Mein Herz-Leseprobe - AAVAA Verlag

dir anscheinend nicht gut. .... ne Öffnung und gelangte auf die Hinterbank. Es roch nach Schweiß und .... meldete sich: Er wusste nur zu gut, dass die. Pflicht rief.
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Richard Mayer

Mein Herz Ohne Hilfe bin ich weg!!

Roman

LESEPROBE

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© 2015 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2015 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Coverbild: fotolia, flamy symbol, 59989339, Urheber: Konstantin Yuganov Printed in Germany

AAVAA Verlag Taschenbuch: eBook epub: eBook PDF: Sonderdruck:

ISBN 978-3-95986-021-5 ISBN 978-3-95986-022-2 ISBN 978-3-95986-023-9 Großdruck und Mini-Buch ohne ISBN

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Ein schwarzer Tag

Wo war er auf einmal? Langsam lehnte er den Kopf auf die Seite, der schmerzhaft pochte. Vor Schmerzen verzog er das Gesicht und schloss die Augen. „Schatz! Warum verziehst du so dein Gesicht?“ Schatz? Wer um Himmels Willen sprach da mit ihm? „Schatz. Alles okay bei dir?“, wiederholte sich eine hohe Stimme. Ächzend drehte er sich auf die andere Seite und öffnete mühevoll die Augen. Nein, da war keine anderer – das „Schatz“ hatte eindeutig ihn gemeint! „Schatz! Warum stellst du dich so an? Das geht wirklich zu weit!“ Er spürte eine Hand auf seiner Schulter, die langsam seinen Rücken emporstrich. 4

„W... Wo bin ich?“, seufzte er und drehte sich um. „Du solltest nie wieder so viel trinken. Tut dir anscheinend nicht gut. Oder verträgst du so wenig?“ Er erstarrte – nicht vor Schreck, sondern vor Erstaunen. Neben ihm lag eine ältere Frau, so um die vierzig. Er blickte in ihr Gesicht, und es kam ihm irgendwie bekannt vor. Die Frau redete ohne auf Antwort zu warten weiter, doch plötzlich erbleichte Jan. Er wusste, woher er sie kannte und wer sie war: Es war Jeannette in fünfundzwanzig Jahren. Er schaute seine Hand an, und ihm gefror das Blut in den Adern: Seine Arme waren übersät mit Falten und grässlichen, hellen Haaren. Er hörte ein Klirren, als ob die Frau neben ihm eine Münze auf den Boden geworfen hätte – doch er wusste, es war etwas anderes. Er hielt sich die Ohren zu und schrie. Wie konnte er von einer Sekunde auf die andere 5

auf einmal so schrecklich alt geworden sein? Wie war das bloß möglich? Das Klingeln und Klirren der Münze wurde immer lauter und dröhnte in seinen Ohren. Er versuchte sich zu wehren, doch egal, was er machte, es verschlimmerte nur die Situation. Er schloss die Augen, und auf einmal verstummte alles. Urplötzlich erstarb das Geräusch so plötzlich, wie es gekommen war. Er vernahm nur noch sein eigenes Schreien, und als er verstummte, war es gespenstisch still, als ob nie etwas gewesen wäre. „Warum in aller Welt schreien Sie denn so? Dann nehme ich mein Geld gleich wieder mit!“, drang eine Stimme in seine Ohren. Jan schlug die Augen auf und starrte in die Pupillen eines alten Mannes, der ihn wütend anblickte. „Warum schreien Sie denn so?“, wiederholte der Mann mit krächzender Stimme. 6

„Es war nur ein verrückter Traum. Mehr nicht. Nur ein Traum“, seufzte Jan erleichtert. „Na, Gott sei Dank“, brummte der alte Mann, während er eine Münze nach der anderen in die Schirmmütze neben Jan warf. Schmunzelnd hörte Jan das Klingeln der Münzen. Er lag angelehnt an einen Autoreifen am Gehsteig, neben ihm war seine Schirmmütze, rundherum umgeben von Münzen, und zu guter Letzt stand auch noch ein kleiner Dackel neben ihm, der gerade das rechte Hinterbein hob, um sein Revier zu markieren. Fluchend jagte Jan den kleinen Hund fort und starrte dem alten Mann nach. Mühsam sammelte er die Münzen ein, setzte die Schirmmütze wieder auf und machte sich kopfschüttelnd auf den Weg nach Hause. Er blickte auf die bunten Fahrzeuge, die aufgefädelt wie auf eine Kette am Gehsteig parkten und blinzelte gegen die Sonne. Innerlich verfluchte er sich dafür, dass er keine Sonnenbrille eingepackt hatte. Vor ihm tat sich 7

ein endlos langer Asphaltgehsteig auf, links durch Gartenzäune und rechts durch Bäume und parkende Autos begrenzt. Beruhigt blickte er auf den Boden, um nicht geblendet zu werden. Er schaltete seinen iPod ein, steckte sich die Kopfhörer ins Ohr. Plötzlich riss ihn lautes Hupen aus seinem Tagtraum. „Sie verflixter ...“, begann er dem Autofahrer hinterher zu schimpfen, doch er verstummte so schnell, wie sein Wutanfall gekommen war. Der Fahrer hatte ihn mit dem Hupen nur gewarnt. Das Fahrzeug streifte Autos auf der Seite, schaukelte gefährlich und ließ ein Geräusch ertönen, das ihm durch Mark und Bein ging. Jan drückte sich die Ohren zu, als er dem Auto nachblickte. Er hörte ein lautes Krachen – dann war es still. Schaudernd rannte er los. Er musste helfen, egal was es kosten würde. Ein Leben konnte 8

an einem seidenen Faden hängen! Aus seinem Kopfhörer dröhnte noch immer ein Song. Jan hätte vor Entsetzen fast laut aufgeschrien. Es war so, als ob er im falschen Film wäre. Unwillkürlich hoffte er, dass gleich der Regisseur kommen würde: „Schnitt. Abbruch. Was hat der Passant hier zu tun?“ Verzweifelt fischte er aus der Hosentasche sein Handy und wählte die Notrufnummer, während er sich vorsichtig dem Unfallwagen näherte. „Hier … hier ist ein Unfall. Kommen Sie sofort! Das ist ein Notfall!“, stotterte Jan. Nur noch gute zwei Meter Straße trennten ihn von dem Wagen. Er ließ das Handy fallen, aus dem eine krächzende Stimme klang. Wie schnell war dieses Auto bloß durch die Straße gejagt?! Die Fensterscheiben waren teilweise zerbrochen, die Motorhaube war wie ein Blatt Papier eingeknickt und sogar der Motor verschoben und zerdrückt, als ob er ein Stück weiches Holz wäre. Jan rüttelte an den Türen, 9

aber sie waren eingedrückt und verklemmt, sodass er sie nicht öffnen konnte. „H... Hilfe!“, hörte er ein Stöhnen aus dem zertrümmerten Fahrzeug. Kurzentschlossen schlug er, so fest er konnte, gegen die Seitenscheibe, die klirrend zerbrach, dann kehrte er die Scherben mit seinen Schuhen zur Seite. Vorsichtig kletterte er durch die freigewordene Öffnung und gelangte auf die Hinterbank. Es roch nach Schweiß und Blut. Vor sich sah er einen Mann mit blutigem Kopf. „Hören Sie mich?“, rief er dem Mann zu. Der alte Mann drehte sich langsam zu ihm zurück, starrte ihn an und röchelte nach Luft. Ein leises „Ja“ löste sich aus seinem Mund. Jan starrte in das Gesicht des Mannes. Er musste schon deutlich über sechzig sein. In seinen Augen konnte er Schmerz und Angst sehen, sie zuckten wie wild herum, als ob sie nicht wussten, wohin sie sich wenden sollten. Auf seinem Kopf war eine riesige Platzwunde, aus der unablässig Blut strömte. Sein wei10

ßes Hemd war bereits mit Blut durchtränkt, und Jan begriff, dass der Mann von Sekunde zu Sekunde schwächer wurde. Er krallte seine Hand am Gurt fest, versuchte, ihn zu öffnen, doch er hatte nicht genug Kraft. Jan riss sich sein T-Shirt vom Leib und drückte es auf die Platzwunde. Der Blutstrom stoppte. Seine Hände begannen zu zittern, während der alte Mann ihm schwach zulachte. Im selben Moment vernahm Jan das laute Heulen einer Sirene.

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Club der Helfer

Schwarz. Ein schwarzes Nichts tat sich vor ihm auf. Jan blinzelte, doch die Dunkelheit blieb. In der Mitte der Dunkelheit erschien ein Mann. Er war blass und hatte eine tiefe Wunde am Hinterkopf. Jan stockte, obwohl er wusste, dass es bloß eine Illusion war. Der alte Mann lachte. Dann sprach er: „Mein Junge, warum? Warum warst du so spät?“ Schreiend riss Jan die Augen auf. Augenblicklich schlug ihm die gewohnte Hitze entgegen, und er krümmte sich vor Schmerzen am Boden. Sein Herz schlug wild. Er schaffte es, sich zu beruhigen und lehnte sich gegen die Steinwand hinter ihm. Er griff an sein Herz, spürte es schmerzhaft pochen. Seine Beine zitterten vor Angst. 12

„Jan-Hendrick! Reiß dich endlich zusammen!“, zischte er sich selbst zu. Es half nichts. Das Schuldgefühl blieb. „Mein Junge, warum? Warum warst du so spät“, hallte die krächzende, tiefe Stimme des alten Mannes in seinem Kopf hin und her. Er hielt sich die Ohren zu, bis er nichts als eine schwarze Wand vor sich sah. Diesmal lag der alte Mann auf einem weißen Krankenhausbett. Sein blasses Gesicht hob sich kaum von dem weißen Polster ab. Beides war weiß wie Papier. „Es wird schwer … Er hat sehr viel Blut verloren, wahrscheinlich zu viel …“, hörte er die Diagnose eines Arztes. Irgendein Gerät piepste laut. Zwei Männer in weißen Kitteln liefen zu dem Mann und setzten eine Spritze in seinen weißen, knochendünnen Oberarm. Jetzt stürmten plötzlich unzählige Krankenschwestern das Krankenzimmer. Dann erlosch das Bild langsam, die Vision schwand … 13

Jan schluckte herunter, doch ein bitterer Nachgeschmack blieb in seinem Mund zurück. Denk an etwas anderes, ermahnt er sich, aber es klappte einfach nicht. Egal, ob er sich im Strandbad oder beim Festival sah: Immer hafteten seine Gedanken bei dem alten Mann in seinem weißen Bett … Etwas flutschte neben ihm ins Gras. Schreiend sprang er auf, aber urplötzlich erstarb seine Stimme, denn er besann sich wieder, dass er sich in einem fremden Garten befand. Sein Blick wanderte nervös über die gekippten Fenster des Hauses, doch da blieb es zum Glück ruhig. Keine verärgerte Stimme rief ihm etwas zu, und in keinem Fenster zeigte sich ein Gesicht. Kaum hatte er sich wieder einigermaßen unter Kontrolle, wanderte sein Blick auf den Boden und blieb im tiefen Gras hängen. Verärgert brummte er einige unverständliche Wörter vor sich hin, während er nach dem heruntergefallenen Apfel fischte. 14

„Da schlägt mein Veganerherz gleich höher!“, scherzte Jan und verkroch sich hinter einen Busch, um dort den frischen, aber noch nicht ganz roten Apfel zu verputzen. Durch die Blätter spähte er zur Terrasse des Hauses, wo sich ein alter Mann gerade in einem Liegestuhl niederließ. Der Anblick war schmerzvoll, und er konnte nur im letzten Moment einen Aufschrei verhindern, denn der Mann erinnerte ihn an den verunglückten Pensionisten. Eine Frau mit weißen langen Haaren betrat die Terrasse mit einer Zeitung in der Hand. „Gilbert! Die Zeitung“, krächzte sie. „Was hast g´sagt?“, hustete der Mann. „DIE ZEITUNG“, wiederholte sie und wedelte mit dem Papier vor seiner Nase herum. Dann verschwand sie wieder im Haus, während der Mann sich ausgiebig mit der Zeitung zu beschäftigen begann und innerhalb kürzester Zeit in ein Nickerchen versank.

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„So schnell kann es manchmal gehen“, seufzte Jan, als er den Mann schnarchen hörte und an den Unfall dachte. Ein paar Minuten blieb er in seinem provisorischen Versteck, dann kroch er durch den Busch, schlich durchs hohe Gras und sprang über die hüfthohe Mauer auf den Gehsteig. „Dem Mann geht es gut. Bald wird er auch wieder auf seiner Liege im Garten liegen … So wie dieser Pensionist hier“, machte er sich Mut, doch er wusste zugleich, dass es so nicht kommen würde. „Seid still, ihr Schweine! Verschwindet“, keuchte Jan, denn jetzt verfingen sich wieder die besorgten Stimmen der Ärzte in seinem Kopf. „Er hat viel zu viel Blut verloren … Wären wir nur früher gekommen …“, wiederholten sie wieder und wieder. Jans Schritte wurden schneller, schließlich begann er zu rennen. Sein Puls ging immer höher, endlich konnte er nicht mehr, und erschöpft und nach Luft röchelnd ließ er sich auf den Gehsteig fallen. Schweißperlen standen auf 16

seiner Stirn, aber dennoch lachte er, lachte er mit tiefer Erleichterung, denn er hatte es geschafft: Er hatte die Stimmen abgehängt! Sein Atem wurde langsam ruhiger, und um sich zu erholen, legte er sich auf den warmen, schwarzen Asphalt. Erst jetzt bemerkte Jan, wie sehr die Strapazen der letzten Stunden an ihm gezehrt hatten. Die Sonne strahlte in sein Gesicht, und warm fühlte er den Asphalt unter sich. Plötzlich hörte er ein Krachen. Es klang so ähnlich wie der Spreizer, mit dem die Feuerwehr das Autowrack aufgebogen hat. Ein Geräusch, das er nie in seinem Leben vergessen würde … Er schlug erschrocken die Augen auf. Ein alter VW Golf fuhr auf der Straße vor ihm vorbei. Es war ein Wunder, dass der Wagen überhaupt noch fuhr, denn das Ding konnte man echt nicht mehr ein Auto nennen – die korrekte Bezeichnung wäre „alter, klappernder Schrotthaufen auf vier Rädern“ gewesen. Der Lärm des rollenden Schrotthaufen 17

verklang, und Jan legte sich wieder zurück auf den Asphalt. Die Sonne kitzelte sein Gesicht, während er geblendet die Augen schloss. Diesmal kam keine Vision vom Unfall, er sah bloß rötliche Dunkelheit, die Sonne schien durch seine Lider. Erleichtert atmete er auf. Es gab nichts Schlimmeres, als dauernd einen sterbenden Mann vor Augen zu sehen – besonders, wenn man die Schuld an seinem nahenden Tod trug. Jan schluckte den Gedanken herunter. Wenn es nach ihm ging, hätte er noch den ganzen Tag hier am Gehsteig in der Sonne herumgammeln können, aber sein Gewissen meldete sich: Er wusste nur zu gut, dass die Pflicht rief. „Ach was, Aufgaben können warten. Gibt Wichtigeres als die Schule“, seufzte er und schob sich sein Sweatshirt als Kissen unter den Kopf. Plötzlich spürte er einen Gegenstand, der gegen seine Hüfte schlug. 18

„Mhhhh …“, tastete er murrend mit der Hand über das Bein, wollte den fremden Gegenstand verscheuchen. „Weg mit dir“, krächzte eine Stimme, und wieder traf der unbekannte Gegenstand seine Hüfte, schien ihn wegschieben zu wollen. Jan riss sich zusammen, setzte sich hoch und öffnete verwirrt die Augen. Mit offenem Mund sah er vor sich eine alte Frau mit Mantel und Hut, die mit ihrem Gehstock wieder und wieder gegen seine Hüfte schlug. „Ich mag da vorbei! Sie liegen da wie ein Obdachloser und versperren mir den Weg“, rief die Frau ihm wütend zu. „Ich habe schon verstanden“, nuschelte Jan. „Ja, und warum liegst dann da noch herum?“ Wieder traf der harte Gehstock sein Bein. „Hören Sie … gefälligst auf!“, protestierte er. Wieder sauste der Gehstock auf ihn zu. „Was fällt Ihnen überhaupt ein, mich zu schlagen?“, stammelte Jan. Er wusste nicht, ob die Frau verrückt war oder nur alt und des19

wegen komisch. Wie auch immer: Es kam auf das Gleiche raus. Fakt war, dass er von der alten Frau geschlagen wurde. „Machen Sie lieber dabei mit, bevor Sie so mit mir sprechen“, krächzte die alte Frau, während sie mit dem Stock über einen Zettel auf einer kleinen Anschlagtafel zeigte. Ihr Stock fuhr quietschend über das Metall. Unwillkürlich hielt Jan sich die Ohren zu, denn das Geräusch ließ die Erinnerungen an den Unfall vor seinen Augen aufflammen. Mühsam robbte er auf die Seite. Das Geräusch erlosch, und die Frau setzte ihren Weg fort. „Früher hatte die Jugend noch Respekt, aber heute …“, nörgelte die Frau, während sie an ihm vorbeiging, ihren Weg fortsetzte. Tuck, Tuck, Tuck, pochte ihr Stock auf den Asphalt, langsam leiser werdend. Dann war es leise, und Jan wusste, dass sie verschwunden war. Benommen schüttelte er den Kopf und drehte sich um, um die Schrift auf der grünen Metallanschlagtafel zu lesen, auf die sie gezeigt hatte. 20

Mach auch DU mit! Drei Gründe bei Club der Helfer mitzumachen:  Setze dich für deine Rechte ein!  Kämpfe für die Basics unseres Lebens!  Ermögliche dir und deinen Mitmenschen ein faires Leben! Nächste Aktion: Todesstrafe Unsere Botschaft an alle Regierungen, die Menschen für vergebbare Verbrechen hinrichten: Es ist an der Zeit, unmenschliche, grausame und steinzeitliche Strafen abzuschaffen. Ihr habt euch vom Menschenrecht isoliert! Bist auch du dieser Meinung? Willst auch du etwas in der Welt ändern? Dann zögere nicht und komme zu unserem nächsten Treffen: 21

Jeden Freitag ab 18:00 Uhr im Postcafé am Hauptplatz. Für Snacks ist gesorgt, Getränke müssen selbst bezahlt werden. Es gibt kein Hindernis, um gegen die Hinrichtung Unschuldiger zu kämpfen. Rette auch du ein Leben! - CLUB DER HELFER Mit einem schnellen Griff riss Jan den Zettel von der Tafel und steckte ihn in die Hosentasche. „Ich glaube, das bin ich ihm schuldig, damit er mir vergibt“, stammelte er vor sich hin, als er sich auf den Weg nach Hause machte. Jan wusste, dass er alles richtig gemacht hatte, um den Mann im Auto zu helfen. Dennoch hatte sich der Gedanke, dass er den Mann irgendwie noch hätte retten können, wenn er nur schneller gewesen wäre, in sein Gehirn gebrannt. Immer wieder sah er sein Gesicht 22

vor sich, und immer wieder hörte er die schrecklichen Geräusche des Aufpralls, ein Knallen, Scharren und Quietschen, in dem Zerstörung und Tod mitklang … Jans Hosentasche vibrierte. Er fischte sein Handy heraus. „Seas! Was gibt’s? … Verstehe. … Haha, du bist ein Depp. Beim Pavillon? … Du mich auch.“ Jan legte auf. *** „Beeil dich, du halbe Portion!“, kreischte eine Stimme, worauf Jan prompt noch langsamer ging. Schließlich wurde er von einer alten Dame mit Stock überholt, die sich mit irrwitziger Geschwindigkeit näherte und dabei laut vor sich hin keifte: „Machen´s mehr Sport! Jeden Tag eine Runde durch den Park, dann nochmal ein paar Leute zurechtweisen, und das Leben hält fit“, krächzte sie. 23

Er erreichte den kleinen, weißen Pavillon mit dem Kuppeldach und den runden Säulen, der sich in der Mitte einer saftig grünen Wiese erhob und von ein paar Büschen umgeben war. Er kletterte über den Zaun, der ihn umschloss und erzählte den anderen gleich vom Erlebnis mit der Alten Frau und dem Zettel vom Club der Helfer. „Ach was. Die ist eben komisch, die kenn ich schon. Mir ist vor drei Wochen übrigens das Gleiche passiert!“ „Echt?“ Jan war erstaunt. „Und? Hast du sie angezeigt, oder lieber nicht?“ Nico blickte ihn erstaunt an. „Was ist los? Schließlich hat sie uns mit ihrem Gehstock geschlagen“, fuhr Jan auf, als er Nicos Was-ist-denn-das-für-eine-Frage-Blick sah. Wahrscheinlich sollte man besser schweigen und sich nichts anmerken lassen, dass man sich nicht auskannte... „Wem werden die Bullen wohl mehr glauben?“, fragte Nico lässig und gelangweilt, 24

während er sich Beifall heischend in der Runde umblickte. Die anderen nickten. „War doch nur `ne Frage, Nico! Schließlich bin ich gerade von einer runzeligen, uralten Frau mit einem Gehstock verprügelt worden …“ „Schau uns doch mal an!“ Jan warf einen Blick auf die Kameraden im Pavillon. Nico und er selbst waren eigentlich die einzigen, die halbwegs normal aussahen. Alle anderen würden von der Polizei vermutlich sofort auf Marihuana und ähnliche Dinge überprüft werden. Patrick schaute mit seinen Treats aus wie ein Stadtstreicher, Gustav glich mit seiner Hippiekleidung einem entlaufenen Clown aus dem Zirkus, und Billy konnte man mit seiner behäbigen Statur, den langen, zotteligen Haaren und dem wild wuchernden Bart mit einem Yeti verwechseln. „Was hast du?“, fragte Billy mit rauer Stimme. 25

„Naja, Nico hat leider nicht unrecht: Die Polizei würde uns kein Wort glauben.“ Billy versuchte ihn aufzumuntern. „Wir werden auch mal so wie die Alte da – mach dir nichts draus. So was ist jedem von uns schon mal passiert!“ „Aber nicht zum Zweiten Mal innerhalb von drei Wochen“, brummte Jan. „Was? Ich scheiß mich an“, witzelte Billy und kullerte gleich darauf mit Lachtränen in den Augen am Boden herum. „Leute! Bitte beruhigt euch! Das ist echt nicht lustig.“ „Haha. Du Opfer!“, gackerte Gustav. „Danke. Toll. Ihr seid echte Freunde. Muntert mich immer auf, wenn es nötig ist“, nörgelte Jan und fuhr fort: „In nicht mal zwei Stunden ist das passiert. Aber wenigsten du, Nico, bist ein echter Freund und leidest mit mir. Mein Selbstwertgefühl hat gerade echt ein Tief.“ Jan drehte sich um und blickte zu Nico.

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„Nico?“, fragte er verunsichert, denn das Gesicht seines besten Freundes war hochrot angelaufen. „Nichts. Alles in Ordnung“, gluckste Nico los. Jans dramatische Selbstbemitleidungen, begleitet mit allerlei trüben Fratzen und Gesichtern, waren einfach zu komisch. „Danke! Lacht mich alle nur aus!“, sagte Jan wütend, warf sein Sweatshirt zum Zaun und ließ sich auf den Boden plumpsen. Sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz, denn er war unsanft aufgekommen, aber er gab jetzt keinen Laut mehr von sich, um nicht noch weitere Häme zu provozieren. Tolle Freunde, die mich auslachen, dachte er. *** „Wisst ihr was, Leute? Ich werde mich einfach ins Bett hauen“, erklärte Jan plötzlich. „Es ist doch noch nicht mal sieben“, kommentierte Gustav Jans Plan. 27

„Ja, eben! Das Sandmännchen beginnt kurz nach sieben“, lästerte Nico. „Haha, wie lustig! Ich lache schon fast“, erwiderte Jan sarkastisch, prustete aber dennoch los, als Billy jetzt das kleine Sarkasmus-Schild hochhielt, das er ihm letzte Weihnachten geschenkt hatte. „Wie auch immer: Ich mach mich dann mal aus Staub, Leute“, verabschiedete Jan sich und sprang kurzerhand über den Zaun. Die anderen johlten ihm irgendetwas hinterher. Jan streifte durch den Park, war froh, wieder allein zu sein. Die Sonne stand schon tief am Himmel, aber die Luft war noch angenehm warm, obwohl es bereits Herbst war. Ein paar erste Blätter färbten sich bereits gelb und rötlich, und zusammen mit dem noch grünen Laub wirkten die Kastanien, Ahornbäume und Linden wie mit bunter Farbe übergossen. Jan liebte den Herbst, mochte seine leicht melancholische Stimmung – wenn er nicht gerade an den Nebel dachte. Er wusste nicht, 28

wieso er jetzt zur Bushaltestelle sprintete, er hatte einfach einen Drang nach Bewegung. Müde ließ er sich an der Busstation auf einer Bank nieder und versank in grüblerischen Gedanken. In zehn Minuten würde der Bus kommen, das wusste er auswendig. Vor ihm war eine Straße, die leicht bergauf ging. Autos zischten an ihm vorbei, und die Ampel schaltete auf Rot. Spielende Kinder hüpften über den Zebrastreifen von Streifen zu Streifen und verschwanden mit ihrem Fußball johlend im Park, freuten sich auf ein Spiel zwischen bunten Blättern. Wo waren die Zeiten geblieben, wo auch er, Jan, so sorglos Ball gespielt hatte? Aber sie würden wiederkommen: Er nahm sich fest vor, in diesem Herbst regelmäßig mit Nico, Billy, Gustav und Patrick Basketball spielen zu gehen. Die Ampel sprang um auf grün. Jan blickte auf die Uhr: Noch sieben Minuten bis zum Bus. 29

Ein Schleifen ertönte, gefolgt von einem Knirschen, es ging ihm durch Mark und Bein. Nein, es war kein Unfall: An der Ampel hielt nur ein roter Opel, in dem eine junge Fahranfängerin saß. Der Beifahrer, offenbar der Fahrlehrer, gestikulierte hektisch und trug eine Basecap, was offenbar verwegen wirken sollte, aber eher kläglich aussah, denn der Mann war schon deutlich zu alt für Basecaps. Das Mädchen hörte ihm zu, hatte die Augen weit geöffnet. Jan lächelte. Die Szene erinnerte ihn an seine eigenen ersten Fahrversuche mit seiner Mutter auf einem verlassenen AldiParkplatz. Endlich, der Bus kaum um die Ecke. Die automatische Tür öffnete sich, und Jan quetschte sich wortlos ins Innere. Er drückte sich an einem übelriechenden Mann vorbei und schaffte es langsam, sich einen Weg nach hinten zu bahnen, wo ein junges Liebespaar thronte. Er musste das Paar unterbrechen, sonst konnte er nicht zu seinem Sitz. 30

Jan räusperte sich. Die beiden leidenschaftlich Küssenden zeigten keinerlei Reaktion. „Tschuldigung, sorry“, tippte er den jungen Mann an. Wenn Blicke töten könnten, wäre er vermutlich mausetot umgefallen, denn dessen Augen funkelten wütend, und er ließ nur unwillig von seiner Begleiterin ab. Jan quetschte sich an ihm vorbei. Mit einem Seufzer ließ er sich auf den freien Platz plumpsen. „Ach herrlich!“, stöhnte er erleichtert und wandte sich dann mit einem leutseligen Schmunzeln an das Liebespaar: „Ich habe heute einfach nichts auf die Beine gebracht. Gibt schon komische Tage im Leben, wisst ihr.“ Die beiden schauten Jan an, als käme er vom Mond. „Wird noch genug Möglichkeiten zum Schmusen geben! Und die Nächte werden zum Glück wieder länger!“ Der junge Mann blitzte ihn noch wütender an und brummte regelrecht: „Wären wir nicht 31

hier im Bus, würde ich dir eine unvergessliche Lektion erteilen, mein Freund!“ „Beruhige dich, Stuard! Der ist es gar nicht wert, um wegen ihn so eine Unruhe anzustiften“, sagte die junge Frau. Jan räusperte sich unsicher. „Ich glaube, ich habe mich verhört, oder?“ „Nein“, kam die Antwort von dem Pärchen. „War bloß so `ne Frage“, murmelte Jan und blickte aus dem Fenster. Er zog einen zerknitterten Zettel aus der Hosentasche und versuchte, ihn glatt zu streifen. „Ja, ich werde es wieder gutmachen. Morgen um sechs im Postcafé“, nuschelte er in einen imaginären Bart, schloss die Augen und lehnte sich langsam zurück in dem harten Sitz.

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Jugendrotkreuz

„Wo bin ich?“, brummte Jan verschlafen und rieb sich die Augen. Um ihn herum herrschte tiefe Dunkelheit, er sah nicht einmal die Hand vor Augen. Er tastete um sich herum, doch außer weichem Stoff und einer Art Haltegriff bekam er nichts zu fassen. Langsam dämmerte es ihm. Sein Verdacht wurde erhärtet, als er über sich einen Plastikgriff erfühlte. „Mann, bin ich ein Blödmann!“, tippte er sich auf die Stirn, denn das vor ihm war kein Haltegriff, sondern einen Sitzlehne. „Wenn neben mir Glas ist, dann bin ich …“, stammelte Jan und klopfte nervös mit der Handfläche herum; seine Hand griff ins Leere, denn außer Luft befand sich dort nichts, „ … im Bus“, ergänzte er. Mit Schwung haute sei33

ne Hand auf die andere Seite, und ein dumpfes „Dong“ erklang: die Glasscheibe! Plötzlich flammten Lampen auf. Jan drückte sich auf den Sitz, während er gleichzeitig versuchte, sich hinter der Lehne vor ihm zu verstecken. „Wenn die mich hier erwischen, kriege ich ernsthafte Probleme. Die glauben mir kein Wort“, stöhnte er. Sein Puls ging rasend schnell, während sein Herz schmerzhaft in der Brust schlug. „Keine Angst, mein Junge“, ertönte eine tiefe Stimme. „Ich hab dich extra schlafen gelassen. Du hattest Schlaf bitter nötig.“ Er blickte in die Augen eines älteren Mannes in Freizeitkleidung. „Keine Angst, es ist erst neun“, verkündete der Mann, als er Jans Unsicherheit bemerkte. Jan blickte ihn zweifelnd an. „Wir sind hier in der Wartungshalle, Endstation sozusagen“, beantwortete er die unaus34

gesprochene Frage aus Jans unsicher umherblickenden Augen. „Ähm. Ja, danke!“, fiel Jan ein. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass ihm so etwas passiert war. „Kein Problem. Komm, gib deine Flosse!“ Jan nahm die Hand dankend, der Mann zog kräftig, und schon war er wieder auf den Beinen. „Echt nett, dass Sie mich haben ausschlafen lassen“, gelang es ihm schließlich zu sagen. „Habe ich früher auch immer gemacht. Nur habe ich mich immer extra in die Hallen geschlichen, um im Bus zu übernachten. Mann, war das ein Heidenspaß“, plauderte der Mann, offenbar der Busfahrer. „Wollte nur mal das Image unsere Verkehrsbetriebe ein bisschen aufpolieren. Für gute Kunden bleiben wir Busfahrer sogar länger in der Arbeit“, lachte er. „Ja, dann nochmals danke! Ach ja: Ich muss dann leider mal gehen. Sie wissen ja, wie Eltern so sind. Machen sich immer zu schnell 35

Sorgen“, unterbrach Jan den Mann, denn er hatte wenig Lust, mit ihm zu reden. Das einzige was er wollte: Möglichst schnell von hier weg! Nervös schummelte er sich bei dem Busfahrer vorbei. Fast rannte er durch den Gang, doch als er den Bus gerade verlassen wollte, rief der Busfahrer ihm noch etwas zu. „Ich hätte jeden normalen Fahrgast an der Endhaltestelle rausgeschmissen.“ Jan drehte sich fragend um. Der Busfahrer schien Tränen in den Augen zu haben und versuchte offenbar, etwas zu sagen. Jan wunderte sich. Was sollte das jetzt wieder bedeuten? Endlich riss der Mann sich zusammen. „Du … du erinnerst mich an jemanden.“ Jan wusste nicht, was er sagen sollte. Er erinnerte ihn an jemand? Was sollte das bedeuten? „Du erinnerst mich an meinen Sohn“, erklärte der Busfahrer und ließ sich auf einem Platz 36

nieder. Die Nervosität verschwand aus Jans Körper. Stattdessen überkam ihn Mitgefühl. Was war mit dem Sohn des Mannes passiert? Langsam ging er auf den Mann zu, der mit gebückten Schultern dasaß, als würde er eine schwere Last auf seinen Schultern tragen. Jan tat etwas, was er früher nie getan hätte. Seit dem Unfall war etwas mit ihm geschehen. Fast war es so, als wäre er ein anderer Mensch. „Du hast die gleichen Augen und den gleichen Kopf. Genauso würde er ausschauen, wenn er noch am Leben wäre. Oh Gott, wenn meine Magreth dich sehen könnte, würde sie zusammenbrechen“, sagte der Mann mit unterdrücktem Schluchzen. Jans fühlte einen bitteren Geschmack im Mund. Mit heiserer Stimme fragte er: „Was ist mit Ihrem Sohn passiert?“ „Mit fünf … Es war eine seltene Herzkrankheit …“, brach es aus dem Mann heraus. 37

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