Miete zahlen per Snapchat

24.05.2017 - Man hatte sein Girokonto bei einer Bank und - weil es so am ... dass sich nur das beste Produkt im Teil der Wertschöpfungskette durchsetzt.
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STANDPUNKT. Miete zahlen per Snapchat

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.05.2017, Nr. 120, S. 25 STANDPUNKT

Miete zahlen per Snapchat Von Ramin Niroumand Früher war die Übersicht über die eigenen Finanzen simpel. Man hatte sein Girokonto bei einer Bank und - weil es so am praktischsten war - auch sein Wertpapierdepot und Sparkonto beim gleichen Institut. Banken waren klassische Allfinanz-Konzerne: Sie boten ihren Kunden nicht nur ein Bankprodukt, sondern gleich eine ganze Palette, für alle Lebenslagen, vom Konto bis zur Versicherung. Dabei machte der Kunde jedoch meistens Abstriche: Entweder das Girokonto war sehr günstig, aber die Depotkonditionen nicht, oder das Sparkonto bot gute Zinsen, aber das Girokonto verlangte horrende Gebühren. Die zunehmende Bedeutung des Internets machte es Kunden einfacher, Bankprodukte zu vergleichen und sich nur die besten auszusuchen. Landete man dafür allerdings bei drei oder vier verschiedenen Banken, bedeutete das immer noch mehr Formulare, mehr Bankberater, mehr Zugangsdaten und viele gefüllte Aktenordner zu Hause. Der Produktvergleich war vielleicht einfacher geworden, die Benutzung aber immer noch umständlich und papierlastig. Und dann erschienen eines Tages die Fintechs und Insurtechs auf der Bildfläche, junge Finanz- und Versicherungs-Start-ups, die alternative Anlageformen boten, per Robo-Advisor Portfolios verwalteten, digital Versicherungen abschlossen oder Kontoumzüge von einer Bank zur anderen abwickelten - alles ohne ein Blatt Papier zu gebrauchen und rund um die Uhr geöffnet. Statt eines großen Allfinanzkonzerns haben viele kleine Spezialisten Einzug gehalten, die jeweils ein einzelnes Produkt anbieten. Der Kunde kann genau die Produkte benutzen, die am besten auf seine Bedürfnisse zugeschnitten sind, egal ob klassischer Festgeld-Sparer, Gold-Liebhaber oder passionierter Aktien-Manager - unabhängig vom Angebot der Banken. Aber immer noch muss er seine Produktauswahl bei verschiedenen digitalen Anbietern selbst zusammenstellen, eine Plattform für alles gibt es nicht. Die Folge: Statt vieler Aktenordner hat der Nutzer nun viele bunte Apps auf seinem Smartphone. An dieser Stelle sind wir aktuell. Jetzt muss die Finanzwirtschaft den nächsten Schritt gehen. Die ersten Anzeichen dafür sind schon da. Vorbei die Zeiten der mächtigen Allfinanzkonzerne, vorbei die der Einzelkämpfer ohne Anbindung an Partner. Zukünftig wird es ein Finanz-Ökosystem geben, in dem die Anbieter durch Kooperation ganz neue Produkte für die Kunden schaffen. Die besten Finanzspezialisten werden sich bei großen Plattformen sammeln und von dort die Kunden über einen einzigen Kanal optimal betreuen. Das kann ein größeres, lizensiertes Fintech oder eine Bank mit einer entsprechend technologisch aufgerüsteten Anbindung sein. Die Kunden bekommen so Zugang zu den besten verschiedenen Bankprodukten, gebündelt in digitaler Form. Es ist dringend notwendig, dass sich die Kooperation zwischen Banken und Fintechs auf einem ganz neuen Level bewegen muss, fernab von Konkurrenz und CopyCat-Getue, hin zu einer Beziehung auf Augenhöhe. Es entsteht eine Wechselwirkung, in welcher der eine Anbieter nicht mehr ohne den anderen existieren kann. Das Ökosystem hat einen heilenden Effekt auf den Finanzdienstleistungsmarkt, denn es bewirkt, dass sich nur das beste Produkt im Teil der Wertschöpfungskette durchsetzt. Das kann auch ein Produkt sein, welches wir heute bereits in einer anderen Funktion nutzen, aber bisher nicht für Finanzdienstleistungen. Es ist die Zeit der neuen Player. In den Vereinigen Staaten kann man bereits mit dem Facebook Messenger Geld überweisen. Über die iPhones und Uhren von Apple kann man in Großbritannien und Frankreich kontaktlos bezahlen. Wer sagt, dass man nicht bald auch seine Miete per Snapchat überweisen können wird? Damit diese Entwicklung gelingen kann, braucht es nicht nur Fintechs und Banken, sondern auch den Innovationswillen des Gesetzgebers, um den legalen Rahmen zu schaffen. Ein erster Schritt ist die neue "PSD2"-Richtlinie der EU, die auch 2018 per Gesetz in Deutschland umgesetzt werden soll. Damit sind Banken nicht mehr Alleinherrscher über die Kontodaten, sondern können sie auf Geheiß der Kunden hin an Drittanbieter wie Fintechs weitergeben - ein weiterer Meilenstein hin zur vollständigen Kooperation. Wenn dieses Ökosystem aus verschiedenen Finanz- und Rechtsorganismen erfolgreich zusammen agiert, kann gelingen, was andere Länder bereits vormachen: Die besten Finanzen mit nur einem Klick. Ramin Niroumand ist Mitgründer und Partner der Berliner Fintech-Holding Finleap, die Angebote wie die Zinsplattform Savedo, die Versicherungs-App Clark und die von vielen Start-ups genutzte Solarisbank entwickelt hat. Quelle:

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.05.2017, Nr. 120, S. 25

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Seitenüberschrift: Finanzen Ressort: Wirtschaft

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6000 Banken und Sparkassen

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GELD Geld und Finanzmärkte

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FD1201705245131775

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