Liebe und Schmerz verinnerlichen

Beckermann mit dem Großen Preis des Filmfestivals ... beit gar kein so großer Unter- schied?“) gelingen mit ... auch „Hannas schlafende Hunde“ von Andreas ...
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8 KULTUR

M ONTAG, 14. M ÄRZ 20 16

Liebe und Schmerz verinnerlichen Bei der Diagonale, dem Festival des österreichischen Films, wurde in Graz – wieder nach 2014 – Ruth Beckermann ausgezeichnet. Sie machte in „Die Geträumten“ aus dem Briefwechsel zweier Literaten ein dichtes Drama. ze von Doku und bildender Kunst“. Für Zwirchmayr ist es die zweite Auszeichnung nach 2014 (Diagonale-Preis Kurzdokumentarfilm für „Der Zuhälter und seine Trophäen“). Bester Kurzspielfilm ist heuer „Wald der Echos“ von Maria Luz Olivares Capelle, zum besten Kurzdokumentarfilm wurde „Zuhause

MARTIN BEHR

„Einen Film machen über alles, was man nicht filmen kann.“ Aufbauend auf diesem Gedanken hat die 64-jährige Wiener Filmemacherin Ruth Beckermann zwei Darsteller gebeten, die Briefe, die sich einst die Autorin Ingeborg Bachmann und der Lyriker Paul Celan geschrieben hatten, vorzulesen. Mehr noch: zu interpretieren, die Texte in sich aufzunehmen, zu verinnerlichen. Das gelingt der Musikerin Anja Plaschg, bekannt als Soap&Skin, und Laurence Rupp eindrucksvoll. Für das im Wiener Funkhaus realisierte filmische Experiment „Die Geträumten“ wurde Beckermann mit dem Großen Preis des Filmfestivals Diagonale ausgezeichnet. Der über Jahre währende Briefwechsel hatte nach der ersten Begegnung der beiden Künstler 1948 begonnen. Bachmann und Celan – er beging 1971 Suizid – waren einander trotz räumlicher Trennung intensiv verbunden. „Ihre Liebe ist einerseits einzigartig, sie steht aber auch paradigmatisch für die Möglichkeit und Unmöglichkeit einer Begegnung nach der Katastrophe des Kriegs und der Vernichtung“, sagt Beckermann, die erst 2014 für ihre Dokumentation „Those Who Go Those Who Stay“ in Graz ausgezeichnet worden war. „Die Geträumten“ ist eine geschickte Abfolge der Sprechszenen und Rauchpausen der beiden Akteure. „Der Film verdichtet das Textmaterial, lässt ihm dabei aber immer genügend Raum zum Nachklingen“, heißt es in der Jurybegründung. Und: „Wir sind begeistert!“ Der Große Diagonale-Preis in der Dokumentarfilmsparte ging an den gebürtigen Steirer Sigmund Steiner für „Holz Erde Fleisch“: Der 38-Jährige begleitet mit der Kamera einen Forstwirt, einen Gemüsebauern und einen Schafzüchter bei ihrer Arbeit. Steiner, der selbst auf einem Bauernhof im obersteirischen Judenburg aufgewachsen ist, betreibt damit auch eine subjektive Spurensuche, er will über die Recherchen GRAZ.

Bachler: „Theater werden zu Event-Locations“ „Startheater“ – das sei ein Wort, das ihn auf die Palme bringe, sagt Nikolaus Bachler. Der Österreicher leitet seit 2008 als Intendant die Bayerische Staatsoper. Vergangene Woche wurde bekannt, dass er das noch bis 2021 tun wird. Dann soll Schluss sein. „Es gibt ja in der Welt kaum mehr ein Haus mit Repertoire und kontinuierlich arbeitenden Menschen. Da werden Stücke angesetzt, zehn Mal gespielt, und dann ist es vorbei“, sagte der 63-jährige Bachler in einem Interview mit der Deutschen PresseAgentur. Geschuldet sei diese Entwicklung „der Schnelllebigkeit, dem Event, der Aufmerksamkeitssucht, Äußerlichkeiten und ökonomischen Erfordernissen. Es gibt viele Dinge, die ein ruhiges, konzentriertes, langfristiges Arbeiten ohne die schnellen Ergebnisse verhindern.“ SN, dpa

MÜNCHEN.

Zweiter Preis bei der Diagonale für Regisseurin aus Salzburg

Anja Plaschg und Laurence Rupp interpretieren die Briefe von Bachmann und Celan.

indirekt mehr über die Motivation und das Wesen seines Vaters in Erfahrung bringen. Dem Regisseur („Vielleicht ist zwischen Filmarbeit und Holzarbeit gar kein so großer Unterschied?“) gelingen mit einer ruhigen, einfühlsamen und unaufgeregten Kameraführung berührende Szenen wie etwa jene der Schlachtung eines Lammes, die eine inten-

BILD: SN/ONES © RUTH BECKERMANN

sive Mensch-Tier-Beziehung offenbart. „Der Mut dieses klugen Filmes liegt in seiner Schlichtheit. (. . .) Ein Film voller Zärtlichkeit, der von Leben und Tod, Herkunft und Zukunft handelt“, steht in der Jurybegründung zu lesen. Die Schauspielerpreise gingen an zwei Fixgrößen der heimischen Kino- und Fernsehlandschaft: Ursula Strauss bekam den Preis für ihre Darstellung in

„Maikäfer flieg“. Erwin Steinhauer wurde für die Rolle eines traumatisierten Kriegsreporters im Thriller „Thank you for bombing“ geehrt. Im Bereich Innovatives Kino wurde die 27-jährige Salzburgerin Antoinette Zwirchmayr für ihren Kurzfilm „Josef – Täterprofil meines Vaters“ ausgezeichnet. Dieser sei eine „poetisch-verschlüsselte und geheimnisvolle Ästhetik an der Gren-

Deutschland. Der Wille, sich anzupassen, genügt nicht, immer wieder werden die Geschwister von den Schatten der Vergangenheit eingeholt und stoßen auf neue Hindernisse im Asylbewerberalltag. Mörth hatte bereits 2011 den Carl-MayerDrehbuchpreis für seine brandaktuelle Story rund um Menschenhandel, Ausbeutung und starke familiäre Bande bekommen. Mörth setzt auf drastische Bilder, die manchmal als zu plakativ erscheinen mögen. Nichtsdestotrotz überzeugen jene Aspekte, in denen die Chancenlosigkeit der Schutzund Ruhesuchenden zum Ausdruck

kommt. Lebensmut, in den sich allmählich schwindende Hoffnungen mengen: Ada Condeescu als Bebe und Abdulkadir Tuncer als im Wohlstand Gestrandete brillieren in ihren Hauptrollen. Eine Bluttat am Ende dokumentiert das Scheitern, doch auch sie lässt die Zuversicht der Gebrüder nicht sterben.

ist kein Ort“ von Clara Trischler gekürt. Den „besten Nachwuchsfilm“ drehte Jasmin Baumgartner mit „Unmensch“, einer Abhandlung über Sein und Schein zwischen Realität und Theaterstück. Die erste Diagonale der Intendanz von Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber ging am Sonntag unter anderem mit der Aufführung der Siegerfilme zu Ende. Der große Publikumszuspruch – die Besucherstatistik wird erst heute, Montag, veröffentlicht – ist ein erstes Indiz für eine gelungene Premiere. Das auf Verjüngung und Öffnung ausgelegte Festivalkonzept hat auf unprätentiöse Weise Lust auf (österreichischen) Film gemacht.

Diagonale Keine Wohlfühlfilme

Flucht Die Flüchtlingskrise war auf der Grazer Diagonale mehrfach Thema. Im Film „Geschwister“ erzählt der 43-jährige Grazer Regisseur Markus Mörth die nahegehende Geschichte der 18-jährigen Bebe und ihres jüngeren Bruders Mikhail aus Moldawien. Was mit der Schilderung der gefährlichen Flucht durch Südeuropa beginnt, endet mit dem Überlebenskampf im nur auf den ersten Blick gelobten Land

Millionen für Buddha bezahlt Drei Buddha-Statuen aus der chinesischen Ming-Dynastie wurden in Frankreich für 6,2 Mill. Euro versteigert. Die vergoldeten Bronzefiguren kaufte ein Sammler aus Asien. Erwartet worden war bei der Auktion ein Ergebnis zwischen 400.000 und 600.000 Euro. SN, APA

PARIS.

Werke von Francis Bacon gestohlen Unbekannte haben aus einer Wohnung in Madrid fünf Werke des Malers Francis Bacon gestohlen. Der Wert der Bilder werde auf über 30 Mill. Euro geschätzt. Der Kunstdiebstahl habe sich bereits im Juni 2015 ereignet, sei aber bisher von den Ermittlern geheim gehalten worden. SN, APA

MADRID.

Schweigen

Nicht gerade ein Wohlfühlfilm ist auch „Hannas schlafende Hunde“ von Andreas Gruber. Die Verfilmung eines Romans von Elisabeth

Escher deckt Stück für Stück die dunklen Schatten hinter den trügerisch idyllischen Fassaden im späten Nachkriegsösterreich auf. Aufbauend auf der authentischen Geschichte eines jüdischen Mädchens, das – umgeben vom anhaltenden Nazimief – von den Eltern Ende der 1960er-Jahre als katholisches Kind getarnt wird, entfaltet sich ein aus Schweigen, Unterdrückung und einer „Nur nicht auffallen“-Haltung geprägtes Sittenbild. Auch hier überzeugt die Hauptdarstellerin Nike Seitz, als junges Mädchen, das Licht in ihr biografisches m.b. Dunkel bringen will.

Tastenmann kannte keine Grenze Keith Emerson, 71-jährig gestorben, passte in keine Schublade. SALZBURG, LOS ANGELES. Grenzen zwischen Klassik, Rock und Jazz spielten für das Spiel von Keith Emerson keine Rolle. Der Mann war ein Virtuoser, der sich bei seinem Tastenspiel in keine Schublade pressen ließ. Der Mann, der sich nach ersten Untersuchungen Ende vergangener Woche in seinem kalifornischen Wohnort Santa Monica im Alter von 71 Jahren das Leben genommen hat, galt als einer der kreativsten und progressivsten Rockmusiker an den Tasten. Carl Palmer – Partner von Emerson im legendären Trio Emerson, Lake and Palmer – trauert um einen „guten Freund und musikalischen Bruder“. Palmer beschreibt auch, was der gebürtige Brite Emerson war: „Pionier und Wegbereiter“ sei er gewesen, „dessen Liebe zur Musik

Gestorben: Tastenmeister Keith Emerson. BILD: SN/AP

und Leidenschaft für die Performance als Keyboard-Spieler noch viele Jahre unerreicht bleiben werden“. Den „Hendrix der HammondOrgel“ nannte ihn die englische Zeitung „Guardian“ im Jahr 2002. Da brachte Emerson gerade ein Album bei EMI Classics heraus, spielte aber Steinway statt Keyboard. Vielseitig war der Brite, der in Nordengland zur Welt kam und an der südenglischen Küste aufwuchs, schon früh: „Ich spielte für die

Tanzkurse meiner Tante, als ich 13 und 14 war, alles von Stepptanz bis Ballett“, erzählte er. Bekanntest wurde und blieb Emerson als Teil der Formation Emerson, Lake and Palmer (ELP), die in den 70er-Jahren Millionenseller einspielte. ELP gilt als erste Supergroup des Progressive Rock überhaupt, ein damals brandneues Genre, in dem fast zeitgleich Bands wie Genesis, Yes und King Crimson ihre Karrieren starteten. SN-bef, APA