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Peter Wohlfarth, der Geschäftsführer des Badischen Weinbauverbandes, wies in seinem Rechenschaftsbericht darauf hin, dass die Zahl der Verbandsmitglieder.
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badische zeitung

l a n d un d r e g i o n

sam s tag, 12. m är z 2016

AUF DEM ACKER MIT . . . . . . Andreas Schwär, der sich entschieden hat, den Hof seiner Eltern in der 21. Generation zu übernehmen

„Ich fühle mich halt verantwortlich“ Andreas Schwär fährt den Traktor hinunter ins Tal. Seine Hände liegen locker auf dem Steuer, die blauen Augen blinzeln in die Sonne. Im Waldstück gibt er noch einmal Gas. Unten an der Straße steht der Steinbachhof, Baujahr 1610. Ein typischer Schwarzwälder Eindachhof, der Tier und Mensch unter einem Dach vereint. Er liegt kurz vor St. Märgen im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald. Drei Generationen, Oma, Eltern und fünf Kinder, leben hier. Gegenüber steht die alte Hofkapelle, davor erstreckt sich ein Gemüsegarten. Unsere Mitarbeiterin Samanta Siegfried war auf dem Hof.

Arbeiten in einem Weinberg

FOTO: DPA

Die Winzer stört der Mindestlohn Flüchtlinge als Helfer in den Reben? Nach Darstellung des Weinbauverbandes scheitert das oft an der Lohnuntergrenze Von Klaus Rütschlin OFFENBURG. „Wir wollen zur Integration der Flüchtlinge beitragen“, sagte der Präsident des Badischen Weinbauverbandes, Kilian Schneider, bei der Mitgliederversammlung des Verbandes am Donnerstag in Offenburg. Die Bedingungen dafür seien jedoch ausgesprochen hinderlich. Als größtes Problem bezeichnete Schneider den bürokratischen Aufwand, den Betriebe zu leisten hätten, die Flüchtlinge beschäftigen wollen. Das schrecke auch Gutwillige ab. Schneider meinte, dass der bürokratische Teil der Integration bei der Verwaltung besser aufgehoben sei. Betrieben sei diese Belastung nicht zuzumuten. Unzumutbar sei auch, dass Flüchtlingen „von der ersten Sekunde an“ der Mindestlohn zu zahlen sei. Sprachliche und andere Hürden würden den Einsatz dieser Arbeitskräfte erschweren. Er forderte eine „Integrationsbeihilfe“ für die erste Zeit der Beschäftigung. Das würde es den Betrieben erleichtern, Flüchtlinge als Helfer einzustellen. Da solle sich die Politik etwas einfallen lassen, meinte der Verbandspräsident. Allerdings gibt es bereits einige Förderprogramme sowohl für Migranten als auch Einheimische. Sorge bereitet den Winzern auch die Marktentwicklung. Die Preise seien wegen der Exporteinbrüche unter Druck. Auch mit der zunehmenden Konzentration im Handel hadern die Winzer. „Immer

weniger Einkäufer bestimmen die Preise und das Marktgeschehen“, sagte Schneider. Handelsketten würden „auf dem Rücken der Winzer und Landwirte“ gegeneinander Krieg führen. Und mit dem Blick auf Werbeaktionen im Einzelhandel, meinte der Verbandspräsident: „Wir hätten auch gerne Fair-Play-Konditionen.“ Der für den Weinbau zuständige Landesminister Alexander Bonde (Grüne), sagte in Offenburg, dass der Weinbau maßgeblich zum guten Ruf Baden-Württembergs als „Genießerland“ beitrage. Die Weinbaubetriebe hätten trotz des harten Wettbewerbs sehr gute Perspektiven. Er erinnerte daran, dass es Winzern, Verbänden und der Politik gelungen sei, die von Brüssel ursprünglich geplante totale Liberalisierung des Rebanbaus zu verhindern. Schneider bestätigte dem Minister eine gute Zusammenarbeit.

An den Stalltüren reklamieren Schilder für einen fairen Milchpreis: „40 Cent – Nie wieder weniger!“ 48 Cent erhält die Familie Schwär für einen Liter Biomilch, doch auch damit sind die Produktionskosten nicht gedeckt. Das Höfesterben betrifft ganz Deutschland, vor allem auch Baden-Württemberg. Gab es dort vor 15 Jahren noch 61 000 Höfe, sind es heute noch rund 42 000. Potenzielle Nachfolger fliehen in die Stadt, nur sieben Prozent der Bauern sind jünger als 35 Jahre. Doch Andreas ist gut gelaunt an diesem Freitagnachmittag. Der 24-Jährige hat kurzes, dunkelblondes Haar. Wenn er lächelt, ziehen kleine Falten an den Augen nach hinten. In seinem Kinn liegt ein tiefes Grübchen. Vor dem Haus bringt er den Traktor zum Stehen und hüpft lässig hinab. Hier wird er bleiben. Wenn alles gut geht, für immer. Er war gerade zwanzig, als in der Familie die Frage aufkam, wer den Hof übernehmen wird. „Ja, ich tät en scho’ übernehme“, hat Andreas damals gesagt und sich damit entschieden, der 21. Bauer des Steinbachhofs zu werden. „Ich fühle mich halt verantwortlich für den Hof“, sagt er trocken. Man stelle sich vor, es würde schiefgehen, ein anderer würde es vermasseln. 400 Jahre Tradition vermasseln. Da macht er es lieber selber. Außerdem sei er gern sein eigener Chef. Aber noch ist es nicht so weit. Noch arbeitet Andreas vier Tage die Woche als Landmaschinenmechaniker, kommt dann nach Hause, isst zu Abend und geht in den Stall. Am Freitag ist Hoftag, da macht Andreas, was gemacht werden muss. Zum Beispiel in den Wald gehen. Seine Familie bewirtschaftet hier oben 30 Hektar. In Andreas Schwär

FOTO: SAMANTA

Begabteste“, ist Julian überzeugt. „Julian ist halt mehr der Kopfmensch“, sagt auch die Mutter. Im Flur hängt die Familienchronik der letzten zweihundert Jahre, am untersten Ende ist noch ein Platz frei. Bei seinen Freunden heißt Andreas „der Steinbach“, wie jeder nach dem Hof benannt wird, auf dem er aufgewachsen ist. Der Hof als Erkennungsmerkmal und Ordnungsprinzip. Er gibt Andreas das, was die Stadt nicht vermag: Geborgenheit. Gleichzeitig findet er hier seine Freiheit, in der Hügellandschaft von St. Märgen. Selbst die nahegelegene Stadt Freiburg interessiert ihn nicht. „Die ganzen Regeln, und wenn du mal laut bist, kommt ein Securitymann“, sagt Andreas. Klar, Urlaub mache er schon. „Mallorca oder Südtirol.“ Aber die letzten Jahre hat er die Ferien auf dem Hof verbracht. Die Arbeit geht schließlich nie aus. Das Zimmer von Andreas ist nur durch eine Wand vom Stall getrennt. In der Nacht hört er das Poltern der Kühe, oder hört es eben nicht, weil schon längst daran gewöhnt. Vorderwälderrinder, die alte Sorte aus dem Schwarzwald, an die dreißig Stück. Auf seinem Schreibtisch liegen Sachbücher über Milchkühe und Traktoren und ein Roman mit dem Titel „Der Güllelochmord“. An der Wand prangen Erinnerungen an die Fasnacht, an die Viehschau und an Schleppertreffen. Dabei scheut er keine neuen Herausforderungen: Bei den Jostäler-Freilichtspielen im vergangenen Sommer hat er in dem Stück „Die treue Theresia – eine Hinterzartener Bäuerin kämpft um ihren Hof“ die männliche Hauptrolle ergattert. Ohne jegliche Schauspielerfahrung. Als Lorenz Kapp wälzte er dort die großen Fragen des Lebens: Was bedeutet Freiheit? Welchen Wert hat Treue? Im echten Leben weiß Andreas die Antworten darauf längst: Er will Hof, Frau und Kinder. Dass er nun eine feste Freundin hat, bestärkt ihn. Das sei nicht leicht gewesen. „Ein Hof schreckt ab“, weiß der junge Mann. Seine Eltern hätten schließlich auch früh geheiratet. Andreas hat ein klares Ziel vor Augen. „Mindestens drei SIEGFRIED Kinder möchte ich schon.“

Weinbaufläche in Ortenau und Markgräflerland nimmt zu Peter Wohlfarth, der Geschäftsführer des Badischen Weinbauverbandes, wies in seinem Rechenschaftsbericht darauf hin, dass die Zahl der Verbandsmitglieder seit Jahren sinke, die Rebanbaufläche in Baden in den vergangenen 20 Jahren jedoch stabil geblieben sei. Je nach Region gab es jedoch deutliche Verschiebungen. Im Kaiserstuhl, Breisgau und vor allem in Nordbaden sind die Weinbauflächen zurückgegangen. Am Bodensee, im Markgräflerland und in der Ortenau sind sie dagegen gewachsen.

Festnahme im Klassenraum In Emmendingen ist ein Drogenring aufgeflogen – in einer Schule EMMENDINGEN (dpa/BZ). Festnahme im Klassenzimmer: In einer Schule im Landkreis Emmendingen haben Polizeibeamte einen 18-Jährigen festgenommen. Der Schüler habe in den vergangenen eineinhalb Jahren unter Mitschülern und Bekannten einen Drogenring aufgebaut, teilte die Polizei am Freitag mit. So habe er sich Marihuana im Kilobereich besorgt und dieses an seine mindestens 13 Zwischenhändler auf Kommissionsbasis sowie an mindestens vier Stammkunden weiterverkauft. Gegen den 18-Jährigen wurde Haftbefehl erlassen. Er sitzt

eineinhalb Jahren hat er den Meister in der Tasche, dann kann es losgehen. Sein Vater, Wendelin Schwär, will ihm anfangs noch helfen, die Hauptverantwortung aber bald abgeben. „Man muss den Hof auch in junge Hände geben können“, sagt der 52-Jährige. Ein schlanker Mann mit wachen Augen und sicher nicht der autoritäre Vater, der dem Sohn ein Brauchtum aufzwingen will. Ratschläge seien etwas Übergestülptes, eigene Erfahrungen die besten Wegweiser. Dann fügt er hinzu: „Klar, Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit, das würde ich dem Andreas schon mitgeben wollen.“ Zum Mittagessen gibt es Bachemoggä – eine Art Kaiserschmarrn. Etwas Süßes, wie immer am Freitag, wenn die Schwärs auf Fleisch verzichten. Andreas faltet seine kräftigen Hände und untermauert mit seiner Bassstimme das Tischgebet. „Amen“, er bekreuzigt sich schnell und schöpft sich sogleich das Essen. Im Handumdrehen verschlingt er zwei Teller. Von dem Herrgottswinkel in der Küche blickt Jesus auf den Tisch. Ihm gegenüber speist Bruder Julian, 18 Jahre. Er sieht Andreas ähnlich, doch trägt er das Haar länger, ist schlaksiger und seine Hände sind zierlicher. Enttäuscht, dass der größere Bruder den Hof bekommt, ist er nicht. „Er ist schon der

mittlerweile in Untersuchungshaft. Er soll nicht nur mit Drogen gehandelt, sondern auch selbst konsumiert haben. Bei den Abnehmern handele es sich um Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 Jahren und 30 Jahren. Auch gegen sie wird ermittelt. Vor der Festnahme hatte die Polizei den Angaben zufolge 18 Wohnungen, überwiegend im Landkreis Emmendingen, durchsucht. Dabei sei umfangreich Beweismaterial gefunden und beschlagnahmt worden, darunter Verpackungsmaterial und Kleinmengen von Marihuana.

Kein braver Genosse

Vater stirbt vor Augen des Sohnes beim Baumfällen

Zum Tod des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Peter Conradi

STEGEN (BZ). Bei Baumfällarbeiten ist am Freitag ein 65 Jahre alter Mann in Attental bei Stegen ums Leben gekommen. Der Mann wurde von einem Baum erschlagen und starb vor den Augen seines 40-jährigen Sohnes noch am Unglücksort. Die Kriminalpolizei ermittelt. Hinweise für ein Fremdverschulden liegen nach derzeitigem Stand nicht vor. Die Baustelle war ordnungsgemäß abgesichert. Beim Fällen dürfte dem Baum jedoch die Krone abgebrochen sein.

STUTTGART (wie). Unter den streitbaren Genossen war Peter Conradi, der langjährige Stuttgarter Bundestagsabgeordnete, wohl der streitbarste. So konziliant der Sozialdemokrat, der nach kurzer schwerer Krankheit am Freitag mit 83 Jahren verstorben ist, im persönlichen Umgang war, so widerborstig gab er sich, wenn er von seiner Sache überzeugt war. Der gebürtige Westfale, der nach seinem Architekturstudium in Stuttgart blieb, wo er es bis zum Leiter des staatlichen Hochbauamts brachte, legte sich früh und meist intensiv mit seiner Partei an. So gehörte Conradi 1968 zu jenen linken „Rotkehl-

Peter Conradi

FOTO: DPA

chen“, die nach hohen SPD-Wahlverlusten auf dem Kehler Landesparteitag ein Nein zur Fortsetzung der Großen Koalition im Land durchdrückten. Die Fraktion entschied anders, was SPD-Wähler 1972 zwar mit einem stattlichen Stimmenzuwachs quittierten, doch die CDU konnte allein regieren. Die jungen Widerständler in der Südwest-SPD, neben Conradi unter anderem Herta Däubler-Gmelin, Horst Ehmke, Volker Hauff, Freiburgs ehemaliger Oberbürgermeister Rolf Böhme und Harald B. Schäfer, schlossen sich zum Tübinger Kreis zusammen und wurden über lange Zeit einflussreiche Funktions- und Mandatsträger. Von 1972 bis 1998 gehörte Conradi dem Bundestag an. Beim Versuch, 1974 OB von Stuttgart zu werden, unterlag er Manfred Rommel (CDU). Auch im Ruhestand haderte Conradi mit den Genossen. Aus Ärger über die „neoliberale“ Wirtschaftspolitik von Rot-Grün in Berlin ließ er 2005 zeitweise seine SPD-Mitgliedschaft ruhen. 2012 empfahl er, den Grünen Fritz Kuhn zum Stuttgarter OB zu wählen, obschon es eine SPD-Kandidatin gab. Conradi zählte bis zuletzt zu den entschiedenen Gegnern des von der SPD unterstützten Bahnprojekts Stuttgart 21.

Kirchenaustritte wegen Flüchtlingsfreundlichkeit STUTTGART (epd). Die Evangelische Landeskirche in Württemberg hat nach Angaben ihres Bischofs Frank Otfried July aufgrund ihrer flüchtlingsfreundlichen Haltung schon Mitglieder verloren. Es gebe Menschen, die nach eigenem Bekunden nicht Mitglied in einer „Flüchtlingskirche“ sein wollten und deshalb austräten, sagte July am Freitag am Rand der Frühjahrssynode. Auf den Kurs der Kirche habe das aber keinen Einfluss. „Wir werden von unserer Linie nicht abgehen“, betonte der Bischof.