontäre dann in ihren Dienststellen innehaben. Gerade in kleinen und mittelgroßen Häusern leisten Volontäre oft vollen Ersatz für Regelstellen. Viele Museen und andere Einrichtungen würden wahrscheinlich ohne sie gar nicht auskommen. Dieser Gedanke führt zu einer tückischen Lücke im Mindestlohngesetz: »Von diesem Gesetz nicht geregelt wird die Vergütung von zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten«.11 Nun berufen sich eine Vielzahl der Träger darauf, dass das »andere Vertragsverhältnis«, das mit den Volontären in der Regel besteht, eben ein Ausbildungsverhältnis sei.12 Eine Voraussetzung des Ausbildungsverhältnisses ist aber, dass die betreffende Person nicht unabkömmlich für den Alltagsbetrieb der Institution sein darf, sondern dass eine Ausbildung im Vordergrund steht.13 Dass dies oft nicht zutrifft, wird deutlich, wenn man die Realität an den Dienststellen betrachtet. Viele Häuser haben nicht die Kapazitäten, sich dauerhaft um eine fundierte Ausbildung zu kümmern und sind auf die Volontäre nach einer kurzen Eingewöhnungszeit als volle und funktionierende Mitarbeiter angewiesen.14 Der Arbeitsrechtler Alexander Bredereck sagt zu diesem Thema in einem Interview: »Wenn in diesem Fall ein Gericht also feststellt, dass der Volontär wie ein regulärer Arbeitnehmer geführt wird, was wohl kein Einzelfall ist, dann könnte sogar der Mindestlohn sittenwidrig sein: Liegt die Vergütung eines solchen Volontärs um [ein] Drittel niedriger als orts- und branchenüblich, kann der Volontär nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein branchenübliches Gehalt verlangen«.15 Jens Bortloff spricht in diesem Zusammenhang von einem »Scheinvolontariat«.16 Er verweist neben der zu geringen Entlohnung sogar darauf, »dass ein Arbeitsgericht das Vorliegen eines unbefristeten Arbeitsvertrags bejahen könnte, da ein ausdrücklich befristeter ‚Arbeits‘-Vertrag nicht schriftlich geschlossen wurde, wie es jedoch § 14 Abs. 4 des Teilzeitund Befristungsgesetzes als Wirksamkeitsvoraussetzung fordert.«17

Teilnehmer der Volontärsakademie testen museumspädagogisches Material im Germanischen Nationalmuseum Foto: Helen Schleicher

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Volontäre aus ganz Deutschland bei der Bundesvolontärstagung 2015 im Germanischen Nationalmuseum. Auch hier gab es emotionale Debatten über die Situation der Volontäre. Foto: Christoph Mayr

Argumente der Träger Neben dem schwerwiegenden Argument, dass der Etat nicht für eine bessere Bezahlung ausreicht, bestehen viele Träger darauf, an den bisher bestehenden vertraglichen Vereinbarungen festzuhalten. Ein Volontariat sei ein reines Ausbildungsverhältnis und werde dementsprechend gering vergütet. In diesem Sinne berufen sich die meisten Verwaltungen auf eine Vergütung in Höhe der jeweiligen »Anwärterbezüge für Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst der 4. Qualifikationsebene«.18 Diese Argumentation geht jedoch in keiner Weise auf die oben beschriebene Qualifikations- und Leistungsebene der Volontäre ein und überstrapaziert das Argument des Ausbildungsverhältnisses.19 Eine ehemalige Volontärin schreibt in einer Mail über ihre Verhandlungen mit dem Träger: »Die Museen bzw. die Träger pochen auf ihr »Gewohnheitsrecht«. Das heißt, vor Jahren wurde sich in Bayern auf die Vergütung nach Beamtenanwärterbezügen mehr oder weniger geeinigt und davon wollen die meisten jetzt auch nicht abrücken, auch gerne mit der Begründung, die anderen Museen würden ihre Volontäre ja auch so bezahlen. Dass in den anderen Bundesländern anders verfahren wird, ist als Argument nicht gern gesehen.« Ein Kommentar aus der Umfrage zur Situation der bayerischen Volontäre 2013 deutet auch an, dass Volontäre demnach nicht unbedingt nur zur Ausbildung, sondern auch als vollwertiger Personalersatz eingestellt werden: »Für meine Projekte war eigentlich eine Stelle vorgesehen – für die dann ich als Volontär eingestellt wurde. Ich würde mir wünschen, diese Art billiger Arbeitskräfteausbeutung zu bekämpfen.«20 Es geht aber auch genau umgekehrt: In anderen Fällen setzt man Volontäre aufgrund des niedrigen Stundenlohns besonders für Wochenend- und Aushilfsarbeiten ein, sie sind günstiger als alle anderen Mitarbeiter – von Kurzzeitpraktikanten einmal abgesehen. Der Mindestlohn, der nun für alle anderen Stellen gilt, kann dieses Phänomen künftig noch verstärken. Intern fallen Schlagworte wie »Sittenwidrigkeit«, »Ausbeutung« und »Ungerechtigkeit«. Hinzu kommt das Gefühl von Machtlosigkeit, das viele Volontäre wütend macht und sie oft ihre ganze Dienstzeit über begleitet. Der herrschende Unmut lässt sich nicht einfach wegdiskutieren, er ist real. Argumente der Volontäre Der Vergleich zu den Beamtenanwärtern oder Referendaren ist aus Sicht der Autoren nicht gerechtfertigt, wenn eine unbefristete Übernahme, auf die Beamte oft hoffen dürfen, von Beginn an unmöglich ist.21 Diese ist bereits in vielen Volontärsverträgen ausgeschlossen und das wurde auch durch die Umfrage bestätigt: Für 44 % der Befragten ist eine Übernahme nach dem Volontariat unmöglich. 34 % haben lediglich eine befristete Übernahme oder Verlängerung in Aussicht, kein einziger eine unbefristete Stelle.22 Das Problem, dass der Etat in vielen Fällen eine anständige Bezahlung nicht zulässt, kann nicht durch Ausbeutung gelöst werden. Bei einem Alter von rund 30 Jahren und durchschnittlichen 555 EUR an monatlichen Lebenshaltungskosten gibt es für die Volontäre keine Chance für Ersparnisse für die meist unsichere Zeit nach dem Volontariat. Gerade in Großstädten ist die Bezahlung oft nicht einmal kostendeckend. Dass gerade viele öffentliche

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Träger nur Anwärterbezüge bezahlen, führt hier zu einem Treppenwitz. Vor allem die Volontäre in den größeren Städten müssen zum Teil Wohngeld beantragen und holen sich so das Geld auf Umwegen doch wieder aus der öffentlichen Hand.23 Warum die Volontäre wichtig sind Neben den wichtigen neuen Impulsen aus der Forschung und aktuellen Fachdiskussionen bringen die Volontäre auch einen aktuellen Zugang zum Zeitgeist in ihre Dienststellen mit und sind so essentiell für eine moderne Museumsarbeit. Daneben werden die jetzigen Volontäre irgendwann die neuen Museumsleiter und -mitarbeiter und in den gleichen Institutionen arbeiten. Gegenwärtig leiden das gegenseitige Vertrauen und die Bereitschaft, mit den Trägern an einem Strang zu ziehen. Misstrauen gegenüber den Arbeitgebern und das Gefühl, als kleines günstiges Rädchen im großen System hochwertige Arbeit liefern zu müssen, schwächen die Identifikation mit dem Museum und nehmen der Arbeit den für diesen Beruf so wichtigen Enthusiasmus. Dass den Volontären auf der Suche nach Lösungen das juristische Vorgehen gegen den Arbeitgeber empfohlen wird, von dem man sich eigentlich eine berufliche Zukunft erhofft, klingt vor dem Hintergrund dieses Artikels wie ein schlechter Scherz.24 Der Gang vor das Arbeitsgericht ist in den Augen der Autoren kein »alltäglicher Vorgang, den die Dienststelle nicht als »Misstrauensvotum« werten dürfte«.25 Die Volontäre wissen es zu schätzen, dass sie in den zwei Jahren nicht zuletzt durch den meist hohen Grad an Verantwortung sehr viel Erfahrung sammeln. Sie profitieren von ihrem Volontariat, das an sich eine gute Einrichtung ist.26 Auch eine geringere Entlohnung wird gerne in Kauf genommen, sie sollte allerdings gerecht und ausreichend sein. Wir wünschen uns eine geregelte Bezahlung nach einem Satz von 0,5 TVöD 13 und so eine faire Behandlung und Anerkennung unserer Arbeit.27 Darüber hinaus hoffen wir auf eine Debatte mit, und nicht über uns. Den Weg über gerichtliche Verhandlungen erachten wir als einen Schritt in die falsche Richtung und hoffen, dass uns dieser letztlich erspart bleiben wird.

1 »Volontär« wird hier als geschlechtsneutraler Begriff benutzt. Allgemein wird auf eine Angleichung verzichtet, da die Konzentration nicht auf dem Geschlecht, sondern auf den Funktionen der betreffenden Personengruppen liegt.

Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass einige Institutionen bereits nachbessern, wie z. B. der Bezirk Unterfranken. Allerdings gleicht er das Gehalt der Volontäre an den Mindestlohn an, nicht an 0,5 TVöD 13, wie vom Deutschen Museumsbund, ICOM Deutschland und den Autoren dieses Artikels gefordert wird.

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3 Der Entwurf wurde über 90 Personen mit der Bitte zugänglich gemacht, Rückmeldungen zu geben und – wo nötig – die Darstellungen zu korrigieren. Er fand breite Zustimmung, es wurde eher eine deutlichere Ausformulierung der Argumentation gefordert. Eine Volontärin schrieb in einer Mail:

»Traurig aber wahr: der Artikel könnte die Arbeits- und Lebensrealität der Volontäre nicht besser beschreiben…«. Jasmin Beer beschreibt 2013 in einem Artikel ein positive Entwicklung, wonach 52 % der Volontäre nach 0,5 TVöD 13 bezahlt werden. Allerdings gilt diese Zahl bundesweit, nicht nur für Bayern. In Bayern sind es 21 % für das Jahr 2013 und 33 % für das Jahr 2014. Das ist zwar auch eine Steigerung, aber der Bundesdurchschnitt ist noch nicht erreicht. 60 % der bayerischen Volontäre verdienen unter 1.000 EUR netto im Monat. Vgl. Beer, Jasmin: Forum für den Nachwuchs – Aktuelle Studie zur Situation der Volontäre in Bayern, in: Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern (Hrsg.): museum heute, (44) 2013, S. 83f; vgl. ferner: Arbeitskreis der wissenschaftlichen Volontärinnen und Volontäre in Bayern: Umfrage zur Situation der Volontäre in Bayern 2014.

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5 Statistisches Bundesamt: Pressemitteilung Nr. 374 vom 28.10.2014: Relatives Armutsrisiko in Deutschland unverändert bei 16,1 %, www.destatis.de/DE/ PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2014/10/PD14_374_634. html (16.12.2014)

Niedersächsisches Vorschrifteninformationssystem (NI_VORIS): Beschäftigung von wissenschaftlichen Volontärinnen und Volontären an den staatlichen Museen und im Bereich der Denkmalpflege und des Kulturmanagements in Niedersachsen; Gestaltung des Vertragsverhältnisses, Abs. 10, www.nds-voris.de/ jportal/?quelle=jlink&query=VVND204610-MWK-20080523SF&psml=bsvorisprod. psml&max=true (18.3.2015)

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Ein Volontär schreibt dazu: »Fakt ist: Meine Stelle als Volontär verlangt ein gepflegtes Äußeres. De facto kann ich mir von dem Lohn aber nicht mal ne neue Jeans

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leisten. Ich greife ausschließlich auf Kleidung zurück, die ich mir in Zeiten vor dem Volontariat gekauft habe. Nicht schön.« 8 Durchschnittliche Entfernung zum vorherigen Wohnort: 463 km; vgl. Umfrage zur Situation der Volontäre in Bayern 2014 9 Vgl. u. a.: Deutsches Studentenwerk, HIS-Institut für Hochschulforschung (Hrsg.): Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2012 – 20. Sozialerhebung, www.sozialerhebung. de/erhebung_20/soz_20_haupt (18.3.2015) 10 Umfrage zur Situation der Volontäre in Bayern 2014. 11 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz – MiLoG) – Mindestlohngesetz vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348)

Vgl. Berufsbildungsgesetz (BBiG): § 26 – Andere Vertragsverhältnisse

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15 23.10.2014, Boersenblatt.net: »Ob Praktikant oder Volontär ist vollkommen nebensächlich« – Interview mit Arbeitsrechtler Alexander Bredereck zum Mindestlohn, www.boersenblatt.net/820687 (16.3.2015) 16

Bortloff: Das Recht, S. 48

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ebd.

18 57 % der befragten Volontäre erhalten Beamtenanwärterbezüge; vgl. Umfrage zur Situation der Volontäre in Bayern 2014 19 Das Volontariat ist eine sinnvolle Einrichtung und qualifiziert für eine professionelle Museumsarbeit. Es führt aber zu weit, es als eine reine Berufsausbildung und nicht als eine Zusatz-Qualifikation zu betrachten.

Die Überlegung, ob eine Stelle mit einer »fertig ausgebildeten« Fachkraft oder eine Volontariatsstelle geschaffen wird, deutet die Leistungserwartungen an, die an die Volontäre gerichtet sind.

Bortloff, Jens: Das Recht des wissenschaftlichen Volontariats an Museen, in: Deutscher Museumsbund (Hrsg.): Museumskunde, (79) 2014, Heft 2, S. 47-55, hier: S. 47f. Gerade kleine und mittlere Häuser sind hier betroffen, was aus zahlreichen Gesprächen mit Volontären, Museumsleitungen und Fachleuten hervorgeht. Darüber hinaus geben nur 35 % der befragten Volontäre an, dass in ihrem Haus ein Ausbildungsplan existiert, der meist auch nur teilweise umgesetzt wird.

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So geschehen unter anderem auf der Herbsttagung 2014 des Arbeitskreises Volontariat im Deutschen Museumsbund und auf der Bundesvolontärstagung 2015 in Nürnberg.

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25 Sondernewsletter Januar 2015 des AK-Volontariat zum Thema »Mindestlohn und Bundesvolontärstagung«

Auch Überlegungen zu einer Verknüpfung von Volontariat und Promotion erscheinen durchaus sinnvoll – solange die Resultate dann fair gestaltet sind. Es geht aber in erster Linie erst einmal nicht um eine Umgestaltung des Volontariats, sondern um eine faire Bezahlung. 26

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Eine Übernahme in Aussicht zu haben, bedeutet auch, eine Perspektive zu haben. Diese fehlt vielen Volontären. Darüber hinaus werden sie, anders als die Referendare an Gymnasien, später selten automatisch in TVöD 13 eingruppiert, sondern müssen sich oft mit weniger zufrieden geben.

21 13

13 zahlen, z. B. das Germanische Nationalmuseum.

Umfrage zur Situation der Volontäre in Bayern 2014

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23 Es darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass einige Einrichtungen freiwillig 0,5 TVöD

Drei der Autoren haben beim Erscheinen dieses Artikels ihr Volontariat bereits beendet. Sie sprechen aber für den größten Teil der bayerischen Volontäre, was neben den Gesprächen mit den Volontären, dem Mail-Verkehr und der Umfrage auch die positiven Rückmeldungen bezüglich dieses Artikels zeigen. Eine kontinuierliche Weiterarbeit an diesem Thema ist durch die neu gewählten Sprecher gewährleistet.

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Vermittlung im Museum – Forschungsergebnisse Es wird Zeit für Vermittlung Der Herbst ist die Zeit der Tagungen, Kongresse und Fortbildungen. Traditionell findet in dieser Jahreszeit die Jahrestagung des Bundesverbandes Museumspädagogik statt, 2014 in Weimar zum Thema »Open spaces – Neue Medien in der kulturellen Bildung«. Zwei Wochen später trafen sich Forscher und Praktiker im Deutschen Museum München zum Austausch über das »Sehen, Denken, Lernen im Museum«. Die dritte Tagung stand unter dem Motto »Vermittlung im Museum auf dem Prüfstand« eine Veranstaltung der Konferenz nationaler Kulturgüter, die Anfang Dezember im Staatlichen Museum Schwerin durchgeführt wurde. Die Veränderungen in der Gesellschaft, geänderte Sehgewohnheiten, Partizipation und Teilhabe für alle, dies waren Themen, die sich durch alle drei Veranstaltungen wie ein roter Faden zogen. Open Spaces und BarCamps Im Stadtschloss Weimar trafen sich vom 14. bis 16. November 2014 über 100 Tagungsteilnehmer, um der Frage nachzugehen, was Neue Medien in der kulturellen und ästhetischen Bildung leisten können und wo ihre Grenzen sind. Drei Positionsbestimmungen bildeten den Diskussionsrahmen: Aus der Perspektive der ästhetischen Bildung beschrieb Prof. Dr. Carl-Peter Buschkohle von der Justus-LiebigUniversität in Gießen, wie die Ästhetik von Smartphones, PC und Internet unseren Alltag beeinflusst und unser Bild von Schönheit prägt. Er plädierte für eine intensivere Schulung einer sensibleren Wahrnehmung, für produktive Imagination und kritische Reflexion. Das Museum kann als Ort themenzentrierter künstlerischer Projekte und als Ort reflektierender Experimente eine wichtige Rolle einnehmen. Aus der zweiten Perspektive zeichnete Kathrin Demmler, Leiterin des Instituts für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, München das Feld der Medienpädagogik auf. Als zentraler Begriff stand hier die Medienkompetenz im Mittelpunkt. Das vielfältige Spektrum der Medien ermöglicht vielen, aber eben nicht allen Menschen, die Teilhabe an Wissen und Information. Jedoch ist auch hier kritische Reflexion gefragt, um die Komplexität medialer Angebote durchschauen zu können. Medienkompetenzen stärken heißt, Handlungsfähigkeit zu fördern und neue Gestaltungsräume öffnen. Es heißt aber auch, Reflexionskompetenz und Wertebewusstsein zu entwickeln. Medien gestalten, um vorhandene Muster zu brechen ist ein erster Schritt, bei dem Nachahmung zur Produktion von eigenen Entwicklungen führen kann. Diese Vermittlungsarbeit sollte an allen Bildungsorten erfolgen, also auch im Museum. Fabian Lasarzik von der Stiftung Zollverein Essen umriss in seinem Vortrag die dritte Perspektive mit Neuen Medien und stellte sie den analogen Darstellungsformen im Museum gegenüber. Strategien und Praxisfelder aus Deutschland, den Niederlanden und Kanada folgten in parallelen Präsentationen. Nachhaltig war besonders der Beitrag von Prof. Torsten Meyer, Universität Köln über »Medienkultur und ästhetische Sozialisation der Generation C«, wobei das »C« für computerisiert, connected, communications, clicking, cyberspace, copy & paste, cultural hawking oder curatorial turn usw. steht. Meyer beschrieb eindrücklich die unterschiedliche Mediennutzungsweise der Jugendlichen, die mit Smartphone, Tablets, Internet aufgewachsen sind (»Babyboomer«, »Generation X«), im Vergleich zu der Art, wie ältere Generationen die Medien nutzen. Er führte die Tagungsteilnehmer auch in aktuelle Kunstformen ein, bei denen Künstler aus den Medien gewohnte Symbole oder Verhaltensmuster ins tägliche Leben zurückführen (z. B. Alan Bator, Peter Piller). Schließlich mündete sein Vortrag in der Forderung nach einem kuratorischen Wechsel (curatorial turn). Das Museum

Hannelore Kunz-Ott Birgit Baumgart

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Blick in den Tagungssaal im Weimarer Schloss. Sybille Greisinger von der Landesstelle präsentiert ihr Thema für das geplante BarCamp Foto: Hannelore Kunz-Ott

sollte den Diskurs pflegen, ein Ort für Diskussionen sein, um all die unterschiedlichen Sichtweisen und Perspektiven ans Licht bringen zu können. In einer Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Wolfgang Zacharias, Prof. Dr. Jens Geelhaar von der Bauhaus Universität Weimar, Julia Heisig von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, Dr. Eike Wenzel, vom Institut für Trend- und Zukunftsforschung, Heidelberg wurde das Tagungsthema »kulturelle Bildung neu denken?« kontrovers diskutiert. Alle Podiumsmitglieder waren sich einig, dass eine intensive personelle Betreuung neuer Medien – gerade Social Media – notwendig sei. Auf das neue Format eines »BarCamps« warteten die Teilnehmer mit Neugier und Interesse. Der erfahrene Moderator Moritz Avenarius aus Hamburg führte souverän in diese offene Form der Workshop-Gestaltung ein. Teilnehmer konnten spontan Vorschläge für Sessions anbieten, die am Nachmittag stattfanden. Dieser partizipatorische Ansatz, Kompetenzen der Teilnehmer zu nutzen, wurde mit großer Offenheit von den Tagungsteilnehmern angenommen. So bildeten sich in kurzer Zeit 18 Workshops zu unterschiedlichen Themen, wie Crowdsourcing, Spiele für Familien, etc. Sehen, Denken, Lernen im Museum Das Deutsche Museum München, Mitglied der Leibnitz Forschungsgesellschaft, war Gastgeber von 40 Wissenschaftlern und Museumsexperten. In diesem Rahmen wurden neueste Ergebnisse zu empirischen Studien aus der Museumswelt vorgestellt. Junge Wissenschaftler von verschiedenen Lehrstühlen für Didaktik der Biologie bzw. Fachdidaktik der Naturwissenschaften referierten über ihre Studien zum weiten Feld der Besucher- und Wirkungsforschung. Die Tagung veranstalteten und moderierten die Professoren Annette Noschka-Roos, Doris Lewalter-Manhart von der TUM School of Education, München sowie Stephan Schwan, Fachgebiet Lehr-und Lernforschung am Leibnitz Institut für Wissensmedien Tübingen. In seinem Keynote-Vortrag gab Prof. Dr. Bernhard Graf vom Berliner Institut für Museumsforschung einen Überblick über Forschungstätigkeiten an deutschen Museen. Museen wären aus seiner Sicht originäre Orte für Wissenschaft und Forschung. Insbesondere empirische Bildungsforschung sei ein bedeutendes und entwicklungsfähiges Alleinstellungsmerkmal für Museen. Prof. Dr. Rainer Bromme vom Institut für Psychologie der Universität Münster hielt den zweiten Keynote-Vortrag zum Thema Public Understanding of Science. Gerade technische und naturwissenschaftliche Ausstellungen stehen vor der Herausforderung, komplexe Inhalte für die Museumsbesucher verständlich und anschaulich aufzubereiten. Kommunikation zwischen Experten und Laien funktioniere nach Ansicht von Bromme auf zwei Wegen: Plausibilitäts-und Vertrauensstrategie. Verständlichkeit von Behauptungen, bestehendes Vorwissen und vorhandene Erwartungen seien entscheidende Grundlagen für Plausibilitätsurteile. Auf der anderen Seite haben Museen das Image, seriöse Orte zu sein, die Wissen objektiv darstellen, sie symbolisieren somit zuverlässige Vertrauensorte. Diese Ideen sollten Museen stärker nach außen kommunizieren. In 14 Kurzbeiträgen wurden schließlich konkrete Forschungsergebnisse aus ganz unterschiedlichen Museumsgattungen vorgestellt. Eine Postersession bot zudem die Möglichkeit, weitere Projekte der Besucherforschung kennen zu lernen.1

1 Eine Darstellung der einzelnen Studien beschreibt Tobias Nettke in seinem Artikel: Sehen, Denken, Lernen in Museen: empirische Bildungsforschung an informellen Lernorten; ein Bericht zur Tagung vom 28.–29.11.2014 im Kerschensteiner Kolleg im Deutschen Museum München, in: Standbein-Spielbein, (101) 2015, S. 43-49

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Vermittlungsarbeit im Museum auf dem Prüfstand In der Reihe Das Museum als Laboratorium der Konferenz nationaler Kulturgüter (knk) wurde am 1. und 2. Dezember 2014 in der Galerie Alte & Neue Meister des Staatlichen Museums Schwerin Vermittlungsarbeit im Museum auf den Prüfstand gestellt. Über 60 VermittlungsExperten, aber auch MuseumsleiterInnen, Lehrkräfte und Architekten aus Deutschland und Österreich reflektierten darüber, inwiefern die Kultur selbst zu einer Barriere werden kann, die Minderheiten ausschließt? Kunst und Kultur zu vermitteln, ist eine echte Herausforderung – Vermittler vertreten einerseits die Interessen und Meinungen des Museums und möchten zugleich die Wünsche der Besucher erfüllen. Da sich die Bedürfnisse der Besucher und ihre Erwartungen an das Museum stetig ändern, befindet sich auch die Vermittlungsarbeit in einem stetigen Wandel und in einem kreativen offenen Prozess. Hierbei fordert sie Raum für neue Methoden und ungewohnte Formate. Gerade inklusive Ansätze brauchen kreative Freiräume und Zeit, denn sie ermöglichen einen erleichterten Zugang für alle Museumsbesucher. Die Frage, ob VermittlerInnen die Interessen des Museums mit denen der Besucher in Einklang bringen können, stand bei der Schweriner Tagung im Fokus. Im ersten Impulsreferat zeichnete Prof. Dr. Birgit Mandel von der Universität Hildesheim das Spektrum der Kulturvermittlung zwischen Kunstmissionierung und Moderation kultureller Beteiligungsprozesse auf. In den letzten Jahrzehnten hätten sich Funktionen und Ziele der Kulturvermittlung verändert, es gehe nicht mehr nur um Verständnis und Wertschätzung für bestimmte Kulturformen, sondern darum, im öffentlichen kulturellen Leben unterrepräsentierte Gruppen zu ermächtigen, ihre kulturellen Interessen einzubringen. Damit sei ein Rollenwechsel vom autorisierten Kunstsprecher zum Anstifter für kulturelle Partizipation verbunden. Kulturelle Angebote müssten sich verändern, um der Herausforderung gerecht zu werden, im Zuge des demografischen Wandels und der Migration den Kulturbetrieb repräsentativer für die sich wandelnde Gesellschaft zu gestalten. Prof. Dr. Mandel benannte Schwellen und Formate »niedrigschwelliger« Kulturvermittlung, belegt durch Studien, wie z. B. dem 2. Jugendkulturbarometer 2012 oder dem 1. Interkulturbarometer 2012. Wolle man neuen, heterogenen Nutzergruppen eine niedrigschwellige Kulturvermittlung anbieten, müsse das Museum Kulturvermittlung als Gesamtstrategie begreifen, bei der alle Museumsebenen ineinandergreifen (Leitung, Ausstellungskonzeption, Pädagogik). Es gehe darum, die Besucher zu ermutigen, eigene Wertmaßstäbe im Umgang mit Kultur zu entwickeln. Das Museum sollte Partizipation ernst nehmen und offen sein für ungewohnte Wahrnehmungen auch auf die Kultureinrichtung selber. Das Impulsreferat 2 lieferte Prof. Dr. Dederich von der Universität Köln zum Thema »Kultur als Barriere – Barrieren zur Kultur«. Zum einen ging er der Frage nach, welche Barrieren es für Menschen mit Behinderungen gibt, überhaupt ins Museum zu gehen. Zum anderen beleuchtete er die These, ob unter bestimmten Voraussetzungen die Kultur selbst zu einer Barriere werden kann, die Minderheiten von dieser Kultureinrichtung ausschließt. Am Beispiel der Ästhetik zeigte er auf, wie die Wahrnehmung des menschlichen Körpers in hohem Maße kulturell bedingt ist. »Die ästhetische Aversion gegen Behinderung reicht weit über den einzelnen behinderten Körper hinaus bis zur symbolischen Präsenz von Behinderung in der gebauten Umwelt.« Die Frage, wie wir dieser ästhetischen Irritation in unseren Köpfen begegnen, stand im Raum. Ein möglicher Ausweg liege im persönlichen Kontakt und in der direkten Kommunikation mit Menschen mit Beeinträchtigungen. Nur so lerne man, eigene Ängste und Unsicherheiten abzubauen und sich selber über seine eigenen Barrieren gegenüber behinderten Menschen bewusst zu werden. Das dritte Impulsreferat zur Frage, was ist gute Vermittlung, hielt Anna Crusciel, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Institute for Art Education an der Zürcher Hochschule der Künste. Sie stellte vor allem

Die Workshop-Teilnehmer in der Galerie Alte und Neue Meister in Schwerin diskutieren über didaktische Materialien für blinde und sehbehinderte Besucher. Foto: Staatliches Museum Schwerin

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den aktuellen Forschungsansatz von Carmen Mörsch vor. Um die Frage zu beantworten, was ist gute Vermittlung, müsse man sich vergegenwärtigen, dass eine Qualitätszuschreibung ein normativer Prozess sei, der gesellschaftlichen und individuellen Werten und Normen unterliege. »Es kann nicht die eine Skala für Bildungsqualität geben. Je nach Zielsetzung und Kontext müssen Kriterien und Indikatoren benannt werden, um Feststellungen über die ‚Qualität‘ zu ermöglichen.«2 Um Qualität beurteilen zu können, müsse man der Vermittlungsarbeit folgende Fragen voranstellen: Welche Interessen leiten die Vermittlungsarbeit? Welche impliziten Vorannahmen und Bilder beeinflussen diese? Was ermöglichen und/oder verunmöglichen die Vorannahmen in Bezug auf das Lernen? Auf welchen Konzepten von Museum, Bildung, Kultur einerseits und BesucherInnen andererseits basieren sie? In welchen Machtverhältnissen findet Vermittlungsarbeit statt? Diese Fragen ordnen sich ein in verschiedene Wirkungen von Vermittlung: affirmative, reproduktive, transformative oder dekonstruktive. Nachzulesen und zu studieren auf der Internetseite des Instituts www.kultur-vermittlung. ch. VermittlerInnen bewegen sich zwischen ihrer Kulturinstitution und ihren Besuchern. Sie müssen sich immer wieder selbst die Fragen beantworten, wie z. B.: Wer legt die Spielregeln fest? Von wo aus spreche ich? Praxisbeispiele aus verschiedenen Museumsgattungen für Besucher mit und ohne Beeinträchtigungen, für Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Religionen sowie für unterschiedliche Altersgruppen und Wahrnehmungsmethoden ergänzten den theoretischen Vortragsblock. Das Theaterstück »Nipplejesus«, aufgeführt in den Räumen der Galerie Alte und Neue Meister thematisierte auf humorvolle Weise die Kernfrage, wie sich Nicht-Besucher der Kunst nähern. Resümee Die zweitägige Veranstaltung in Schwerin, aber auch die Tagungen in Weimar und München stellten wichtige Fragen zum Selbstverständnis der Vermittlungsarbeit, gaben aber auch zahlreiche Anregungen und Inspiration. Die eigene Vermittlungsarbeit auf den Prüfstand zu stellen ist unabdingbar, um sich selbst und die Arbeit einzuordnen und sich professionell weiter zu entwickeln.

Klieme, E./Tippelt, R. (Hrsg.): Qualitätssicherung im Bildungswesen. Eine aktuelle Zwischenbilanz. Zeitschrift für Pädagogik, (53. Beiheft) 2008, S. 9.

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»Tracht« im Trend

Sebastian Steininger

Workshop »Historische Kleidung. Bewahren, forschen, vermitteln« am 5.11.2014 im Bauernmuseum Bamberger Land in Frensdorf Am 5. November 2014 stand das Bauernmuseum Bamberger Land in Frensdorf ganz im Zeichen der Kleidungsforschung. Am Vormittag versammelten sich dort zu ihrem alljährlichen Treffen die Trachtenberater der bayerischen Bezirke. Am Nachmittag lud das Museum unter dem Titel »Historische Kleidung. Bewahren, forschen, vermitteln« die Fachwelt, repräsentiert durch Museen, die bayerischen Bezirkstrachtenberater, aber auch durch nationale und internationale Forschungseinrichtungen zur gemeinsamen Diskussion in den museumseigenen Veranstaltungssaal ein. Ebenso war der Forschernachwuchs des Lehrstuhls für Europäische Ethnologie der Universität Bamberg dazu eingeladen, den Vorträgen und den anschließenden Debatten zu lauschen und sich rege am Workshop zu beteiligen. Der Workshop ist Teil des dreijährigen Forschungsprojektes »Regionaltypisches Kleidungsverhalten seit dem 19. Jahrhundert – Entwicklungen und Tendenzen am Beispiel Oberfranken« des Bauernmuseums Bamberger Land und der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, das von der VolkswagenStiftung finanziert und der Oberfrankenstiftung unterstützt wird sowie in enger Kooperation mit oberfränkischen Museen steht. Das Kernthema ist die als »Tracht« bekannte regionaltypische Kleidung, die oft symbolisch für eine Region und ihre Bewohner steht. Aus wissenschaftlicher Sicht lässt das Phänomen der »Tracht« noch einige Fragen offen: Gab es tatsächlich regionale Unterschiede im historischen Kleidungsverhalten – oder handelt es sich bei »Trachten« lediglich um ein Konstrukt, das den Wunschvorstellungen der Menschen entspringt? Was genau ist »Tracht« und in welchem Verhältnis steht sie zu »Mode«? Ausgangspunkt der Untersuchungen ist das historische Objekt: Die umfangreichen Bestände an Kleidungsstücken des 19. und 20. Jahrhunderts aus 17 oberfränkischen Museen und Privatsammlungen bilden die Basis der Untersuchung. Nach einem Jahr ist nun die erste wichtige Etappe erfolgreich abgeschlossen. Ungefähr 5.000 historische Kleidungsstücke dieser Sammlungen wurden gesichtet und 900 davon detailliert wissenschaftlich erfasst. Die Daten werden in Zukunft auf einer virtuellen Plattform veröffentlicht und stehen damit auch über den Projektzeitraum hinaus der Öffentlichkeit zur Verfügung. Dies soll einen neuen und lebendigen Diskurs im Bereich der Kleidungsforschung ermöglichen. Der Workshop bot nun eine erste Gelegenheit dazu. Nach der Begrüßung der Gäste durch Museums- und Projektleiterin Dr. Birgit Jauernig informierte Prof. Dr. Bärbel Kerkhoff-Hader von der Universität Bamberg, die die Untersuchung wissenschaftlich betreut, über die strukturellen Rahmenbedingungen des Vorhabens und zeigte dessen Möglichkeiten und Chancen auf. Anschließend gab die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Projektes und Doktorandin Meike Bianchi-Königstein M. A. einen Überblick über die bisherige Forschungsarbeit. Beispielhaft präsentierte sie zwei im Rahmen des Projektes untersuchte Kleidungsbestände: Zum einen den des Dorfmuseums im Greifenhaus in Hausen und zum anderen den des Fichtelgebirgsmuseums in Wunsiedel. Die vorgestellten Beispiele verdeutlichten eindrücklich das Spannungsfeld zwischen »Mode« und »Tracht«. Es ist die Aufgabe der nächsten zwei Jahre, die erfassten Kleidungsstücke eingehend auszuwerten und tiefere Einblicke in das Kleidungsverhalten des 19. Jahrhunderts und dessen Einflüsse auf die Entwicklungen im 20. und 21. Jahrhundert zu erhalten. Darüber hinaus soll damit ein Beitrag zur Klärung der Begriffe »Mode« und »Tracht« geleistet werden. Im Anschluss an die Projektvorstellung informierte Textilrestauratorin Sibylle Ruß das Publikum über den fachgerechten Umgang und die Lagerung von historischen Textilien. Als Musterbeispiel dafür diente das Textildepot des Bauernmuseums Bamberger Land. Die zahlreichen Fragen und Wortmeldungen aus dem

Projektdetails sind im Internet abrufbar: www.bauernmuseum-frensdorf.de (Forschungsprojekt) Für weitere Informationen stehen Dr. Birgit Jauernig, Prof. Dr. Bärbel KerkhoffHader oder Meike BianchiKönigstein M. A. zur Verfügung. Kontakt: Bauernmuseum Bamberger Land Hauptstraße 3-5 96158 Frensdorf Tel. 09502/8308 bauernmuseum@ lra-ba.bayern.de

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Publikum zeigten, wie groß das Interesse und der Aufklärungsbedarf sind. Im folgenden Vortrag berichtete Juliane Sander M. A., wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim, über ihre Arbeit als Betreuerin des dortigen Textilbestandes. Ihre Aufgabe für die nächsten Jahre ist die Strukturierung der umfangreichen Sammlung. Den Abschluss bildete ein Beitrag von Monika Hoede M. A.: Als Volkskundlerin, Trachtenschneiderin und Trachtenberaterin des Bezirks Schwaben referierte sie über die Möglichkeiten der technologisch orientierten Kleidungsforschung und die Wiederbelebung historischer Techniken. Zur Abrundung des Programms führte Museumsleiterin Dr. Birgit Jauernig die Gäste durch die beiden Sonderausstellungen in ihrem Haus: »Pracht, Prunk, Protz – Luxus auf dem Land« und »Klosterarbeiten, Flitterkränze, Haubenspiegel — ‚Schöne Arbeiten‘ — für Andacht und weltliche Zier«. Die Kaffeepause zwischen den Vorträgen und das anschließende Abendessen wurden nicht nur zur Stärkung, sondern auch zum gegenseitigen Kennenlernen und Kontakteknüpfen zwischen den Teilnehmern genutzt: Denn nicht zuletzt bot der Workshop auch die Möglichkeit der Vernetzung und des Erfahrungsaustauschs zwischen den anwesenden Museumsvertretern und den Textilexperten sowie den teilweise weit angereisten Gästen, etwa aus Griechenland und der sorbischen Lausitz. Der Abend klang bei einem gemütlichen Abendessen aus, bei dem die vorgestellten Beiträge, aber auch das hiesige Forschungsprojekt erörtert werden konnten. Auch die Studierenden hatten dabei die Gelegenheit, in Kontakt mit den anwesenden Wissenschaftlern zu treten und einen Einblick in das Feld der Kleidungsforschung zu gewinnen. Dazu tragen auch Lehrveranstaltungen zur Kleidungsforschung bei, die an der Universität Bamberg im Rahmen des Projekts angeboten werden. Mit über 70 Teilnehmern und einem regem fachlichen Austausch war die Veranstaltung ein großer Erfolg. Die positive Resonanz und das breite Interesse der Gäste bestätigten einmal mehr: »Tracht« ist im Trend — auch aus wissenschaftlicher Perspektive.

Die große Teilnehmerzahl zeigt eindrücklich, wie groß das Interesse an der Forschung zu historischer Kleidung ist. Tracht-Experten im Gespräch Fotos: Bauernmuseum Bamberger Land

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Der Zweite Weltkrieg im Museum Tagung in Jekaterinburg (Russland), 13./14.4.2015 Jekaterinburg, in Zeiten der Sowjetunion Swerdlowsk genannt, ist mit einer vergleichbaren Einwohnerzahl wie München (ca. 1,4 Millionen) die viertgrößte Stadt Russlands. Bekanntheit erlangte die Stadt auf der asiatischen Seite des Urals als Ort, an dem die Zarenfamilie 1918 ermordet wurde. Vor einigen Jahren wurde diese heiliggesprochen und eine neuerrichtete Kathedrale erinnert nun am Ort der Tat an das Geschehen. Während des Zweiten Weltkriegs bestanden hier und in der Umgebung große Kriegsgefangenenlager. Aufgrund der in der Uralregion beheimateten Rüstungsindustrie, vor allem der Panzerfabrikation, war die Stadt bis Ende der 1990er Jahre für Ausländer nicht zugänglich. Diese zeitgeschichtlichen Ereignisse und besonderen Gegebenheiten spiegeln sich auch in vielen Museen des Oblast (Kreises) Swerdlowsk, heute etwa 600 an der Zahl, wider. Jekaterinburg war damit ein besonders geeigneter Ort für eine Tagung, die sich – organisiert vom Museum der Region Swerdlowsk – anlässlich des 70. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkriegs mit »Moderner Interpretation der Geschichte des Zweiten Weltkriegs in den Schausammlungen von Museen« befasste. Neben russischen und weißrussischen Museumsvertretern waren, mit Unterstützung des Goethe-Instituts Moskau, auch deutsche Referenten eingeladen worden. Am ersten Konferenztag, dem 13. April, standen Präsentationsformen der Darstellung des Zweiten Weltkriegs im Museum, auch im deutsch-russischen Vergleich, im Fokus. Nach der Begrüßung der Tagungsteilnehmer durch die Direktorin des gastgebenden Museums, Natalja Wetrova, stellte der Präsident von ICOM Deutschland, Michael Henker, Geschichte, Konzeption und Ausstellungen des Militärhistorischen Museums in Dresden vor. Das Museum im ehemaligen Dresdner Arsenal war Armeemuseum der DDR, bis es 1990 die Bundeswehr übernahm und nach einem spektakulären Umbau durch Stararchitekt Daniel Libeskind 2011 mit neuer Konzeption eröffnete. Anhand von Beispielen bayerischer Museen und Ausstellungen wurde die andersgeartete Ausgangssituation – Bayern war kein Hauptkriegsschauplatz wie weite Teile Russlands, hier hat vor allem der Bombenkrieg seine Spuren hinterlassen – herausgearbeitet; diese Ausgangslage beeinflusst natürlich die Darstellung der Geschehnisse. Auf besonderes Interesse stießen die vorgestellten Neuplanungen, etwa die Erweiterung der Dokumentation auf dem Obersalzberg oder die geplante Dauerausstellung zum KZ-Außenlager im Mühldorfer Hart. Jörg Morré, Direktor des Deutsch-Russischen Museums in Berlin-Karlshorst, erläuterte die Neukonzeption 2013 des ehemaligen russischen »Kapitulationsmuseums«. Dabei war der Erhalt der zum Teil 1967 bei Einrichtung des Kapitulationsmuseum rekonstruierten Räume wichtig, deren Gestaltung wie auch die Präsentation des im Freigelände ausgestellten Kriegsgeräts inzwischen selbst schon wieder als museal anzusehen ist. Ein durchlaufendes »Fotoband« an der Wand und zwei biografische Ebenen (Politiker und einfache Soldaten, Zwangsarbeiter usw.) begleiten die Besucher durch die neukonzipierten Ausstellungsteile. Dass der Zugang zum Thema »Zweiter Weltkrieg« seitens der russischen Kollegen ein völlig anderer ist als der in Deutschland geübte, hatte bereits das Ambiente des Tagungsraums, an dessen Wänden eine Ausstellung von frisch erstellten Ölgemälden der letzten lebenden »Helden des Großen Vaterländischen Kriegs« aus der Region zu sehen war, gezeigt. Oleg Gubin vom Regionalmuseum Swerdlowsk berichtete über ein Ausstellungsprojekt »Museum des Sieges«, das die Bausteine des Sieges an und hinter der Front und den »Waffenruhm des Urals« mit dem Ziel dokumentieren will, die junge Generation zur Achtung vor den Leistungen der damaligen Akteure zu erziehen. Das Zentrale Museum der russischen Streitkräfte in Moskau stellte Tatjana Kuwajewa vor. Es bietet – im Gegensatz zu den Museen

Wolfgang Stäbler

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einzelner Truppenteile – einen Überblick über das Kriegsgeschehen mit russischer Beteiligung vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Neben den eigentlichen Mitarbeitern des Museums sammeln und forschen viele ehrenamtliche Helfer. Aufgrund finanzieller Engpässe kann aber beispielsweise Museumspädagogik nur sehr eingeschränkt stattfinden. Die derzeit hoch schlagenden nationalen Wogen ließ der Beitrag von Tatjana Umanskaja von »Museum und Gedenkstätte der heldenmütigen Verteidiger von Sewastopol – Küstenbatterie 35« erahnen. Bei den Kämpfen um diese strategisch wichtige Stellung auf der – inzwischen wieder russischen – Krim waren 1941/42 rund 80.000 russische Soldaten getötet oder gefangen genommen worden. Die Ausstellungen in den bis zu 30 m tiefen Kasematten haben seit der Eröffnung des ersten Abschnitts 2008 bis Jahresbeginn 2015 bereits 530.000 Menschen besucht. Hervorzuheben ist, dass die Einrichtung des Museums durch einen örtlichen Industriemagnaten erfolgte, der auch den kompletten Betrieb finanziert. »Die Bildung des historischen Bewusstseins im Museumsraum: Andenken an den Zweiten Weltkrieg und moderne Gesellschaft« war das Programm des zweiten Tagungstages überschrieben. Der Beitrag von Igor Sudlenkow vom Weißrussischen Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges in Minsk ließ erkennen, wie nach dem Ende der Sowjetunion die Wahrnehmung der Vorgänge und ihre Darstellung auseinandergedriftet sind. War früher von gewissen Verbänden der Roten Armee die Rede, so wird nun die Zugehörigkeit der Truppenteile zu einzelnen Ländern – sofern man überhaupt so differenzieren kann – als wichtig empfunden. Sudlenkow warf Polen Geschichtsklitterung vor, wenn man behaupte, ukrainische Truppen hätten Auschwitz befreit, und betonte seinerseits die Leistungen der Weißrussen, welche die Hauptleidtragenden des v. a. ihr Gebiet verwüstenden Krieges gewesen seien. Sein 2014 in ein neues Gebäude umgezogenes Museum haben binnen acht Monaten 360.000 Menschen besucht, darunter viele Schulklassen. Insofern sieht er auch die Militärmuseen als »Quelle der patriotischen Erziehung«. Das Kindermuseum des Historischen Museums Jekaterinburg hat eine Ausstellung »Die bittere Schokolade des Krieges« vorbereitet, die Anna Schustikowa in ihrem Referat »Das Kind als wichtigster Zuschauer oder über den Krieg in leichter Sprache« berichtete. Thema der Schau ist die Not-Nahrungsmittelproduktion während des Krieges. Im Keller eines Großhotels in Jekaterinburg stellte ein Kombinat Schokolade für die Front her, während die Stadtbewohner hungerten. Die um diesen Vorgang aufgebaute fiktive Erzählung eines evakuierten Mädchens bringt Kindern die Schrecken des Krieges auch für die Zivilbevölkerung weit hinter den Frontlinien nahe. Mit Wanderausstellungen zu Truppengattungen und zum Zweiten Weltkrieg versucht das Militärhistorische Museum des Urals, die Bevölkerung auch in abgelegenen Gebieten zu erreichen. Besonders gut bei den Kindern kommt dabei das Spiel mit originalen Waffen an, wenngleich, wie der Leiter der Besucherabteilung des Museums,

Ausstellung im Historischen Museum zur Evakuierung nach Jekaterinburg während des Zweiten Weltkriegs Foto: Aleksandra Lopata, Jekaterinburg

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Berichte/Aktuelles

Gennadi Kunjawski, schmunzelnd erzählte, die »kleinen Rangen« ihm schon einmal eine Kalaschnikow kaputt gemacht hätten. Zentrale Rolle der Ausstellungen sei es, den Kindern die Rolle Russlands im Großen Vaterländischen Krieg aufzuzeigen. Wert werde dabei darauf gelegt, den Unterschied zwischen Nationalsozialisten und dem deutschen Volk im Allgemeinen, aber ebenso auch im Hinblick auf aktuelle Entwicklungen zwischen modernem Faschismus und dem Ukrainer an sich zu betonen. Zum Abschluss der Vortragsfolge berichtete Jelena Judina vom Museum des Polytechnischen Gymnasiums in Nischni Tagil über Projekte mit Zeitzeugen, die in eine Ausstellung zu Einzelschicksalen von Kindern in der Kriegszeit mündeten. Diese Darstellung zielte bewusst auf eine emotionale Betroffenheit der Besucher ab. Besuche von Museen und Ausstellungen zur einschlägigen Thematik in Stadt und Region rundeten die Konferenz ab. Im Museum der Geschichte Jekaterinburgs war die Ausstellung »Evakuierung für immer« zu sehen, welche die ungeheuren Lasten der großflächigen Evakuierungen für die im Krieg in den Ural zwangsverlagerte Bevölkerung ebenso wie für die angestammten Bewohner der Region darstellte. Im Museum der Schriftsteller des Urals war eine Ausstellung über den Auftritt des Moskauer Tschechow-Kunsttheaters in Swerdlowsk 1942 zu sehen, und im Swerdlowsker Regionalmuseum konnten die Tagungsteilnehmer der Ausstellung »Erinnerungen an die Kindheit – der Kriegsgeneration gewidmet« beiwohnen. Einen eher zwiespältigen Eindruck hinterließ der Ausflug zum Museum für Militärtechnik »Waffenruhm des Urals« in Werchnjaja Pyschma, einem der vielen Standorte der Wehrtechnik-Produktion in dieser europäisch-asiatischen Grenzregion. Der Besitzer einer Maschinen(Panzer-) fabrik stellt dort auf einem riesigen Areal Dutzende von Panzern, dazu Haubitzen, Raketen, Flugzeuge, Schiffe und neuerdings einen kompletten Panzerzug aus. In einem neuerrichteten Museumsgebäude finden sich große Sammlungen von Uniformen, Orden und soldatischen Utensilien, dazu Szenarien zu den Kriegen in Afghanistan und Tschetschenien, außerdem eine umfangreiche Sammlung von PKWs aus russischer Produktion. In einem Kinoraum können die Besucher schließlich nicht nur eine Visualisierung der Panzerschlacht bei Kursk miterleben, sondern gleichzeitig auf Bildschirmen an den Sitzplätzen Informationen zu den gerade agierenden Panzertypen erhalten. Die Tagung in Jekaterinburg bot die Gelegenheit, auch in politisch schwierigen Zeiten den Dialog auf der Ebene der Museumsarbeit fortzuführen. Vor allem vor der Folie der aktuellen russisch-ukrainischen Ereignisse war das Thema aufgrund der in vielen Bereichen grundlegend anderen Sichtweisen – der Große Vaterländische Krieg aus russischer Sicht als gefeiertes Mahnmal vorbildhaften Heldentums, von Sieg, Ruhm und Ehre und die deutsche Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg nicht nur mit Blick auf eine vernichtende Niederlage, sondern auf das dunkelste Kapitel unserer Geschichte – alles andere als einfach zu behandeln. Die völlig verschiedenen Sichtweisen auf dieselbe Epoche, aber auch die daraus resultierenden abweichenden Blickwinkel auf kriegerische Gewalt im allgemeinen oder den Umgang mit Waffen drücken sich auch in den Ausstellungen der Museen, nicht zuletzt aktuell zum Kriegsende vor 70 Jahren aus. Die Wahrnehmung von Geschichte und ihre Darstellung im Museum fußen eben nicht allein auf unumstößlichen Fakten, sondern sie sind letztlich stark vom politisch-ethischen Grundkonsens der jeweiligen Gesellschaft geprägt.

Das Museum für Wehrtechnik »Waffenruhm des Urals« in Werechnaja Pschyma Fotos: Landesstelle Alte und neue Zeiten im Zentrum Jekaterinenburgs

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»Museums are sleeping giants«1

Sybille Greisinger

MuseumNext Geneva, 19.-21.4.2015 Bei der seit 2009 jedes Jahr in einem anderen europäischen Land durchgeführten Tagung dreht sich alles um die Frage, was die neuesten Entwicklungen und Trends im Museumsbereich sind. Neue Denkansätze, Debatten und Ideen, die die Zukunft der Museen gestalten könnten, werden hier an drei Tagen präsentiert und mitunter auch kontrovers diskutiert. Wer hier ausschließlich techniklastige oder digitale Inhalte vermutet, der muss enttäuscht werden, denn auch zu Themen wie Personalmanagement oder freiberuflicher Arbeit (»Making the Most of Your People«) sowie Entrepreneurship (»Entrepreneurship in Museums«) werden Workshops und Vorträge angeboten. Jedoch stehen Gamification (»Games – Transforming Museums from Within and Without«), Digital Storytelling (»The Sociable Museum«) oder auch Wearable Technology (WT) (»Wearable Technology in Museums«) sicherlich im Zentrum der Tagung. Themenspektrum »Museums are sleeping giants«/»Museen sind schlafende Riesen« – dieser Satz beinhaltet zweierlei und kann vielleicht damit auch stellvertretend für die gesamte MuseumNext stehen. Zum einen macht er den leisen Vorwurf, die Museen könnten ihre Chancen verschlafen, zum anderen aber verdeutlicht er auch das enorme Potential, das den Museen auch auf internationaler Ebene zugesprochen wird. Sie sind Giganten, wenn es um ihre Rolle in der Gesellschaft als Wahrer und Bewahrer der Kunst und Kultur geht und in ihrem Reichtum an Geschichten wie natürlich an Objekten. Hieran knüpften einige der Vorträge und Panels an, die fordern, dass Museen auch weit mehr in die Orte, an denen sie sich befinden, eingreifen sollten (»The Future of Museums«, »Revelance and Social Impact of Museums«, »Why Cities and Soft Power are Next for Museums«). Es sollen also Vorgänge, die sich außerhalb der Mauern des Museumsgebäudes abspielen, thematisch hineingeholt und die Menschen dazu eingeladen werden, das Museum als relevanten Ort der Diskussion wahrzu-

1 Gail Dexter Lord, Opening Debate: The Future of Museums, MuseumNext, 20.4.2015

Als Gamification/ 'Spielifizierung' bezeichnet man die Anwendung spieltypischer Elemente in spielfremdem Kontext, hier der Vermittlungsarbeit im Museum. Wearables sind Computersysteme, die während der Anwendung am Körper des Benutzers getragen werden. Die Systeme sind dabei beispielsweise in eine Uhr, ein Kleidungsstück oder eine Brille integriert und werden auch im Museumskontext bereits u. a. mit Augmented Reality experimentell eingesetzt.

Tanzperformance bei der Eröffnungsveranstaltung der MuseumNext in den Ausstellungsräumen des Musée d’art et d’histoire in Genf Foto: MuseumNext MuseumNext Geneva, Cercle des Bains Foto: MuseumNext, Pixipop.ch

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nehmen. Genauso werden aber auch museumsspezifische Themen und Projekte nach außen getragen und sozusagen direkt an den Museumsbesucher gegeben, der gemeinsam mit dem Museum die Aufgabe einer Art Projektentwicklung übernehmen soll. Der Museumsbesucher stand zwar schon immer im Mittelpunkt der Museumsarbeit, doch hier scheint sich eine neue, starke Intensivierung abzuzeichnen, die den Museumsbesucher zum Ausgangs- und Endpunkt auch im Projektmanagement macht. Denn in direkter Abstimmung mit ihm werden nunmehr beispielsweise auch Webseiten umgesetzt (»The Glass Box Project«) und neue Applikationen entwickelt (»The Pen«,»ASK«), die spezifisch als sogenannte »visitors engaging projects« geplant und auf die Partizipation des Museumsbesuchers ausgerichtet sind: »ASK« – Brooklyn Museum N. Y. (Shelly Bernstein) Die erst im Juni gelaunchte App »ASK« ist sicherlich eines der prominentesten Beispiele für ein digitales Museumsprojekt, das mit dem Museumsbesucher gemeinsam entwickelt wurde und für die Nutzung im Besucherservice gedacht ist. Denn die App mit integrierter Chat-Funktion will den Museumsbesucher in die Lage versetzen, während des Museumsbesuchs Fragen zu stellen, die von einem Team in Echtzeit beantwortet werden. Die Museumsmitarbeiter sitzen dabei direkt im Eingangsbereich und beleben das zuvor steril anmutende Foyer. Die App funktioniert ausschließlich vor Ort im Museum und soll ganz bewusst keine darüber hinaus nutzbaren weiteren Funktionen besitzen. Also völlig entgegen dem aktuellen Trend, Apps zu bauen, die alles leisten und am besten 365 Tage im Jahr genutzt werden sollten. »ASK« ist einfach das, was es ist, nämlich ein Instrument zu Verbesserung des Besucherservices im Museum. Durch iBeacons, die in den Ausstellungsräumen an verschieden Stellen platziert sind, kann das Team einzelne Besucher einem bestimmten Ausstellungsbereich zuordnen und beispielsweise auf weitere Referenzwerke im Gespräch hinweisen beziehungsweise bei Bedarf weitere persönliche Assistenz im Ausstellungsraum anbieten. »ASK« ist dabei als Agile-Projekt entstanden. Die Besucherkonzentrierung und das Ermöglichen von direkter Interaktionsmöglichkeit charakterisieren die App. Nebenbei erweitert das ASK-Team aber auch immer sein Repertoire und reagiert, sobald bestimmte Fragen häufiger auftauchen oder Unklarheiten bestehen. Die Wandtexte sowie die weiterhin zur Verfügung stehenden Medien (Handreichungen, Multimediastationen etc.) werden dabei gleichermaßen einer Revision durch den Museumsbesucher unterzogen. Die Optimierungsprozesse werden so Teil des Gesamtprojekts. Der Clou der App aus technischer Sicht ist, dass sie ausschließlich auf bereits zur Verfügung stehende Elemente zurückgreift: Der Museumsbesucher benutzt sein eigenes Smartphone und kommuniziert mittels eines ihm bereits bekannten Systems, hier iMessage. Man spart sich lange technische Entwicklungen wie Erklärungen, die App ist intuitiv bedienbar. Sicherlich können dominante digitale Technologien (wie beispielsweise auch Wearables) die Museumserfahrung mitunter stark beeinträchtigen. Aktuell zeigt sich zumindest aber, dass »ASK« den Museumsbesucher zu mehr Aktivität animiert und ihn veranlasst, die Ausstellungsobjekte eingehender zu betrachten bzw. zu reflektieren. → www.brooklynmuseum.org → Projekt: www.brooklynmuseum.org/community/blogosphere/2014/10/06/simply-ask → Projektgenese mit Agile: www.brooklynmuseum.org/community/blogosphere/2014/09/30/going-responsivewith-agile-planning und www.brooklynmuseum.org/community/blogosphere/2015/05/05/learning-from-agile-fails

iBeacon ist ein bereits 2013 von Apple eingeführter, herstellerspezifischer Standard zur Navigation in geschlossenen Räumen, die auf Bluetooth Low Energy (BLE) basiert. Im Museum werden Beacons genutzt, um Inhalte über Smartphones/Tablets automatisch anzubieten, sobald man in den entsprechenden Radius gelangt. Agile kommt aus der Software-Entwicklung und bezeichnet ein Entwicklungsmodell, das versucht, mit geringem bürokratischen Aufwand, wenigen Regeln und einer iterativen Vorgehensweise auszukommen. Das Ziel ist, den Projektentwicklungsprozess flexibel und schlank zu halten, indem man sich auf realistische Etappenziele konzentriert, auf Probleme direkt reagiert und das Projekt entsprechend immer wieder justiert. Agile Workshop auf der MuseumNext: »Agile for Beginners and Thrillseekers« www.cogapp.com/agile

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»The Pen« – Cooper Hewitt National Design Museum N. Y. (Seb Chan) Ein gutes Beispiel für »phygital Blending«, eine weitere Wortschöpfung der Branche für »Mitmachstationen«, die digitale Komponenten aufweisen und zum direkten Handeln auffordern, ist »The Pen«. Der digitale Stift soll Assoziationen mit dem Moment des Entwurfsprozesses im Design vermitteln und gleichermaßen die eigene Kreativität des Museumsbesuchers im Umgang mit der Sammlung fördern. Der Hightec-Stift ermöglicht es, jedes Objekt im Museum digital über ein Symbol auf den Objektschildern zu sammeln und auf großen Medientischen im Museum auch gemeinsam mit anderen Museumsbesuchern weiter zu bearbeiten sowie über eine singuläre Webadresse auf der Eintrittskarte zu Hause weiter zu nutzen. Es ist möglich, an den Tischen selbst Designs zu entwickeln oder auch 3D-Objekte (SketchUp/Thingiverse) zu zeichnen sowie eigene Tapetenkreationen im »Immersion Room«, einem interaktiv nutzbaren Raum, zu übertragen. Dort werden die Muster neben Beispielen aus der umfangreichen Tapetensammlung des Museums direkt an Wand und Decke projiziert, was die ursprüngliche visuelle Wirkung der Tapeten simuliert. Ähnliche bekannte Projekte sind beispielsweise »A LA CARTE« zur Ausstellung »Koscher & Co.« des Jüdischen Museums Berlin, bei dem man koschere Rezepte über einen Kochlöffel digital sammeln und per Mail versenden konnte. Doch dieser Ansatz geht weit über diesen Ansatz hinaus, denn die gesamte Objektdatenbank ist im Museum und online eingebunden und so über diese Funktion zugänglich wie teilbar.

phygital = physical + digital

→ www.cooperhewitt.org → Projekt: www.cooperhewitt.org/new-experience/designing-pen → Video: www.youtube.com/watch?v=ejIvvwmtX8M »Open Website – Glass Box Project« South Bank Centre London Das »Open Website«-Projekt geht wieder in eine andere Richtung. Das South Bank Centre, das gleichsam Ausstellungs- wie Veranstaltungsort ist, öffnete die Aufgabe der Neugestaltung ihrer Webseite für ihre Besucher und machte daraus das »Web We Want Festival«. Das Team, das dieses Webseitenprojekt betreut wurde kurzerhand in eine Glasbox gesetzt und arbeitet dort mit, beobachtet von und inspiriert durch die Besucher, die aus Nutzersicht Anregungen und Ideen zur zukünftigen Webseite beisteuerten. Workshops, Ausstellungen und Veranstaltungen und »Drop-in-sessions« (Workshops, bei denen man ohne Anmeldung einfach vorbeischauen kann) zu Themen rund um das Thema Web (Coding, Webseiten Analyse, Bloggen etc.), die vor Ort abgehalten wurden, begleiteten den gesamten Prozess. Hier ging es darum, Transparenz auf allen Ebenen zu zeigen und das Wissen der Experten zu teilen sowie von dem Interesse und dem Engagement der Besucher zu profitieren. »Offen« bedeutet in diesem Zusammenhang aber nicht nur gemeinsam mit den Besuchern online und offline Ideen zu generieren und umzusetzen oder Testings durchzuführen, sondern es bedeutet komplette Transparenz mit Offenlegung des gesamten Webseitencodes, der Daten sowie dem Design unter dem Label »Public Domain« (PD). Mittlerweile ist die Idee des »Web We Want« auch zu einer Bewegung geworden, die sich für die Zukunft des Webs einsetzt und von Tim Berners-Lee, dem Erfinder des World Wide Webs, begründet wurde. Er war es auch, der die erste Codezeile der Webseite des South Bank Centres programmierte und nun dieses Projekt nicht mehr als das Ziel, sondern im Grunde als den Anfang eines gemeinsamen Weges neu definierte. → www.southbankcentre.co.uk → Projekt: webwewant.southbankcentre.co.uk → Video: www.youtube.com/watch?v=5dsXwQjATxo → Präsentation: http://de.slideshare.net/luciepaterson?utm_campaign=profiletracking&utm_ medium=sssite&utm_source=ssslideview

Public Domain bedeutet »frei von Urheberrechten« und ist im weitesten Sinne ähnlich der deutschen Gemeinfreiheit.

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Berichte/Aktuelles

Resümee Diese Tagung lässt einen sicherlich nachdenklich zurück, mit dem Wunsch, diese vielen großen und neuen Ideen auch für kleinere Museen herunter zu brechen und kreativ nutzbar machen zu können. Denn die Vielzahl der Museen sind kein Cooper Hewitt oder Brooklyn Museum, aber man kann von den Besten lernen: Zunächst einmal die fließende Projektentwicklung der Agile-Methode, die auch das Budgetieren vereinfacht, oder das sich Öffnen und durchlässig Werden als Institution für unkonventionelle Ideen wie den Museumsbesucher als mögliche Erweiterung des Kollegenteams zu betrachten. Dies spielgelt sich ja bereits im Ehrenamt wider, aber unter Einsatz von digitalen Medien bzw. Social Media wäre weit mehr möglich. Dabei zeigt sich auch, dass gerade die ganz großen Museen hauptsächlich den Fokus auf die Produktion der Inhalte legen unter Zuhilfenahme von kostenfreien Webtools. So arbeitet beispielsweise das Viktoria & Albert Museum in London mit kostenfreien Monitoring-Tools. Das Brooklyn Museum hat das Wikipedia-Übersetzungstool in seine Webseite eingebaut und übersetzt deren Inhalte nicht mehr selbst in die verschiedenen Sprachen. MuseumNext → www.museumnext.com → #museumnext → Programm: http://issuu.com/museumnext/docs/museum_next_2015_brochure_digital → Präsentationen: http://culturaldigital.com/t/takeaways-from-museumnext-2015/418

Panel bei der MuseumNext im Auditorium des Bâtiment des Forces Motrices, dem Hauptveranstaltungsort der Tagung Foto: MuseumNext

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Rekordzahlen zum Jubiläum

Christine Schmid-Egger

Die 15. MAI-Tagung. Museums and the Internet 11./12.5.2015 in der DASA Arbeitswelt Ausstellung Dortmund Rund 200 Tagungsteilnehmer, über 30 Vorträge, zahlreiche Gespräche und neue Anregungen, ein interessanter Veranstaltungsort: Die Jubiläumsveranstaltung »15 Jahre MAI-Tagung« in Dortmund konnte mit einigen Rekorden aufwarten, sogar der im Programm vorgegebene Zeitplan wurde nahezu vollständig eingehalten – was bei insgesamt 45 Vortragenden (ein weiterer Rekord) allen Beteiligten inklusive den Zuhörern Einiges an Disziplin abverlangte. Glückwünsche also an Thilo Martini und sein Team vom Fachbereich Kultur des Landschaftsverbandes Rheinland zur gelungenen »Geburtstagsparty«! Seit 15 Jahren beschäftigt sich die alljährlich im Mai an wechselnden Orten in der gesamten Bundesrepublik stattfindende Fachveranstaltung mit den Möglichkeiten der Internetnutzung im kulturellen Bereich. Das Themenspektrum ist dabei breit gefächert: 2015 standen Vorträge zu Apps, zum digitalen Kuratieren und Dokumentieren, zur Museumspädagogik 2.0, zum Online-Marketing sowie zu Partizipation und Social Media im Mittelpunkt. Wie es sich für eine solche Tagung gehört, wurde fleißig getwittert. Im Tagungsraum der DASA war eine »Twitterwall« installiert, so dass man die unter dem »Hashtag« (Schlagwort) #maitagung versammelten Tweets (Kommentare mit maximal 140 Zeichen) auf der Leinwand parallel mitlesen konnte. Alle über 30 Vorträge der MAI-Tagung werden nach und nach zum Nachlesen in Internet bereitgestellt (www.mai-tagung.lvr.de), daher seien hier nur ein paar wenige Themen erwähnt, die eventuell für das eine oder andere Museum interessant sein könnten. Apps als Möglichkeit, breite Nutzerschichten auf Themen von Museen oder Ausstellungen aufmerksam zu machen, spielen nach wie vor eine wichtige Rolle, weshalb der erste große Themenblock der Tagung der Vorstellung von Museums-Apps für den Innenund Außenbereich gewidmet war. Dabei stellte sich heraus, dass zwar viele Museen die Finanzierung einer App ermöglichen können, für deren Bewerbung und Evaluation im Anschluss jedoch keine Mittel mehr zur Verfügung stehen. Bei der Zeitplanung sollte unbedingt genügend Zeit für Nachkorrekturen einkalkuliert werden. Auch der bei einer App in Anspruch genommene Speicherplatz auf den Endgeräten sollte von vornherein möglichst niedrig gehalten und das technische Handling durch die Bereitstellung von W-LAN oder einem Hotspot im Museumsgebäude besucherfreundlich gestaltet werden. Das digitale Dokumentieren erlebt derzeit eine Veränderung: Die bloße Präsentation von Beständen wird durch eine eher narrative Herangehensweise ersetzt. Was das konkret heißt, zeigt die für Herbst 2015 geplante Veröffentlichung des Archivs von Ken Adams, der vor allem als Set-Designer der frühen »James-Bond«-Filme bekannt wurde. Künftig sind hier nicht nur dessen über 5.000 Originalentwürfe im Netz zu finden, sondern auch multimedial aufbereitete Einblicke in Adams Gestaltungsprozesse und die Arbeit von Produktionsdesignern. Zum »digitalen Schlendern« lädt die zum 200-jährigen Bestehen des Städel Museums Frankfurt 2015 online gestellte Exponate-Plattform ein, man kann aber auch ganz gezielt nach Gemälden oder Künstlern suchen. Grundlage bildet die umfassen-

Die Jubiläumsveranstaltung »15 Jahre MAI-Tagung« in Dortmund konnte mit einigen Rekorden aufwarten Foto: Wera Wecker

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Berichte/Aktuelles

de Verschlagwortung der Sammlungsgegenstände, die den Nutzern ganz unterschiedliche Zugänge bietet wie die Suche über das Hauptmotiv, die Stilrichtung, die Entstehungszeit des Bildes, aber auch über die Wirkung auf den Betrachter und mögliche Assoziationen (http:// digitalesammlung.staedelmuseum.de). Einen neuen Zugang zur Kunst ermöglicht auch das Rijksmuseum in Amsterdam mit seiner Online-Plattform (www.rijksmuseum.nl/en/rijksstudio). Nach dem Motto »make your own masterpiece« kann man die online zur Verfügung gestellten 200.000 Kunstwerke nicht nur in höherer Auflösung für den eigenen Gebrauch herunterladen, man kann sie auch in eigene Kreationen einbinden. Das Rijksmuseum vergibt sogar mit dem »Rijksstudio Award« alljährlich einen Preis für die beste Verwirklichung einer solchen Idee. Das Netz ermöglicht auch neue Wege des Lernens, bei der MAI-Tagung »Museumspädagogik 2.0« betitelt. So hat das Alimentarium – Museum der Ernährung im schweizerischen Vevey eine globale Lernplattform zum Thema Nahrungsmittel entwickelt, die auch Spiele und praktische Aktivitäten einbezieht (https://learning.alimentarium.ch/de). Beim Online-Marketing sind für manche Museen vielleicht die beim Freilichtmuseum am Kiekeberg verwendeten Non-Profit-Programme für Kultureinrichtungen von Google und YouTube ein gangbarer Weg. Kultureinrichtungen, die als gemeinnützig gelten und von der Körperschaftssteuer befreit sind, können sich um einen Platz in diesen NonProfit-Programmen bewerben. Beim YouTube-Programm kann man z. B. einen Spendenbutton neben seinen Videos platzieren oder kulturelle Veranstaltungen per Live-Streaming dokumentieren. Google Ad Grants bietet teilnehmenden Institutionen die Möglichkeit, durch Anzeigen auf den Google Suchergebnisseiten ihre Veranstaltungen oder Ausstellungen zu bewerben. Beim Suchbegriff »Sommerferien Hamburg« beispielsweise wird dann das Ferienprogramm des Freilichtmuseums am Kiekeberg eingeblendet. Wie die Sozialen Medien die Ausstellungspraxis beeinflussen können, wurde besonders eindrücklich am Beispiel der Ausstellung »Jetzt helfe ich mir selbst – Die 100 besten Video-Tutorials aus dem Netz« des Hartware MedienKunstVerein HMKV Dortmund vorgestellt: In einem Pilotprojekt mit der Universität Witten/Herdecke wurden 2014 nicht nur Videos mit Anleitungen zu solch unterschiedlichen Themen »Wie man einen Fahrradschlauch ohne Flickzeug flickt«, »Wie man eine Dose mit bloßen Händen öffnet« oder »Wie man ein Känguru ohne Hilfsmittel fängt« präsentiert, sondern auch hinterfragt, warum so viele Menschen Video-Tutorials ins Netz stellen. Nach dem großen Erfolg der Ausstellung zeigt der HMKV ab Juli 2015 in einer neuen Präsentation »Digitale Folklore«, die sich mit dem Phänomen der Kitsch-Ästhetik im Internet auseinander setzt. Idealerweise sollten sich Museen bereits vor der Aufnahme von Aktivitäten in den Sozialen Medien eine Strategie überlegen. Das Marta Herford, ein Museum für zeitgenössische Kunst, ist seit Ende 2014 dabei, zum zehnjährigen Museumsjubiläum 2015 die bisherigen Plattformen wie Facebook aufgrund einer Analyse der Inhalte und des Nutzerverhaltens zu überarbeiten, ebenso den YouTube-Auftritt mit neuen Videoformaten zu ergänzen und einen Blog einzuführen, bei dem sich nicht nur alle Mitarbeiter des Hauses beteiligen können, sondern auch prominente Gastautoren und Künstler. Zudem gibt es auf allen gedruckten Ausstellungs- und Werbematerialen Hinweise auf die digitalen Angebote. Auch das Lenbachhaus in München stellte seine digitale Strategie vor, die neben der FacebookPräsenz, einem Blog und der Präsentation der Sammlung im Rahmen des Google Art Projects seit kurzem auch auf Instagram personalisierte Einblicke in die Tätigkeiten im Museum »hinter den Kulissen« umfasst. 15 MAI-Tagungen haben auch die Etablierung des Internets in den Museen über die Jahre hinweg begleitet: eine eigene Homepage ist inzwischen Standard, Apps, Blogs und die sozialen Medien sind auch bei den Museen angekommen. Nun gilt es, Qualitätskriterien für die vorhandenen Möglichkeiten festzulegen, eigene digitale Strategien zu entwickeln und aus den vielen Alternativen diejenigen auszuwählen, die für das eigene Museum am besten passen – Anregungen dazu werden auch die künftigen MAI-Tagungen bieten.

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Museum.Gesellschaft.Zukunft

Wolfgang Stäbler

Der Internationale Museumstag 2015 In Deutschland ist der Internationale Museumstag seit Jahren die Leitveranstaltung der Museen. An diesem Tag, der vom Internationalen Museumsrat (ICOM) 1977 erstmals ausgerufen wurde, bemühen sich weltweit Museen, mit besonderen Angeboten auf ihre Besucher und Freunde zuzugehen. Für die Veranstaltungen 2015 hatten ICOM Deutschland, Österreich und Schweiz als Übersetzung des englischen »Museums for a Sustainable Society« die Formulierung »Museum.Gesellschaft.Zukunft« als Motto ausgegeben. Am Sonntag, den 17. Mai 2015, luden im Freistaat 309 Museen in allen Landesteilen mit speziellen Veranstaltungen ihr Stammpublikum aller Altersgruppen ebenso wie neue Gäste, welche die spannende Welt der Museen erst für sich entdecken wollten zum Besuch ein. Die bayerischen Museen stellten damit mit einem breitgefächerten Veranstaltungsprogramm im »Ländervergleich« wieder die meisten teilnehmenden Häuser. Bundesweit beteiligten sich 1734 Museen. Erneut waren die Angebote großer wie kleiner Museen im ganzen Land ausgesprochen vielfältig und richteten sich nicht zuletzt an die ganze Familie. Im Waldmuseum Zwiesel erlebten über 200 Besucher in den einzelnen Abteilungen »lebende Ausstellungsstücke« in Gestalt von Mitgliedern der Unterstufen-Theatergruppe des Gymnasiums. Der Grüne »Pfahldrache« war hier ebenso anzutreffen wie ein Mineralienforscher, ein Bär im Urwald-Diorama oder der Stadtapotheker im historischen Ambiente. Im Kitzinger Stadtmuseum überraschte die Funk‘n‘Soul-Band »Urban Light« die Besucher. Und in der Kunsthalle Schweinfurt gab Künstler Herbert Warmuth eine Einführung in seine Arbeit »Grün und …«, welche die Farbigkeit von Medizinverpackungen aufnimmt und auch in auffälligen Interventionen in die bestehende Schausammlung »Wegmarken« eingreift. Große wie kleine Häuser gestalteten diesen Tag nach ihren jeweiligen Möglichkeiten und Besonderheiten. Die Koordination der Veranstaltung hatte in Bayern erneut die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen übernommen, Partner waren deutschlandweit die Sparkassen. Ein mediales Projekt (siehe den folgenden Beitrag) lud dazu ein, sich mit dem »Klang« der Museen auseinanderzusetzen. Allen, die mit viel Phantasie und Engagement dazu beigetragen haben, den Internationalen Museumstag auch in diesem Jahr zu einem Erfolg werden zu lassen, ein herzliches Dankeschön!

Grüner »Pfahldrache« und Mineralienforscher im Stadtmuseum Zwiesel Foto: Christine Hackl, PNP

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Berichte/Aktuelles

#MuseumSound – So klingt Museum! Die Social Media Aktion zum Internationalen Museumstag 2015

Der Internationale Museumstag wartete in diesem Jahr wieder mit einer digitalen Initiative auf. Dabei ging es darum, Museen zum Klingen zu bringen. In vielen Häusern schlummern besondere Geräusche und Klänge, die bislang noch zu wenig Beachtung finden. Ihnen mehr Aufmerksamkeit zu schenken, war das Ziel zum IMT15. Wie klingt Museum? Welche Geräusche machen die Exponate? Was haben die Museen, die Museumsbesucher zu sagen? Das beginnt mit dem rhythmischen Schlagen der Dreschflegel im Freilichtmuseum, geht weiter über das Röhren der Zwölfzylinder in einem Automobilmuseum und hört bei historischen Musikinstrumenten noch lange nicht auf. Die Aufnahme des freudigen Gemurmels kurz vor Beginn einer Führung, Gedankenfetzten zu einzelnen Objekten, ein Zusammenschnitt von Zitaten aus verschiedenen Führungen, eine wilde Eigenkomposition als Ode an das eigene Lieblingsmuseum, der Klang eines Museums bei Nacht ... so vieles war denkbar und wartete darauf, entdeckt und veröffentlicht zu werden. Über den Hashtag #MuseumSound wurden in den vergangenen Wochen so über Plattformen wie SoundCloud, YouTube, Instagram, Vine, Facebook oder Twitter zahlreiche Sounddateien gesammelt, die weiter geteilt und kommentiert werden konnten. Zusammengefasst wurden alle eingehenden mit #MuseumSound getaggten Beiträge auf einer gemeinsamen interaktiven Soundkarte (bit.ly/MuseumSound-Map) auf der Aggregatorenseite des Museumstags. Aktuell konnten 142 einzelne Kultureinrichtungen auf der Karte verortet werden, die sich beteiligten. Manche kommunizierten mehrere Soundfiles, so dass bislang geschätzte 180 Einzelbeiträge verzeichnet sind. Die Playliste auf SoundCloud umfasst dabei alleine schon 108 Museums ounds, die ebenfalls über ein Widget (kleine Websoftware) direkt in die Webseite des Museumstags eingebunden ist. Neben den deutschsprachigen Museen in Deutschland, Österreich und der Schweiz waren es insbesondere auch Museen aus der Ukraine, Russland und Frankreich, die international die Aktion aktiv unterstützten.

Sybille Greisinger

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Die Soundkarte zur Social Media Aktion #MuseumSound vereint Klangbeispiele aus den unterschiedlichsten Museen.

Wer mehr von den Museen in Bayern ‘hören‘ möchte, der kann einfach in der Karte einen entsprechenden Ort heraussuchen oder in das Bundesland über das Plus-Zeichen hineinzoomen. Der Erfolg der Kampagne und die Vielzahl der bewegenden bis witzigen Einsendungen überraschten alle, denn mit dem Medium Sound sind durchaus auch gewisse technische Hürden verbunden. Es zeigte sich aber, dass die Häuser mit Ton, Podcasts oder auch Videocasts zu experimentieren begonnen haben und so neben Sound-Datenbanken bereits wahre museumsspezifische Soundscapes (Klanglandschaften) entstanden sind. Auch aus wissenschaftlicher Sicht wird aktuell das Thema Klang im EU-Projekt »Work with Sounds« bearbeitet (www.workwithsounds.eu), das in Kooperation mit sechs Museen in Europa vom Aussterben bedrohte Geräusche in einem Online-Archiv wissenschaftlich erfasst vor dem Vergessen bewahren will. Live-Radio Ein Höhepunkt zum Museumstag am 17. Mai war das zweistündige Live-Radio, das über das Internet gestreamt wurde und eine schöne Auswahl der Tonbeiträge vorstellte. Einzelne Häuser und ihre Sound-Projekte wurden darüber hinaus live über das Telefon zugeschaltet. → Mitschnitt: www.museumstag.de/blog/imt15_radio Blog, How-Tos, Podcast-Reihe Museale Inhalte nicht nur optisch zu rezipieren, ist sicherlich im Zuge der Inklusion ein weiterer interessanter Aspekt dieser Aktion. So wollte der Museumstag mit begleitenden Schulungsmaßnahmen in Form von How-Tos und einer Podcast-Reihe zum Umgang mit Aufnahmetechnik das Know-How der Museen vertiefen und so ermutigen, das Medium selbst einmal zu testen bzw. einzusetzen. → Blog mit Hilfen und Podcast-Reihe: www.museumstag.de/blog Facebook-Reichweiten Trotz der im April 2015 bei Facebook vorgenommenen Anpassungen im News Feed Algorithmus, der für viele Seitenbetreiber zur Folge hatte, dass die Reichweite wie auch der Traffic stark rückläufig wurde, zeigte sich auf der Facebook-Seite des Museumstags weiterhin gute Reichweiten und sogar beeindruckende Werte bei der täglichen Reichweite der Seitenbeiträge sowie der einzelnen Postings. Hier konnte die Zahl der Personen, die täglich einen der Seitenbeiträge gesehen hat (eindeutige Nutzer), mit 83.715 gegenüber dem Vorjahr (37.648) sogar mehr als verdoppelt werden.

Der Begriff Soundscapes ist zusammengesetzt aus den Begriffen Sound (Geräusch) und Landscape (Landschaft) und beschreibt akustische Landschaften, die einen bestimmten Ort prägen, wie z. B. die individuellen Klanglandschaften von Städten.

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Berichte/Aktuelles

Im Untersuchungszeitraum erreichten die insgesamt 95 von der Online-Redaktion verfassten Facebook-Beiträge insgesamt 95.607 Nutzer bei 220.952 Impressionen. Die größte Reichweite mit einem Spitzenwert von 12.928 erreichten Usern bei 26.953 Impressionen erzielte dabei der Beitrag zum LWL-Industriemuseum Henrichshütte in Hattingen (NordrheinWestfalen). Hashtag-Auswertung: #imt15 und #MuseumSound Die Reichweite der Social Media Aktion über die Aktions-Hashtags #MuseumSound und #IMT15 auf Twitter konnte noch etwas gesteigert werden, obwohl weitaus weniger Tweets als im Vorjahr geschrieben wurden. Dies spiegelt die wachsende Reichweite des Netzwerks des Museumstags sowie der hiermit verbundenen Accounts der Museen wider. So erzielte der Hashtag zum Museumstag #IMT15 mit 3.199 Tweets einen absoluten Reach von 5.35 Millionen (Impressions). Hinzu kommen die über den Hashtag #MuseumSound laufenden Inhalte auf Twitter, die mit 1.830 Tweets über 3.5 Millionen Absolute Reach (Impressions) erreichten. Auch hier schlug sich die international wirkende Social Media Aktion positiv nieder, was sich anhand der Sprachverteilung in der Hashtag-Analyse von #MuseumSound deutlich nachvollziehen lässt. Tweetup Zwei Museen organisierten am Internationalen Museumstag auch einen eigenen Tweetup: So erschloss das Museum im Deutschhof in Heilbronn (Baden-Württemberg) bereits im dritten Jahr seine Sammlung mittels eines Tweetups und auch in Nordrhein-Westfalen veranstaltete das Dortmunder U nach der #udojagd 2014 nun daran anknüpfend 2015 die abenteuerliche Heldenreise #udohelden per Smartphone. Wunderbar, wie sich hier online und offline in kreativer Weise miteinander verbinden lässt. Nach dem Internationalen Museumstag ist aber bekanntlich vor dem Internationalen Museumstag und so wird bereits die nächste Social Media Initiative für die Veranstaltung am 22. Mai 2016 geplant. Das internationale Motto lautet »Museums and cultural landscapes«, das in Kürze auch sein deutsches Pendant erhalten wird.

1 Als Beispiele können hier das Soundlogo des Staatlichen Museums Ägyptischer Kunst in München (https://soundcloud.com/smaek_ muc/soundlogo-agyptisches-museum-munchen?in=haraldlink/sets/ museumsound), das mittlerweile als Handy-Sound zum Download angebotene Türknarren der Burg Posterstein (https://soundcloud. com/burgposterstein/klingelton-burgposterstein?in=haraldlink/ sets/museumsound#t=0:00), »So klingt die Steinzeit« des Staatlichen Museums für Archäologie Chemnitz (https://soundcloud.com/neander-taler/so-klingt-steinzeit?in=haraldlink/sets/museumsound), das »Pferdewiehern« des Westfälischen Pferdemuseums im Allwetterzoo Münster (https://soundcloud.com/ museumsound/westfalisches-pferdemuseum-munster-pferdewiehern) oder auch der Beitrag des National Museums Chernobyl in Kyiv (Ukraine) (https://soundcloud.

com/museumsound/national-museum-chernobyl-in-kyiv-ukraine) genannt werden. Museum für Naturkunde Berlin: Tierstimmenarchiv, www.tierstimmenarchiv.de; Haus der Musik, Wien: Wahrnehmungslabor, http://www.hausdermusik. at; MoMA, N. Y.: Share your Silence, http://www.moma.org/share_your_ silence; Europeana Sounds, www. europeanasounds.eu

6 Hashtag-Auswertung: #imt15, Untersuchungszeitraum: 19.2.– 31.5.2015, Quelle: Tweet Archivist, 1.6.2015

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3 Hierzu kann man mehr im Mitschnitt des Live-Radios erfahren, ab 14:12 min. www.museumstag.de/ blog/imt15_radio

Untersuchungszeitraum 1.3.– 31.5.2015, Quelle: Facebook Insights

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5 http://newsroom.fb.com/ news/2015/04/news-feed-fyi-balancing-content-from-friends-andpages/

Hashtag-Auswertung #MuseumSound, Untersuchungszeitraum: 27.2.–28.5.2015, Quelle: Tweet Archivist, 2.6.2015

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8 Zusammenfassung und Auswertung der Heldenreise #udohelden: http://herbergsmuetter.de/ udohelden-bringen-das-goldene-u-zurueck/ sowie Projektbeschreibung: http://herbergsmuetter.de/helden-sollt-ihr-sein/

Ein Tweetup ist eine Veranstaltung, zu der sich Menschen über den Microbloggingdienst Twitter verabreden – und von der natürlich getwittert wird. Die Teilnehmer befinden sich folglich nur zu einem Teil vor Ort und nehmen auch digital teil, indem sie von extern mitlesen und mittwittern.

Literaturhinweis Kulturkonsorten (Hrsg.): All You Tweet is Love: Tweetups in Kultureinrichtungen, Bonn 2013, darin auch zum ersten bundesdeutschen Tweetup anlässlich des Internationalen Museumstags 2013: Greisinger, Sybille: Transinstitutionell. Der Tweetup als kooperativer Event, S. 47–51

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Die Biografie der Objekte Jahrestagung des DMB, Essen, 3.–6.5.2015 Das Thema Provenienzforschung hat spätestens seit dem spektakulären Fund der »GurlittSammlung« 2013 die Aufmerksamkeit nicht nur der Fachwelt, sondern auch der breiteren Öffentlichkeit erreicht. Inzwischen hat sich sogar Hollywood mit »Die Frau in Gold« mit Helen Mirren und mit »Monuments Men« mit George Clooney dem Kunstraub in der NS-Zeit und der Restitution angenommen. Mit der Neuorganisation und verbesserten Ausstattung der die Arbeit der Museen unterstützenden Einrichtungen, seit April 2015 gebündelt im Zentrum für Kulturgutverluste in Magdeburg, liegt der Ball nun mehr denn je im Feld der Museen: Provenienzforschung darf kein »Kann« mehr sein, sondern ist ein klares »Muss«, wenn sich Anhaltspunkte ergeben, dass die eigenen Sammlungsbestände problembehaftet sein können. Auch die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen wird künftig noch aktiver die diesbezügliche Forschungsarbeit, gerade auch in kleinen und mittleren Museen, unterstützen. Sehr aktuell war daher die Entscheidung des Deutschen Museumsbundes (DMB), seine vom 3. bis 6. Mai 2015 im Weltkulturerbe »Zeche Zollverein« in Essen abgehaltene Jahrestagung unter dem Titel »Die Biografie der Objekte« diesem Thema zu widmen. Keynote-Sprecherin Monika Grütters, die Staatsministerin für Kultur und Medien, hob denn auch hervor, dass Kulturgut alle verpflichte, die direkt oder indirekt damit befasst seien. Hinter jedem entzogenen Kunstwerk stecke ein menschliches Schicksal, dem man nicht nur juristisch, sondern auch moralisch gerecht werden müsse. Dem Untertitel der Tagung »Provenienzforschung weiter denken« folgend, erweiterte sie den Fokus von dem unter der NS-Herrschaft entfremdeten Kulturgut auf Sammlungsbestände, die durch ihre koloniale Geschichte, als »Human Remains« oder durch ihre Herkunft belastet sein können. Aber nicht nur die bestehenden Sammlungen, auch Neuerwerbungen sollen besser überprüft werden. So soll einerseits beispielsweise künftig der Zoll bei der Einfuhr von Antiken die Ausfuhrerlaubnis des Herkunftslandes kontrollieren, andererseits ist auch ein verbesserter Abwanderungsschutz für deutsches Kulturgut in Vorbereitung. Isabel Pfeiffer-Pönsgen, Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder, stellte die geplante Tätigkeit des neuen Zentrums für Kulturgutverluste vor. Eine Umfrage des Instituts für Museumsforschung 2012 habe ergeben, dass von den Antwortenden nur jedes dritte Kunstmuseum und jedes fünfte Heimatmuseum Kenntnis von den – inzwischen erweiterten – Fördermöglichkeiten besitzt. Künftig werde es auch finanzielle Unterstützung für die Provenienzforschung in privaten Sammlungen geben. Wichtig sei nicht zuletzt die Verankerung des Themas in der universitären Forschung, um die notwendige Zahl an Experten auszubilden. Nach der Einführung in den Tagungsablauf durch DMB-Präsident Eckardt Köhne standen zunächst die breit gefächerten rechtlichen Aspekte (Carola Thielecke) im Blickfeld, bevor sich Panels einzelnen Sammlungsgruppen mit ggf. belasteten Beständen zuwandten – neben dem NS-Raubgut auch Kulturgut aus der Kolonialzeit, in der DDR-Zeit beschlagnahmten und teils in Museen gelandeten, teils gegen Devisen verkauften Beständen, archäologischen Sammlungen und auch der Objektbiografie als allgemeine Forschungsaufgabe. Einig war man sich dabei auf allen Feldern, dass die Museen aus einer bislang meist reagierenden in eine agierende Position wechseln müssten. Nicht nur die spannenden Themenbereiche, sondern auch die kluge Zusammensetzung der Panels zeigten, dass dieses Format den Kongress inzwischen wesentlich bereichert. Die traditionellen Zusammenkünfte der Fachgruppen und Arbeitskreise rundeten die Tagung ab. Wie immer veröffentlicht der DMB die Tagungsbeiträge in seiner Zeitschrift Museumskunde.

Wolfgang Stäbler

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Berichte/Aktuelles

»Das Ei« von Henry Moore wandert für ein Jahr an das »Museum der Unschuld« in Istanbul Während einer feierlichen Zeremonie im Kumu Art Museum in Tallin, dem EMYA-Preisträger von 2008, fand am 17. Mai 2014 zum 37. Mal die Verleihung der Wandertrophäe »Das Ei«, einer von Henry Moore entworfenen Bronzeskulptur, statt. Der Preisträger des European Museum of the Year Award (EMYA) 2014 ist das Museum der Unschuld in Istanbul. Organisiert wird die jährliche Preisverleihung vom Europäischen Museumsforum (EMF), einer unabhängigen Non-Profit-Organisation unter dem Patronat des Europarats, die als gemeinnützige Gesellschaft in Großbritannien registriert ist, und sich zum Ziel gesetzt hat, neue Ideen in den europäischen Museen sowie den Austausch von Best-Practice-Beispielen und Innovationen zu fördern. Der prestigeträchtige European Museum of the Year Award (EMYA) würdigt seit 1977 herausragende Leistungen und innovative Prozesse in Museen. Eine ansehnliche Reihe deutscher Museen gehörte bereits zu den Preisträgern: das Ozeanum in Stralsund (2010), das Deutsche Auswandererhaus Bremerhaven (2007), das Technoseum Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim (1992) und das Städtische Museum Schloss Rheydt in Mönchengladbach (1978). Der European Museum of the Year Award ist der Hauptpreis, der jährlich an ein Museum vergeben wird, das sich durch einzigartige Atmosphäre, einfallsreiche Präsentation und Aufbereitung sowie einem kreativen Zugang zur Vermittlung und durch soziale Verantwortung auszeichnet. Alle bisherigen Gewinner, ob große oder kleine Museen, leisteten einen sichtbaren Beitrag zur Verbesserung der Qualitätsstandards in europäischen Museen. Der Preisträger von 2014, das Museum der Unschuld in Istanbul, Türkei, ist einerseits ein historisches Museum, das das Leben in Istanbul in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts schildert, anderseits auch als Schöpfung des Schriftstellers Orhan Pamuk eine um Objekte bereicherte Veranschaulichung seiner gleichnamigen fiktiven Liebesgeschichte. In der Laudatio wurde das Museum als kleines, persönliches, örtliches und nachhaltiges Modell für neue Museumsentwicklungen hervorgehoben. Das Europäische Museumsforum präsentierte noch drei weitere Preise und fünf »Special Commendations« für exzellente und innovative Museen. Mit dem Silletto-Preis wurde 2014 das Saurer Museum Arbon in der Schweiz ausgezeichnet, ein Museum, an dem in den letzten Jahren Bürger über das übliche Maß hinaus an der Planung und Entwicklung beteiligt waren. Die Firma Saurer, ein bedeutender Hersteller von Lastwagen, Autobussen und Militärfahrzeugen und einer der größten Arbeitgeber in Arbon, wurde 1987 geschlossen. Mehr als 6.000 Mitarbeiter verloren ihre Arbeit. Einige von ihnen gründeten den Saurer Oldtimer Club, sammelten und restaurierten Saurer Fahrzeuge und richteten ein Museum ein, das mit hohem professionellem Standard ehrenamtlich geführt wird. Der Kenneth Hudson Preis wird in ehrendem Andenken an den Gründer des EMYA vergeben. Der Gewinner wird vom EMF-Kuratorium (Board of Trustees) gewählt und muss nicht aus dem Pool der Bewerber stammen. Der Preis zeichnet ein Museum, eine Person, eine Gruppe oder ein Projekt aus, das ungewöhnlich, gewagt und vielleicht auch widersprüchlich erscheint, aber damit den Geist von Kenneth Hudson weiterträgt. Den Preis erhielt 2014 das Žanis Lipke Memorial in Riga, Lettland. Das 2013 eingeweihte neue Mu-

Otto Lohr

Preisträger Orhan Pamuk des EMYA 2014, »Museum der Unschuld« in Istanbul Foto: Masumiyet Müzesi

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seum ist dem lettischen Dockarbeiter und Schmuggler Žanis Lipke gewidmet und erinnert an dessen humanitäre Rettungsaktion während des 2. Weltkriegs, mit der er über 50 Juden aus dem Rigaer Ghetto das Leben gerettet hatte. »Special Commendations« für neue und innovative Aspekte, die für andere europäische Museen vorbildhaft sein könnten, erhielten folgende Museen: → Das Lennusadam Estonian Maritime Museum in Tallinn, Estland für sein eindrucksvolles und spektakuläres Ausstellungsdesign. Als besondere Besucherqualität wurde die Möglichkeit zum Download von Information während des Besuchs im Museum hervorgehoben → Das Bildmuseet in Umeå, Schweden als modernes innovatives Museum mit einer dynamischen Ausstellung und wegen seiner Verdienste als permanente Plattform für die Verbreitung europäischen kulturellen Wissens und für den interkulturellen Dialog → Das Museo Nacional de Ciencia y Tecnología, in Coruña, Spanien für die Fähigkeit, wissenschaftliche und technische Konzepte in anregender Weise zu vermitteln und für die Übernahme der sozialen Verantwortung für das technische, industrielle und wissenschaftliche Erbe in Spanien und Galizien → Das Museo Occidens in der Kathedrale von Pamplona, Spanien für die herausragende Art, in der die Werte des Westens präsentiert werden und die Besucher dazu aufgefordert werden, die Konzepte von Demokratie, Solidarität, Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit zu überdenken → Die Kazerne Dossin – Memorial, Museum and Documentation Centre on Holocaust and Human Rights in Mechelen, Belgien, und die KZ-Gedenkstätte in Flossenbürg, Deutschland erhielten eine gemeinsame «Special Commendation« für den Mut, ihre Einrichtungen für die Zukunft zu öffnen und einen neuen Blick auf den authentischen Ort zu werfen sowie neue Wege in der Vermittlung zu beschreiten. Beide Einrichtungen könnten richtungsweisend für ihr Genre sein. Ein weiterer Preis, der bereits am 8. April 2015 von der Versammlung des Europarats in Straßburg vergeben wurde, ist der renommierte Council of Europe Museumspreis, der nach den Empfehlungen der EMYA-Jury und des Komitees für Kultur, Wissenschaft und Bildung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats als Anerkennung einer Spitzenleistung im Bemühen um Erhalt und Förderung des europäischen kulturellen Erbes jährlich vergeben wird. Der Preis würdigt eine klar verständliche Darstellung einer europäischen Perspektive und die Vermittlung europäischer Themen. Den Preis erhielt 2014 das Baksi Museum in Bayburt, Türkei. Das neue Museum, mitten in der anatolischen Hochebene gelegen, wurde ausgezeichnet, weil es das Umland im Dialog mit der Stadt verbindet, die traditionelle Kultur mit zeitgemäßem Lebensstil und das traditionelle Handwerk mit der zeitgenössischen Kunst. Für das Auswahlverfahren des Europäischen Museum of the Year Awards 2015 in Glasgow lagen 42 Bewerbungen von Museen vor. Fünf stammten von deutschen Museen: Windstärke 10 Wrack- und Fischereimuseum Cuxhaven und Tchoban Foundation, Museum für Architekturzeichnung Berlin sowie das Stadtmuseum Kaufbeuren, das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst München und das Limeseum und Römerpark Ruffenhofen als bayerische Vertreter. Weitere Informationen zu den jährlich ausgelobten Preisen und zur Arbeit des Europäischen Museumsforums unter: www.europeanmuseumforum.org oder über den nationalen Korrespondenten für Deutschland per Mail ([email protected]) erhältlich.

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Neue Bücher Das Publikum im Blick Das LWL-Freilichtmuseum Hagen als Herausgeber fühlt sich nach eigenen Aussagen der Besucherorientierung besonders verpflichtet. Wie kann ein Museum seine Besucher bestmöglich erreichen? Ein wichtiges Mittel, die Wünsche seines Publikums kennen zu lernen, ist dabei die Besucherforschung mit ihren unterschiedlichen Methoden. In deutschen Museen ist die Evaluation des Besuchers aber immer noch nicht so verbreitet, wie man es sich wünschen würde. Um Möglichkeiten und Grenzen der Besucherforschung aufzuzeigen und damit zu einer Standortbestimmung dieser Wissenschaft beizutragen, veranstaltete das LWL-Freilichtmuseum Hagen im November 2013 eine Fachtagung. Die Tagungsbeiträge sind nun in einer Publikation nachzulesen. Während Holger Höge, Werner Schweibenz, Stephanie Wintzerith und Volker Schönert einen eher theoretischen Überblick über die Besucherforschung geben, stellen Museumskolleginnen und -kollegen konkrete Beispiele aus der Praxis vor. Simone Mergen und Hans-Joachim Westholt vom Haus der Geschichte der BRD in Bonn etwa beschreiben die Methode der Besucherbeobachtung. Oliver Götze und Ulrich Paatsch berichten von selber durchgeführten Befragungen und deren Ergebnissen. Uwe Beckmann schließlich fordert sehr berechtigt, nicht nur Daten zu erheben, sondern deren Ergebnisse auch umzusetzen. Eine hilfreiche Publikation, die einen Überblick über den momentanen Forschungsstand gibt und konkrete Beispiele vorstellt, die dem Leser nützliche Anregungen für die eigene Arbeit geben kann. Hannelore Kunz-Ott ➡ LWL-Freilichtmuseum Hagen (Hrsg.): Das Publikum im Blick – Besucherforschung als Impuls für besucherorientierte Museumsarbeit. Forschungsbeiträge zu Handwerk und Technik, Band 28, Hagen 2014 (148 Seiten), ISBN 978-3-926190-31-4

Museumspädagogik. Ein Handbuch Die vorliegende 348 Seiten umfassende Publikation gibt in kurzen Beiträgen praxisnahe Anregungen zu den verschiedenen Aufgabenfeldern der Vermittlungsarbeit im Museum. Die Autorinnen und Autoren arbeiten seit vielen Jahren im Museumspädagogischen Zentrum in München und können auf einen reichen Erfahrungsschatz aus verschiedenen Museumsarten zurückgreifen. In einem einführenden Teil werden einige grundlegende Rahmenbedingungen wie die Geschichte der Museumspädagogik in Deutschland oder der Bildungsauftrag der Museen vorgestellt. Der zweite Teil widmet sich unterschiedlichen Zielgruppen und führt konkrete methodische Vermittlungsansätze vor. Im dritten Teil der Publikation werden einzelne Vermittlungsformate erläutert und hilfreiche Handlungsempfehlungen aufgeführt (z. B. zu Führungen, Aktivblättern, Fragen im Museum oder Methodenvielfalt). Der letzte Teil liefert konkrete Werkzeuge und Tipps im Umgang mit Exponaten, mit speziellen Besuchergruppen oder zur Ausstattung einer Museumswerkstatt. Jeder Abschnitt enthält wichtige Literaturhinweise und Checklisten, die Impulse und konkrete Anregungen geben sollen. Zahlreiche Farbabbildungen illustrieren die Ausführungen. Das Buch richtet sich an alle, die als Lehrkräfte, pädagogisches Fachpersonal oder Erwachsenenbildner, als Freiberufler oder Museumsmitarbeiter bzw. -leiter in Museen Vermittlungs- und Bildungsarbeit leisten. Zugleich stellt die Publikation mit den über dreißig Kurzbeiträgen auch eine Art Selbstdarstellung einer der ältesten museumspädagogischen Zentraleinrichtungen in Deutschland, des 1973 gegründeten Museumspädagogischen Zentrums München (MPZ) dar. Hannelore Kunz-Ott

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➡ Alfred Czech/Josef Kirmeier/Brigitte Sgoff (Hrsg.): Museumspädagogik. Ein Handbuch. Grundlagen und Hilfen für die Praxis, Wochenschau-Verlag, Wiesbaden 2014 (348 Seiten), ISBN 978-3-89974-886-4

Islam, Inklusion und Museum Die Welt rückt räumlich zusammen, wird kleiner – zumindest vermitteln die vielfältigen und für uns Europäer geradezu selbstverständlichen Möglichkeiten des Wechsels von einem Land und Kontinent zum anderen, aber auch die globale Migrationsbewegung aus unterschiedlichsten Gründen diesen Eindruck. Das bedeutet aber nicht, dass vielfach das früher weit entfernt stattfindende Fremde nicht nach wie vor fremd, vielleicht sogar bedrohlich erscheint, wenn man mit ihm im eigenen Umfeld konfrontiert wird und man sich damit näher auseinandersetzen muss – ganz im Gegenteil: Die 2014 im Zeichen des IS-Regimes im Nahen Osten und zu Beginn 2015 nach den Pariser Terroranschlägen verschärfte, von PEGIDA und rechten Kräften auch in Deutschland weiter angefachte Debatte um Islam und Islamismus zeigt ein Feld auf, mit dem sich auch die Museen auseinandersetzen müssen und auch immer wieder auseinandersetzen. Der gewichtige Sammelband bietet insgesamt viele interessante Ansätze und zeigt Wege, aber auch Probleme und Grenzen auf. Er diskutiert nicht allein die Darstellung von Islam in Ausstellungen und Museen und die Vermittlung an Besucher aus dem islamischen Bereich, sondern gibt auch Erfahrungen und Anstöße zu den Themen Partizipation und Inklusion insgesamt. Diese vielschichtige Zusammenschau ist als Anregung für die eigene, reflektierte Begegnung mit neuen Herausforderungen innerhalb der Museumsarbeit wärmstens zu empfehlen. Wolfgang Stäbler ➡ Susan Kamel/Christine Gerbich (Hrsg.): Experimentierfeld Museum. Internationale Perspektiven auf Museum, Islam und Inklusion, Bielefeld 2014 (478 Seiten), ISBN 978-3-83762380-2

Handreichung zur örtlichen NS-Forschung 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der nationalsozialistischen Herrschaft rückt dieser Teil der Zeitgeschichte wieder verstärkt in den Fokus vieler Museen. Die Voraussetzung für fundierte Ausstellungen zu den regionalen und lokalen Abläufen in dieser Zeit sind natürlich örtliche Forschungen. Nachdem der Landesverein für Heimatpflege bereits in seiner Reihe Forum Heimatforschung, v. a. in den Bänden 5, 6 und 9, wichtige und leicht zugängliche Informationen bereitgestellt hatte, legt nun der Bezirk Schwaben mit Die NS-Zeit in Ortsgeschichten einen neuen Beitrag vor, der zur Beschäftigung mit der Geschichte in dieser belasteten Zeit auf lokaler Ebene anregen und mit Beispielen Hilfestellungen geben. Anhand von einigen konkreten Fallstudien werden die Fragestellungen und Vorgehensweisen beleuchtet: Am Beispiel der Stadt Krumbach werden mögliche Quellen vorgestellt (Sallinger) und mit Blick auf die Geschichte Memmingens im 20. Jahrhundert Aufgaben und Schwierigkeiten der Darstellung diskutiert (Hoser), während sich Johannes Mordstein im Archiv der Gemeinde Buttenwiesen auf eine Spurensuche auf noch wesentlich kleinräumigerer Ebene begibt. Die Lücken, die viele Archive für den einschlägigen Zeitraum aufweisen, erklären sich teils aus befohlenen Aktenvernichtungen vor dem Einmarsch der besetzenden Truppen. Über diese Vorgänge im Bezirk Schwaben berichtet Peter Fleischmann und verweist auch auf Aktenvernichtungen, die die Amerikaner selbst durchführten. Die Akten der bayerischen Ernährungsämter von 1939–1950, die Gerhard Hetzer vorstellt, werfen interessante Schlaglichter auf die Situation in der Landwirtschaft der Kriegs- und unmittelbar darauf folgenden Jahre. Eine Auswahlbiografie zur Ortsgeschichtsschreibung für die NS-Zeit rundet den Band ab, der wertvolle Hilfestellungen bietet. Wolfgang Stäbler

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➡ Peter Fassl (Hrsg.): Die NS-Zeit in Ortsgeschichten (=Schriftenreihe der Bezirksheimatpflege Schwaben zur Geschichte und Kultur 8), Augsburg 2014 (120 Seiten), ISBN 978-3934113-14-5

Museumsarbeit vor politischem Hintergrund: Das Germanische Nationalmuseum in Weimarer Republik und NS-Zeit Der Zeitraum zwischen dem Ende des Ersten und dem Ende des Zweiten Weltkriegs, die ereignisreichen Phasen der Weimarer Republik und der NS-Zeit, standen bislang nicht im Fokus der »Haus-Geschichtsschreibung« des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg, wogegen etwa über die Zeit seines Gründers Hans von und zu Aufseß fleißig geforscht worden war. Auch der Jubiläumsband von 1978 schloss diese Lücke nicht. Abhilfe hat ein Symposion des Jahres 2010 geschaffen, dessen Beiträge nun in gedruckter Form vorliegen. Mit Schwerpunkten auf den Amtszeiten der Direktoren Ernst Heinrich Zimmermann (1920–1936) und Heinrich Kohlhaußen (1937–1945) gehen die Aufsätze der Sammlungs- und Ausstellungspolitik vor dem Hintergrund der sich wandelnden politischen Gegebenheiten nach. Exkurse greifen bis in die Kaiserzeit zurück und über 1945 hinaus. Der Band schließt – trotz der empfindlichen Überlieferungsverluste durch die Kriegseinwirkungen, die als Grund für die Ausklammerung der Epoche im Jubiläumsband von 1978 genannt worden waren – facettenreich eine nicht länger hinnehmbare Lücke. Damit liegen für Franken wesentliche Forschungen zur Museumsgeschichte der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts vor, denn die Geschichte der fränkischen Stadtmuseen bis Ende des Zweiten Weltkriegs hat bereits durch Gesa Büchert in den Bayerischen Studien zur Museumsgeschichte der Landesstelle eine Bearbeitung gefunden. Wolfgang Stäbler ➡ Luitgard Sofie Löw/Mattias Nuding (Hrsg.): Zwischen Kulturgeschichte und Politik. Das Germanische Nationalmuseum in der Weimarer Republik und der Zeit des Nationalsozialismus, Beiträge des Symposiums im Germanischen Nationalmuseum, 8. und 9. Oktober 2010 (= Wissenschaftliche Beibände zum Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 38), Nürnberg 2014 (191 Seiten), ISBN 978-3-936688-89-4

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Museumseröffnungen in Bayern Bayerisch Eisenstein, »NaturparkWelten« im Grenzbahnhof (Ndb.) Nach einer vierjährigen Sanierungsphase eröffneten im Juli 2014 die NaturparkWelten im Grenzbahnhof Bayerisch Eisenstein. Nunmehr werden auf fünf Etagen die Geschichte des Eisenbahnbaus durch den Bayerischen Wald und den Böhmerwald, ein Skimuseum sowie eine Ausstellung zum Arber, dem König des Bayerischen Waldes, präsentiert. Darüber hinaus ist seit 2014 ebenfalls das Europäische Fledermauszentrum mit Freiflugvoliere angegliedert. → Bahnhofstraße 44, 94252 Bayerisch Eisenstein, Tel. 09925/1376, [email protected], www.localbahnverein.de

Altötting, Dioramenschau Altötting (Obb.) Im frisch renovierten Marienwerks-Gebäude hat die Dioramenschau Altötting einen zentralen und würdigen Platz erhalten. Die Besucher bekommen hier seit September 2014 einen Einblick in über 500 Jahre Altöttinger Wallfahrtsgeschichte, präsentiert in 22 dreidimensionalen Schaubildern, die nicht nur durch ihre perspektivische Darstellung beeindrucken, sondern vor allem durch hunderte kleine, sehr lebendig gestaltete Figuren. → Kapellplatz 18, 84503 Altötting, Tel. 08671/6827, www.altoetting.de

Blick in die Ausstellungsräume des Adalbert Stifter Museums in Neureichenau Foto: Atelier Rudi Mautner

Neureichenau, Adalbert Stifter Museum (Ndb.) In den Räumen des Ladenstöckls im Seitenflügel des Rosenberger Gutes, in dem sich früher die Adalbert-Stifter-Gedenkräume befanden, erinnert seit September 2014 ein neues Museum an den Dichter des Böhmerwaldes. In den beiden Gewölberäumen des Erdgeschosses wird die Geschichte des Rosenberger Gutes erzählt. In den beiden Obergeschossen erhalten die

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Besucher Einblick in das Leben von Adalbert Stifter, seine Aufenthalte im Rosenberger Gut und sein künstlerisches Werk. Eine Schreibwerkstatt mit Stempelstation lädt zum Erproben der Schrift ein, die Stifter benutzte: die »Kurrent«. In der eigens eingerichteten Stifter-Bibliothek kann man in dessen literarischen Werken schmökern und im »Stifterkino« Interessantes über das Leben des Schriftstellers erfahren. Alle Texte des Museums sind zweisprachig in Deutsch und Tschechisch. → Lackenhäuser 146, 94089 Neureichenau, Tel. 08583/960120, [email protected], www.neureichenau.de

Altenkunstadt, Synagoge Altenkunstadt (Ofr.) Im September 2014 eröffnete die Synagoge Altenkunstadt eine neue Dauerausstellung zum jüdischen Leben am Obermain und zur jüdischen Religion. Seit der Restaurierung 1993 ist die ehemalige Synagoge die Kultureinrichtung der Gemeinde. Die bestehende Dauerausstellung wurde um die Präsentation eines Genisa-Fundes erweitert. Die Fundstücke, insgesamt drei große Kartons, wurden im vergangenen Jahr von den Mitarbeiterinnen des GenisaForschungsprojekts Veitshöchheim gereinigt, konserviert und wissenschaftlich inventarisiert. → Judenhof 3, 96264 Altenkunstadt, Tel. 09573/7999, [email protected], www.altenkunstadt.de

Erding, Erding Museum (3. Abschnitt »Kunst und Künstler«, »Alltag«) (Obb.) Das mit seiner über 150-jährigen Geschichte zu den ältesten kommunalen Museen in Bayern zählende Museum hat in den vergangenen knapp acht Jahren nicht nur die Sanierung des bestehenden Museumsgebäudes und die Angliederung eines Erweiterungsbaus auf den Weg gebracht, sondern auch seine Dauerausstellung komplett überarbeitet. Last but not least wurden im Oktober 2014 im ersten Stock des Museumsgebäudes die Abteilungen »Alltagsgeschichten aus Erding« und »Kunst und Künstler« in moderner Konzeption eröffnet. → Prielmayerstraße 1, 85435 Erding, Tel. 08122/408150, [email protected], www.museum-erding.de

Markt Indersdorf, Augustiner Chorherren Museum (Obb.) Ursprünglich als »Heimatmuseum« geplant, konnte in Zusammenarbeit mit der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen im Lauf der Jahre ein Alleinstellungsmerkmal für das Indersdorfer Museum im Mesnerhaus herausgearbeitet werden: Einstige Augustiner-Chorherrenstifte gibt es in Deutschland zahlreiche, viele sind auch museal genutzt. Bayern- und wohl gar deutschlandweit gibt es jedoch keine Institution, die sich des spezifischen Themas Augustiner Chorherren umfassend in einer Dauerausstellung annimmt. Seit Oktober 2014 befindet sich das Museum im Klosterareal des Marktes Indersdorf, wo die ortsspezifische und -prägende Klostergeschichte den Ausgangspunkt für die Darstellung des AugustinerChorherrenwesens an sich bildet. Dass in einem modernen, ernst zu nehmenden Museum auch die Nutzungsgeschichte des Klosters über die Säkularisation hinaus und auch die »unbequeme« Kriegs- und Nachkriegszeit abzubilden war, verstand sich schnell von selbst. Es ist dem Heimatverein Markt Indersdorf e. V. letztlich gut gelungen, den schwierigen Spagat zwischen dem Hauptthema der Blütezeit des Klosters unter den Augustiner Chorherren sowie der weiteren Nutzungs- und Schulgeschichte zu bewältigen. → Marienplatz 1, 85229 Markt Indersdorf

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Freyung, Jagd Land Fluss Museum im Schloss Wolfstein (Ndb.) Im Museum werden seit Oktober 2014 vier Themenbereiche vertieft vorgestellt: Jäger und Gejagte, Jagd – früher und heute, Grenzgänger und Wiederkehrer, Leben am und im Wasser. Es stehen die Tierwelt, ihre Lebensbedingungen und Nutzung durch den Menschen sowie die Auswirkungen von Jagd und Fischerei in Geschichte und Gegenwart auf Gesellschaft und Landschaft im Mittelpunkt dieser komplex inszenierten Erlebniswelt. → Wolfkerstraße 3, 94078 Freyung, Tel. 08551/57109, [email protected], www.jagd-land-fluss.de

Karlsfeld, Heimatmuseum Karlsfeld (Obb.) Das bereits 2002 eröffnete Museum zeigt Exponate aus der 200-jährigen Geschichte Karlsfelds und informiert über Herkunft, Vertreibung und Integration von Karlsfelder Bürgern. Die Exponate verkörpern die Entwicklungsschritte vom Straßendorf der Moosbauern zur Stadtrandgemeinde von München. Objekte zum Schulalltag, aus Wirtschaft, Verwaltung, Vereinsleben und religiösem Brauchtum veranschaulichen diese Entwicklung. Gezeigt wird zudem die Integration der Heimatvertriebenen nach dem 2. Weltkrieg in Karlsfeld anhand der Darstellung verschiedener beruflicher Werdegänge. Im Jahr 2011 zog das Museum vom ehemaligen Freis-Anwesen an der Münchner Straße ins Alte Rathaus um. Nach Hinzunahme des Untergeschosses und rund sechs Monaten Renovierungsmaßnahmen wurde das Museum im November 2014 mit nunmehr 300 m² Ausstellungsfläche wiedereröffnet. → Gartenstraße 6, 85757 Karlsfeld, Tel. 08131/99105, www.karlsfeld.de

Kitzingen, Deutsches Fastnachtsmuseum Kitzingen (2. Teileröffnung) (Ufr.) Das Deutsche Fastnachtmuseum ist nicht etwa in Köln oder Mainz zu finden, sondern im unterfränkischen Kitzingen. Dort haben Fachkundige seit den 1960er Jahren die bedeutendste Sammlung des deutschsprachigen Raumes mit mehreren tausend Objekten zu den Themen Fastnacht, Karneval und Fasching aufgebaut. Seit November 2014 präsentiert sich das Deutsche Fastnachtmuseum auf 500 m² neugestaltet und barrierefrei zugänglich. → Luitpoldstr. 4, 97318 Kitzingen, Tel. 09321/23355, [email protected], www.deutsches-fastnachtmuseum.byseum.de

Germering, ZEIT+RAUM Museum (Obb.) Das unmittelbar hinter dem Germeringer Rathaus gelegene neue Archäologie-Museum ZEIT+RAUM ist in den ehemaligen Räumlichkeiten für die Einsatzfahrzeuge der Germeringer Feuerwehr untergebracht. Die Ausstellung konserviert bewusst den technischen Charakter des Ausstellungsgebäudes und ist als U-förmiger Rundgang auf Stahlpodesten gestaltet. Im Mittelpunkt stehen ausgewählte Aspekte der reichhaltigen Germeringer Fundlandschaft von der Steinzeit bis zu den Bajuwaren. Gleichzeitig ist das Museum seit seiner Eröffnung im November 2014 auch Ausgangsstation für die im Stadtgebiet verteilten dezentralen Museumseinheiten, die ausgewählte archäologische Epochen am authentischen Ort thematisieren. Das neue Museum ergänzt die archäologische Dauerausstellung im benachbarten Stadtmuseum Fürstenfeldbruck, so dass hier ein konzentrierter Einstieg in die komplexe archäologische Siedlungsgeschichte der Münchner Schotterebene möglich wird. → Domonter Straße 2, 82110 Germering, Tel. 089/89419191, [email protected], www.germering.de

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Lindenberg i. Allgäu, Deutsches Hutmuseum Lindenberg (Schw.) Das Deutsche Hutmuseum ist seit Dezember 2014 in kompletter Neuaufstellung und Erweiterung wieder für das Publikum zugänglich. Hüte wurden in Lindenberg seit dem 16. Jahrhundert gefertigt. Vor allem im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert entwickelte sich der Ort zu einem wichtigen Zentrum der Hutindustrie. Um 1900 trug nahezu die ganze Welt Hüte aus Lindenberg. In einer der größten Hutfabriken jener Zeit, der ehemaligen Hutfabrik Ottmar Reich, befindet sich heute das neueröffnete Museum. Hutherstellung, Hutmode und Hutstadt – auf fast 1.000 m² Ausstellungsfläche werden diese Themen abwechslungsreich und mit vielen Originalobjekten präsentiert. → Museumsplatz 1, 88161 Lindenberg, Tel. 08381/9284320, [email protected], www.deutsches-hutmuseum.de

Vitrine Modeüberblick im Deutschen Hutmuseum Lindenberg Foto: Richie Müller, Deutsches Hutmuseum

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Personalia Ahorn Im Oktober 2014 übernahm Frau Jana Lisa Buhrow M. A. vertretungsweise auf Teilzeitbasis die Leitung des Gerätemuseums des Coburger Landes in Ahorn. Nach Abschluss des Studiums der Kunstgeschichte, Geschichte und Französischen Philologie und einer Fortbildung zur PR-Beraterin sammelte Frau Buhrow erste Erfahrungen im Rahmen eines Volontariates am Porzellanikon in Selb-Plößberg und übernahm anschließend freiberuflich verschiedene konzeptionelle Arbeiten im Bereich von Ausstellungen und Dokumentationen. Parallel zu ihrer Tätigkeit in Ahorn ist Frau Buhrow noch aktiv am Europäischen FlakonglasMuseum in Kleintettau in Oberfranken tätig, wo momentan die Planungen für eine Erweiterung vorangetrieben werden. Frau Buhrow hatte in Kleintettau bereits das Ausstellungskonzept für die bestehende Anlage entwickelt. Aschaffenburg Seit April 2015 verantwortet Anne Kraft M. A. die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Museen der Stadt Aschaffenburg. Die Volkskundlerin war zuvor fünf Jahre im Fränkischen Freilandmuseum Fladungen tätig, wo sie als Projektmanagerin und Museumspädagogin den »Hof für Jung und Alt« zum museumspädagogischen Zentrum aufbaute und organisierte. Ihr Kommunikations- und Organisationsgeschick kann sie nun am Untermain einsetzen: die Homepage bekommt einen Relaunch, ein Internetblog wird die Entstehung des Christian Schad Museums im zukünftigen Aschaffenburger Museumsquartier begleiten, und auch die übrigen Museen der Stadt Aschaffenburg wollen öffentlich vertreten sein. München Helen Schleicher M. A. ist seit Anfang Februar 2015 an der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen als wissenschaftliche Volontärin tätig. Sie hat zwischen 2008 und 2015 in Passau und Regensburg Historische Kulturwissenschaften, Kulturgeschichtliche Mittelalterstudien und Kunstgeschichte studiert. Erste Erfahrungen in der Museumsarbeit sammelte sie bei Praktika und Werkvertragstätigkeiten im Historischen Museum in Regensburg. Als Mitglied des Sprecherteams des Arbeitskreises der wissenschaftlichen Volontärinnen und Volontäre in Bayern vertritt sie deren Interessen und sorgt für eine enge Vernetzung der Volontäre mit der Landesstelle. München Shahab Sangestan M. A. vertritt seit Februar 2015 Frau Dr. Isabel Reindl an der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern als Gebietsreferent für Oberbayern (West) und Oberfranken. Zuvor war der Kunsthistoriker seit 2006 als Volontär und ab 2008 als Kurator und Projektleiter bei den Kunstsammlungen und Museen Augsburg beschäftigt. Zuletzt kuratierte er 2014 die Ausstellung »Paul Klee – Mythos Fliegen« im H2 – Zentrum für Gegenwartskunst in Augsburg. München Seit Mitte März 2015 koordiniert und organisiert Dr. Katrin Dillkofer an der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern die Veranstaltungen der Bayerischen Museumsakademie. Sie hat 2012 am kunstwissenschaftlichen Institut der Universität der Künste in Berlin über »Henri Matisse

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und das ikonische Bildverständnis – Die Wiederentdeckung der Ästhetik des östlichen Bildes in der Moderne« promoviert und anschließend in München an der Städtischen Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau ein wissenschaftliches Volontariat absolviert, wo sie u. a. die Ausstellung »PLAYTIME« (2014) ko-kuratierte. München Seit März 2015 wird das Team des Referats für Innenarchitektur der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen von Anita Elsener Dipl.-Des. (FH) verstärkt. Noch während des Studiums an der Fachhochschule Basel im Bereich Innenarchitektur, Produkt- und Baugestaltung wirkte sie bei einem Auslandspraktikum an der Entwicklung des Dokumentationszentrum Mondriaan in Amersfoort mit. Nach erfolgreichem Diplomabschluss 1991 gründete sie ihr eigenes Büro in München. Seither hat sie in freier Mitarbeit an zahlreichen Ausstellungen, wie im Ballonmuseum Gersthofen, der Höfischen Schifffahrt Starnberg, dem Stadtmuseum Dinkelsbühl oder im Museum Ägyptischer Kunst München, um nur einige davon zu erwähnen, mitgeplant und blickt auf eine langjährige Erfahrung sowohl im Umgang mit ausstellungspezifischen Anforderungen als auch mit Bauprojekten der klassischen Innenarchitektur zurück, wie etwa der Einrichtung von Themenhäusern des DJH. München Isabelle Rupprecht M. A. unterstützt seit März 2015 das Referat Öffentlichkeitsarbeit der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern. Die gebürtige Münchnerin hat zuvor als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Museumsforschung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin ein EU-Projekt im Bereich Digitalisierung von Kulturgut, »Europeana Space«, betreut. Als studierte Linguistin (LMU München/Universitetet i Oslo) hat sie während des Magisterstudium für verschiedene Redaktionen, unter anderem der Süddeutschen Zeitung, und im Anschluss daran in in- und ausländischen Museen sowie im Bereich Architekturkommunikation gearbeitet und 2012/2013 in Madrid im Museum Reina Sofia ein Masterstudium der Zeitgenössischen Kunst und Visuellen Kultur mit Schwerpunkt Kulturmanagement absolviert. München Dr. Bernhard Maaz hat Kunstgeschichte und Archäologie studiert und war als wissenschaftlicher Mitarbeiter seit 1986 in Berlin an der Nationalgalerie bei den Staatlichen Museen zu Berlin tätig. Er betreute zunächst die Skulpturen des 19. Jahrhunderts. Aus dieser Tätigkeit erwuchsen seine Dissertation zu dem Bildhauer Christian Friedrich Tieck und zahlreiche Publikationen. Als Baureferent war er unter anderem für die Sanierung der Alten Nationalgalerie zuständig, die 2001 abgeschlossen wurde. Ausstellungen im In- und Ausland mit Skulpturen, Malerei und Zeichnungen vornehmlich des 19. Jahrhunderts folgten, darunter die 2008 in München gezeigte und vom Internationalen Kunsthistorikerverband als besondere Ausstellung des Jahres ausgezeichnete, gemeinsam mit Christiane Lange kuratierte Ausstellung »Adolph Menzel. Radikal real« in der Hypo-Kunsthalle München. Bis 2009 war er Leiter der Alten Nationalgalerie und zuletzt Stellvertretender Direktor der Nationalgalerie, dann folgte ab 2010 eine mehr als fünfjährige Tätigkeit als Direktor des Kupferstich-Kabinetts und der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden. Zu seinen Publikationen dieser Jahre gehören »Das Kupferstich-Kabinett Dresden« mit einer Auswahl der Meisterwerke (2013) sowie sein umfangreicher Band »Gemäldegalerie Alte Meiser Dresden. Eine Geschichte der Malerei« (2014). Seit April 2015 ist er als Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen für deren Haupthäuser und Filialen, für die Sammlungen wie die Baustellen und Bauplanungen verantwortlich.

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München Seit Anfang April 2015 ist Susann Werner B. A. die neue Bibliothekarin in der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern. Zuvor war sie nach ihrem Studium in Bibliotheksmanagement an der FH Potsdam im Medienforum der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft in Berlin tätig. Neuenmarkt In Bamberg hat Sandra Bali M. A. das Studium der Kunstgeschichte, Denkmalpflege und Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit im Jahr 2005 mit dem Magister Artium abgeschlossen. Es folgten wissenschaftliche Tätigkeiten am Lehrstuhl für Denkmalpflege der Universität Bamberg sowie freiberufliche Tätigkeiten im Bereich Tourismus und Ausstellungswesen. 2010 bis 2014 wurde sie mit der Neukonzeptionierung des Töpfermuseums Thurnau sowie der Umsetzung des Konzeptes beauftragt. Seit 2015 hat sie die wissenschaftliche Leitung des Deutschen Dampflokomotiv Museums Neuenmarkt inne und ist darüber hinaus im Landratsamt Kulmbach für »kulturelle Angelegenheiten« zuständig. Schweinfurt Das Museum Georg Schäfer hat mit Dr. Wolf Eiermann einen neuen Leiter. 1982–1986 studierte der gebürtige Schwäbisch Haller Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Bayreuth, bevor er ab 1986 in Erlangen das Studium der Kunstgeschichte sowie der Klassischen und Christlichen Archäologie aufnahm. Nach seinem Abschluss war er dort von 1992–1995 wissenschaftlicher Mitarbeiter mit Lehrauftrag am Lehrstuhl Prof. Dr. B. Rupprecht (Institut für Kunstgeschichte), wo er 1995 magna cum laude promoviert wurde. 1996–1998 war Dr. Eiermann als Qualitätsmanagement-Berater tätig. Seit 1999 arbeitet er als Kunsthistoriker für die Staatsgalerie Stuttgart, zuletzt als Referent für die Sammlung Domberger und als Leiter der Kunstarchive, darunter das Archiv Oskar Schlemmer. Darüber hinaus ist er Baureferent der Staatsgalerie Stuttgart. Dr. Eiermann hat bislang mehrere internationale Ausstellungen auf den Weg gebracht, auch als Gastkurator. Zehn von über 50 seiner Veröffentlichungen wurden in Fremdsprachen übersetzt, darunter auch solche zum modernen Museumsmanagement. Seebruck Am 6. September 2014 verstarb an seinem 73. Geburtstag Dr. Alfons Regnauer. Sein Leben und Wirken war geprägt von einer außerordentlich engen Verbundenheit mit dem heimatlichen Chiemgau. Schon frühzeitig fotografierte er die Feldkreuze und Kapellen im Seebrucker Gemeindebereich und regte die Eigentümer zur Restaurierung und Pflege der kleinen Denkmäler an. Er studierte Biologie und Chemie in München und war während seiner Promotion beteiligt am Aufbau der Limnologischen Forschungsanstalt in Seeon. Der berufliche Weg führte ihn an das Gymnasium LSH Schloss Ising, das er 21 Jahre lang mit Umsicht und innovativem Geiste leitete. Von Beginn an setzte er sich für die Gründung des Heimat- und Geschichtsvereins Bedaium und den Aufbau des Römer-Museums ein. Seit 1990 leitete er als Vorsitzender den Verein und unterwarf sich einem gewaltigen Planungs- und Arbeitsprogramm: Römergarten, Archäologischer Rundweg, Keltengehöft in Stöffling, Erweiterung des Museums mit der Heinrich-Kirchner-Galerie. So veränderte er das äußere Erscheinungsbild Seebrucks und belebte zugleich das örtliche Kulturangebot durch Museumsführungen, Römerfeste, Ausstellungen, Exkursionen und Vorträge. Mit bewundernswerter Akribie bereitete er sich auf die kunsthistorischen, geschichtlichen und archäologischen Themen der Gastreferenten vor und organisierte Reisen zu bedeutenden Landesausstellungen, Museen, Ausgrabungen und Kulturlandschaften. Sich selbst schuf er einen Schatz an historischem und naturkundlichem Wissen, den Museumsbesuchern und Reiseteilnehmern bereitete er ein geistiges, ästhetisches und geselliges Vergnügen. Dem ehrenamtlich auch als Ortsheimatpfleger Tätigen dankte die Gemeinde Seebruck für sein Wirken mit der Verleihung der Ehrenbürgerschaft. Dem engagierten Freund und Förderer des kulturellen Erbes der Chiemgauer Heimat gilt unser Andenken.

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Weißenburg Seit Oktober 2014 ist Dr. Mario Bloier der neue Leiter der Museen Weißenburg. Bis 2001 studierte er an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg Bayerische und Fränkische Landesgeschichte, Klassische Archäologie und Neuere und Neueste Geschichte. Anschließend war er bis 2003 als Volontär im Niederbayerischen Landwirtschaftsmuseum in Regen tätig. Dort organisierte und inventarisierte er das neuerbaute Zentraldepot und sammelte erste museale Erfahrungen mit der Planung und Umsetzung von Sonderausstellungen. Nach dem Volontariat folgte ein Promotionsstudium mit Lehraufträgen an der Universität Passau in den Fächern Archäologie der Römischen Provinzen, Alte Geschichte und Bayerische Landesgeschichte. Grabungstätigkeiten an Land und unter Wasser sowie die Mitarbeit bei verschiedenen musealen Projekten rundeten die Promotion zu einer unterwasserarchäologischen Ausgrabung in Kroatien ab. Von 2009–2011 war er am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege/Abt. Z im Rahmen des Modellprojektes »Archäologie und Ehrenamt« als zuständiger Projektwissenschaftler für Altbayern und Schwaben tätig. Anschließend arbeitete er als freiberuflicher Archäologe u. a. am Empfangsgebäude der Römischen Thermen in Weißenburg (inkl. Filmen), dem LIMESEUM in Ruffenhofen, dem RömerMuseum Kastell Boiotro in Passau und weiteren Projekten mit.

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Varia Tagung »Die Temperierung – Ergebnisse des Forschungsprojekts« Museen – oft in denkmalgeschützten Gebäuden untergebracht – benötigen ein besonderes Klima: Das sensible Museumsgut erfordert spezielle Temperatur- und Feuchtewerte, doch sollen sich auch Besucher und Personal wohlfühlen. Ein bewährter Weg zu diesem Ziel ist die »Temperierung«, eine ebenso einfache wie wirkungsvolle Methode der Wärmeverteilung. Seit ihrer Entwicklung vor nunmehr 30 Jahren wurde die Temperierung in zahlreichen Museen eingebaut. Das auf vier Jahre angelegte Forschungsprojekt der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen »Sammlungen erhalten: Die Temperierung als Mittel der Präventiven Konservierung – Eine Bewertung« beschäftigt sich mit den technischen Eigenschaften der Temperierung und deren Wirkungsweise auf das Raumklima und auf die Baukonstruktion. Das Projekt wird gefördert durch die VolkswagenStiftung und die Ernst von Siemens Kunststiftung. Am 12. November 2015 sind Fachleute, Nutzer und Interessenten herzlich eingeladen, sich bei der öffentlichen Abschlussveranstaltung des Forschungsprojekts im Max-JosephSaal der Residenz München über den aktuellen Entwicklungsstand der Temperierung zu informieren, sich an den Diskussionen um Raumklimastandards und energetische Sanierungsmethoden für historische Bauten zu beteiligen und ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit den Referenten und Teilnehmern der Tagung auszutauschen. → Veranstalter: Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege → Partner: Fraunhofer-Institut für Bauphysik, Lehrstuhl für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft der TU München, Lehrstuhl für Bauphysik der Universität Stuttgart → www.forschungsprojekt-temperierung.byseum.de Schwäbischer Museumspreis der Hans Frei-Kulturstiftung 2014 und 2015 Vor sechs Jahren hat der ehemalige Bezirksheimatpfleger von Schwaben, Professor Hans Frei, die Hans-Frei-Kulturstiftung ins Leben gerufen. Die Stiftung hat sich die Förderung schwäbischer Museen auf ihre Fahnen geschrieben. Ein öffentlichkeitswirksames Zeichen ist die Verleihung des Schwäbischen Museumspreises, der für beispielhafte Neueinrichtungen oder für gelungene Präsentationen vergeben wird. Darüber hinaus werden auch Sonderveranstaltungen, Publikationen oder innovative Projekte der Museumspädagogik in den Genuss einer materiellen Förderung kommen. Ein weiteres Anliegen der Einrichtung ist es, die Arbeit der Museen in Schwaben noch besser miteinander zu verknüpfen. Hans Frei geht es dabei nicht um einen Wettstreit, sondern um einen gesunden Wettbewerb. Gemeinsame Ziele können die Zusammenarbeit stärken und fördern. Im November 2014 ging der Schwäbische Museumspreis an das Naturmuseum in Königsbrunn bei Augsburg. »Dieser Preis ist die Honorierung von bürgerschaftlichem Engagement«, so 1. Bürgermeister Franz Feigl. Das Naturmuseum zeigt eindrucksvoll, was erreicht werden kann, wenn alle an einem Strang ziehen. Seit 2008 hat der Freundeskreis aus dem Nachlass, der Sammlung des Naturforschers Dr. Heinz Fischer, ein Naturmuseum entstehen lassen. Der mit 3.000 EUR dotierte Preis ist eine große Auszeichnung und Anerkennung der Leistung von Günther Groß und seinem ehrenamtlichen Team vom Freundeskreis Dr.Heinz-Fischer-Sammlungen. Am 26. April 2015 erhielt das Heimatmuseum Buchenberg den diesjährigen Schwäbischen Museumspreis. In aufwendiger Kleinarbeit haben verdiente Mitglieder des »Heimatgeschichtlichen Vereins Buchenberg e. V.« von 1986 bis 1993 an vielen Wochenenden aus einem verfallenen, 1924 erbauten Kleinbauernhaus ein modernes Heimatmuseum entstehen lassen.

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Autorenverzeichnis Sandra Bali M. A., Töpfermuseum Thurnau/Deutsches Dampflokomotiv-Museum Neuenmarkt Birgit Baumgart, Staatliche Museen Schwerin – Kunstsammlungen, Schlösser und Gärten Stefanie Bock M. A., Stockholm Simone Bretz, freiberufliche Restauratorin für Hinterglasmalerei, Garmisch-Partenkirchen Dr. Gesa Büchert, Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte der Universität Erlangen-Nürnberg Dr. Sabine Fechter, Fränkisches Freilandmuseum Fladungen Johanna Fendl M. A., Freilichtmuseum Finsterau Gisela Geiger, Museen Penzberg Sybille Greisinger M. A., Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern Linda Herrmann M. A., Stiftung Freilichtmuseum am Kiekeberg Dr. Hannelore Kunz-Ott, Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern Dr. Otto Lohr, Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern Peter Lottner, PELO Hörsysteme Zeitlarn Christoph Mayr M. A., Rieser Bauernmuseum Maihingen Sabrina Müller, Museum HopfenBierGut im Kornhaus der Stadt Spalt Beatrix Piezonka M. A., Museum im Kulturspeicher Würzburg Anja Pütz M. A., AschheiMuseum Dr. Mathias Rösch, Schulmuseum Nürnberg/Universität Erlangen-Nürnberg Jana Schindler, freiberufliche Vermittlerin Kempten Helen Schleicher M. A., Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern Christine Schmid-Egger M. A., Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern Dr. Wolfgang Stäbler, Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern Sebastian Steininger, Frensdorf Anna Valeska Strugalla, Würzburg Roman Tischberger M. A., Schwäbisches Volkskundemuseum Oberschönenfeld Elisabeth Vogl M. A., Kunsthistorikerin und Archäologin Hans-Peter Volpert, AschheiMuseum Georg Waldemer, Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern Stefanie von Welser, freiberufliche Kunsthistorikerin, Augsburg Sabine Wieshuber M. A., Infopoint Museen und Schlösser in Bayern

Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege Alter Hof 2 · 80331 München Telefon +49 89/21 0140-0 Telefax +49 89/21 0140-40 [email protected] www.museen-in-bayern.de

ISSN 0944-8497