Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland

von dem Beratungsunternehmen Consentec GmbH durch- geführt. Be trachtet wurden das Stromsystem in Deutsch- land sowie der marktgetriebene Austausch ...
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Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland Ein Vergleich möglicher Strategien für den Ausbau von Wind- und Solarenergie in Deutschland bis 2033

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Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland Impressum Studie

Begleitkreis

Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland

Wir danken den Mitgliedern des Begleitkreises für ihren Input. Die Verantwortung für die Ergebnisse liegt ausschließlich bei Agora Energiewende und den beteiligten Instituten.

Ein Vergleich möglicher Strategien für den Ausbau von Wind- und Solarenergie in Deutschland bis 2033 Erstellt von Agora Energiewende Rosenstraße 2 | 10178 Berlin Projektleitung: Daniel Fürstenwerth

Im Begleitkreis waren vertreten: ■ B  undesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ■



[email protected]

Redaktion: Nikola Bock





Durchführung der Studie

B  ayerisches Staatsministerium für Umwelt und ­Gesundheit M  inisterium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg M  inisterium für Wirtschaft, Energie, Industrie, ­Mittelstand und Handwerk Nordrhein-Westfalen M  inisterium für Energiewende, Landwirtschaft, ­Umwelt und ländliche Räume Schleswig-Holstein

Consentec GmbH Grüner Weg 1 | 52070 Aachen Projektkoordination: Dr. Bernd Tersteegen Modellierung der Erzeugung aus Wind- und Solarenergie Fraunhofer IWES | Kassel Königstor 59 | 34119 Kassel Projektkoordination: Dr. Carsten Pape Satz: UKEX GRAPHIC, Ettlingen Korrektorat: Infotext GbR, Berlin Druck: Oktoberdruck, Berlin Titelbild: Eigene Darstellung 014/04-S-2013/DE Veröffentlichung: Mai 2013

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Gedruckt auf 100% Recycling Naturpapier FSC® Circleoffset Premium White

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Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser, die Energiewende muss bezahlbar sein. Beim weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien stellt sich eine Reihe von Fragen, die wichtig sind für die zukünftigen Kosten unseres Stromsystems: ■





 o sollten Wind- und Solaranlagen gebaut werden - eher W an den besten Standorten oder eher in der Nähe der Verbraucher? Muss der Ausbau der Erneuerbaren Energien auf den Ausbau der Netze warten? Was passiert bei einem Durchbruch von Photovoltaikund Batteriesystemen und brauchen wir dann noch Netze?

Diese Fragen hat Agora Energiewende von Consentec mit Unterstützung des Fraunhofer IWES untersuchen lassen.

Betrachtet wurden dafür verschiedene Szenarien bis 2033, ausgehend von dem Leitszenario der Bundesnetzagentur für den Netzentwicklungsplan 2013. Neben den Kosten für den Ausbau der Erneuerbaren Energien wurden auch die Kosten für Netze, Speicher und die konventionelle Stromerzeugung betrachtet. Die Ergebnisse sind höchst spannend und bieten einige auch für Experten überraschende Erkenntnisse. Um eine weitergehende Diskussion zu unterstützen, sind die verwendeten Annahmen auf der Website von Agora Energiewende veröffentlicht. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre! Ihr Rainer Baake Direktor Agora Energiewende

Die Ergebnisse auf einen Blick

1. 2.

Die Politik hat einen großen Handlungsspielraum beim Ausbau von Onshore-Windkraft und ­Photovoltaik. Auf die Kosten des Gesamtsystems hat die regionale Verteilung der Anlagen keinen wesentlichen Einfluss. Beim Ausbau von Offshore-Windkraft kommt es auf die richtige Balance an. Um Technologieentwicklung einerseits und Kostenbegrenzung für die Stromkunden­ ­andererseits zu ermöglichen, sollte der Ausbau fortgeführt werden, allerdings auf einem ­niedrigeren Niveau als bislang vorgesehen.

3.

Der Netzausbau ist eine wichtige Voraussetzung für die Energiewende. Unter reinen Kostengesichtspunkten ist ein um wenige Jahre verzögerter Bau der Trassen des Bundesbedarfsplangesetzes nicht kritisch. Der weitere Ausbau der Erneuerbaren muss auf diese Trassen nicht warten.

4.

Ein starker Fokus auf dezentrale Photovoltaik-Batteriespeicher-Systeme ist aktuell nicht ­erstrebenswert. Erst bei einer Reduktion der Kosten solcher Systeme um 80 Prozent in den nächsten 20 Jahren wäre solch ein Szenario unter Kostengesichtspunkten sinnvoll.

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Inhalt

Teil I: Kurzfassung für Entscheidungsträger (Agora Energiewende)3

1.

Fragestellung und Vorgehen 

4

2.

Ergebnisse 

7

3. Schlussfolgerungen

17

4.

19

Methodik und Annahmen 

Teil II: Endbericht (Consentec)21

1. Szenarienbeschreibung 1.1 Basisszenario 1.2 Beschreibung der optimierten Szenarien 1.3 Sensitivitätsszenario PV-Battery-Breakthrough

23 23 24 31

2. Methodisches Vorgehen, Modelle und ­Verfahren, ­wesentliche Annahmen 2.1 Überblick zum methodischen Vorgehen 2.2 Methodik und Parametrierung der ­Marktsimulation 2.3 Methodik Verteilnetze 2.4 Methodik Übertragungsnetz 2.5 Generierung netzknotenscharfer EE-Einspeisezeitreihen 2.6 Kostenpfade für den EE-Ausbau 2.7 Wesentliche Annahmen zu konventionellen Kraftwerken und Nachfrage

33 33 34 37 40 43 46 47

3. Ergebnisse 49 3.1 Vorbemerkungen zur Ergebnisdarstellung 49 3.2 Ergebnisse der Untersuchung für den ­Betrachtungszeitpunkt 2023 51 3.3 Ergebnisse der Untersuchung für den ­Betrachtungszeitpunkt 2033 59 3.4 Bewertung der Sensitivität PV-Battery-Breakthrough66 4.

Wesentliche Datenquellen

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Teil I: Kurzfassung für Entscheidungsträger

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Agora Energiewende | Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland

1. Fragestellung und Vorgehen Sollten Windkraft- und Solaranlagen in ­Zukunft eher an den Standorten mit den ­besten Wind- beziehungsweise Sonnenverhältnissen oder eher bei den Verbrauchs­ zentren gebaut werden? Diese Frage wird in der aktuellen Diskussion um den wei­ teren Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE) in Deutschland kontrovers diskutiert. Es gibt zwei unterschiedliche Sicht­weisen: Die eine Seite argumentiert, Windkraft- und Solaranlagen sollten an den jeweils besten Standorten gebaut werden, das heißt Windkraftanlagen in Norddeutschland und Solaranlagen im Süden, da dort Strom zu den geringsten Kosten produziert werden könne. Die an­dere Seite hält dagegen, der Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen sollte verteilt in ganz Deutschland erfolgen mit Schwerpunkt in der Nähe der Verbrauchszentren, da dies zu Einsparungen bei den Netzen und Speichern führe. Eine fundierte, gesamthafte Betrachtung wurde bislang nicht getätigt.

Entscheidend sind die Kosten des gesamten Stromsystems, also die Kosten der Erneuer­ baren Energien, die Kosten der Stromnetze und die Effekte auf das restliche Stromsystem Um die eingangs gestellte Frage beantworten zu können, hat Agora Energiewende die Auswirkungen unterschiedlicher Optimierungsstrategien auf die Kosten des Stromsystems untersuchen lassen. Neben den Kosten für die Stromerzeu­gung wurden die Kosten für Übertragungs- und Verteilnetze sowie die indirekten Effekte auf den residualen Kraft­werkspark betrachtet. Die Untersuchungen wurden von dem Beratungsunternehmen Consentec GmbH durchgeführt. Be­trachtet wurden das Stromsystem in Deutschland sowie der marktgetriebene Austausch mit dem benachbarten Ausland. Die zeitlich und räumlich detaillierte Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie wurde vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystem-

technik (Fraunhofer IWES) auf Basis historischer Wetter­ daten modelliert.

Ausgangspunkt der Studie ist das Leitsze­ nario der Bundesnetzagentur für den Netzentwicklungsplan 2013, das mit optimierten Szenarien verglichen wurde Der Ausgangspunkt der Studie ist der von der Bundesnetzagentur genehmigte Szenariorahmen für den Netzentwicklungsplan 2013. Das Basisszenario enthält daher die Festlegungen der Bundesnetzagentur zu dem Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen in den Jahren 2023 und 2033 aus dem Leitszenario des Netzentwick­lungsplans. Davon ausgehend wurden zwei alternative Szenarien betrachtet: eine eher „verbrauchsnahe Erzeu­gung“ und ein stärker an den „besten Standorten“ orientier­ter Ausbau. Die Summe des aus Erneuerbaren Energien produzierten Stroms in Terawattstunden (TWh, vor Abregelungen) ist dabei in allen betrachteten Szenarien gleich, wozu je nach Technologie und Standort in den Szenarien eine unterschiedliche Anzahl von Anlagen ausgebaut werden muss. Um realistische Optimierungsszenarien und nicht theoretische Extremszenarien zu berechnen, wurde sowohl bei der Photovoltaik als auch bei der Offshore-Windkraft ein Mindestausbau angenommen.1 Das Szenario „verbrauchsnahe Erzeugung“ hat im Vergleich zum Basisszenario deutlich weniger Strom aus Offshore-Windkraft, da dieser fern von den Verbrauchszentren pro­duziert wird. Dieser Strom wird durch OnshoreWind­kraftanlagen ersetzt. Zudem findet der Ausbau von Wind­kraft- und Photovoltaikanlagen stärker verteilt in ganz Deutschland statt, während das dem Netzentwicklungsplan zugrunde liegende Szenario eine Konzentration von Wind­kraft im Norden und Photovoltaik im Süden enthält. 1 Für Photovoltaik mindestens 52 GW in den Jahren 2023 und 2033, für Offshore-Windkraft 5 GW im Jahr 2023, 9 GW im Jahr 2033

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Studie | Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland

Stromerzeugung aus Wind- und Solarenergie im Jahr 2023

Abbildung 1.1

in TWh Ausgangspunkt

58 63 123

optimierte Ausbaupfade

Realistische Optimierung

30

64

54

160

160

Onshore-Windkraft

>F  okus auf Onshore-Windkraft (kostengünstigste Technologie) > Mindestausbau von PV und Offshore-Windkraft

Leitszenario Netzentwicklungsplan

21

verteilt in ganz Deutschland „verbrauchsnahe Erzeugung“

Photovoltaik Offshore-Windkraft

an besten Standorten

„beste Standorte“

Eigene Darstellung

Das Szenario „beste Standorte“ fokussiert auf die günstigste erzeugbare Kilowattstunde aus Erneuerbaren Energien. Dementsprechend wird die erzeugte Strommenge aus Offshore-Windkraft- und Photovoltaikanlagen im Ver­ gleich zum Basisszenario reduziert und durch die günstigste Technologie, also Onshore-Windkraft, ersetzt. Der Zubau von zusätzlichen Windkraftanlagen konzentriert sich dabei auf die besten Standorte, das heißt vor allem Windkraft im Norden.

Muss der Ausbau der Erneuerbaren Energien auf den Ausbau der Netze warten? In Zeiten von viel Wind werden in manchen Gegenden Norddeutschlands bereits heute Windkraftanlagen abgeregelt, weil nicht genug Netzkapazitäten zur Verfügung stehen. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Verzöge­ rungen beim Netzausbau Auswirkungen auf die Kosten der Stromerzeugung insgesamt haben, wurde bislang nicht systematisch untersucht. Die vorliegende Studie geht dieser Frage nach, insbesondere um herauszufinden, ob eine Ver­zögerung beim Netzausbau einen Einfluss auf die Vorteil­haftigkeit des einen oder anderen optimierten Ausbaupfa­des hat. Dazu wurden Kosten des Stromsystems in den op­timierten Ausbaupfaden in jeweils zwei Varian-

ten berech­net: Einerseits unter der Annahme eines um etwa zehn Jahre verzögerten Netzausbaus,2 andererseits unter der Annahme eines an den jeweiligen Erneuerbare-EnergienAusbau angepassten, schnellen und vollständigen Netzausbaus. Verglichen werden diese Szenarien jeweils mit dem Basis­szenario, dem die Festlegungen der Bundesnetzagentur zugrunde liegen und bei dem angenommen wird, dass sich der Netzausbau um etwa zehn Jahre verzögert.3

Was passiert bei einem massiven Ausbau von Solar- und Batteriesystemen für den ­Eigenverbrauch? Bereits heute liegen die Vergütungssätze des ErneuerbareEnergien-Gesetzes für neue Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) weit unter dem Strompreis für Haushaltskunden. Die 2 Dabei wurde angenommen, dass das Startnetz aus dem Netzent­ wicklungsplan (das heißt im Wesentlichen die Trassen des gel­tenden Energieleitungsausbaugesetzes) erst bis 2023 und die Maßnahmen, die im Bundesbedarfsplangesetz bis 2022 vorgesehen sind, erst 2033 realisiert werden. 3 Ein Szenario „Ausbau Erneuerbare Energien und Netze gemäß Leitszenario der Bundesnetzagentur“ wurde nicht untersucht, da dies derzeit von den Übertragungsnetzbetreibern erstellt wird und insofern eine unnötige Dopplung dargestellt hätte.

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Agora Energiewende | Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland

Differenz resultiert aus gesparten Umlagen, Abgaben und Steuern. Dadurch ist es finanziell vorteilhaft, den in PVAnlagen produzierten Strom selbst zu nutzen. Ein Problem stellt die Ungleichzeitigkeit von Stromproduktion und –verbrauch dar. Durch den Einsatz von dezentralen Speichern ließe sich der Eigenverbrauch erhöhen. Die technischen und ökonomischen Effekte eines massiven Ausbaus von Solarund Batteriesystemen in Deutschland wurden bislang nicht untersucht. In dieser Studie wurde deshalb eine zusätzliche Sensitivität betrachtet: ein Ausbau von 150 GW Photovoltaikanlagen mit 40 GW Batteriesystemen bis zum Jahr 2033. Der Fokus dieser zusätzlichen Untersuchung lag dabei nicht auf den Gesamtkosten des Stromsystems, die in einem solchen PVBattery-Breakthrough-Szenario reine Spekulation wären. Vielmehr wurde hier die Frage gestellt, wie stark die Kosten solcher Systeme sinken müssten, damit die Gesamtkosten der Stromversorgung mit denen der anderen Szenarien vergleichbar werden.

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Studie | Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland

2. Ergebnisse Jährliche Gesamtkosten und Einsparungen gegenüber dem Basisszenario im Jahr 2023

Abbildung 2.1

in Mrd. € Basis

„verbrauchsnahe Erzeugung”

„beste Standorte“

verzögert

verzögert

verzögert

schnell

EE-Ausbaupfad schnell

81

Annahmen zu Netzausbau

circa 2 bis 2,5 Mrd. € Einsparungen pro Jahr -2,4

-1,9

-2,4

-2,4

Eigene Darstellung

1. Im Jahr 2023 können durch einen optimierten Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen in Deutschland rund zwei Milliarden Euro pro Jahr eingespart werden Die gesamten Kosten der Stromerzeugung sind in den optimierten Ausbaupfaden in allen betrachteten Szenarien erheblich geringer als in dem Basisszenario4. Die jährlichen Einsparungen im Jahr 2023 variieren je nach Szenario zwischen 1,9 und 2,4 Milliarden Euro. Darin sind die Unterschiede in den Kosten für den Ausbau der Erneuerbaren Energien, der Übertragungs- und Verteilnetze sowie für den unterschiedlichen Einsatz der residualen Kraftwerke enthalten.5

4 Als Basisszenario wurde hier der Ausbau der Erneuerbaren Energien gemäß dem Leitszenario des Netzentwicklungsplans unter Annahme eines verzögerten Netzausbaus angenommen. 5 Bezogen auf die gesamten Kosten der Stromerzeugung im Jahr

Insbesondere die Verlagerung des Ausbaus von Windkraftanlagen auf dem Meer hin zu Windkraftanlagen an Land spart Kosten Der wesentliche Effekt bei der Kostenreduktion sind die geringeren Investitionskosten der erneuerbaren Technologien (minus 1,9 bis minus 2,4 Milliarden Euro, in Abbildung 2.2 mit „A“ gekennzeichnet). Aufgrund der hohen Annahmen für die installierte Leistung bei der Offshore-Windkraft im Leitszenario des Netzentwicklungsplans (14 GW gegenüber heute 0,3 GW) gibt es hier erhebliche Optimierungspotenziale. In den beiden optimierten Ausbaupfaden werden wesentliche Anteile der Stromproduktion aus Offshore-Windkraft durch OnshoreWindkraft ersetzt. Dazu müssen zwar aufgrund der gerin2023 entspricht dies einer Einsparung von zwei bis drei Prozent. Die gesamten Kosten der Stromerzeugung im Basisszenario im Jahr 2023 werden auf etwa 81 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.

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Agora Energiewende | Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland

Kostenvergleich aller Differenzkosten der Szenarien

Abbildung 2.2

in Mrd. € Basis

„verbrauchsnahe Erzeugung”

„beste Standorte“

verz.

verzögert

verzögert

schnell

EE-Ausbaupfad schnell

81

Annahmen zu Netzausbau

A

Investitionskosten Windkraft und PV

80

79

78

B

Verteilnetz

jährliche Gesamtsystemkosten im Basisszenario

resultierend Einsparung

EE-Ausbau inkl. Offshore-Netz

residuale Erzeugung

Verteilnetz

C

Residuale Erzeugung

D

Übertragungsnetz

Übertragungsnetz

Eigene Darstellung

geren Strommenge je installierter Leistung (Volllaststunden) mengenmäßig mehr Windkraftanlagen an Land gebaut werden, durch die großen Unterschiede bei den Investitionskosten (je GW) ergibt sich jedoch in Summe eine erhebliche Kostenersparnis.6 Demgegenüber ist der Unterschied in

Der Einfluss der indirekten Effekte von verschiedenen Ausbaupfaden der Erneuerbaren Energien auf die Kosten des restlichen Stromsystems ist im Verhältnis zu den Unterschieden in den Ausbaukosten der Erneuerbaren gering.

den Ausbaukosten zwischen Windkraftanlagen im Norden und Windkraftanlagen im Binnenland (im Binnenland mehr installierte Leistung für gleiche Stromproduktion erforderlich) gering.

Die drei wesentlichen indirekten Effekte wurden im Detail untersucht:

Die indirekten Effekte auf das restliche Stromsystem haben 2023 einen relativ geringen Einfluss auf die Ergebnisse der Optimierung

6 Die Ergebnisse legen nahe, dass ein ähnliches Ergebnis bei dem Ersatz von Stromerzeugung aus Photovoltaikanlagen durch Onshore-Windkraft zu erwarten wäre. Aufgrund der relativ ge­ ringen Differenz zwischen den Annahmen zum Ausbau von Pho­tovoltaik im Leitszenario (61 GW gegenüber circa 32 GW heute) gegenüber dem angenommenen Mindestausbau von 52 GW ergeben sich hier jedoch kaum Optimierungspotenziale.

→→ Durch den Anschluss an unterschiedlichen Netzebenen ändern sich die Ausbaukosten im Verteilnetz (circa minus 0,1 Milliarden Euro, in Abbildung 2.2 mit „B“ gekennzeichnet). →→ Durch die Unterschiede in der zeitlichen Einspeisung in Abhängigkeit von Technologie und Standort (gleichmäßigere Einspeisung von Offshore-Windenergie, lastprofilnähere Einspeisung von Strom aus Photovoltaik, zeitlich versetzte Einspeisung von Windenergie im Süden) sowie durch den unterschiedlichen Ausbau der Übertragungsnetze ändern sich die Kosten der residualen Stromerzeugung, inklusive für den Ersatz von abgeregelten Strom-

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mengen (circa minus 0,6 bis plus 0,2 Milliarden Euro, in der Abbildung 2.2 mit „C“ gekennzeichnet). →→ In den Szenarien mit schnellem und vollständigem Netzausbau kommen gegenüber den Szenarien mit verzögertem Netzausbau Kosten für die Übertragungsnetze hinzu (circa plus 0,7 Milliarden Euro, in der Abbildung 2.2 mit „D“ gekennzeichnet).

2. Eine Optimierung hin zu einer eher „verbrauchsnahen Erzeugung“ führt in etwa zu den gleichen Einsparungen wie eine Optimierung hin zu den „besten Standorten“ Die beiden untersuchten Optimierungsstrategien führen zu etwa gleichen Kostenreduktionen gegenüber dem Basisszenario. Bei einer Optimierung hin zu den „besten Standorten“ können dabei etwa 0,1 Milliarden Euro pro Jahr mehr gespart werden als bei einer eher „verbrauchsnahen Erzeugung“. Der detaillierte Vergleich der Kosten der beiden Aus-

baupfade zeigt, dass sich dabei zwei gegenläufige Effekte in etwa ausgleichen: Die Kosten für den Ausbau der Erneuerbaren Energien sind im Ausbaupfad „beste Standorte“ etwas geringer, die indirekten Kosten dafür etwas höher als bei der „verbrauchsnahen Erzeugung“. Die Kosten für den Ausbau der Erneuerbaren Energien sind im Szenario „beste Standorte“ etwas geringer Die geringeren Kosten für den Ausbau der Erneuerbaren Energien in dem Ausbaupfad „beste Standorte“ sind vor allem dadurch bedingt, dass weniger Windkraftanlagen an Land gebaut werden müssen, um die gleiche Menge an Strom zu produzieren: Zusätzliche Windkraftanlagen werden an windreichen Standorten im Norden gebaut und eine einzelne Anlage produziert mehr Strom als eine einzelne Anlage im Süden (höhere Volllaststunden). Um die gleiche Menge an Strom zu erzielen, müssen im Ausbaupfad „verbrauchsnahe Erzeugung“ hingegen etwas

Jährliche Mehrkosten/Einsparungen im Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen im Jahr 2023

Abbildung 2.3

in Mrd. €/a „verbrauchsnahe Erzeugung”

2,0

0,1

„beste Standorte“

EE-Ausbaupfad

-4,2

Mehrkosten ggü. Basis­ szenario

Einsparungen ggü. Basis­­­­­ szenario

1,6

-1,0

OnshoreWindkraft

PV

-1,9 OnshoreWindkraft

PV

OffshoreWindkraft inkl. Netz

gesamt

-3,1

-2,5

OffshoreWindkraft inkl. Netz

gesamt

Eigene Darstellung

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Agora Energiewende | Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland

Notwendige Abregelung im Jahr 2023

Abbildung 2.4

in TWh Basis

verzögert

„verbrauchsnahe Erzeugung”

verzögert

schnell und vollständig

„beste Standorte“

verzögert

EE-Ausbaupfad

schnell und vollständig

Annahmen zu Netzausbau

14,1 10,2

2,9

2,5

2,3

Eigene Darstellung

mehr und teurere Windkraftanlagen im Binnenland zugebaut werden (circa 20 Prozent höhere zusätzlich installierte Leistung). Hinzu kommen zusätzliche Kosten je Anlage, da an sogenannten Schwachwindstandorten anders ausgelegte Anlagen zum Einsatz kommen (höhere Masten und größere Rotoren pro installiertem GW Leistung). Darüber hinaus spiegelt sich der unterschiedliche Beitrag von Photovoltaik (elf GW mehr bei „verbrauchsnaher Erzeugung“) und Offshore-Windkraft (2,3 GW mehr bei „beste Standorte“) auch in den jeweiligen Investitionskosten wider. Da bei diesen beiden Technologien jedoch die Stromerzeugungskosten, das heißt die Investitions- und Betriebskosten für die Erzeugung einer bestimmten Menge an Strom, sehr ähnlich sind, hat diese Verlagerung keine relevanten Auswirkungen auf die Ausbaukosten. Vorteile der „verbrauchsnahen Erzeugung“ (insbesondere vermiedene Kosten für die Abregelung von Erneuerbaren Energien) wiegen die höheren Kosten für den verteilten EE-Ausbau fast auf Im Ausbaupfad „verbrauchsnahe Erzeugung“ wird die Stromerzeugung aus Windkraftanlagen auf dem Meer im

Wesentlichen durch Stromerzeugung aus Windkraftanlagen im Binnenland ersetzt und durch einen größeren Anteil an Photovoltaik ergänzt (im Vergleich zu dem Ausbaupfad „beste Standorte“ werden zehn TWh mehr Photovoltaik und zehn TWh weniger Offshore-Windenergie erzeugt). Die Verteilung der Windkraftanlagen in ganz Deutschland und der höhere Anteil an Photovoltaik führen zu einem „Portfolioeffekt“: Die Einspeisung erfolgt räumlich und zeitlich diversifiziert und damit in Summe weit stetiger. Das erleichtert die Integration in das Stromsystem, und die Abregelung von Erneuerbaren Energien wird vermieden. Während im Basisszenario (mit verzögertem Netzausbau) etwa zehn TWh Erzeugung abgeregelt werden, werden hier nur zwei bis drei TWh Erzeugung abgeregelt, selbst bei einem verzögerten Netzausbau.7 Die Kosten für die residuale Erzeugung sinken gegenüber dem Basisszenario um 0,35 Milliarden Euro pro Jahr (bei 7 Die verbleibende Abregelung von 2,5 bis 3,0 TWh ist im Wesentlichen bedingt durch den angenommenen kosteneffizienten Ausbau der Verteilnetze. Dabei wurde ein Kostenoptimum zwischen Abregelung der Erneuerbaren Energien und Ausbau des Verteilnetzes grob ermittelt.

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verzögertem Netzausbau) bis zu 0,6 Milliarden Euro pro Jahr (bei schnellem und vollständigem Netzausbau).

nario bereits angenommenen erheblichen Menge an Windkraftanlagen im Norden.

In dem Ausbaupfad „beste Standorte“ werden im Vergleich zu dem Ausbaupfad „verbrauchsnahe Erzeugung“ die zusätzlichen Windkraftanlagen an Land nicht im Süden, sondern im Norden hinzugefügt. Zudem wird im Vergleich zum Ausbaupfad „verbrauchsnahe Erzeugung“ etwas mehr Strom aus Windkraftanlagen auf dem Meer (plus zehn TWh) und weniger Strom aus Photovoltaik (minus zehn TWh) erzeugt (vgl. Abbildung 1.1).

Dadurch kommt es hier bei einem verzögerten Netzausbau zu erheblichen Abregelungen in der Höhe von circa 14 TWh (vier TWh mehr als im Basisszenario) und zu entsprechenden Mehrkosten in der residualen Stromerzeugung (um die abgeregelten Strommengen zu ersetzen). Die Abregelungen und die damit verbundenen Mehrkosten können durch schnellen und vollständigen Netzausbau vermieden werden, was in dem hier betrachteten Szenario in Summe zu ähnlichen Gesamtkosten führt.

Durch die Verlagerung der Windkraftanlagen vom Meer auf die Küste wird der Strom zwar weiterhin im Norden, allerdings mit einem weniger stetigen Erzeugungsprofil erzeugt (circa 2.600 bis 2.900 Volllaststunden bei Windkraftanlagen an Land im Vergleich zu circa 4.100 Volllaststunden bei Windkraftanlagen auf dem Meer). Zudem erzeugen diese Anlagen Strom weitgehend zeitgleich mit der im Basissze-

3. Während der Ausbau der Netze lang­fristig wichtig ist, ist ein verzögerter Netzausbau bei alleiniger Betrachtung der Kosten bis 2023 nicht kritisch

Einsparungen und Mehrkosten bei schnellem Netzausbau im Jahr 2023

Abbildung 2.5

in Mrd. €/a Basis

„beste Standorte“

verz.

verzögert

EE-Ausbaupfad Annahmen zu Netzausbau

schnell

81 > Einsparungen in der residualen Erzeugung (-0,57 Mrd. €/a ggü. Basisszenario, -0,77 Mrd. €/a ggü. verzögertem Netzausbau) > Mehrkosten für Übertragungsnetze (+0,74 Mrd. €/a ggü. verzögertem Netzausbau)

80

79

78

+0,2

0

-0,57

+0,74

jährliche Gesamtsystemkosten im Basisszenario EE-Ausbau inkl. Offshore-Netz

> Mehrkosten für residuale Erzeugung (inkl. ­Ersatz für 14 TWh abgeregelte Windenergie, 4 TWh mehr als im Basisszenario) > keine Mehrkosten für Übertragungsnetze

Verteilnetz residuale Erzeugung Übertragungsnetz

Eigene Darstellung

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Agora Energiewende | Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland

Die Betrachtung der einzelnen Kostenblöcke in dem Ausbaupfad „beste Standorte“ zeigt die Auswirkungen von einem verzögerten Ausbau der Übertragungsnetze auf die Kosten der Stromerzeugung. Bei einer Verzögerung um etwa zehn Jahre (für 2023 wird lediglich das Startnetz des Netzentwicklungsplans als realisiert angenommen) kommt es zu erheblicher Abregelung vor allem von Windkraftanlagen im Norden. In Summe werden etwa 14 TWh oder etwa sieben Prozent der möglichen Erzeugung aus Windkraftanlagen nicht in das Stromsystem integriert. Diese verlorenen Strommengen müssen durch fossile Kraftwerke ersetzt werden, was zu einer Kostensteigerung bei der residualen Erzeugung führt. In der Grafik dargestellt sind diese Mehrkosten gegenüber dem Basisszenario (ebenfalls mit verzögertem Netzausbau), in dem eine Abregelung von etwa zehn TWh auftritt. Durch einen schnellen und vollständigen Netzausbau kann fast der gesamte Windstrom integriert werden, das Ausmaß der Abregelung wird auf etwa zwei TWh reduziert. Dadurch sinken im Vergleich zu dem Fall des verzögerten Netzausbaus die Kosten im residualen Erzeugungssystem um 0,8 Milliarden Euro pro Jahr. Erkauft wird diese Reduktion der Abregelungskosten jedoch durch den Ausbau des Übertragungsnetzes, der etwa 0,7 Milliarden Euro pro Jahr an Mehrkosten verursacht.8 Je verteilter der Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen in Deutschland, desto später treten erhebliche Abregelungs-Strommengen auf und entsprechend später wird ein voll ausgebautes Netz benötigt Bei einem eher an der „verbrauchsnahen Erzeugung“ orientierten Ausbau der Erneuerbaren führen die hier getroffenen Annahmen zum verzögerten Netzausbau im Jahr 2023 sogar zu geringeren Gesamtkosten als in dem Fall des schnellen und vollständigen Netzausbaus. Die Kombination 8 In diesem Vergleich der harten Kosten nicht betrachtet sind Aspekte, die sich in ihrem monetären Wert kaum quantifizieren lassen, wie Maßnahmen zur Änderung der Betriebsführung und Einsatzsteuerung, um das Stromsystem trotz unvollständigem Netzausbau sicher betreiben zu können.

eines in ganz Deutschland verteilten Ausbaus von Windkraft- und Solaranlagen mit der Realisierung der Maßnahmen des Startnetzes des Netzentwicklungsplans bis 2023 reichen hier bereits aus, um größere Mengen an Abregelung zu vermeiden. Ein schneller und vollständiger Netzausbau ermöglicht in diesem Szenario zwar einen kosteneffizienteren Einsatz des residualen Kraftwerksparks und führt dadurch zu geringeren residualen Erzeugungskosten (minus 0,25 Milliarden Euro pro Jahr). Dem stehen jedoch die Kosten für den Netzausbau gegenüber, die im betrachteten Jahr 2023 die Einsparungen durch Netzausbau übertreffen (plus 0,7 Milliarden Euro pro Jahr).9

4. D  ie wesentlichen Ergebnisse haben auch im Jahr 2033 Bestand Ausgehend von dem Leitszenario des Netzentwicklungsplans wurden für 2033 mit der gleichen Logik wie für das Jahr 2023 die optimierten Erneuerbare-Energien-Ausbaupfade untersucht Neben den Untersuchungen für 2023 wurde auch das Jahr 2033 betrachtet. Die Gestaltung der Szenarien folgt der gleichen Logik wie der für 2023. Entsprechend der Annahmen aus dem Leitszenario des Netzentwicklungsplans für 2033 sind die Mengen des aus Windkraft- und Solaranlagen erzeugten Stroms jedoch höher. In den Szenarien mit verzögertem Netzausbau wird angenommen, dass die Netzausbauprojekte, die im Bundesbedarfsplan enthalten (und zur Realisierung vor 2022 vorgesehen) sind, zwar verzögert, aber bis 2033 vollständig realisiert werden. Damit ist für diese Szenarien ein verzö9 Dabei ist jedoch zu betonen, dass in der Untersuchung nicht ein kostenoptimales Maß an Netzausbau bestimmt werden konnte (welches vermutlich zwischen den hier betrachteten Szenearien „verzögerter Netzausbau“ und „schneller und vollständiger Netzausbau“ liegt). Außerdem ist zu beachten, dass der Netzausbau stets diskret erfolgen muss, das heißt, bei einer Leitungsüberlastung ist der gleiche Netzausbau erforderlich, unabhängig davon, ob die Leitung nur gelegentlich und moderat oder häufig und stark überlastet ist. Im ersteren Fall besitzt das Netz nach dem Ausbau mehr „Luft nach oben“ als im letzteren Fall.

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Studie | Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland

Stromerzeugung aus Wind- und Solarenergie im Jahr 2033

Abbildung 2.6

in TWh Ausgangspunkt

104 67 190

Leitszenario Netzentwicklungsplan

optimierte Ausbaupfade

Realistische Optimierung

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>F  okus auf Onshore-Windkraft (kostengünstigste Technologie) > Mindestausbau von PV und Offshore-Windkraft

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54

Onshore-Windkraft Photovoltaik Offshore-Windkraft

250

250

verteilt in ganz Deutschland

an besten Standorten

„verbrauchsnahe Erzeugung“

„beste Standorte“

Eigene Darstellung

gerter, aber dennoch signifikanter Netzausbau unterstellt, der – wie die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen – bereits eine wichtige Anpassung der Netze auf die neue Erzeugungssituation darstellt. In den Szenarien mit „schnellem und vollständigem“ Netzausbau wurde in den optimierten Ausbaupfaden jeweils ein weiterer, angepasster Netzausbau unterstellt. Im Jahr 2033 können durch einen optimierten Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen in Deutschland drei bis vier Milliarden Euro pro Jahr eingespart werden Die Ergebnisse der Untersuchungen für das Jahr 2033 spiegeln die oben dargestellten Ergebnisse für 2023 wider. Aufgrund des steigenden Beitrags der Wind- und Solarenergie an der Stromerzeugung (in allen Ausbaupfaden in Summe 361 TWh im Jahr 2033 gegenüber 244 TWh im Jahr 2023) steigen jedoch die Differenzbeträge. Die mögliche Kostenersparnis durch einen optimierten Ausbau der Erneuerbaren beträgt im Jahr 2033 zwischen drei und vier Milliarden Euro pro Jahr. Der wesentliche Treiber dieser Kostenersparnis liegt weiterhin in den Investitionskosten der Erneuerbaren Energien (2,8 bis 3,7 Milliarden Euro pro Jahr), insbesondere der Verlagerung des Zubaus von Windkraftanlagen auf dem

Meer hin zu Windkraftanlagen an Land (im Norden oder im Binnenland). Auch im Jahr 2033 führt eine Optimierung hin zu „verbrauchsnaher Erzeugung“ zu vergleichbaren Einsparungen wie eine Optimierung hin zu den „besten Standorten“ Wie im Jahr 2023 führen die beiden untersuchten Optimierungsstrategien zu ähnlichen Kostenreduktionen. Die Einsparungen in dem Ausbaupfad „beste Standorte“ sind dabei mit 3,4 bis 3,8 Milliarden Euro pro Jahr etwas höher als die Einsparungen in dem Ausbaupfad „verbrauchsnahe Erzeugung“ (jeweils drei Milliarden Euro pro Jahr). Wie im Jahr 2023 liegt der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Ausbaupfaden in den Investitionskosten der Erneuerbaren: Durch die Wahl der verbrauchsnahen Standorte, insbesondere bei Windkraftanlagen, erhöhen sich die Kosten um etwa 0,9 Milliarden Euro pro Jahr gegenüber dem Szenario „beste Standorte“. Dem wirkt der Effekt der räumlich und zeitlich stärker verteilten Einspeisung entgegen. Im Fall eines verzögerten Netzausbaus macht dieser Unterschied, der sich in den Kosten der residualen Erzeugung widerspiegelt, etwa 0,6 Milliarden Euro pro Jahr aus (Vorteil des Szenarios „verbrauchsnahe Erzeugung“ gegenüber „beste Standorte“).

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Jährliche Gesamtkosten und Einsparungen gegenüber dem Basisszenario im Jahr 2033

Abbildung 2.7

in Mrd. € Basis

„verbrauchsnahe Erzeugung”

„beste Standorte“

verzögert

verzögert

verzögert

schnell

EE-Ausbaupfad schnell

84

Annahmen zu Netzausbau

circa 3 bis 4 Mrd. € Einsparungen pro Jahr -3,0

-3,0

-3,4

-3,8

Eigene Darstellung

Anders als im Jahr 2023 ergeben sich jedoch im Vergleich zu dem Ausbaupfad „beste Standorte“ um 0,2 Milliarden Euro pro Jahr höhere Kosten für die Verteilnetze, da die Menge an installierter Leistung höher ist. Netzausbau führt in allen Szenarien im Jahr 2033 zu geringeren Kosten Durch den höheren Anteil an Stromerzeugung aus Windund Sonnenenergie steigen die Auswirkungen auf das restliche Stromsystem in Deutschland, und die Menge an Abregelung steigt in allen Szenarien. Der Ausbau der Übertragungsnetze über die im „verzögerten“ Netzausbau für 2033 bereits angenommenen Ausbaumaßnahmen (entsprechend dem aktuellen Entwurf des Bundesbedarfsplans) hinaus reduziert diese Abregelung in den beiden Ausbaupfaden erheblich: im Ausbaupfad „verbrauchsnahe Erzeugung“ von 37 auf 25 TWh, im Ausbaupfad „beste Standorte“ von 48 auf 28 TWh. In Summe können durch den zusätzlichen Netzausbau über 0,3 Milliarden Euro pro Jahr eingespart werden.

5. Das PV-Battery-Breakthrough-Szenario ist aus heutiger Sicht keine kosteneffiziente Alternative Als Sensitivität wurde ein PV-Battery-Breakthrough-Szenario modelliert: Hier wird davon ausgegangen, dass es bis 2033 zu einem massiven Zubau von Photovoltaik-Batteriespeicher-Kombinationen kommt (150 GW Photovoltaik kombiniert mit 40 GW Batteriespeichern). Im Gegenzug wurden etwa 20 GW weniger Windkraftanlagen als im Basisszenario im Jahr 2033 angenommen, damit die aus Erneuerbaren Energien produzierte Strommenge konstant bleibt. Die Simulation hat gezeigt, dass ein Stromsystem mit 150 GW Photovoltaik und 40 GW dezentralen Speichern unter rein technischen Gesichtspunkten möglich ist und kein grundsätzliches Risiko für die Sicherheit der Stromversorgung in Deutschland darstellt. Es wurde daher der Frage nachgegangen, auf welches Kostenniveau ein typisches System aus PV-Anlage und Batterien sinken müsste, damit solch ein Szenario kostenmäßig mit den anderen vergleichbar würde.

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Erforderliche Kostenreduktionen für ein typisches Photovoltaik-Batterie-System bis 2033 in €

Abbildung 2.8

~ 11.000

-80 %

~ 2.000

2013

2023 Batteriespeicher (2 kW, 6 kWh)

2033 PV-Modul (4 kW Aufdachanlage)

Eigene Darstellung

Bei den indirekten Kosten können wesentliche ­Einsparungen in der residualen Erzeugung erreicht werden, jedoch ist ein ähnliches Maß an Netzaus­bau erforderlich Um die Frage nach den „erlaubten Kosten je System“ zu beantworten, wurden zuerst die indirekten Kosteneffekte eines solchen Ausbaupfades betrachtet. Der dominante Effekt ist dabei der auf die Kosten der residualen Erzeugung. Die Einsparungen betragen 2033 über 1,5 Milliarden Euro pro Jahr, ein Vielfaches der Einsparungen in den anderen Szenarien. Die Gründe dafür sind folgende: Zum einen erfolgt die Einspeisung aus Erneuerbaren Energien in diesem Szenario vorwiegend tagsüber, wenn die Last am höchsten ist und daher Kraftwerke mit höheren Grenzkosten verdrängt werden. Zum anderen trägt die große Menge an Speichern dazu bei, dass weniger Abregelungen auftreten und dadurch insgesamt weniger Strom in konventionellen Kraftwerken erzeugt werden muss. Damit können zusätzlich Brennstoffkosten in erheblichem Umfang eingespart werden. Einsparungen durch einen geringeren erforderlichen Ausbau des Übertragungsnetzes sind ebenfalls möglich – machen jedoch

mit circa 35 Millionen Euro pro Jahr nur etwa ein Prozent der Einsparungen in der residualen Erzeugung aus. Die Kosten eines typischen PV-Batterie-Systems müssten bis 2033 um mehr als 80 Prozent gegenüber heute sinken, damit ein solcher Ausbaupfad zu ähnlichen Gesamtsystemkosten führt Damit ein solcher Ausbaupfad mit einem Fokus auf PVBatterie-Systemen zu den gleichen Kosten für das Gesamtsystem wie die optimierten Ausbaupfade führen würde,10 müssten die Kosten für ein typisches System für ein Eigenheim (Vier-Kilowatt-Photovoltaikanlage plus Batterie mit einer Anschlussleistung von zwei kW und einer Kapazität von sechs kWh) auf etwa 2.000 Euro sinken.11 Die Kosten 10 Als Vergleichsmaßstab wurde hier der Mittelwert der Kosten der vier betrachteten Szenarien herangezogen. 11 Dies impliziert auch eine zusätzliche Reduktion bei den Kosten für PV-Module in gleicher Höhe. Bei der Abschätzung des notwendigen Kostensenkungspfades wurde der gesamte PV-Zubau – also auch Anlagen ohne zusätzliches Batteriesystem – mit dieser Kostendegression bewertet.

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für ein solches System liegen heute um ein Vielfaches darüber – gemäß den hier getroffenen Annahmen Ende 2013 bei etwa 11.000 Euro.12 Eine Reduktion der Kosten um etwa 80 Prozent wäre erforderlich, damit ein solches Szenario mit den optimierten Szenarien im Zeitraum bis 2033 ­kostenmäßig vergleichbar wäre. Die Ergebnisse unterstützen die Robustheit der betrachteten optimierten Ausbaupfade: Sowohl Windkraftanlagen als auch Netze sind in jedem Fall erforderlich Aus heutiger Sicht erscheint eine Kostenreduktion von PVBatterie-Systemen um 80 Prozent bis 2033 als sehr unwahrscheinlich, allerdings auch nicht als unmöglich. Würde man heute auf einen solchen Durchbruch bei den Kosten setzen und den Ausbau in Richtung 150 GW PV-Anlagen und 40 GW Batteriespeicher massiv vorantreiben, ginge man das Risiko ein, die Gesamtkosten der Stromerzeugung in Deutschland deutlich zu erhöhen. Die Untersuchung hat zudem gezeigt, dass auch bei diesem Szenario ein erheblicher Ausbau des Übertragungsnetzes erforderlich ist und dass der deutliche Zubau von Windkraftanlagen notwendig ist, um die eingeschränkte Stromerzeugung von PV-Anlagen in den Wintermonaten zu ergänzen. Die Sensitivitätsbetrachtung unterstützt damit die Robustheit der Ergebnisse bezüglich der beiden optimierten Ausbaupfade.

12 Bei den hier unterstellten Kosten für solch ein System im Jahr 2013 entfallen circa 53 Prozent der Kosten auf die Batterie. Aktuelle Preise von Batteriesystemen (April 2013) sind noch deutlich höher als die hier unterstellten Kosten.

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3. Schlussfolgerungen Die Ergebnisse des auf die Gesamtsystemkosten fokussierten Vergleichs verschiedener regional differenzierter Ausbaupfade im Bereich der Erneuerbaren Energien lassen folgende Schlussfolgerungen zu:

1. Die Politik hat einen großen Handlungsspielraum bei der Frage des regionalen ­Ausbaus von Onshore-Windkraft und ­Photovoltaik Die Kostenunterschiede zwischen verschiedenen regionalen Ausbaupfaden von Onshore-Windkraft und Photovoltaik sind sehr gering (circa 0,1 Milliarden Euro jährlich im Jahr 2023), sodass aus wissenschaftlicher Sicht weder dem Pfad „beste Standorte“ noch dem Pfad „verbrauchsnahe Erzeugung“ ein Kostenvorteil zugebilligt werden kann. Im Vergleich zu dem Basisszenario, dem die Annahmen des Netzentwicklungsplans zugrunde liegen, führen beide Ausbaupfade zu jährlichen Einsparungen von circa zwei Milliarden Euro. Diese resultieren vor allem aus einem langsameren Zubau von Offshore-Windkraft und einem stattdessen schnelleren Zubau von Onshore-Windkraft.

2. Um einen kosteneffizienten Ausbau der Erneuerbaren Energien zu realisieren und gleichzeitig Lerneffekte zu ermöglichen, sollte der Ausbau der Offshore-Windkraft weitergeführt werden, allerdings auf einem im Vergleich zu den Zielen der Bundesregierung niedrigeren Niveau Durch eine Verlagerung des Zubaus von Windkraftanlagen auf dem Meer hin zu Windkraftanlagen an Land (im Norden oder Süden) können erhebliche Kosten eingespart werden (gut zwei Milliarden Euro jährlich im Jahr 2023). Gleichzeitig gilt es, das noch erhebliche Potenzial an Technologie-Innovationen und Kostensenkungen bei der Offshore-Windkraft zu realisieren. Ohne weiteren Ausbau ist dies nicht möglich. Hier gilt es, die richtige Balance zu finden.

3. Der Netzausbau ist eine wichtige Voraussetzung für die Energiewende. Das sogenannte Startnetz des Bundesbedarfsplans (Trassen des EnLAG) wird dringend gebraucht. Unter reinen Kostengesichtspunkten ist ein um wenige Jahre verzögerter Bau der weiteren Trassen des Bundesbedarfsplangesetzes aber nicht kritisch Der Ausbau der Erneuerbaren Energien muss nicht darauf warten, bis die (über das Startnetz hinausgehenden) Trassen des Bundesbedarfsplangesetzes realisiert sind. Denn ein verzögerter Netzausbau führt in den betrachteten Szenarien zwar zu höheren Abregelungen, die aber durch vermiedene Investitionskosten in Netze bis 2023 in etwa aufgewogen werden. Die Optimierung der gesamten Systemkosten muss bei der zukünftigen Netzplanung stärker berücksichtigt werden. Der Ausblick auf 2033 zeigt, dass ein vollständiger und rechtzeitiger Netzausbau langfristig bis zu 0,5 Milliarden Euro pro Jahr einsparen kann. Zudem ist zu beachten, dass das Szenario „verzögerter Netzausbau“ durch die angenommene Realisierung der 24 Vorhaben des Energieleitungsausbaugesetzes („Startnetz“) bis 2023 bereits einen beträchtlichen Netzausbau beinhaltet. Insofern gilt: Die Energiewende braucht den Netzausbau; es geht nicht um das Ob, sondern um das Wann.

4. E  in Stromsystem mit sehr hohen Anteilen von dezentralen Photovoltaik-Batteriespeicher-Kombinationen (150 GW PV und 40 GW Speicher) wäre technisch möglich, aber ökonomisch nur sinnvoll, wenn es bis 2033 zu einer Kostensenkung von 80 Prozent kommen würde. Aus heutiger Sicht ist eine solche Kostensenkung sehr unwahrscheinlich, allerdings auch nicht unmöglich. Würde man heute auf einen solchen Durchbruch bei den Kosten setzen und den Ausbau in Richtung 150 GW PVAnlagen und 40 GW Batteriespeicher massiv vorantreiben,

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ginge man das Risiko ein, die Gesamtkosten der Strom­ erzeugung in Deutschland deutlich zu erhöhen. Der auch in diesem Szenario bestehende, ähnlich hohe Netzausbaubedarf sowie der große Bedarf an Wind­energie im Winter unterstützen aus heutiger Sicht das Verfolgen der anderen optimierten Ausbaupfade. Die Ausbauplanung sollte so gestaltet werden, dass sie flexibel auf mögliche technologische Durchbrüche in den kommenden Jahrzehnten reagieren kann.

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4. Methodik und Annahmen Betrachtung der gesamten Kosten des ­Stromsystems durch Consentec In der Untersuchung wurden alle Kosten der Stromerzeugung betrachtet und von Consentec detailliert modelliert: Kosten für die Stromerzeugung aus Windkraft- und Solaranlagen (im Wesentlichen Investitionskosten), Kosten für die restliche Stromerzeugung (andere Erneuerbare und residuale Kraftwerke in Deutschland und Europa) sowie Kosten für den Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze. Die Kosten des Ausbaus der Übertragungsnetze wurden in Abhängigkeit des jeweiligen Ausbaus der Erneuerbaren ermittelt beziehungsweise in den Szenarios mit unterstelltem verzögertem Netzausbau gemäß den fixen Annahmen angesetzt. Die Kosten des Ausbaus der Verteilnetze wurden in Abhängigkeit des Ausbaus der Erneuerbaren auf Basis eines vereinfachten Modells bewertet. Die Kosten der residualen Stromerzeugung in Deutschland und Europa wurden in einem kraftwerksblockscharfen Modell des gesamten Europäischen Strommarktes in stundengenauer Auflösung modelliert.

Hochaufgelöste Einspeisezeitreihen für Windkraft- und Solaranlagen in Deutschland von Fraunhofer IWES Die räumlich und zeitlich hochaufgelöste Stromerzeugung aus Windkraft- und Solaranlagen wurde durch das Fraunhofer IWES erarbeitet. Basierend auf den realen historischen Wetterdaten des Deutschen Wetterdienstes für das Jahr 2011 (basierend auf Reanalyse-Daten des COSMO-EUModells unter Berücksichtigung von Windmessungen an über 200 Stationen in Deutschland) und auf Annahmen zu der zukünftigen technischen Auslegung von Windkraftund Solaranlagen in den Jahren 2023 und 2033 wurden Einspeisezeitreihen erstellt. Für die unterschiedlichen Ausbaupfade wurden die installierten Leistungen je Technologie auf die etwa 360 Netzknoten in Deutschland entsprechend der jeweiligen Szenariologik verteilt und stundenscharfe Einspeisezeitreihen je Netzknoten erstellt. Entsprechend

den aktuellen Entwicklungen beim Zubau von Windkraftanlagen wurden für den Ausbau an Schwachwindstandorten (Standorte, an denen auf Nabenhöhe eine mittlere Windgeschwindigkeit von 8,5 Metern pro Sekunde nicht erreicht wird) unterschiedliche Windkraftanlagenkonfigurationen im Binnenland angenommen. Die Mehrkosten gegenüber Windkraftanlagen an Starkwindstandorten wurden berücksichtigt.

Der Netzentwicklungsplan als Ausgangspunkt aller Annahmen Ausgangspunkt der Untersuchung und aller wesentlichen Parameter waren die im Szenariorahmen für den Netzentwicklungsplan 2013 von der Bundesnetzagentur benannten beziehungsweise, wo dort nicht festgelegt, von den Übertragungsnetzbetreibern im Netzentwicklungsplan 2012 veröffentlichten Annahmen. Wo keine Annahmen vorhanden waren oder wesentliche Herausforderungen in der Plausibilität der Annahmen bestanden, wurden von Consentec und Agora gemeinsame realistische Annahmen getroffen (zum Beispiel bezüglich des Ausbaus der Erneuerbaren Energien in den Nachbarländern). Alle relevanten Annahmen werden im Endbericht detailliert veröffentlicht.

Investitionskosten von Windkraft- und Solaranlagen auf Basis der BMU-Leitstudie Die Kosten für den Ausbau von Onshore-Windkraft, Offshore-Windkraft und Photovoltaik im Zeitraum bis 2033 basieren auf den Annahmen der BMU-Leitstudie Erneuerbare Energien (2012). Zur Aktualisierung wurden diese Annahmen mit aktuellen Marktpreisen verglichen und diese neueren Erkenntnisse insofern einbezogen, als dass die erwartete Degression der Kosten je Technologie entsprechend vorgezogen (um fünf Jahre bei der Photovoltaik) beziehungsweise verzögert (um drei Jahre bei der Offshore-Windkraft) angesetzt wurde. Die Mehrkosten für Schwachwindanlagen gegenüber Starkwindanlagen sowie Photovoltaik-Aufdachanlagen gegenüber PhotovoltaikFreiflächenanlagen wurden entsprechend berücksichtigt.

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Teil II: Detaillierte Ergebnisse von Consentec

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1. Szenarienbeschreibung Die zentrale Fragestellung, die mit den vorliegenden Untersuchungen beantwortet werden soll, ist die nach den Auswirkungen verschiedener Ausbaustrategien für Erneuerbare Energie (EE) auf die Gesamtkosten des Stromversorgungssystems. Um diese Frage auch quantitativ mit entsprechenden Untersuchungen beantworten zu können, ist es erforderlich, geeignete Szenarien zu definieren, die unterschiedliche EE-Ausbaustrategien abbilden. Durch eine vergleichende Bewertung der je Szenario ermittelbaren Gesamtsystemkosten lässt sich bewerten, ob sich durch bestimmte Ausbaustrategien Kostenvorteile realisieren lassen. Um die Anzahl notwendiger Berechnungen handhabbar und deren Bewertung und Interpretation überschaubar zu halten, ist eine kluge Szenariendefinition notwendig, die es erlaubt, mit möglichst wenigen, aber prägnanten Szenarien grundsätzlich sinnvolle und realistische EE-Ausbaustrategien zu bewerten. Hierzu hat Agora Energiewende ausgehend von einem Referenz- oder Basisszenario vier Szenarien entwickelt, die für jeweils zwei unterschiedliche Betrachtungszeitpunkte untersucht werden, um so die Wirkungen unterschiedlicher Ausbaustrategien auch im zeitlichen Verlauf, insbesondere verbunden mit einem jeweils unterschiedlichen Fortschritt im EE-Ausbau, bewerten zu können. Die so definierten Szenarien sollen optimierte EE-Ausbaustrategien beschreiben mit dem Ziel möglichst geringer Gesamtsystemkosten. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Optimierung im strengen mathematischen Sinne, sondern vielmehr um heuristisch abgeleitete Szenarien auf Basis von Experteneinschätzungen. Zusätzlich wurde ein Sensitivitätsszenario definiert, das die Robustheit der ermittelten Ergebnisse bezüglich eines technologischen Durchbruchs von Photovoltaik-Batterie-Systemen analysiert. Explizit kein Unterschied besteht dabei zwischen den betrachteten Szenarien hinsichtlich der Ausbaugeschwindigkeit bei der EE-Erzeugung. Dies bedeutet, dass die EE-Erzeugung, also die mit dem jeweils angenommenen EE-Park bei voller Ausnutzung des jeweiligen Dargebots maximal erzeugbare Menge elektrischer Energie, über alle Szenarien hinweg je Betrachtungsjahr gleich bleibt. Auch die Annahmen zum vorhandenen konventionellen Kraft-

werkspark, zu dem EE-Ausbau im europäischen Ausland sowie zu relevanten Kostenannahmen unterscheiden sich zwischen den Szenarien nicht.

1.1 Basisszenario Als Referenz für die vergleichende Bewertung dienen die EE-Ausbauszenarien, die die deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) als Grundlage für die Ermittlung des Netzentwicklungsplans (NEP) verwendet haben. Die ÜNB sind gesetzlich verpflichtet, einmal jährlich einen NEP zu erstellen, der alle wirksamen Maßnahmen zur bedarfsgerechten Optimierung, Verstärkung und zum Ausbau des Netzes beschreibt, die in den jeweils nächsten zehn Jahren für einen sicheren und zuverlässigen Netzbetrieb erforderlich sind. Darüber hinaus soll auch mit einem Szenario die Netzentwicklung für einen Zeithorizont von 20 Jahren beschrieben werden. Nach Prüfung durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) stellt der NEP die Grundlage für den sogenannten Bundesbedarfsplan dar, der vom deutschen Bundestag beschlossen wird. Für die darin enthaltenen Netzprojekte wird auf diese Weise deren energiewirtschaftliche Notwendigkeit und vordringlicher Bedarf festgestellt. Aufgrund der somit herausgehobenen Stellung des NEP und Bundesbedarfsplans sind auch die energiewirtschaftlichen Annahmen, die Grundlage der Berechnungen der ÜNB sind, von besonderer Bedeutung. Wesentliche Annahmen, beschrieben im sogenannten Szenariorahmen 1, sind daher Gegenstand einer Genehmigung durch die BNetzA. Somit stellen diese Annahmen und die hieraus resultierenden Wirkungen auf die Gesamtsystemkosten eine gute Referenz für die Bewertung alternativer, optimierter EE-Ausbauszenarien dar.

1 www.netzausbau.de/SharedDocs/Downloads/DE/ Szenariorahmen/Genehmigung%20des%20Szenariorahmens%20 zum%20NEP%202013.pdf;jsessionid=2A5C3859CD3C BA6A52C0822EF641734B?__blob=publicationFile

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Consentec | Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland

Leitgedanken und Unterschiede in den Annahmen zum Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen in den Szenarien

Basisszenario (Szenariorahmen NEP, Szenario B)

Unterschiede im Ausbau der EE > Fokus auf Onshore-Windkraft (kostengünstigste Technologie) > Mindestausbau von PV und Offshore-Windkraft

unter­‑ schiedliche Geschwindigkeit des Ausbaus im Über­tragungsnetz

Ausbaupfad „verbrauchsnahe Erzeugung“ > mehr Onshore-Windkraft, verteilt in ganz Deutschland >e  twas mehr PV, verteilt in ganz Deutschland >v  iel weniger Offshore-­ Windkraft > lokal wird Ausbau im Hinblick auf Verteilnetze optimiert

Abb. 1.1

Ausbaupfad „beste Standorte“ > mehr Onshore-Windkraft im Norden > weniger PV im Norden, kein Ausbau nach 52 GW > weniger Offshore-­ Windkraft > keine lokale Optimierung im Hinblick auf Verteilnetze

jeweils gleiche Menge an EE-Erzeugung in TWh in den Jahren 2023 und 2033

Eigene Darstellung

Für die Untersuchungen wurde das „Szenario B“ des Szenariorahmens, das auch als Leitszenario beschrieben wird, als Referenzszenario verwendet.

1.2 Beschreibung der optimierten Szenarien Von dem zuvor beschriebenen Referenzszenario ausgehend wurden dann die alternativen EE-Ausbauszenarien definiert. Die betrachteten Szenarien unterscheiden sich dabei in zwei Dimensionen voneinander: Die Unterschiede betreffen einerseits den EE-Ausbau selbst und andererseits die erreichbare Umsetzungsgeschwindigkeit beim Ausbau der Übertragungsnetze, die derzeit als eine wesentliche Unsicherheit für die zukünftige Entwicklung des Stromversorgungsystems diskutiert wird. Die sich hieraus konkret ergebenden Szenarien werden nachfolgend detaillierter dargestellt. Abbildung 1.1 stellt dar, welchen Leitgedanken die Szenariendefinition hinsichtlich der betrachteten Unterschiede im Ausbau der EE folgt. Hieraus wurden zwei alternative Ausbaustrategien abgeleitet.

Im Unterschied zum Basisszenario wird in beiden alternativen Szenarien ein schnellerer Ausbau von OnshoreWindkraftanlagen sowie ein langsamerer Ausbau von Offshore-Windkraftanlagen und – je nach Szenario – auch von Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) angenommen. Beide Szenarien sollen mit Blick auf die Gesamtsystemkosten optimierende Ausbauszenarien darstellen. Mit Blick auf die Stromgestehungskosten (das heißt ct/kWh) stellen OnshoreWindkraftanlagen aus heutiger Sicht auf absehbare Zeit die günstigste EE-Technologie dar. Deshalb erscheint es sinnvoll, diese Technologie in optimierten Ausbaupfaden stärker zu gewichten. Die beiden alternativen Ausbaupfade sollen dabei jedoch realistische Alternativen darstellen. Daher wird in beiden Szenarien ein Mindestausbau an PV und Offshore-Windkraft angenommen, der als Randbedingung bei der Detailausgestaltung der Szenarien jedenfalls nicht unterschritten wird. 2

2 Der Mindestausbau für PV-Anlagen liegt bei 52 GW bis zum Jahr 2023. Für Offshore-Windkraft wurde ein Mindestausbau von rund fünf GW bis 2023 angenommen, was groben Abschätzungen zu den bereits so weit fortgeschrittenen Offshore-Projekten entspricht, dass ein Verzicht auf deren Umsetzung unwahrscheinlich erscheint.

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Studie | Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland

Stromerzeugung aus Wind- und Solarenergie in den Szenarien im Jahr 2023

Ausgangspunkt

Abbildung 1.2

optimierte Ausbaupfade

TWh Realistische Optimierung

250 200 150 100

58 63 123

50 0

Basisszenario

>F  okus auf Onshore-Windkraft (kostengünstigste Technologie) > Mindestausbau von PV und Offshore-Windkraft

21

30

64

54

Onshore-Windkraft Photovoltaik Offshore-Windkraft

160

„verbrauchsnahe Erzeugung“

160

„beste Standorte“

Eigene Darstellung

Davon ausgehend wurden bei der Definition der Alternativszenarien zwei mögliche Optimierungsstrategien umgesetzt. Der Ausbaupfad „verbrauchsnahe Erzeugung“ folgt der Idee, dass ein schwerpunktmäßig in der Nähe von Verbrauchszentren, das heißt ein regional gesteuerter EEAusbau zu insgesamt niedrigeren Kosten für den EE-Ausbau führen kann, selbst wenn damit der EE-Ausbau auch an ertragsschwächeren Standorten erfolgt. Dieser Idee liegt die Annahme zugrunde, dass ein verbrauchsnaher Zubau insbesondere den notwendigen Netzausbau reduziert, da der Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch kleinräumiger erfolgt. Damit eine solche Strategie tatsächlich zu einem kostenoptimalen Ergebnis führt, müssten die hierdurch erwarteten Kosteneinsparungen die Mehrkosten durch die Wahl ertragsschwächerer Standorte aufwiegen. 3

3 In den Berechnungen der drei Ausbaupfade in der Variante „verzögertem Netzausbau“ wird für alle drei Pfade die gleiche Verzögerung des Netzausbaus angenommen. Dennoch könnte das Szenario „verbrauchsnahe Erzeugung“ hier Kostenvorteile besitzen: Wenn beispielsweise in diesem Szenario die aufgrund von Netzrestriktionen abzuregelnde Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien geringer ausfällt als in den anderen Szenarien, entstehen auch geringere Kosten für den zusätzlichen Strom aus konventionellen Kraftwerken, der dann erzeugt werden muss.

Für die konkrete Umsetzung hinsichtlich der Annahmen zum EE-Technologiemix und zur regionalen Verteilung bedeutet dies, dass ein insgesamt deutlich geringerer Offshore-Windkraft-Ausbau durch einen stärkeren PV- und Onshore-Windkraft-Ausbau kompensiert wird (vgl. Abbildung 1.2 bis 1.5). Sowohl der PV- als auch der OnshoreWindkraft-Ausbau sind dabei im Vergleich zum Basisszenario stärker über Deutschland verteilt (vgl. Abbildung 1.6 bis 1.9): Der PV-Ausbau findet stärker insbesondere auch an nord- und westdeutschen Standorten statt, der OnshoreWindkraft-Ausbau stärker auch in Süddeutschland. Lokal findet der EE-Ausbau auch verbrauchsnäher und damit aus Netzsicht potenziell günstiger statt. Das bedeutet, dass durch die gewählte lokale Verteilung der EE-Anlagen tendenziell eher laststarke Verteilnetze für den EE-Ausbau infrage kommen, was grundsätzlich bei gleicher angeschlossener EE-Leistung zu geringerem Ausbaubedarf in den Verteilnetzen führt. Der Ausbaupfad „beste Standorte“ verfolgt hingegen die Strategie, den EE-Ausbau schwerpunktmäßig an den ertragsreichsten, das heißt an den besten Standorten umzusetzen. Dabei wird erwartet, dass die auf diese Weise möglichen Kostenvorteile, die durch spezifisch niedrigere Investitionskosten beim EE-Ausbau erreicht werden kön-

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Consentec | Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland

Stromerzeugung aus Wind- und Solarenergie in den Szenarien im Jahr 2033

Ausgangspunkt

Abbildung 1.3

optimierte Ausbaupfade

TWh

300

200

104 67 190

100

0

Realistische Optimierung

57

74

54

Onshore-Windkraft Photovoltaik

>F  okus auf Onshore-Windkraft (kostengünstigste Technologie) > Mindestausbau von PV und Offshore-Windkraft

Offshore-Windkraft 250

250

„verbrauchsnahe Erzeugung“

Basisszenario

37

„beste Standorte“

Eigene Darstellung

nen, die gegebenenfalls höheren Kosten überwiegen, die beim notwendigen Netzausbau und im Erzeugungssystem auftreten. Zwar wird im Ausbaupfad „beste Standorte“ im Vergleich zum Pfad „verbrauchsnahe Erzeugung“ die gleiche Menge Strom durch Onshore-Windkraftanlagen erzeugt (vgl. AbInstallierte Leistung Windkraft- und Solaranlagen in den Szenarien im Jahr 2023 Abb. 1.4

bildung 1.2 und 1.3). Die Onshore-Windkraftanlagen sind jedoch an ertragreicheren Standorten in Norddeutschland installiert, sodass für die gleiche Erzeugungsmenge eine geringe Menge an installierter Anlagenleistung erforderlich ist (siehe Abbildung 1.4 und 1.5). Um einen insgesamt realistischen Ausbaupfad abzubilden, wurde die Menge der je Bundesland installierten Onshore-Windkraft-Leistung Installierte Leistung Windkraft- und Solaranlagen in den Szenarien im Jahr 2033 Abb. 1.5

GW

GW

80

80

70

70

60

60

50

50

40

40

30

30

20

20

10

10

0

0 zum Vergleich: Ende 2012

Onshore-Windkraft

Eigene Darstellung

Basis

„verbrauchsnahe Erzeugung“

Photovoltaik

„beste Standorte“

Offshore-Windkraft

zum Vergleich: Ende 2012

Onshore-Windkraft

Basis

„verbrauchsnahe Erzeugung“

Photovoltaik

„beste Standorte“

Offshore-Windkraft

Eigene Darstellung

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Studie | Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland

Installierte Leistung Onshore-Windkraft je Bundesland in den Szenarien in den Jahren 2023 und 2033 20

Basisszenario (NEP 2013 B)

„verbrauchsnahe Erzeugung“

„beste Standorte“

Abbildung 1.6

zum Vergleich: Szenario NEP 2023 C

GW 2023

10 5 0 20

2033

GW 10 5

Ha m bu rg

Br em en

Be rlin

Sa ar lan d

Ba ye rn

Rh ein lan dBa Pf de alz nW ür tte m be rg

Th ür in ge n

Sa ch se n

He ss en

Sc hle sw igM Ho ec lst kle ein nb ur gVo rp om m er n Ni ed er sa ch se n Br an de nb ur g Sa ch se nAn No ha rd lt rh ein -W es tfa len

0

Eigene Darstellung

Installierte Leistung Photovoltaik je Bundesland in den Szenarien in den Jahren 2023 und 2033 20

Basisszenario (NEP 2013 B)

„verbrauchsnahe Erzeugung“

„beste Standorte“

Abbildung 1.7

zum Vergleich: Szenario NEP 2023 C

GW 2023 10 5 0 20 2033 GW 10 5

Ha m bu rg

Br em en

Be rlin

Sa ar lan d

Ba ye rn

Rh ein lan dBa Pf de alz nW ür tte m be rg

Th ür in ge n

Sa ch se n

He ss en

Sa ch se nAn No ha rd lt rh ein -W es tfa len

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0

Eigene Darstellung

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Verteilung der Windkraftanlagen an Land auf die Netzknoten im Jahr 2033

Basisszenario (66 GW im Jahr 2033)

„verbrauchsnahe Erzeugung“ (89 GW im Jahr 2033)

indikative geografische Darstellungen anhand der Übertragunsnetzknoten, nicht maßstabsgetreu

Abbildung 1.8

„beste Standorte“ (89 GW im Jahr 2033)

Basisszenario zusätzlicher Ausbau

Eigene Darstellung

in diesem Szenario 2023 auf die Werte des Szenarios C des NEP und in 2033 auf das Zweifache des Ausbaus im Szenario B 2033 des NEP begrenzt. 4 Im Vergleich zum Ausbaupfad „verbrauchsnahe Erzeugung“ erfolgt in diesem Pfad ein stärkerer, aber im Vergleich zum Basisszenario weiterhin deutlich niedrigerer OffshoreWindkraft-Ausbau. Dies entspricht der Logik, grundsätzlich ertragreichere Standorte zu bevorzugen. Der im Vergleich zu den anderen Pfaden in diesem Ausbaupfad niedrigste PVAusbau erfolgt verstärkt an den sonnenreicheren Standorten in Süddeutschland (vgl. Abbildung 1.7 und 1.9). Lokal erfolgt der EE-Ausbau orientiert am Ertragspotenzial und

4 Das Szenario C des NEP wird als „oberer Rand wahrscheinlicher Entwicklungen“ bezüglich der installierten EE-Leistungen eingestuft und leitet sich aus den Ausbauzielen der einzelnen Bundesländer ab. Dieses Szenario wird im Szenariorahmen für den NEP allerdings nur für das Jahr 2023 beschrieben, sodass für 2033 eine alternative Obergrenze festgelegt werden musste.

unabhängig von einer denkbaren Optimierung im Hinblick auf die Verteilnetze. Wie erläutert, stellt die erreichbare Umsetzungsgeschwindigkeit im Übertragungsnetzausbau eine erhebliche Unsicherheit für die zukünftige Entwicklung des Stromversorgungsystems dar. Verzögerungen bei der Umsetzung des als grundsätzlich erforderlich identifizierten Netzausbaus können zumindest nicht ausgeschlossen werden. Folge eines verzögerten und damit nicht an die Bedürfnisse der jeweiligen Erzeugungssituation angepassten Netzausbaus sind insbesondere höhere Stromerzeugungskosten, da gegenüber einem schnellen und vollständigen Netzausbau ein ineffizienterer Kraftwerkseinsatz resultiert und zudem in größerem Umfang EE-Anlagen von netzbedingten Abregelungen betroffen sind. Dies reduziert bei gleicher EE-Erzeugung zudem den effektiv erreichten Anteil der Erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch. Das Ausmaß der Auswirkungen eines verzögerten Netzausbaus auf die Kosten und auf die Höhe notwendiger Abregelungen hängt aber

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Verteilung der Photovoltaikanlagen an Land auf die Netzknoten im Jahr 2033

Basisszenario (65 GW im Jahr 2033)

„verbrauchsnahe Erzeugung“ (73 GW im Jahr 2033)

indikative geografische Darstellungen anhand der Übertragunsnetzknoten, nicht maßstabsgetreu

Abbildung 1.9

„beste Standorte“ (52 GW im Jahr 2033)

Basisszenario zusätzlicher Ausbau

Eigene Darstellung

vom jeweiligen EE-Ausbaupfad ab. Insbesondere könnte sich auch die bei Annahme eines schnellen und vollständigen Netzausbaus ermittelte Vorteilhaftigkeit eines der EEAusbaupfade bei einem verzögerten Netzausbau ins Gegenteil kehren: Wenn die Einschränkungen, die durch einen verzögerten Netzausbau entstehen, bei diesem EE-Ausbaupfad stärker wirken als bei anderen Ausbaupfaden, könnte unter Kostengesichtspunkten bei einem verzögerten Netzausbau eine andere EE-Ausbaustrategie vorteilhafter sein. Daher erscheint es sinnvoll, bezüglich der zuvor definierten EE-Ausbaupfade zusätzlich zu untersuchen, welche Kostenwirkungen bei einem verzögerten Netzausbau und bei einem schnellen und vollständigen Netzausbau resultieren. Neben den genannten Aspekten gibt es noch eine Reihe weiterer, aber monetär nicht bewertbarer Folgen eines verzögerten Netzausbaus. Sie werden in diesen Untersuchungen explizit nicht betrachtet, da sie sich nicht in einem quantitativen Kostenvergleich berücksichtigen lassen. Hierzu zählt beispielsweise die Tatsache, dass ein auf die

jeweilige Erzeugungs- und Nachfragesituation ausgebautes Netz deutlich sicherer zu betreiben ist, da es weniger anfällig auf das Auftreten unerwarteter Last-/Einspeisesituationen reagiert. Solche Effekte erhöhen den tatsächlichen Nutzen eines vollständigen Netzausbaus über das unmittelbar monetarisierbare Maß hinaus. Abbildung 1.10 stellt dar, wie sich die betrachteten Szenarien hinsichtlich der Frage der erreichbaren Ausbaugeschwindigkeit bei den Übertragungsnetzen unterscheiden. Es wird dabei ein Pfad „verzögerter Netzausbau“ betrachtet. Hierbei wird angenommen, dass sich der Netzausbau in etwa um zehn Jahre verzögert. Konkret wird für die Berechnungen unterstellt, dass bis 2023 lediglich die Leitungen des sogenannten Startnetzes des NEP umgesetzt werden können. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die Leitungen, die bereits im Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) 2009 als vordringlich identifiziert wurden. Für das Betrachtungsjahr 2033 wird unterstellt, dass erst dann die

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Unterschiedliche Annahmen zur Geschwindigkeit im Ausbau der Übertragungsnetze in den Szenarien

Basisszenario

unter­‑ schiedliche Geschwindigkeit des Ausbaus im Über­tragungsnetz

Abbildung 1.10

Unterschiede im Ausbau der EE

Verzögerter Netzausbau: Ausbau im Übertragungsnetz ist weiterhin verzögert: > In 2023 ist Ausbau des „Startnetzes“ des NEP 2012 realisiert (weitestgehend EnLAG) > In 2033: Ausbau entsprechend Vorschlag BNetzA für Bundesbedarfsplan 2012/2013

Schneller und vollständiger Netzausbau: > Übertragungsnetze werden vollständig und ohne Verzögerung ausgebaut, je nach Anforderungen des EE-Ausbaupfades

Eigene Darstellung

im Rahmen des Bundesbedarfsplans 2013 als vordringlich identifizierten Netzausbaumaßnahmen umgesetzt werden. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die Leitungen, die die ÜNB im NEP 2012 als bis 2022 notwendig ausgewiesen haben. Für den Bundesbedarfsplan wurde dieser Vorschlag der ÜNB durch die BNetzA überprüft und nicht alle ermittelten Maßnahmen als vordringlich genehmigt, sodass der Bundesbedarfsplan einen gegenüber dem Vorschlag der ÜNB reduzierten Umfang besitzt. Diese Annahme stellt für 2033 ebenfalls eine erhebliche Verzögerung des Netzausbaus dar. Für die spätere Interpretation der Ergebnisse ist aber zu betonen, dass – auch wenn in diesem Pfad deutliche Verzögerungen im Netzausbau unterstellt werden – die Annahmen gegenüber dem heutigen Ausbaustand noch immer einen Netzausbau in erheblichem Ausmaß bedeuten. So sind beispielsweise heute von den 1.855 Kilometern Netzausbau, die gemäß EnLAG als vordringlich identifiziert wurden, erst 268 Kilometer umgesetzt. 5

deutschen Übertragungsnetzes entsprechend der Bedürfnisse der jeweiligen Erzeugungssituation vollständig erfolgt. Der Umfang des hierfür notwendigen Netzausbaus unterscheidet sich dann in Abhängigkeit vom betrachteten EEAusbaupfad, da dieser die Erzeugungssituation bestimmt. Dabei erfolgt der Netzausbau nicht notwendigerweise „auf die letzte kWh“ EE-Erzeugung. Dies bedeutet, dass die Modelle und Verfahren, die zur Ermittlung des notwendigen Netzausbaubedarfs verwendet werden, eine Abwägung berücksichtigen, inwiefern die vereinzelte Abregelung von EE-Anlagen insgesamt ökonomisch sinnvoll ist, wenn hierdurch Netzausbau vermieden werden kann. Einzelheiten zu dem Vorgehen der Bestimmung des Netzausbaubedarfes sind in Abschnitt 2.4 beschrieben. Die Annahmen zum Ausbau der europäischen Netzanbindung (Grenzkuppelstellen) wurden entsprechend der Annahmen zur Geschwindigkeit des Netzausbaus innerhalb von Deutschland angepasst (siehe Abschnitt 2.4).

Für einen zweiten Pfad „schneller und vollständiger Netzausbau“ wurde dann angenommen, dass ein Ausbau des

Die beiden dargestellten Dimensionen, in denen die in dieser Studie betrachteten Szenarien ausdifferenziert wurden, führen zu der in Abbildung 1.11 darstellten Matrix der insgesamt untersuchten Szenarien.

5 www.netzausbau.de/SharedDocs/Downloads/DE/EnLAGMonitoring/EnLAG-Balkendiagramm%202012%20Q4.pdf

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Überblick der untersuchten Szenarien in den zwei betrachteten Dimensionen

Basisszenario (mit verzögertem Netzausbau)

unter­‑ schiedliche Geschwindigkeit des Ausbaus im Über­tragungsnetz

Abbildung 1.11

Unterschiede im Ausbau der EE

„verbrauchsnahe Erzeugung“ bei verzögertem Netzausbau

„beste Standorte“ bei verzögertem Netzausbau

„verbrauchsnahe Erzeugung“ bei schnellem Netzausbau

„beste Standorte“ bei schnellem Netzausbau

PV-Battery-Breakthrough bei schnellem Netzausbau

Eigene Darstellung

Insgesamt wurden in dieser Studie je Betrachtungsjahr somit zunächst fünf Szenarien untersucht. Neben dem Basisszenario, das als Bewertungsreferenz für die alternativen, optimierten Szenarien dient und für das stets ein verzögerter Netzausbau angenommen wurde, wurden vier Szenarien untersucht, die sich jeweils durch Kombination der beiden erläuterten Dimensionen der Szenarienparametrierung ergeben. Zusätzlich wurde das nachfolgend erläuterte Sensitivitätsszenario betrachtet.

1.3 Sensitivitätsszenario PV-Battery-Breakthrough Zusätzlich wurde ein sechstes Szenario, das sogenannte PV-Battery-Breakthrough-Szenario, untersucht. Hierbei wurde unterstellt, dass es zu einem technologischen Durchbruch bei PV-Batterie-Systemen kommt und ein sehr starker Ausbau solcher Systeme vor allem mit der Motivation des Eigenverbrauchs und dadurch individuell realisierbarer Kosteneinsparungen gegenüber dem Bezug aus dem öffentlichen Netz stattfindet. Bei wiederum gleicher EE-Erzeugung insgesamt erhöht sich in diesem Szenario die PV-Erzeugung erheblich. In dem Szenario wurde angenommen, dass der PV-Ausbau im Betrachtungsjahr 2023 eine Höhe

von 85,3 GW (85,5 TWh pro Jahr Erzeugung) und bis 2033 150,3 GW (146,9 TWh pro Jahr Erzeugung) erreicht. Im Jahr 2023 ist gut ein Viertel (23,4 GW) der PV-Anlagen mit einem Batteriespeicher kombiniert. Der Zubau erfolgt bis 2023 unter Annahme einer linear ansteigenden Zuwachsrate, sodass der Zubau zunächst gering, dann immer stärker ist. Darüber hinaus wird angenommen, dass der größte Teil der nach 2023 zugebauten PV-Anlagen mit Batteriespeichern ausgestattet wird, sodass 2033 insgesamt 80 GW der installierten PV-Anlagen mit einem Batteriespeicher kombiniert sind. Dem Grundgedanken einer durch Eigenverbrauch getriebenen Entwicklung folgend wurde angenommen, dass der Zubau dieser Systeme verbrauchsnah erfolgt. Für die Dimensionierung der Batteriespeicher wird jeweils unterstellt, dass deren effektive Anschlussleistung 50 Prozent der Peak-Leistung der zugehörigen PV-Module entspricht. Die effektive Speicherkapazität der Batterie ermöglicht eine Einspeicherung in voller Höhe der Anschlussleistung der Batterie für drei Stunden. Damit werden in Summe in diesem Szenario im Jahr 2023 Batterien mit einer Nennleistung von 11,7 GW mit einer effektiven Speicher-

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Stromerzeugung aus Wind- und Solarenergie im PV-Battery-Breakthrough-Szenario in den Jahren 2023 und 2033 „verbrauchsnahe PV-BatteryErzeugung“ Breakthrough

Abb. 1.12

„verbrauchsnahe PV-BatteryErzeugung“ Breakthrough

TWh

TWh

350

350

300

300

250

250

Photovoltaik

200

200

Offshore-Windkraft

150

150

100

100

50

50

Onshore-Windkraft

0

0 2023

2033

Eigene Darstellung

fähigkeit von 35 GWh und im Jahr 2033 Batterien mit einer Nennleistung von 40 GW und einer effektiven Speicherfähigkeit von 120 GWh angenommen. Bei den betrachteten PV-Batterie-Systemen handelt es sich stets um PV-Dachanlagen. Abbildung 1.2 zeigt die aus der Szenariendefinition resultierende EE-Erzeugung im Vergleich zum Ausbaupfad „verbrauchsnahe Erzeugung“. Der Einsatz der Batterien erfolgt grundsätzlich marktorientiert, das heißt, innerhalb der durch die Batteriedimensionierung gegebenen Freiheitsgrade ist der Einsatz an einer Optimierung des Stromerzeugungssystems orientiert. Es wird unterstellt, dass für den zusätzlichen PV-Ausbau in diesem Szenario kein weiterer Ausbau der Verteilnetze im Vergleich zum Ausbaupfad „verbrauchsnahe Erzeugung“ erfolgt, das bezüglich der Annahmen zum PV-Ausbau am ehesten mit dem PV-Battery-Breakthrough-Szenario vergleichbar ist. Daher wird für den Batterieeinsatz zusätzlich vorgegeben, dass durch deren Be- und Entladung die maximale Belastung der Verteilnetze durch PV-Einspeisung gegenüber dem Ausbaupfad „verbrauchsnahe Erzeugung“ nicht übersteigt. Damit muss die zusätzliche PV-Einspeisemenge in diesem Szenario in Situationen, in denen sie zu neuen Belastungsspitzen in den Verteilnetzen führen würde, nicht abgeregelt werden, sondern kann dann zunächst in

den Batterien zwischengespeichert werden. Dies schränkt den marktorientierten Einsatz der Batteriespeicher ein. Der Einsatz der Batterien, das heißt die Steuerung von deren Be- und Entladung, trägt hierzu bei, da bei der Ermittlung des Batterieeinsatzes sichergestellt wird, dass die maximale Belastung der Verteilnetze durch PV-Einspeisung nicht das jeweilige Einspeisemaximum der anderen EE-Ausbauszenarien übersteigt. 6 Damit ist auch sichergestellt, dass im Vergleich zu den anderen optimierten Szenarien kein zusätzlicher Ausbaubedarf in den Verteilnetzen entsteht. Darüber hinaus erfolgt der Einsatz innerhalb der durch die Batteriedimensionierung gegebenen Freiheitsgrade marktorientiert, das heißt an einer Optimierung des Stromerzeugungssystems orientiert. Der Ausbaubedarf im Übertragungsnetz wird analog zu den anderen Szenarien mit schnellem und vollständigem Netzausbau speziell an die in diesem Szenario ermittelte Erzeugungssituation angepasst.

6 Konkret bedeutet dies, dass immer dann die Batterien genutzt werden, wenn die PV-Einspeisung ohne Nutzung der Einspeichermöglichkeit in die Batterien in diesem Szenarien das Maximum im Szenario „verbrauchsnahe Erzeugung“ übersteigt, das im Vergleich zu den anderen Szenarien den höchsten PV-Ausbau aufweist.

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2. Methodisches Vorgehen, Modelle und ­Verfahren, ­wesentliche Annahmen In diesem Kapitel werden die Modelle und Verfahren sowie deren wesentliche Annahmen beschrieben, die Grundlage der quantitativen Bewertung sind. Der nachfolgende Abschnitt 2.1 gibt zunächst einen Überblick über das grundsätzliche methodische Vorgehen.

rechnungen relevanten Parameter festgelegt werden. Dies umfasst sowohl die Parameter, die sich zwischen den Szenarien unterscheiden, also die Annahmen zum deutschen EE-Ausbau und gegebenenfalls die Vorgaben zum Ausbau des deutschen Übertragungsnetzes, als auch solche Annahmen, die in allen Szenarien identisch definiert sind. Die Annahmen bezüglich des Windkraft- und PV-Ausbaus in Deutschland wurden vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (Fraunhofer IWES) in stunden- und netzknotenscharfe (Übertragungsnetz) Erzeugungszeitreihen umgesetzt (siehe Abschnitt 2.5) und sind – einschließlich der Annahme bezüglich der je Übertragungsnetzknoten installierten Windkraft- und PV-Leistung – Grundlage aller weiteren Untersuchungen.

2.1 Überblick zum methodischen Vorgehen Abbildung 2.1 gibt einen Überblick über die wesentlichen methodischen Schritte, denen wir bei der vorliegenden Untersuchung zur Ermittlung der quantitativen Ergebnisse gefolgt sind. Ausgangspunkt der quantitativen Untersuchungen bildet die in Kapitel 2 beschriebene Szenariendefinition, durch die die wesentlichen für die Untersuchungen und Simulations-

Überblick über das methodische Vorgehen der Untersuchung Szenariodefinition

deutscher EE-Ausbau

Simulationsrechnungen

Abbildung 2.1 Ergebnisbewertung

räumlich lokal

Kosten EE-Ausbau

räumlich regional Technologiemix

Modellnetzanalyse Verteilnetze

deutscher Netzausbau Vorgabe oder Ergebnis je nach Szenario europäischer und deutscher Netzausbau

Ausbaukosten Verteilnetze

Übertragungsnetz in D Lastflusssimulation

Ausbaukosten Übertragungsnetze

europäischer EE-Ausbau

Ausbausimulation

notwendige EE-Abregelung

konventioneller Kraftwerkspark

europäische Marktsimulation (KW-Einsatz)

variable Kosten der Stromerzeugung

nur relevant, falls deutscher Netzausbau schnell und vollständig

Eigene Darstellung

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Auf Basis dieser Annahmen werden dann für jedes Szenario separat verschiedene Berechnungen durchgeführt, um die Auswirkungen der Unterschiede in den Annahmen auf die verschiedenen Kostenkomponenten quantitativ zu ermitteln. Dabei bestehen zum Teil Wechselwirkungen zwischen den einzelnen verwendeten Verfahren: Das Ergebnis der Marktsimulation, insbesondere die stunden- und kraftwerksscharfen Einsatzfahrpläne, ist beispielsweise das Eingangsdatum für die Lastflusssimulationen des Übertragungsnetzes, die wiederum Grundlage der gegebenenfalls benötigten Netzausbausimulation sind. Für die Ermittlung der resultierenden Kostenunterschiede für den EE-Ausbau selbst sind hingegen keine aufwendigen Simulationsrechnungen erforderlich. Diese errechnen sich unmittelbar aus den getroffenen Annahmen zur Entwicklung der Investitionskosten der EE-Anlagen und dem je Szenario angenommenen EE-Ausbaupfad.

Rückwirkungen entstehen dabei nicht nur auf den Einsatz der konventionellen Kraftwerke in Deutschland. Vielmehr ergibt sich der Kraftwerkseinsatz im heutigen Strommarkt im europäischen Binnenmarkt. 8 Dieser ist lediglich durch die verfügbaren grenzüberschreitenden Übertragungskapazitäten limitiert.

Die Ergebnisse der Modellierungsrechnungen werden durch die Ergebnisbewertung für den beabsichtigten Kostenvergleich zusammengeführt. So ergeben sich je Szenario die Mehr- oder Minderkosten im Vergleich zur Referenz (Basisszenario) bei den variablen Stromerzeugungskosten, den Kosten für den Übertragungs- und Verteilnetzausbau sowie für die notwendigen Investitionen in den Ausbau der EEAnlagen. Wenngleich nicht explizit monetär bewertet, können so auch die in unterschiedlichem Umfang auftretenden Mengen an notwendiger EE-Abregelung verglichen werden.

Die beschränkten Übertragungskapazitäten zwischen Deutschland und den Nachbarländern können darüber hinaus dazu führen, dass es zu einzelnen Zeitpunkten zu einem EE-bedingten Systembilanzüberschuss kommt. Dann ist das dargebotsbedingte Erzeugungspotenzial der vorhandenen EE-Anlagen so hoch, dass selbst bei weitestgehender Reduktion der Erzeugung in konventionellen Kraftwerken und unter Nutzung der vorhandenen (begrenzten) Exportmöglichkeiten die potenzielle EE-Erzeugung die Nachfrage (einschließlich Aktivierung von Pumpspeicherkraftwerken

2.2 Methodik und Parametrierung der ­Marktsimulation Der Einsatz der konventionellen hydrothermischen Kraftwerke gewährleistet die Deckung der sogenannten residualen Nachfrage, also der Stromnachfrage nach Abzug der Einspeisung aus Windkraft und PV und sonstiger sogenannter Must-run-Erzeugung (insbesondere nicht flexible Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)- und Biomasse-Erzeugung). Dieser Einsatz wird entscheidend durch den je nach EEAusbauszenario angenommenen Technologiemix der EEErzeugung bestimmt, da sich hieraus ein je nach Szenario unterschiedlicher Verlauf und Ort der EE-Einspeisung ergibt. Selbst bei in Summe gleicher Menge an EE-Erzeugung,

wie bei den in dieser Studie untersuchten Szenarien der Fall, ergibt sich also jeweils ein unterschiedlicher Einsatz der konventionellen Kraftwerke mit jeweils unterschiedlichen Einsatzkosten, da die unterschiedlichen Erzeugungstechnologien (insbesondere unterschiedliche Primärenergieträger, zum Beispiel Braunkohle, Steinkohle oder Erdgas) je nach Szenario dann in unterschiedlichem Umfang eingesetzt werden. Je nach betrachtetem EE-Ausbauszenario entstehen also beim Einsatz der konventionellen Kraftwerke unterschiedlich hohe Kosten. 7

7 Denkbar wäre darüber hinaus, dass sich je nach EEAusbauszenario auch die Zusammensetzung des konventionellen Kraftwerksparks und damit die Kapitalkosten für die jeweils anfallenden Investitionen verändern. Solche Effekte wurden in den vorliegenden Untersuchungen nicht betrachtet. Stattdessen wurde angenommen, dass je Betrachtungsjahr der jeweils gleiche Kraftwerkspark zur Verfügung steht. Es wurde auf Basis der Ergebnisse lediglich überprüft, ob der Kraftwerkspark ausreichend ist, um stets eine Lastdeckung in Deutschland für die 8.760 betrachteten Stunden zu gewährleisten. Das hat sich bei den durchgeführten Untersuchungen als gegeben herausgestellt. Der Zubau von weiterer Kraftwerkskapazität war somit nicht erforderlich. 8 Betrachtet wurden in dieser Studie folgende Länder: Deutschland, Niederlande, Belgien, Frankreich, Schweiz, Österreich, Tschechien, Polen, Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland, Vereinigtes Königreich, Spanien, Portugal, Italien, Ungarn, Slowakei, Slowenien.

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Übersicht Marktsimulationsverfahren

Abbildung 2.2

Eingangsdaten

Optimierungsverfahren

Ergebnisse

> Kraftwerkspark (gesamte EU)

Freiheitgrade: Einsatz konventioneller KW

> stündlicher ­Kraftwerkseinsatz

> Kraftwerkparameter (Wirkungsgrad etc.)

Zielfunktion: Minimierung Erzeugungskosten über gesamten geografischen Betrachtungsbereich

> grenzüberschreitender Austausch

> Kostenparameter (Brennstoffe, CO2-Preise) > Einspeisezeitreihe EE, Lastzeitreihen > kommerzielle Übertragungs­ kapazitäten (NTC)

Nebenbedingungen: Lastdeckung, NTC, Speicherbeckenrestriktionen, Kraftwerksflexibilitäten

> nicht integrierbare Must-Run-Erzeugung > Erzeugungskosten (systemweit / länderspezifisch)

Betrachtungszeitraum: 1 Jahr im Stundenraster Optimierungsmethode: lineare Programmierung

Eigene Darstellung

etc.) übersteigt. In einem solchen Fall ist eine Abregelung der EE-Erzeugung aufgrund eines Systembilanzüberschusses innerhalb von Deutschland notwendig. 9 Bestandteil der Szenariendefinition war, dass die durch den jeweils angenommenen EE-Ausbau potenziell nutzbare EE-Erzeugungsmenge über alle Szenarien gleich bleibt. Kommt es aufgrund der szenarienspezifisch unterschiedlichen EEEinspeisezeitreihen in einem Szenario nun zu einer höheren Menge an EE-Abregelung als in den anderen Szenarien, dann sinkt für dieses Szenario somit die tatsächlich eingespeiste EE-Menge. Das erhöht bei gleicher Stromnachfrage die insgesamt erforderliche Menge an Stromerzeugung aus konventionellen Kraftwerken. Dies steigert wiederum die gesamten Erzeugungskosten. In den Szenarien mit verzögertem Netzausbau kann es zudem auch zu einer notwendi9 Tatsächlich ist denkbar, dass es in solchen Fällen nicht zu einer expliziten Abregelung der Erzeugung kommt, wenn die Überschusserzeugung in anderen Sektoren, beispielsweise durch Power-to-Heat-Anwendungen, genutzt wird. Solche denkbaren Nutzungen wurden in dieser Studie nicht weiter betrachtet und sind auch nicht Gegenstand der Kostenbewertung.

gen EE-Abregelung aufgrund von Netzengpässen innerhalb von Deutschland kommen (siehe Abschnitt 2.4). Auch hieraus resultiert dann ein anderer und insbesondere in Summe vermehrter Einsatz der konventionellen Kraftwerke mit entsprechenden Rückwirkungen auf die Erzeugungskosten. Um alle genannten Rückwirkungen unterschiedlicher EE-Ausbauszenarien auf den Einsatz der konventionellen Kraftwerke und damit auf die kurzfristig variablen Erzeugungskosten sachgerecht ermitteln zu können, ist in dieser Studie ein Marktsimulationsverfahren zur Anwendung gekommen. Mithilfe dieses Verfahrens wird grenzkostenbasiert der kostenoptimale Einsatz der konventionellen Kraftwerke für eine gegebene Nachfrage- und EE-Erzeugungssituation ermittelt. Einen Überblick über das Verfahren gibt Abbildung 2.2. Grundlage der Marktsimulation ist eine kraftwerksscharfe Datenbank des konventionellen Kraftwerksparks in Europa, die analog zum Vorgehen der ÜNB bei Berechnung des

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NEP und auf Basis der Angaben im genehmigten Szenario­ rahmen für den NEP parametriert wurde. Weiterhin sind die Annahmen zu den relevanten Kostenparametern (Brennstoff- und Emissionszertifikatspreise) ein wichtiges Eingangsdatum, da hierdurch die Einsatzreihenfolge der Kraftwerke bestimmt wird. Die Annahmen hierzu sind ebenfalls dem Szenariorahmen entnommen (siehe Abschnitt 2.7). Die konventionellen Kraftwerke sind zur Deckung der Residuallast erforderlich. Diese ergibt sich aus dem zeitlichen Verlauf der Nachfrage selbst und aus den Einspeisezeitreihen der EE-Anlagen. Letztere stellen somit auch ein wichtiges Eingangsdatum der Marktsimulation dar und wurden für Windkraft- und PV-Anlagen in Abhängigkeit von dem jeweils betrachteten EE-Ausbauszenario durch das Fraunhofer IWES modelliert und der Consentec GmbH für die Durchführung der Berechnungen zur Verfügung gestellt (siehe Abschnitt 2.5). Durch die Berücksichtigung dieser stündlichen und netzknotenscharf aufgelösten Einspeisezeitreihen werden die Auswirkungen der unterschiedlichen Annahmen zum EE-Ausbau auf das Stromerzeugungssystem detailliert abgebildet. Die notwendigen Annahmen zum zeitlichen Verlauf der Verbrauchslast wurden auf Basis der vom European Network of Transmission System Operators for Electricity (ENTSO-E) veröffentlichten historischen Lastzeitreihen für das Jahr 2011 getroffen. Netztechnische Restriktionen, die den grenzüberschreitenden Stromaustausch einschränken, sind ebenfalls zu berücksichtigen und vorzugeben. Diese werden in Form von bilateralen Net Transfer Capacities (NTC) abgebildet, die den kommerziellen Austausch zwischen Gebotszonen limitieren. Analog zum Vorgehen der ÜNB bei der Erstellung der Annahmen zum NEP wurden die NTC auf Basis der aktuellen von ENTSO-E veröffentlichten NTC und der zu erwartenden Änderungen durch Netzausbaumaßnahmen gemäß dem Ten-Year Network Development Plan (TYNDP) abgeschätzt. Hierbei handelt es sich notwendigerweise um Expertenschätzungen.

Dieses Vorgehen ermöglicht es, die Idee der bei der Szenariendefinition getroffenen Unterscheidung zwischen Szenarien mit „verzögertem Netzausbau“ und Szenarien mit „schnellem und vollständigem Netzausbau“ auch auf die Bestimmung der NTC zu übertragen: Auf Basis der Angaben des TYNDP wurden für das jeweilige Betrachtungsjahr einmal eher konservative Abschätzungen zum Ausbau der grenzüberschreitenden Kuppelleitungen getroffen (summarische Import-/Exportkapazität an deutschen Außengrenzen im Pfad „verzögerter Netzausbau“ für 2023: 20 bis 24 GW, für 2033: 24 bis 28 GW) und einmal eher optimistische Annahmen zum Ausbau der grenzüberschreitenden Kuppelleitungen getroffen (summarische Import-/Exportkapazität an deutschen Außengrenzen im Pfad „schneller und vollständiger Netzausbau“ für 2023: 24 bis 28 GW, für 2033: 29 bis 35 GW). Die genannten Annahmen stellen die Eingangsdaten für das verwendete Marktsimulationsverfahren dar, mit dem der Einsatz der konventionellen Kraftwerke und der gegebenenfalls vorhandene Bedarf zur Abregelung von Mustrun-Erzeugung ermittelt werden. Bei der jeweils ermittelten Abregelung lässt sich nicht eindeutig zuordnen, in welchen Anlagen die Überschüsse tatsächlich anfallen, da alle Mustrun-Anlagen mit ihrer Erzeugung zum Überschusszeitpunkt zu diesem beitragen. Wenn also zu einem bestimmten Zeitpunkt, zu dem sowohl Windkraft- und PV-Anlagen als auch KWK- und Biomasse-Anlagen einspeisen, ein Überschuss vorliegt, dann ist nicht eindeutig, ob die notwendige Abregelung in Windkraft-, PV-, KWK- oder Biomasse-Anlagen erfolgt, da deren Erzeugung aus Sicht der Marktsimulation gleichwertig ist. Für die Marktsimulation wird ein von Consentec entwickeltes lineares Optimierungsproblem gelöst, dessen Zielfunktion die Minimierung der systemweiten kurzfristig variablen Erzeugungskosten ist, also im Wesentlichen die Brennstoff- und Emissionszertifikatskosten der konventionellen thermischen Kraftwerke. Der ermittelte Kraftwerkseinsatz muss eine Deckung der residualen Nachfragen zu jedem Zeitpunkt sicherstellen. Dabei wird eine Reihe von Nebenbedingungen berücksichtigt. Hierzu zählen technische Randbedingungen der Kraftwerke, insbeson-

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dere deren maximale Lastgradienten, zeitkoppelnde Nebenbedingungen zu Füllständen von Speicherkraftwerken (aus gegebenenfalls natürlichen Zuflussmengen und den energetischen Nebenbedingungen des zeitlich begrenzten kontinuierlichen Pump- beziehungsweise Turbinenbetriebs), die Einhaltung eines vorgegebenen Bedarfs an Reserveleistung sowie die Einhaltung der Begrenzungen hinsichtlich des grenzüberschreitenden Stromaustauschs. Die Vorhaltung von Regelreserve wurde über eine anteilige Reduktion der verfügbaren Erzeugungsleistung bei den konventionellen Kraftwerken abgebildet. Damit wird implizit unterstellt, dass EE-Anlagen zumindest zu Zeitpunkten hoher EE-Einspeisung einen Teil der Reservevorhaltung erbringen. Für die Erzeugung aus KWK- sowie Biomasseanlagen, die beide neben der Stromerzeugung auch zur Deckung einer Wärmelast eingesetzt werden, wurde angenommen, dass die Hälfte dieser Erzeugung mit einem thermischen Speicher ausgestattet ist, der eine Verschiebung der Stromerzeugung im Verhältnis zum Wärmebedarf um bis zu sechs Stunden erlaubt. (Anschaulich: Die Stromerzeugung kann gegenüber einer rein wärmegeführten KWK-Erzeugung um bis zu sechs Stunden vorgezogen werden.) Die andere Hälfte dieser Erzeugung folgt einer durch den Wärmebedarf vorgegebenen Must-run-Erzeugungscharakteristik. Die Implementierung von Lastverschiebe-Maßnahmen (Demand Side Management, DSM) in Deutschland wird nicht explizit modelliert. Insgesamt ist aber davon auszugehen, dass die im NEP getroffenen Annahmen zum Ausbau der Pumpspeicher in Deutschland eher zu hoch ausfallen. Aus Sicht des restlichen Erzeugungssystems sind DSM-Maßnahmen Pumpspeicherkraftwerken weitgehend äquivalent, sodass die in den Szenarien getroffene Überschätzung des Pumpspeicherausbaus auch als Umsetzung von DSM-Maßnahmen interpretiert werden kann, womit sich ein insgesamt stimmiges Gesamtbild ergibt. Diese Annahme gilt für beide betrachteten Jahre 2023 und 2033. Das Verfahren simuliert ein Jahr in stündlicher Auflösung und liefert für den Simulationszeitraum die Zeitreihe der Einspeisung je modellierter Erzeugungseinheit sowie die sich ergebenden zeitpunktscharfen Import-/Exportmengen je Gebotszone. Sollten sich aus den gegebenen EE-Einspeisezeitreihen, der zeitpunktscharfen Nachfrage sowie den

technisch begrenzten Flexibilitäten des hydrothermischen Kraftwerksparks Situationen mit einem Systembilanzüberschuss innerhalb von Gebotszonen ergeben, so werden diese Zeitpunkte und die jeweils notwendigerweise abzuregelnden Überschussmengen ebenfalls ausgewiesen. Für das Ziel der Untersuchungen in dieser Studie, nämlich die Bewertung der Unterschiede verschiedener EE-Ausbaustrategien in den Gesamtsystemkosten, lassen sich aus den Ergebnissen des Marktsimulationsverfahrens einerseits unmittelbar die Kosten für den Einsatz der konventionellen Kraftwerke im gesamten Betrachtungsbereich ermitteln. Andererseits sind die ermittelten Kraftwerksfahrpläne ein wichtiges Eingangsdatum für die Betriebssimulationen des Übertragungsnetzes, die wiederum notwendig sind, um Unterschiede in den Kosten bei einem schnellen und vollständigen Ausbau der Übertragungsnetze ermitteln zu können.

2.3 Methodik Verteilnetze Zur Bestimmung der Auswirkungen des Zubaus dezentraler Erzeugung auf die Verteilnetze – in diesem Fall die Hochspannungs-Leitungsebene bis zur NiederspannungsLeitungsebene einschließlich der dazwischen liegenden Umspannebenen – wurde ein zweischrittiges Vorgehen gewählt. Zunächst wurde der aus Sicht der Netzausbaukosten wirtschaftliche Abregelumfang der im Verteilnetz angeschlossenen EE-Einspeisungen bestimmt und anschließend der gegebenenfalls noch notwendige Ausbaubedarf des Verteilnetzes ermittelt. Elektrische Netze werden in der Regel so dimensioniert, dass diese jederzeit die Leistungsanforderungen der an sie angeschlossenen Netzkunden erfüllen können. Insbesondere für Einspeisungen bedeutet dies, dass Netze dahingehend ausgelegt werden müssen, jederzeit die maximale Erzeugungsleistung aufnehmen zu können, auch wenn diese nur in wenigen Stunden des Jahres ansteht. Insbesondere in den Fällen, in denen die maximale Einspeiseleistung nur für eine vergleichsweise geringe Zeit des Jahres ansteht, könnte es wirtschaftlich sein, das Netz auf eine geringere als die maximale Belastung zu dimensionieren und darüber hinausgehende Einspeisungen abzuregeln. Hierfür muss

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jedoch abgewogen werden, bis zur welchem Anteil der Erzeugungsleistung eine Abregelung wirtschaftlicher wäre als ein entsprechender Netzausbau. Der Grundgedanke bei der Ermittlung dieser wirtschaftlichen Abregelmenge ist es, den spezifischen Netzausbaukosten die für die abgeregelte Menge aufzuwendenden Erzeugungskosten (einschließlich der spezifischen Erzeugungskosten der abgeregelten EE-Anlagen als Näherungsgröße für den Wert der „grünen kWh“) gegenüberzustellen und den Teil der installierten Erzeugungsleistung abzuregeln, für den die Netzausbaukosten diese Erzeugungskosten übersteigen. Zur Bestimmung der Netzausbaukosten wurde zunächst die Aufnahmefähigkeit von typischen Hoch-, Mittel- und Niederspannungsnetzen für Erzeugung ermittelt und dabei angenommen, dass eine Verdopplung der Netzmenge (mindestens) zu einer Verdopplung der Netzaufnahmefähigkeit für Erzeugung führt. Gewichtet man die je Netzebene erhaltene Netzmenge mit typischen, durchschnittlichen betriebsmittelbezogenen Kostenansätzen und bezieht die so ermittelten Kosten auf die jeweils bestimmte zulässige Erzeugungsleistung, erhält man spezifische Ausbaukosten (in Euro/MVAErzeugungsleistung) je Netzebene. 10

10 Bei der Bestimmung der spezifischen Ausbaukosten für die Mittelspannungsebene ist zu berücksichtigen, dass Mittelspannungsnetze in Deutschland teilweise mit einer Spannung von 10 kV und teilweise mit einer Spannung von 20 kV betrieben werden und dass sich die Netzaufnahmefähigkeit für Erzeugungsanlagen mit der Betriebsspannung verändert. Typischerweise haben mit einer Spannung von 10 kV betriebene Netze eher städtischen Charakter (hohe Lastdichte und kurze Entfernungen), während in ländlichen Netzen wegen in der Regel geringerer Lastdichte bei größeren Stationsentfernungen eine Spannung von 20 kV vorherrscht. Bei einer typischen, realitätsnahen Dimensionierung der Netze (im Hinblick auf charakteristische Netzausdehnung, verwendete Betriebsmitteltypen, Lastdichte usw.) ergibt sich die praxisnahe Annahme, dass in städtischen 10-kV-Netzen die Strombelastung der Betriebsmittel die Aufnahmefähigkeit für Erzeugungen begrenzt, während in ländlichen 20-kV-Netzen betriebliche Spannungsgrenzen die Aufnahmefähigkeit limitieren. Somit ergeben sich für 10- und 20-kV-Netze unterschiedliche spezifische Ausbaukosten, die jedoch unter der Annahme, dass ein Drittel der Netze mit 10 kV und zwei Drittel mit 20 kV betrieben werden, in einen gewichteten Durchschnittswert überführt werden können.

Um die den Kosten des Netzausbaus entgegenzusetzenden Erzeugungskosten der dezentralen Einspeisungen zu bestimmen, wurden zunächst auf Basis der vom Fraunhofer IWES bereitgestellten Zeitreihen Erzeugungsdauerlinien, das heißt die erzeugte Energiemenge je Prozent installierte Erzeugungsleistung, ermittelt. Die Erzeugungsdauerlinien wurden jeweils separat für Photovoltaik und OnshoreWindkraft sowie für die Zeitpunkte 2023 und 2033 ermittelt. Für Offshore-Windkraft hingegen wurde keine Dauerlinie ermittelt, da angenommen wurde, dass der Netzanschluss von Offshore-Windparks nicht im Verteilnetz erfolgt und insofern hinsichtlich der Offshore-Windkraft keine Abwägung zwischen Verteilnetzausbau und Einspeisebegrenzung erforderlich ist. Die ermittelten Erzeugungsdauerlinien wurden anschließend mit technologiespezifischen kostenbasierten Kostenansätzen auf Basis der in dieser Studie verwendeten Kostenannahmen monetarisiert. Die vom Fraunhofer IWES bereitgestellten Einspeisezeitreihen sind örtlich differenziert und liegen höchstspannungsknotenscharf (circa 350 Knoten) vor, sodass auch die daraus abgeleiteten Erzeugungsdauerlinien für die Ebene der Höchstspannung gelten. Um den Schnittpunkt der Netzausbaukosten mit den Erzeugungskosten zur Ableitung der wirtschaftlich mindestens sinnvollen Abregelungsmenge zu bestimmen, müssen zunächst die je Netzebene bestimmten spezifischen Netzausbaukosten auf Ebene der Höchstspannung aggregiert werden. Die Aggregation erfolgte jeweils getrennt für die Erzeugungstechnologien Photovoltaik und Onshore-Windkraft, indem die je Netzebene ermittelten spezifischen Ausbaukosten mit den Anteilen der in den einzelnen Netzebenen installierten Erzeugungsleistungen, die aus dem von der Bundesnetzagentur veröffentlichten Anlagenregister abgeleitet wurden, gewichtet wurden und anschließend der Schnittpunkt aus Erzeugungskosten und Netzausbaukosten bestimmt wurde. Aus Sicht des wirtschaftlich optimalen Verteilnetzausbaus ergeben sich folgende Werte für die Begrenzung der maximalen Erzeugungsleistung der jeweiligen EE-Anlagen (bezogen auf installierte Erzeugungsleistung):

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Maximale Einspeiseleistungen bezogen auf die installierte Leistung je Netzebene, differenziert nach E ­ rzeugungstechnologie und Betrachtungszeitpunkt (­gesamtwirtschaftlich optimales Einspeisemanagement) Abb. 2.3

Photovoltaik

2023

2033

Niederspannung

87 %

87 %

Mittelspannung

78 %

78 %

Hochspannung

71 %

71 %

Niederspannung

94 %

100 %

Mittelspannung

91 %

100 %

Hochspannung

88 %

100 %

Onshore-Windkraft

Eigene Darstellung

Bei den ermittelten maximalen Einspeiseleistungen ist zu erkennen, dass bei Onshore-Windkraft im Vergleich zur Photovoltaik höhere Einspeiseleistungen wirtschaftlich zugelassen werden können, ein Netzausbau also früher wirtschaftlich ist als eine Abregelung der Einspeisung. Dies ist dadurch begründet, dass Windkraftanlagen deutlich höhere Volllaststunden erreichen als Photovoltaikanlagen und dementsprechend eher größere Energiemengen abgeregelt werden müssten, deren Wert dann die Ausbaukosten des Verteilnetzes übersteigt. Insbesondere ist zu erkennen, dass zum Zeitpunkt 2033 Onshore-Windkraftanlagen aus wirtschaftlichen Gründen gar nicht mehr abgeregelt werden sollten, da die Windkraftanlagen im Vergleich zu 2023 durch ein verbessertes Anlagendesign noch einmal deutlich gestiegene Benutzungsstunden aufweisen. Im Prinzip heißt dies, dass die wirtschaftlich sinnvolle Abregelung bereits aufseiten der Anlagentechnik umgesetzt wurde. Im nächsten Schritt wurde für jedes Szenario (Basisszenario, „beste Standorte“, „verbrauchsnahe Erzeugung“) auf Basis der vom Fraunhofer IWES generierten Einspeiseganglinien im Stundenraster, der installierten Erzeugungsleistungen von Photovoltaik und Onshore-Windkraft sowie der Lastannahmen je Höchstspannungsknoten bestimmt, zu welchen Zeitpunkten, in welchen Verteilnetzebenen und

unterhalb welches Höchstspannungsknotens die Einspeiseleistung die vorher bestimmten maximal zulässigen Netzaufnahmeleistungen überschreiten würde und somit durch Einspeisemanagement auf diese Maximalwerte begrenzt werden muss. Hierbei wurde zur Ermittlung der je Netzebene dimensionierungsrelevanten Belastung praxisnah unterstellt, dass solche Einspeisungen zu einem Netzausbaubedarf führen, die betragsmäßig die maximal auftretende Last (Höchstlast) überschreiten und dadurch zum Beispiel in Schwachlastzeiten Rückspeisungen verursachen können – was die betrieblichen Strom- und Spannungsgrenzen verletzen würde. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass Erzeugungsanlagen nicht völlig homogen auf ein Netzgebiet verteilt, sondern örtlich konzentriert errichtet werden. Um dies geeignet zu berücksichtigen, haben wir unterstellt, dass Erzeugungsanlagen nur in einem Teil des Netzgebiets errichtet werden und dementsprechend auch nur ein Teil der im Gebiet vorhandenen Last der Einspeisung entgegensteht. Den Anteil des Netzgebiets haben wir je Netzebene und in örtlicher Differenzierung je Höchstspannungsknoten auf ein Drittel der Bandbreite aus maximal möglicher Konzentration und vollständig homogener Verteilung angesetzt, was sich mit Annahmen aus vorherigen Studien und mit Erfahrungen aus der Praxis deckt. Der maximal möglichen Konzentration lieg die Annahme zugrunde, dass jedem Lastnetzanschluss ein Erzeugungsanschluss zugeordnet ist, wobei sich die Zahl der Erzeugungsanschlüsse ergibt aus je Netzebene je Höchstspannungsknoten je Erzeugungstechnologie installierter Leistung geteilt durch die entsprechend zugehörige typische Anlagengröße, die aus dem Anlagenregister der Bundesnetzagentur abgeleitet wurde. Um den Netzausbau zu bestimmen, der sich nach Begrenzung der Einspeisung ergibt, haben wir das Verfahren der Modellnetzanalyse (MNA) eingesetzt. Der MNA liegt die Idee zugrunde, die Versorgungsaufgabe in stark abstrahierter Form unter Verwendung des „Grüne-Wiese-Ansatzes“ mit nur wenigen Eingangsgrößen zu beschreiben, sodass die wesentlichen Wirkungszusammenhänge zwischen Eingangsgrößen und Ausgangsgrößen anhand kostenoptimaler Netzstrukturen leicht untersucht werden können, losgelöst von fallspezifischen Einzeleinflüssen. Als charakteristische Eingangsgrößen werden vor allem die versorgte Fläche,

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Anzahl, Lage und das Verhalten der Lasten und Erzeuger sowie technische Nebenbedingungen (vor allem zu zulässigen Strom- und Spannungsgrenzen sowie zu den eingesetzten Betriebsmitteln) definiert. Ausgangsgröße sind die Mengengerüste pro Netzebene, aus denen wiederum die sich ergebenden Kosten abgeleitet werden können. Die Dimensionierung der Netzebenen wird (neben der räumlichen Verteilung der Netzanschlüsse) überwiegend von den Leistungsanforderungen der Netznutzer geprägt. Die Auslegung der Hoch-, Mittel- und Niederspannungsleitungsebenen wird im Wesentlichen von der Verteilung der Netzanschlüsse determiniert. Dabei wird der Leitungsbedarf maßgeblich von der zwischen den Netzanschlüssen zu überwindenden Distanz bestimmt. Demgegenüber hat die an den Netzanschlüssen entnommene oder eingespeiste Leistung erst in zweiter Linie Einfluss auf den Leitungsbedarf der betrachteten Netzebene. Dies liegt daran, dass die zur Verbindung der Netzanschlüsse errichteten Anlagen immer bereits eine Mindestkapazität aufweisen, die in der Regel auch den jeweils zu erfüllenden Leistungsanforderungen genügt. Somit wird auch erst bei starken Änderungen der Leistungsanforderungen (zum Beispiel bei Leistungszunahmen durch Zubau dezentraler Erzeugungsanlagen) ein leistungsstärkerer (beziehungsweise bei Leistungsrückgang ein leistungsschwächerer) Leitungstyp als der Standardtyp verwendet. Im Gegensatz zur Auslegung der Leitungsebenen wird die Auslegung der Umspannebenen zwischen Hoch- und Mittelspannung und zwischen Mittel- und Niederspannung im Wesentlichen von der zeitgleichen Höchstleistung aller an der jeweiligen Umspannebene sowie an unterlagerte Netzebenen angeschlossenen Lasten und Einspeisungen bestimmt. Dabei ist es unerheblich, auf wie viele Netzanschlüsse (unterhalb der jeweils betrachteten Umspannebene) sich diese Höchstleistung verteilt. Die Anforderungen an die Verteilnetze, also Höhe der Last (hier in jedem Szenario gleich) und Höhe der Einspeisungen (je Szenario und je Betrachtungszeitpunkt unterschiedlich), wurden örtlich differenziert betrachtet. Basierend auf den obengenannten Angaben vom Fraunhofer IWES

wurde auch hier eine örtliche Differenzierung auf Basis der Höchstspannungsnetzknoten vorgenommen, sodass für alle betrachteten Verteilnetzebenen je Betrachtungszeitpunkt mittels MNA Netzmengengerüste für die Verteilnetze unterhalb jedes Höchstspannungsknotens bestimmt wurden, wie sie zur Versorgung der Lasten und (maximal zulässigen) Einspeisungen benötigt werden. Die MNA wurde dabei derart parametriert, dass bei ausschließlicher Betrachtung von Lasten die heutigen Netzmengen entstehen. Die für heute und für die beiden Betrachtungszeitpunkte je Szenario (Basisszenario, „beste Standorte“, „verbrauchsnahe Erzeugung“) ermittelten Netzmengengerüste wurden mit typischen Kostenansätzen bewertet (eigene Erfahrungswerte, siehe Abbildung 2.4) und mittels Annuitätenmethode in jährliche Kosten überführt, um mit den übrigen Kosten (Übertragungsnetz, Erzeugungssystem usw.) direkt vergleichbar zu sein. Kostenannahme für Netzausbau­maßnahmen in ­Verteilnetzen

Abbildung 2.4

HöS-/HS-Transformator inkl. Schaltfeld

5 Mio. €

HS-Freileitung

0,22 Mio. €/km

HS-/MS-Umspannstation

2,50 Mio. €/Station

MS-Kabel

0,11 Mio. €/km

MS-/NS-Umspannstation

0,28 Mio. €/Station

NS-Kabel

0,90 Mio. €/km

Zinssatz (real)

7,5 %/a

durchschnittliche Nutzungsdauer

60 a

Eigene Darstellung

2.4 Methodik Übertragungsnetz Aus den netzknotenscharfen Annahmen zur Windkraftund PV-Einspeisung (siehe auch Abschnitt 2.5) sowie den aus der Marktsimulation ermittelten ebenfalls netzknotenscharf vorliegenden Einspeisefahrplänen der konventionellen Kraftwerke lassen sich mit geeigneten Berechnungsverfahren Lastflusssimulationen für das Übertragungsnetz durchführen. Diese sind Grundlage für die Beurteilung der Auslastungssituation und – in Abhängigkeit von der jeweils betrachteten Geschwindigkeit des Netzausbaus – zur Er-

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mittlung notwendiger Netzausbaumaßnahmen. Das grundsätzliche Vorgehen hierzu wird nachfolgend beschrieben. Die Auslegung des Übertragungsnetzes wird durch einige wenige Netzsituationen determiniert, für die sich im (n-1)Fall 11 auf einem oder mehreren Betriebsmitteln 12 kritische Belastungen einstellen. Diese Situationen sind erfahrungsgemäß auf wenige Stunden des Jahres begrenzt, da in den meisten Zeitpunkten unkritische Betriebsmittelbelastungen auftreten. Um diese Stunden zu identifizieren, haben wir die Ergebnisse der Marktsimulation, das heißt die Zeitreihen eines Jahres im Stundenraster zu Nachfrage und Erzeugung, knotengenau in ein jeweils zeitpunktscharfes Netzmodell überführt, das eine spezifische Last-Einspeise-Situation darstellt. Die Abbildung der Netztopologie erfolgt auf Basis eines von Consentec in Zusammenarbeit mit dem Institut für Elektrische Anlagen und Energiewirtschaft (IAEW) der RWTH Aachen entwickelten, ausschließlich auf frei verwendbaren Quellen basierenden (zum Beispiel Netzkarten, veröffentlichte Informationen zu Leiterseilkapazitäten oder -typen, Angaben im Statistical Yearbook von ENTSO-E/UCTE etc.) und ohne Restriktionen nutzbaren Lastflussdatenmodells des kontinentaleuropäischen Verbundnetzes inklusive der Verknüpfungspunkte zum nordischen und britischen Netzgebiet. Neben den passiven Netzelementen (Übertragungsleitungen, Transformatoren und Schaltanlagen) beinhaltet dies auch die Standorte des hydrothermischen Kraftwerkssystems sowie die Knotenpunkte zur regionalen Verteilung von Verbrauchlast und Kraftwerksstandorten. Die Zuord-

11 Im Übertragungsnetz wird die Einhaltung des anerkannten (n-1)-Kriteriums gefordert, bei dem der Ausfall eines Betriebsmittels keine unzulässigen Belastungen aller anderen Betriebsmittel verursachen darf. 12 Betriebsmittel umfassen dabei zunächst grundsätzlich alle Leitungen der 380- und 220-kV-Ebene sowie 380/220-kVNetzkuppeltransformatoren. Da in öffentlichen Quellen nahezu keine Angaben zur Anzahl installierter Transformatoren in den Umspannwerken und deren Übertragungsleistung verfügbar sind, beschränkt sich die Prüfung der Betriebsmittelbelastungen in unseren Analysen auf die Leitungsebene.

nung der Einspeisung aus Windkraft- und PV-Anlagen zu Netzknoten erfolgte auf Basis der vom Fraunhofer IWES bereitgestellten EE-Einspeisezeitreihen (siehe Abschnitt 2.5). Das Netzmodell wurde durch Vergleichsrechnungen mit veröffentlichten Netzberechnungsergebnissen validiert. Aufgrund des begrenzten Umfangs und Detailgrads der öffentlich verfügbaren Informationen (beispielsweise zu elektrischen Parametern landesinterner Übertragungsleitungen oder zum Schaltzustand in Umspannanlagen) erreicht das Netzmodell zwar nicht die Genauigkeit, die für betriebsmittelscharfe Aussagen zum Beispiel zur konkreten Dimensionierung einzelner Leitungen notwendig wäre. Eine Identifikation von Engpassregionen und die regionale Quantifizierung des Netzausbaubedarfs sind damit jedoch in jedem Fall möglich. Dies belegen auch vielfältige erfolgreiche Anwendungen beispielsweise in Untersuchungen für europäische Kraftwerksbetreiber zum Zuschnitt von Preiszonen oder zur Kraftwerkspositionierung sowie im Auftrag des deutschen Bundeswirtschaftsministeriums bei der Erarbeitung des Grundlagengutachtens für den deutschen Monitoringbericht zum Stand der Versorgungssicherheit in der Elektrizitätsversorgung. Während der in der Marktsimulation ermittelte Einsatz der flexibel einsetzbaren Kraftwerke sowie die resultierende EE-Einspeisung direkt einzelnen Netzknoten des Lastflussmodells zugeordnet werden können, müssen regional vorliegende Daten zu Last und Must-run-Erzeugung aus KWKAnlagen über entsprechende Regionalisierungsschlüssel auf die relevanten Netzknoten aufgeteilt werden. Die hier angewendete Regionalisierung basiert auf den Ergebnissen unseres Gutachtens zur Regionalisierung des Szenariorahmens 2012 im Auftrag der Bundesnetzagentur. 13 Für jede modellierte Last-Einspeise-Situation haben wir eine Netzsicherheitsanalyse für das deutsche Übertragungsnetz nach dem (n-1)-Kriterium durchgeführt. Daraus ergeben sich zum einen diejenigen Stunden des Jahres, in

13 Consentec (April 2012): Regionalisierung eines nationalen energiewirtschaftlichen Szenariorahmens zur Entwicklung eines Netzmodells (NEMO)

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denen eine Netzüberlastung identifiziert wurde, und zum anderen die Lage und das Ausmaß der Überlastung einer Leitung. Grundsätzlich könnte der Netzausbau so realisiert werden, dass jede dieser engpassbehafteten Stunden vollständig engpassfrei wird. Ein solcher zur Aufnahme der letzten kWh EE-Erzeugung entwickelter Ausbau ist unter den derzeitigen Rahmenbedingungen das zur Netzauslegung heute übliche Vorgehen. Daraus könnte jedoch in Zukunft ein möglicherweise überdimensionierter und ineffizienter Netzausbaubedarf resultieren, da der Netzausbau nur eine von mehreren Möglichkeiten zur Engpassbehebung darstellt und unter Abwägung von Kosten und Nutzen eingeordnet werden sollte. Um aus diesen Gesichtspunkten eine Überdimensionierung zu vermeiden, haben wir szenarienübergreifend einen einheitlichen Satz von Kriterien zur Auswahl von Stunden angewendet, die im Sinne der Ermittlung des langfristigen Netzausbaubedarfs auslegungsrelevant sind: →→ Leitungsüberlastungen, die höher als das 90-ProzentQuantil aller aufgetretenen Überlastungen sind, werden ignoriert. Damit werden singuläre und damit sehr selten auftretende Ereignisse bezogen auf einzelne Betriebsmittel aus der Betrachtung im Hinblick auf die Ableitung eines effizienten und effektiven Netzausbaus ausgenommen, das heißt, in den betrachteten Szenarien auftretende Extremsituationen werden von der Netzauslegung ausgeschlossen. In der Praxis wären in den wenigen Stunden, wo solche hohen Überlastungen auftreten, kurative Eingriffe in den Kraftwerkseinsatz (gegebenenfalls auch Abregelungen von EE-Anlagen) erforderlich. →→ Darüber hinaus haben wir nur Stunden betrachtet, in denen die Last in Deutschland entweder kleiner als das 10-Prozent-Quantil oder größer als das 90-Prozent-Quantil der angenommenen Lastzeitreihe ist und gleichzeitig die aktuelle EE-Einspeisung größer als das 90-Prozent-Quantil der EE-Einspeisezeitreihe ist. Durch Verschneiden mit den Stunden, in denen Netzüberlas-

tungen aufgetreten sind, werden insbesondere solche Last-Einspeise-Situationen bei der Netzauslegung berücksichtigt, die aufgrund hoher EE-Einspeisung gegebenenfalls in Verbindung mit hoher Last zu unzulässigen Leitungsbelastungen führen. Auf Basis der zuvor genannten Kriterien haben wir die fünf bis zehn Stunden ausgewählt, die aus Sicht der Netzbelastung am kritischsten waren. Je nach Annahme im Hinblick auf die Geschwindigkeit für den Ausbau des Übertragungsnetzes haben wir die so ermittelten Befunde in unterschiedlicher Weise weiter verarbeitet: Verzögerter Netzausbau Unter der Annahme eines zeitlich verzögerten Netzausbaus haben wir das zuvor beschriebene Lastflussmodell um die für das jeweilige Betrachtungsjahr als realisiert angenommenen Netzausbauprojekte erweitert. Dabei haben wir angenommen, dass für das Jahr 2023 gegenüber dem heutigen Netzausbauzustand die Projekte des sogenannten Startnetzes, das von den deutschen Übertragungsnetzbetreibern im Rahmen des Netzentwicklungsplans angewendet wurde, umgesetzt wurden. Dies betrifft die Ausbaumaßnahmen gemäß EnLAG sowie weitere bereits genehmigte oder in der Umsetzung befindliche Projekte. Für das Jahr 2033 haben wir die Netzausbauprojekte als realisiert angenommen, die von der Bundesnetzagentur im Bundesbedarfsplan 2012/13 vorgelegt wurden. Die ermittelten Leitungsüberlastungen für das Jahr 2023 beziehungsweise 2033 dienten dann zur Ableitung von zusätzlichen netzbezogenen Restriktionen innerhalb Deutschlands, die in der Marktsimulation berücksichtigt wurden. Der auf Basis der so erweiterten Nebenbedingungen ermittelte Kraftwerkseinsatz führt dann zu einem sicheren Netzbetrieb ohne unzulässige Leitungsbelastungen. Schneller und vollständiger Netzausbau Im Falle einer schnell und vollständig möglichen Realisierung von Netzausbauprojekten haben wir für die aus-

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gewählten Stunden einen technisch und ökonomisch angemessenen Netzausbau simuliert. Durch die unterschiedlichen Annahmen zum Ausbau der EE-Erzeugung im Hinblick auf Technologie und regionale Verteilung in den betrachteten Szenarien kommt es zu unterschiedlich hohen Netzbelastungen im Jahresverlauf. Daher haben wir die für die Netzauslegung relevanten Stunden für jedes Szenario einzeln auf Basis der jeweiligen Ergebnisse der Netzsicherheitsanalyse ermittelt.

Kostenannahme für Netzausbaumaßnahmen 

Neubau DC-Freileitung

1,4 Mio. €/km

DC-Konverterstation

0,13 Mio. €/MVA

Neubau AC-Freileitung

1,4 Mio. €/km

AC-Schaltfeld

4,0 Mio. € je Schaltfeld

Zinssatz (real)

7,5 %/a

durchschnittliche Nutzungsdauer

60 a

Abb. 2.5

Eigene Darstellung

Dazu haben wir zur Eliminierung der identifizierten Engpässe konkrete Netzausbaumaßnahmen in den jeweiligen Lastflussmodellen nachgebildet und durch erneute Lastfluss- und Netzsicherheitsberechnungen verifiziert, ob die ergriffenen Maßnahmen effektiv und effizient zu einer engpassfreien Netzsituation führen. Die Überlagerung der zeitpunktspezifisch ermittelten erforderlichen Ausbaumaßnahmen bestimmt den insgesamt notwendigen Netzausbau für das betrachtete Jahr. Bei der Auswahl von Trassenverläufen und Übertragungstechnologie haben wir uns am genehmigten NEP 2012 (Bundesbedarfsplan) orientiert, der im Rahmen eines formalisierten und institutionalisierten Netzplanungsprozesses als eine mögliche, technisch und ökonomisch angemessene Lösung von den deutschen ÜNB erarbeitet und von der BNetzA (mit teilweisen Modifikationen) bestätigt wurde. Der Startpunkt zur Bestimmung des Netzausbaus bis 2023 war dabei das von den ÜNB im Rahmen des NEP verwendete Startnetz (vgl. Vorgaben bei verzögertem Netzausbau), sodass in diesem Schritt die Änderungen im Vergleich zum im Startnetz enthaltenen Netzausbaumaßnahmen bestimmt wurden. Analog dazu haben wir für die Bewertung des Jahres 2033 die Änderungen gegenüber der gewählten Referenz ermittelt, die in diesem Fall dem Ausbauzustand entspricht, der sich nach Realisierung der Projekte gemäß Bundesbedarfsplan ergibt. Schließlich haben wir die ermittelten innerdeutschen Netzausbaumaßnahmen monetär auf Basis der im genehmigten NEP 2012 dokumentierten und in Abbildung 2.5 dargestell-

ten Kostenansätze bewertet. 14 Entsprechend den Annahmen des NEP wurden alle Netzmaßnahmen in Freileitungstechnik kalkuliert, zusätzliche Kosten für eine Verkabelung wurden nicht angenommen.

2.5 G  enerierung netzknotenscharfer EE-Einspeisezeitreihen Die Abbildung der Einspeisung aus Windenergie- und Photovoltaikanlagen erfolgt mithilfe eines räumlich und zeitlich hochaufgelösten Modells des Fraunhofer IWES, welches bereits für diverse Studien 15 eingesetzt und kürzlich auf Europa erweitert wurde. 14 Der stärkere Netzausbau außerhalb Deutschlands, der zu höheren Grenzkuppelkapazitäten führt, wurde unter Kostengesichtspunkten nicht betrachtet, da für eine Erhöhung dieser Kapazitäten neben einem reinen Ausbau der Grenzkuppelleitungen in unterschiedlichem Maße auch ein Ausbau der Netzinfrastruktur in den jeweiligen Nachbarländern erforderlich ist. Der Netzausbau innerhalb der europäischen Nachbarländer ist aber nicht Gegenstand der hier durchgeführten Untersuchungen und wird in seiner Kostenwirkung daher vernachlässigt. 15 Klaus, T./Vollmer, C./Werner, K./Lehmann, H./Müschen, K (2010).: Energieziel 2050: 100 % Strom aus erneuerbaren Quellen, Studie des Umweltbundesamts mit Simulationen des Fraunhofer IWES, Berlin Nitsch, J./Pregger, T./Scholz, Y./Naegler, T./Sterner, M./Gerhardt, N./ von Oehsen, A./Pape, C./Saint-Drenan, Y.-M./Wenzel, B. (2010): Langfristszenarien und Strategien für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland bei Berücksichtigung der Entwicklung in Europa und global, Studie für das Bundesumweltministerium, Berlin Nitsch, J./Pregger, T./Naegler, T./Heide, D./Luca de Tena, D./Trieb, F./Scholz, Y./Nienhaus, K./Gerhardt, N./Sterner, M./Trost, T./von Oehsen, A./Schwinn, R./Pape, C./Hahn, H./Wickert, M./Wenzel, B. (2011): Langfristszenarien und Strategien für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland bei Berücksichtigung

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Vorgehen zur Ermittlung der Einspeisung aus Windenergie und Photovoltaik

Abbildung 2.6

Meteorologische Eingangsdaten

Physikalische Modelle der EE

Einspeisezeitreihen EE

- COSMO-EU-Modell (DWD; Windkraft) - Soda-is (HelioClim-3-Modell; Solar) - 7 x 7 km² räumliche Auflösung - 1 h zeitliche Auflösung

Räumliche Verteilung EE

EE-Szenario

- Windkraft

- Bestandsanlagen an-

-P  hotovoltaik

hand Betreiber Daten-

netzknotenscharf

basis, EEG Stammdaten etc. - Zubau mithilfe von Zubaumodellen auf Basis von GIS und Analysen der regenerativen Ressource

Fraunhofer IWES

Basis für die Simulationen bildet das Gitter des COSMOEU-Modells des Deutschen Wetterdienstes 16 mit einer räumlichen Auflösung von circa sieben mal sieben Quadratkilometer. Ausgehend vom aktuellen Anlagenbestand auf Basis bereinigter EEG-Stammdaten, der Betreiberdatenbasis 17 sowie weiterer Daten werden zunächst bereits errichtete EE-Anlagen berücksichtigt und für die Differenz zwischen Bestand und Szenarioannahmen mithilfe einer

der Entwicklung in Europa und global. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 16 Schulz J.-P./Schättler U. (2005): Kurze Beschreibung des LokalModells LME und seiner Datenbanken auf den Datenserver des DWD. Deutscher Wetterdienst – DWD, Offenbach 17 Betreiber-Datenbasis. WEA-Standortdaten. www.btrdb.de/sto.html

Zubausimulation zusätzliche EE-Anlagen platziert. Ausgehend von einer Betriebsdauer von 20 Jahren werden die Bestandsanlagen durch Neuanlagen ersetzt, sodass für das Szenariojahr 2033 der Anlagenbestand vollständig aus neu errichteten Anlagen besteht. Für den Zubau wurden Annahmen zu der zukünftigen technischen Auslegung von Windkraft- und Solaranlagen in den Jahren 2023 und 2033 getroffen. Die räumliche Verteilung der Anlagen erfolgt anhand von Geoinformationen auf geeigneten Flächen unter Berücksichtigung von Nutzungs- und Naturschutzrestriktionen sowie von verfügbaren regenerativen Ressourcen. Die Simulationen basieren auf dem historischen Wetterjahr 2011. Dieses stellt ein relativ repräsentatives, wenn auch durch den sehr ertragreichen Dezember leicht überdurchschnitt-

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Studie | Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland

Annahmen zur Auslegung des Zubaus der Windenergieanlagen

2013

Abbildung 2.7

2023

2033

Starkwind

Schwachwind

Starkwind

Schwachwind

Starkwind

2,5 MW

2,2 MW

3 MW

3 MW

4,5 MW

4 MW

Rotor-Ø

85 m

90 m

100 m

115 m

125 m

140 m

Nabenhöhe

90 m

120 m

110 m

140 m

120 m

150 m

cp max

0,48

0,48

0,5

0,5

0,51

0,51

W/m 2

441

346

382

289

367

260

Nennleistung

Schwachwind

Fraunhofer IWES

liches Windjahr dar. 18 Die verwendeten Wetterdaten des DWD basieren auf Assimilationsanalysen unter Berücksichtigung von Beobachtungen der Wetterstationen. Auf Grundlage der installierten Leistung der verschiedenen EE-Technologien pro Gitterfläche (sieben mal sieben Quadratkilometer) werden anhand der historischen Wetterdaten mithilfe physikalischer Modelle der erneuerbaren Energien stündlich aufgelöste Zeitreihen der EE-Einspeisung erstellt. Das Windmodell berücksichtigt für bereits existierende Windenergieanlagen die Nabenhöhe und die Leistungskennlinie des installierten Anlagentyps, während der Zubau der Anlagen entsprechend der getroffenen Annahmen erfolgt (siehe Abbildung 2.7). Die Mehrkosten gegenüber Windenergieanlagen an Starkwindstandorten wurden berücksichtigt. Die Windgeschwindigkeit auf Nabenhöhe wird durch logarithmische Interpolation der flankierenden Höhenlevel des Wettermodells bestimmt, wobei Anlagenverschattungen mithilfe des Ainslee-Modells 19 berücksichtigt werden. Weiterhin wurde das Modell auf Basis von EEG-Bewegungsdaten sowie Ertragsdaten der Betreiberdatenbasis 20 regional 18 Der IWR-Windertragsindex für Regionen. www.iwr.de/wind/wind/windindex/index.html 19 Ainslie J. (1988): Calculating the flow field in the wake of wind turbines. Journal of Wind Engineering and Industrial Aerodynamics, 27, S. 213 - 224 20 Betreiber-Datenbasis. WEA-Standortdaten. www.btrdb.de/sto.html

differenziert auf die Erträge der Bestandsanlagen parametriert. Das Modell der Photovoltaik nutzt neben COSMO-EUTemperaturdaten zusätzlich Strahlungsdaten von SoDa 21, basierend auf Meteosat-Satellitendaten nach dem Helioclim-3-Verfahren. Für Wechselrichter und Module werden Modelle von Schmidt und Sauer 22 beziehungsweise von Beyer u. a. 23 zugrunde gelegt. Die Ausrichtung der Aufdachanlagen basiert auf einer statistischen Analyse bestehender Installationen, während Freiflächenanlagen nach Süden mit optimalem Aufstellwinkel ausgerichtet sind. Die Zuordnung der EE-Erzeugungsleistung zu den etwa 360 Höchstspannungsnetzknoten erfolgt für die landbasierten Technologien jeweils anhand der räumlichen Nähe, während die Offshore-Windparks unter Berücksichtigung des Offshore-Netzplans Nordsee 24 zu Clustern zusammenge-

21 Solar Radiation Data. Solar Energy Services for Professionals. www.soda-is.org 22 Schmidt H./Sauer, D. U. (1996): WechselrichterWirkungsgrade. Sonnenenergie 4, S. 43 - 47 23 Beyer H. G./Heilscher G./Bofinger S. (2004): A robust model for the MPP performance of different types of PVmodules applied for the performance check of grid connected systems. EUROSUN – ISES Europe Solar Congress 24 Entwurf Offshore-Netzplan Nordsee. Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). www.bsh.de/de/Meeresnutzung/ BFO/Dokumente/Entwurf_Offshore-Netzplan.pdf

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Annahmen zur Kostenentwicklung der EE-Anlagen

Investitionskosten, € 2009 / kWpeak Jahr PV-Aufdachanlagen PV-Freiflächenanlagen Onshore-Windkraft (Schwachwindstandorte)

Abbildung 2.8

BMULeitstudie

Anpassung der Kostendegression an aktuelle Marktentwicklung

2010 2.600

5 Jahre früher

1.180



3.500

3 Jahre verzögert

Onshore-Windkraft (Starkwindstandorte) Offshore-Windkraft (exkl. Offshore-Netz)

Verwendete Annahmen: 2013

2023

2033

1.409

1.051

959

1.253

934

852

1.168

1.052

1.032

957

931

853

3.500

2.200

1.800

Basierend auf BMU-Leitstudie, aktualisiert durch Agora Energiewende

fasst und dem Netzanbindungspunkt an Land zugeordnet werden.

2.6 Kostenpfade für den EE-Ausbau Ein zentraler Unterschied zwischen den betrachteten Szenarien ist die Zusammensetzung des jeweils angenommenen Technologiemixes. Aufgrund der unterschiedlichen Kosten der unterschiedlichen EE-Technologien ergeben sich hieraus bereits Kostenunterschiede zwischen den Szenarien. Abbildung 2.8 zeigt die in dieser Studie verwendeten Annahmen zur Kostenentwicklung bei den unterschiedlichen EE-Technologien über den betrachteten Zeitraum. Diese basieren auf der BMU-Leitstudie Erneuerbare Energien (2012) und wurden durch Agora Energiewende an aktuelle Marktentwicklungen angepasst. Um der unterschiedlichen Auslegung von Schwachwind- und Starkwindanlagen (siehe Abschnitt 2.5) gerecht zu werden, wurden differenzierte Annahmen durch Agora Energiewende erarbeitet. Dazu wurden veröffentlichte Preise analysiert, ein eigenes Kostentreibermodell entwickelt und Experteninterviews durchgeführt. Eine detaillierte Beschreibung der Annahmen und der Herleitung ist im Internet veröffentlicht. 25 25 www.agora-energiewende.de/themen/ optimierung-des-gesamtsystems/

Als jährliche Betriebs- und Instandhaltungskosten wurden für PV-Anlagen ein Prozent der Investitionskosten, für Onshore-Windkraftanlagen vier Prozent und für OffshoreWindkraftanlagen 5,5 Prozent angenommen. Bei Offshore-Windkraft wurden neben den Ausbaukosten für die Windparks (siehe Abbildung 2.8) auch die notwendigen Kosten für die Netzanbindung an einen Netzanschlusspunkt an Land berücksichtigt. Hierfür wurden in Abhängigkeit der Entfernung der jeweils erschlossenen Offshore-Fläche vom Netzanschlusspunkt an Land und unter Berücksichtigung von Kostenannahmen der denaNetzstudie II 26 Kosten für die Netzanbindung ermittelt. Bezieht man die resultierenden Kosten auf die jeweils installierte Offshore-Windkraft-Leistung, so ergeben sich – in Abhängigkeit von den Annahmen zu den Standorten der Offshore-Windparks – Kosten zwischen 570 Euro/kW und 600 Euro/kW.27

26 www.dena.de/fileadmin/user_upload/Presse/studien_umfragen/Netzstudie_II/Endbericht_dena-Netzstudie_II.pdf 27 Im Vergleich zu der von den ÜNB im „OffshoreNetzentwicklungsplan“ 2013 verwendeten Kostenabschätzung stellen diese Werte eher eine untere Abschätzung der Kosten für die Netzanbindung dar.

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2.7 Wesentliche Annahmen zu konventionellen Kraftwerken und Nachfrage

Szenariorahmens für den NEP 2013 übernommen. Die Annahmen sind in Abbildung 2.9 zusammenfassend dargestellt.

Im Folgenden werden die wesentlichen Annahmen für die Parametrierung der Marktsimulationsrechnungen beschrieben.

Für Deutschland wurden die kraftwerksscharfen Annahmen des genehmigten Szenariorahmens für den NEP 2013 dem Datenmodell zugrunde gelegt. Die von der Bundesnetzagentur genehmigte Liste umfasst je Jahr detaillierte Annahmen zu jedem dann in Deutschland in Betrieb befindlichen thermischen und hydraulischen Kraftwerk. Außerdem umfasst die Liste Angaben zu Kraftwerken mit Wärmeauskopplungen. Diese Information ist erforderlich, um die Rückwirkungen, die sich in solchen Anlagen aufgrund sogenannter Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) auf den Betrieb ergeben, korrekt abbilden zu können. Die Annahmen zur Gesamtmenge der in KWK erzeugten elektrischen Energie entsprechen denen der ÜNB im NEP 2012.

Hinsichtlich der je Primärenergietyp und Land insgesamt angenommenen installierten Leistung konventioneller Kraftwerke werden für die Untersuchungen analog zu den Annahmen der ÜNB bei Berechnung des NEP 2012 28 Angaben aus dem ENTSO-E Scenario Outlook and Adequacy Forecast angenommen . 29 Auf Basis einer von Consentec gepflegten Datenbank der Bestandskraftwerke und bekannter Kraftwerksausbauprojekte sowie von Annahmen zu typischen Kraftwerksnutzungsdauern und Blockgrößen wurde für beide betrachteten Jahre 2023 und 2033 ein kraftwerksscharfes Datenmodell des europäischen Kraftwerksparks entwickelt. In Abhängigkeit der jeweiligen Inbetriebnahmezeitpunkte der Kraftwerke und des Primärenergietyps ergeben sich die jeweils unterstellten Kraftwerkswirkungsgrade, die maßgeblich die kurzfristigen variablen Erzeugungskosten der Kraftwerke bestimmen. Hinsichtlich der Primärenergiepreise und der Preise für Emissionszertifikate wurden die Annahmen des

28 Zu beachten ist, dass ein Teil der für die Untersuchungen übernommenen Angaben nicht Bestandteil der Genehmigung des Szenariorahmens durch die BNetzA ist (beispielsweise die Annahmen zur Entwicklung der konventionellen Erzeugung und der EE-Erzeugung im Ausland). Die Annahmen der ÜNB hierzu lassen sich aber den Ausführungen und Ergebnissen des NEP der ÜNB entnehmen. Zum Zeitpunkt der Durchführung der in diesem Bericht dargestellten Untersuchungen lag neben dem genehmigten Szenariorahmen für den NEP 2013 auch der NEP 2012 der ÜNB vor. Der NEP 2013 war zu diesem Zeitpunkt noch in Bearbeitung. Daher wird an einigen Stellen bei den getroffenen Annahmen noch auf den NEP 2012 referenziert. 29 Für das Betrachtungsjahr 2023 wird auf das sogenannte Scenario B 2020, für das Betrachtungsjahr 2033 auf das sogenannte Scenario EU20 2020 referenziert. Grundlage für die konkreten Zahlenwerten sind die von ENTSO-E veröffentlichten Daten: www.entsoe.eu/fileadmin/user_upload/_library/SDC/SOAF/120705_SOAF_2012_Dataset.zip

Die Einspeisezeitreihen der EE-Anlagen wurden in Abhängigkeit von dem jeweils betrachteten EE-Ausbauszenario durch das Fraunhofer IWES modelliert und Consentec für die Durchführung der Berechnungen zur Verfügung gestellt (siehe Abschnitt 2.5). Hieraus wurden zudem Einspeisezeitreihen für die EE-Erzeugung in den restlichen Ländern des geografischen Betrachtungsbereichs abgeleitet. 30 Dies betrifft die Einspeisezeitreihen für PV-Anlagen sowie Onshore- und Offshore-Windkraftanlagen. Einspeisezeitreihen der sonstigen EE-Technologien (Geothermie und Laufwasser), die sich definitionsgemäß zwischen den EE-Ausbauszenarien nicht unterscheiden, wurden entspre-

30 Für das Betrachtungsjahr 2023 werden zu den installierten Leistungen je EE-Technologie die Annahmen der ÜNB im NEP übernommen (Scenario B aus ENTSO-E Scenario Outlook and Adequacy Forecast). Für 2033 erscheinen die Annahmen des NEP 2012 nicht plausibel, da diese eine weitgehende Stagnation des EE-Ausbaus zwischen 2023 und 2033 außerhalb Deutschlands unterstellen würden. Daher wird bezüglich des EE-Ausbaus im Jahr 2033 außerhalb Deutschlands von den Annahmen des NEP abgewichen. Für die PV-Entwicklung außerhalb Deutschlands werden die Annahmen der Studie Connecting the Sun (EPIA), Szenario Accelerated scenario 2020 übernommen. Für den Ausbau von Onshore-Windkraft und Offshore-Windkraft werden Annahmen aus dem Szenario 2030 aus OffshoreGrid Project (EWIA, in: Connecting the Sun) übernommen.

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Preisannahmen (gemäß Annahmen der ÜNB im NEP 2013) Einheit

Abbildung 2.9 2010

2023

Braunkohle

€/ MWhthermisch

1,5

1,5

2033 1,5

Steinkohle

€ /t SKE

85

79

86

Erdgas

€ /MWhHu

Öl

€ /toe

CO2-Zertifikate

€ /t

21

26

27

446

572

696

13

27

45

Eigene Darstellung

chend der Annahmen der ÜNB im NEP bezüglich der mit diesen Technologien erzeugten Energiemengen kalibriert. Der Einsatz der hydraulischen Kraftwerke wird entscheidend durch die verfügbaren Turbinen- und gegebenenfalls Pumpleistungen, die Speicherbeckengrößen und das Wasserdargebot bestimmt. Annahmen hierzu wurden ebenfalls den Szenarien des ENTSO-E Scenario Outlook and Adequacy Forecast entnommen. Zusätzliche Informationen zum Wasserdargebot stammen aus EURELECTRIC Fact Data­ base. 31 Die Entwicklung der Stromnachfrage in den anderen EULändern wurde analog zu den Annahmen der ÜNB im NEP aus den Angaben des ENTSO-E Scenario Outlook and Adequacy Forecast abgeschätzt. Abweichend davon wurde – wie im genehmigten Szenariorahmen für den NEP 2013 – für Deutschland von einer konstanten Last ausgegangen.

31 www.eurelectric.org/factsdb/

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3. Ergebnisse 3.1 Vorbemerkungen zur Ergebnisdarstellung Ziel der durchgeführten Untersuchungen ist die Bewertung der Unterschiede in den Gesamtsystemkosten, die sich je Szenario in Abhängigkeit von der jeweils angenommenen EE-Ausbaustrategie und unter Berücksichtigung der Annahmen zur erzielbaren Ausbaugeschwindigkeit der Übertragungsnetze ergeben. Dies erfolgt durch eine Betrachtung der Mehr- oder Minderkosten je Kostenblock in einem Szenario im Vergleich zur Referenz (Basisszenario). Summiert man die einzelnen Kostendifferenzen/-inkremente auf, so ergibt sich der resultierende gesamte Kostenunterschied zwischen den betrachteten Szenarien. Das Prinzip dieser Summation der einzelnen Kostenkomponenten, aus der dann die Gesamtdifferenz der Kosten resultiert, zeigt Abbildung 3.1.

wie zum Beispiel die Kapitalkosten für den konventionellen Kraftwerkspark, müssen somit nicht näher betrachtet werden, da sich bei der Differenzbildung gerade eine Kostendifferenz von null ergibt. Daher tauchen sie in den Differenzen wie in Abbildung 3.1 dargestellt nicht auf. Die Ermittlung der absoluten Höhe der Gesamtsystemkosten (vgl. auch linke Säule in Abbildung 3.1) stand daher nicht im Fokus der durchgeführten Untersuchungen, da diese für die betrachtete Fragestellung im engeren Sinne nicht relevant sind. Dennoch ist es für eine Einordnung der Größenordnung der resultierenden Kostenunterschiede relativ zur absoluten Höhe der Gesamtsystemkosten interessant, wenigstens eine Abschätzung über letztere vorliegen zu haben. Eine solche Abschätzung – wie in Abschnitt 3.1.1 dargestellt – wurde für beide Betrachtungsjahre ausgehend vom Basisszenario durchgeführt.

Bestandteile der Gesamtsystemkosten, die durch die unterschiedliche Szenariendefinition nicht beeinflusst werden,

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass es sich bei einigen Kostenblöcken um Kapital- oder Investitionskosten mit je-

Schematische Darstellung des Vorgehens zum Vergleich der Szenarien

Abbildung 3.1

Einsparungen im Szenario X

SCHEMATISCH

Kosten Basis­ szenario

Investitionskosten EE

Verteilnetz

residuale Erzeugung

Übertragungsnetz

kosten­ optimiertes Szenario X

Differenz in einzelnen Kostenblöcken Eigene Darstellung

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Abschätzung der jährlichen Gesamtsystemkosten in Deutschland für das Basisszenario in den Jahren 2023 und 2033 in Mrd. €/a

Abb. 3.2

Abschätzung der Gesamtsystemkosten basierend auf einer Bewertung der annuitätischen Kosten des gesamten deutschen Anlagenbestandes ­(Kraftwerke, Netze, EE-Anlagen) auf Tagesneuwertbasis zzgl. variabler und fixer Betriebskosten

80 70 60

Gesamtsystemkosten umfassen im Detail: > annuitätische Investitionskosten für EE-Anlagen (Bestand + Zubau im B ­ asisszenario) zzgl. variable Stromerzeugungskosten (Biomasse) > annuitätische Investitionskosten des Netzbestands (i. W. Leitungen und Transformatoren) im Übertragungsnetz und in den Verteilnetzen inkl. ­angenommener Zubau (Übertragungsnetz, entspricht „Startnetz“ aus NEP) bzw. notwendiger Zubau (Verteilnetze) im Basisszenario > annuitätische Investitionskosten der konventionellen Kraftwerke zzgl. ­variabler Stromerzeugungskosten inkl. KWK-Erzeugung (Brennstoffkosten und Kosten für CO2-Zertifikate)

50 40 30 20 10 0

2023

2033

Eigene Darstellung

weils unterschiedlichen Nutzungsdauern für die errichteten Betriebsmittel (beispielsweise Windkraft- oder PV-Anlagen, Leitungen etc.) handelt, während es sich insbesondere bei den variablen Stromerzeugungskosten um Betriebskosten (beispielsweise Brennstoff- und CO2-Zertifikatskosten) handelt. Um einen Gesamtvergleich aller Kosten für die beiden betrachteten Zeitpunkte (Betrachtungsjahr 2023 und 2033) durchführen zu können, werden die je Szenario in unterschiedlicher Höhe anfallenden Investitionskosten unter Berücksichtigung der jeweiligen (technischen) Nutzungsdauern und Annahmen zur Verzinsung in Annuitäten, also jährliche Kosten umgerechnet. Damit lassen sich alle hier ermittelten Kostendifferenzen in Euro pro Jahr (Euro pro Jahr) darstellen und somit sachgerecht miteinander vergleichen. 3.1.1 Abschätzung zur absoluten Höhe der Gesamt­ systemkosten in Deutschland Abbildung 3.2 zeigt eine Abschätzung der absoluten Höhe der jährlichen Gesamtsystemkosten in Deutschland für das Basisszenario für die Betrachtungsjahre 2023 und 2033. Grundlage der Abschätzung ist die Ermittlung der annuitätischen Kosten des gesamten deutschen Anlagenbestandes

im konventionellen Kraftwerkspark, der Übertragungs- und Verteilnetze sowie bei den EE-Anlagen. Dabei ist der Anlagenbestand im jeweiligen Betrachtungsjahr berücksichtigt worden, also beispielsweise einschließlich des angenommenen EE-Ausbaus im Basisszenario oder der Annahmen zum (verzögerten) Übertragungsnetzausbau bis 2023 beziehungsweise 2033. Für die Ermittlung der annuitätischen Kosten wurden dabei Tagesneuwerte, also heutige Anschaffungswerte für neue Anlagen, und nicht etwa historische Anschaffungskosten zugrunde gelegt. 32 Da die Ermittlung auf Basis des gesamten Anlagenbestandes erfolgt, werden auch zum Betrachtungszeitpunkt bereits abgeschriebene Anlagen in der Kostenermittlung berücksichtigt. Zusätzlich zu den annuitätischen Investitionskosten für den Anlagenbestand je Betrachtungsjahr wurden auch die variablen Stromerzeugungskosten (Brennstoffkosten und Kosten für CO2-Zertifikate) sowie die fixen Betriebskosten berücksichtigt. Dies umfasst auch EE-Anlagen mit variablen Stromerzeugungskosten (beispielsweise Biomasse) und die Brennstoffkosten von KWK-Anlagen. 32 Die annuitätischen Kosten der EE-Anlagen wurden gemäß der angenommenen Kostendegression bei EE-Anlagen ermittelt.

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3.2 Ergebnisse der Untersuchung für den ­Betrachtungszeitpunkt 2023 3.2.1 Kostenunterschiede bei notwendigen ­Investitionen in EE-Anlagen Kostenunterschiede in den untersuchten EE-Ausbaupfaden im Vergleich zum Basisszenario entstehen zunächst bei den notwendigen Investitionsaufwendungen, um den je Pfad unterschiedlich angenommenen EE-Ausbau zu realisieren. Basierend auf den von Agora Energiewende getroffenen Abschätzungen zur möglichen Kostenentwicklung für Investitionen in EE-Anlagen ergeben sich die in Abbildung 3.3 dargestellten Kostendifferenzen zum Basisszenario differenziert nach EE-Technologie. Bei Betrachtung der Kostendifferenzen je EE-Technologie spiegelt Abbildung 3.3 qualitativ zunächst die Eckpunkte der in Kapitel 1 beschriebenen Szenariendefinition wider. Mit einem gegenüber dem Basisszenario leicht höheren PV-Ausbau erhöhen sich im Ausbaupfad „verbrauchsnahe

Erzeugung“ die Kosten für den PV-Ausbau ebenfalls leicht. Im Ausbaupfad „beste Standorte“ mit niedrigerem PV-Ausbau fallen die notwendigen Investitionen dementsprechend niedriger aus. Entsprechend sind die Ausbaukosten für Onshore-Windkraftanlagen in beiden Szenarien höher, während diese für Offshore-Windkraftanlagen aufgrund des geringeren Ausbaus niedriger ausfallen. Interessant ist im Vergleich der beiden optimierten EEAusbaupfade, dass die Kosten für den Onshore-WindkraftAusbau im Ausbaupfad „beste Standorte“ um rund 480 Millionen Euro pro Jahr niedriger liegen als im Ausbaupfad „verbrauchsnahe Erzeugung“, obwohl in beiden Pfaden die gleiche Erzeugungsmenge (rund 160 TWh pro Jahr, vgl. Abbildung 1.2) angenommen wurde. Grund hierfür ist die Wahl ertragreicherer Standorte im Pfad „beste Standorte“ mit höheren Volllaststunden der Anlagen. Damit ist insgesamt bei gleichem Einspeisepotenzial eine geringere installierte Anlagenleistung erforderlich. Zudem sind die spezifischen Investitionskosten (Euro/kW) für Starkwindanlagen geringer

Jährliche Mehrkosten/Einsparungen des EE-Zubaus im Vergleich zum Basisszenario im Jahr 2023

Abbildung 3.3

in Mio. €/a „verbrauchsnahe Erzeugung”

2.090

140

„beste Standorte“

EE-Ausbaupfad

-4.170

Mehrkosten ggü. Basis­ szenario

Einsparungen ggü. Basis­­­­­ szenario

1.610

-1.000

OnshoreWindkraft

PV

-1.940 OnshoreWindkraft

PV

OffshoreWindkraft inkl. Netz

gesamt

-3.120

-2.510

OffshoreWindkraft inkl. Netz

gesamt

Eigene Darstellung

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Consentec | Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland

Jährliche Mehrkosten/Einsparungen im Ausbau der Verteilnetze im Vergleich zum Basisszenario im Jahr 2023

Abb. 3.4

in Mio. €/a „verbrauchsnahe Erzeugung”

„beste Standorte“

EE-Ausbaupfad

Mehrkosten ggü. Basis­ szenario

-25 -30

Einsparungen ggü. Basis­­­­­ szenario Niederspan­ nung

Mittelspannung

-36

-90

Hochspannung

Verteilnetz ­gesamt

-84

Niederspan­ nung

-22

13

-93

Mittelspannung

Hochspannung

Verteilnetz ­gesamt

Eigene Darstellung

als für Schwachwindanlagen, die im Szenario „verbrauchsnahe Erzeugung“ stärker ausgebaut werden.

auf den ersten Blick überraschende Ergebnis sind im Wesentlichen zwei sich überlagernde Effekte verantwortlich.

Insgesamt ergeben sich im Ausbaupfad „verbrauchsnahe Erzeugung“ aufgrund des dort angenommenen EE-Ausbaus rund 1.940 Millionen Euro pro Jahr niedrigere annuitätische Ausbaukosten als im Basisszenario. Im Ausbaupfad „beste Standorte“ liegen die Kosten rund 2.510 Millionen Euro pro Jahr niedriger als im Basisszenario und damit noch einmal rund 570 Millionen Euro pro Jahr niedriger als im Pfad „verbrauchsnahe Erzeugung“.

→→ Einerseits führt im Szenario „beste Standorte“ ein stärkerer Ausbau von Onshore-Windkraft zu höheren Kosten in der Hochspannungsebene, in der ein nennenswerter Anteil der Windenergieanlagen angeschlossen ist.

3.2.2 Kostenunterschiede Netzausbau Verteilnetze Vergleicht man die für den Betrachtungszeitpunkt 2023 im Basisszenario erhaltenen Ergebnisse mit denen aus dem Pfad „beste Standorte“, ist zu erkennen, dass trotz nahezu gleicher Höhe installierter EE-Erzeugungsleistung in Verteilnetzen im Szenario „beste Standorte“ geringere Netzausbaukosten erforderlich sind als im Basisszenario. Für dieses

→→ Andererseits entstehen durch einen reduzierten Ausbau von Photovoltaikanlagen insbesondere in der Niederspannungs- und zum Teil auch in der Mittelspannungsebene geringere Kosten als im Basisszenario, da Photovoltaikanlagen nahezu ausschließlich in diesen beiden Netzebenen angeschlossen werden. 33

33 Hierbei werden die jeweiligen Leitungsebenen einschließlich Transformatoren zu unterlagerten Spannungsebenen begrifflich zusammengefasst, sodass in den Kosten der Hochspannungsebene sowohl die Kosten für Hochspannungsleitungen als auch die der Hoch-/Mittelspannungs-Umspannebene enthalten sind. Gleiches gilt für die Mittelspannungsebene analog.

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Insgesamt überwiegt der letztgenannte Effekt, sodass im Szenario „beste Standorte“ geringere Verteilnetzkosten als im Basisszenario zu verzeichnen sind.

3.2.3 K  ostenunterschiede im Erzeugungssystem und Unterschiede bei notwendiger Abregelung von EE-Anlagen

Vergleicht man die Netzausbaukosten der beiden betrachteten alternativen Ausbaupfade ist festzustellen, dass diese in der Gesamthöhe nahezu identisch sind. Im Detail ergeben sich im Pfad „verbrauchsnahe Erzeugung“ gegenüber dem Basisszenario geringere Kosteneinsparungen in der Niederspannungsebene als im Ausbaupfad „beste Standorte“, bedingt durch den stärkeren Photovoltaikausbau, der rund zehn GW über dem im Pfad „beste Standorte“ liegt. Dem stehen jedoch niedrigere Kosten in der Mittel- und Hochspannungsebene entgegen, trotz im Vergleich höherer installierter Leistung bei Onshore-Windkraft, was durch die verbrauchsnahe Verteilung der Windenergieerzeugung begründet ist. Während im Ausbaupfad „beste Standorte“ ein nennenswerter Teil der Windkraftanlagen zu einem Ausbau der zumeist bereits auf der Hoch- und Mittelspannungsebene erheblich ausgelasteten Verteilnetze führt, können die bestehenden, bislang weniger stark ausgelasteten Verteilnetze bei einem geografisch weiter gestreuten Ausbau mehr Windstrom aufnehmen, bevor ein zusätzlicher Netzausbau erforderlich wird.

Wie in Abschnitt 2.2 im Detail beschrieben, hat die gewählte Szenariendefinition Einfluss auf die von den konventionellen Kraftwerken zu deckende Residuallast und damit auf deren Einsatz und die daraus resultierenden Kosten. Dies hängt dabei nicht ausschließlich vom betrachteten EE-Ausbaupfad ab, sondern zudem von der erreichten Ausbaugeschwindigkeit im Übertragungsnetz, da bei einem verzögerten Netzausbau zusätzliche netzseitige Restriktionen resultieren. Diese Restriktionen wirken sich zum einen auf den Einsatz der konventionellen Kraftwerke aus, zum anderen können sie zu Einschränkungen bei der EE-Erzeugung führen, wenn die Netzsituation nicht zu allen Zeitpunkten eine vollständige Aufnahme der verfügbaren EE-Erzeugung erlaubt. Darüber hinaus können Einschränkungen der EEErzeugung auch ohne Verzögerungen im innerdeutschen Netzausbau auftreten, nämlich dann, wenn zu bestimmten Zeitpunkten ein sogenannter Systembilanzüberschuss besteht. Dies bedeutet, dass die mögliche EE-Erzeugung und sonstige Must-run-Erzeugung höher sind als die gesamte Nachfrage in Deutschland und auch sämtliche verfügbaren Exportkapazitäten genutzt werden.

Obwohl die beiden alternativen Pfade fast identische Gesamtkosten aufweisen, muss festgehalten werden, dass eine verbrauchsnahe Erzeugung grundsätzlich kostensenkend wirkt in Bezug auf die (spezifischen) Netzausbaukosten, ausgedrückt über die je MW installierter Erzeugungsleistung entstehenden Netzausbaukosten. Wegen der insgesamt deutlich höheren installierten EE-Erzeugungsleistung im Pfad „verbrauchsnahe Erzeugung“ (insbesondere PV) wird dieser Effekt aber im Hinblick auf die Gesamtkosten wieder aufgewogen. Im Vergleich zum Basisszenario überwiegt hingegen der Vorteil der Kosteneinsparungen durch eine verbrauchsnahe Erzeugung, sodass hier in diesem Ausbaupfad rund 90 Millionen Euro pro Jahr geringere Kosten beim Ausbau der Verteilnetze entstehen.

Das Ausmaß der zuvor beschriebenen EE-Abregelung ist Ergebnis der Marktsimulation und für die betrachteten Szenarien in Abbildung 3.5 dargestellt.34 Erwartungsgemäß ist die notwendige Abregelung bei gleichem EE-Ausbaupfad in den Szenarien mit verzögertem Netzausbau stets größer als in den Szenarien mit schnellem und vollständigem Netzausbau. Allerdings ist dieser Effekt im EE-Ausbaupfad „beste Standorte“ deutlich ausgeprägter.

34 Tatsächlich lässt sich aus dem Ergebnis der Marktsimulation nicht eindeutig identifizieren, ob die Erzeugung von EEAnlagen oder von anderen Must-run-Anlagen (unflexible KWK-Erzeugung) abgeregelt werden muss. Da die sonstige Must-run-Erzeugung zwischen den Szenarien aber unverändert bleibt, ist die Differenz in der notwendigen Abregelung aber eindeutig auf die geänderten Annahmen zum zeitlichen Verlauf der EE-Einspeisung zurückzuführen.

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Notwendige Abregelung von Erneuerbaren Energien in Deutschland im Jahr 2023

Abbildung 3.5

in TWh/a Basis

verzögert

„verbrauchsnahe Erzeugung”

verzögert

schnell und vollständig

„beste Standorte“

verzögert

EE-Ausbaupfad

schnell und vollständig

Annahmen zu Netzausbau

14,1 10,2

2,9

2,5

2,3

Eigene Darstellung

Dort beträgt bei einem verzögerten Netzausbau die Menge der Abregelungen rund 14 TWh pro Jahr. Dies sind etwa vier TWh pro Jahr mehr als im Basisszenario und elf TWh pro Jahr mehr als im Szenario mit verbrauchsnaher Erzeugung. Die höhere Abregelung im Basisszenario und im Szenario „beste Standorte“ ist auf die in diesen beiden Szenarien große Anzahl an Windkraftanlagen im Norden zurückzuführen: Die Abregelung ist vorwiegend in Zeiten mit viel Wind und vorwiegend in Nord- und Nordostdeutschland erforderlich. Hier wirkt sich insbesondere der in diesem Szenario angenommene geringe Netzausbau entlang der Nord-Süd-Achse sehr stark aus. Die in beiden Szenarien deutlich höhere EE-Erzeugung in Norddeutschland kann somit häufiger nicht in die südlicheren Lastzentren abtransportiert werden. Aufgrund der insgesamt verteilteren EE-Erzeugung im EE-Ausbaupfad „verbrauchsnahe Erzeugung“ wirkt sich ein verzögerter Netzausbau im Jahr 2023 weniger stark aus. Insgesamt fällt die notwendige Abregelung bei verzögertem Netzausbau im EE-Ausbaupfad „beste Standorte“ am stärksten aus. Sie liegt rund vier TWh pro Jahr höher als im

Basisszenario, wo ebenfalls ein verzögerter Netzausbau unterstellt ist. Grund hierfür ist auch die Einspeisecharakteristik der Onshore-Windkraftanlagen im Vergleich zu den Offshore-Windkraftanlagen. Letztere sind im Basisszenario mit einer höheren installierten Leistung enthalten und besitzen eine gleichmäßigere Einspeiseganglinie, was sich an den rund 1,5-fach höheren Volllaststunden dieser Anlagen zeigt. Damit ist auch die Netzauslastung gleichmäßiger und Belastungsspitzen, die bei verzögertem Netzausbau regelmäßig zu Abregelungen führen, sind seltener als bei einem Ausbaupfad mit insgesamt gleicher EE-Erzeugung, aber höherer Einspeisung aus Onshore-Windkraftanlagen in Norddeutschland. Bei schnellem und vollständigem Netzausbau hingegen besteht nahezu kein Unterschied zwischen der abgeregelten Menge bei beiden EE-Ausbaupfaden. Die verbleibende Abregelung von rund zwei TWh pro Jahr ist weitestgehend das Ergebnis der in Abschnitt 2.3 erläuterten Abregelungen auf der Ebene der Verteilnetze. In diesen Szenarien liegt die notwendige Abregelung um rund acht TWh pro Jahr niedriger als im Basisszenario mit verzögertem Netzausbau.

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Studie | Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland

Jährliche Mehrkosten/Einsparungen in den variablen Stromerzeugungskosten im Vergleich zum Basisszenario im Jahr 2023 in Mio. €/a

„verbrauchsnahe Erzeugung”

Mehrkosten ggü. Basis­ szenario

Einsparungen ggü. Basis­­­­­ szenario

verzögert

Abbildung 3.6

„beste Standorte“

schnell und vollständig

EE-Ausbaupfad

verzögert

schnell und vollständig

Annahmen zu Netzausbau

200

-340

-590

-570

Eigene Darstellung

Das Verhältnis der Mengen an erforderlicher Abregelung spiegelt sich dann auch in den Kostenunterschieden im residualen Stromerzeugungssystem wider, wie in Abbildung 3.6 dargestellt. Die Kostenunterschiede ergeben sich aus einer Differenzbetrachtung der aus den durchgeführten Marktsimulationen ermittelten variablen Stromerzeugungskosten im gesamten europäischen Strommarkt. 35

35 Bei der hier gewählten Betrachtung der Gesamtsystemkosten werden alle tatsächlich monetarisierbaren Kosten für die Abregelungen im Stromerzeugungssystem berücksichtigt: Die Kosten für die potenzielle EE-Erzeugung sind vollständig in den Investitionskosten der EE enthalten. Wenn Abregelung auftritt, kann diese bereits in den Gesamtsystemkosten enthaltene, potenzielle EE-Erzeugung nicht benutzt werden und muss an anderer Stelle durch konventionelle Kraftwerke zusätzlich bereitgestellt werden. Deshalb führen höhere Abregelungsmengen von EE zu höheren Kosten in der residualen Erzeugung und zudem zu einem geringeren EE-Anteil am Bruttostromverbrauch.

Der zu beobachtende Zusammenhang zwischen der Höhe der notwendigen Abregelung und der Höhe der Kostenunterschiede bei den variablen Stromerzeugungskosten ist erwartungsgemäß: Je höher die notwendige Abregelung bei insgesamt gleicher Stromnachfrage ausfällt, desto stärker müssen konventionelle Kraftwerke mit entsprechenden Brennstoff- und Emissionszertifikatskosten eingesetzt werden, um die Nachfrage ersatzweise zu bedienen. 36 Darüber hinaus gibt es einen weiteren Effekt, der Einfluss auf die Kosten der residualen Stromerzeugung hat. So führt der verzögerte Netzausbau nicht nur zu einer höheren Abregelung und damit zu Mehrkosten für die Ersatzbeschaffung der elektrischen Energie in konventionellen Kraftwerken, sondern gleichzeitig schränkt der verzögerte Netzausbau auch die Freizügigkeit beim Einsatz der konventionellen Kraftwerke ein. Der grenzkostenbasierte Einsatz der Kraftwerke, bei dem das jeweils nach Grenzkosten

36 Zusätzliche Kosten, die etwa abbilden, dass aufgrund einer höheren EE-Abregelung ein geringerer EE-Anteil an der gesamten Stromnachfrage erreicht wird, wurden hier nicht berücksichtigt.

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günstigste Kraftwerk zuerst eingesetzt wird, kann nicht erfolgen, was zu einem ineffizienterem Kraftwerkseinsatz führt. Entsprechend der getroffenen Annahmen gilt dies für den Kraftwerkseinsatz innerhalb von Deutschland sowie in Europa. Dabei werden in den Szenarien mit schnellem und vollständigem Netzausbau zudem auch höhere grenzüberschreitende Übertragungskapazitäten angenommen, sodass sich auch die Effizienz des Kraftwerkseinsatzes im europäischen Kontext erhöht.

nen nennenswerten Netzausbau im Vergleich zum heutigen Ausbauzustand des Übertragungsnetzes: Die im Startnetz der Übertragungsnetzbetreiber für den Netzentwicklungsplan enthaltenen Projekte (im Wesentlichen die Leitungsausbauprojekte des EnLAG mit einer Gesamtlänge von 1.855 Kilometern) werden als vollständig umgesetzt angenommen. Die Kostenwirkung dieses initialen Netzausbaus ist bei der Ermittlung der Gesamtsystemkosten für das Basisszenario bereits enthalten.

Insgesamt führen die genannten Effekte dazu, dass in beiden Szenarien mit schnellem und vollständigem Netzausbau Kosteneinsparungen von rund 600 Millionen Euro pro Jahr gegenüber dem Basisszenario bei den variablen Stromerzeugungskosten im gesamten geografischen Betrachtungsbereich entstehen. Bei verzögertem Netzausbau profitiert das Szenario „verbrauchsnaher Erzeugung“ von der insgesamt verteilteren EE-Erzeugung und damit geringerer Abregelungsnotwendigkeit, was in einer Kostenreduktion von rund 340 Millionen Euro pro Jahr gegenüber dem Basisszenario resultiert. Die darüber hinausgehenden Einsparungen von rund 250 Millionen Euro pro Jahr bei einem schnellen und vollständigen Netzausbau sind auf den effizienteren Kraftwerkseinsatz in Deutschland und Europa zurückzuführen. Der im Vergleich zu den anderen Szenarien höchste Abregelungsbedarf im Szenario „beste Standorte“ mit verzögertem Netzausbau führt zu Mehrkosten bei Stromerzeugungskosten von etwa 200 Millionen Euro pro Jahr. Über alle Szenarien hinweg zeigen die Ergebnisse, dass – bei gleichen Annahmen zur Netzausbaugeschwindigkeit – die stärkere Fokussierung auf ertragreiche Standorte (Szenario „beste Standorte“) bei reiner Betrachtung der Erzeugungskosten eher nachteilig ist, weil die resultierende residuale Nachfragekurve weniger ausgeglichen ist. Dies führt zu höheren Kosten bei den konventionellen Kraftwerken.

Gemäß den Annahmen fallen bei den Szenarien mit einem verzögerten Netzausbau darüber hinaus keine weiteren Kosten für den Ausbau des Übertragungsnetzes an. Die entsprechenden Netzrestriktionen sind in der Marktsimulation berücksichtigt, sodass der resultierende Kraftwerkseinsatz zu keinen unzulässigen Leitungsbelastungen im angenommenen Ausbauzustand des Übertragungsnetzes führt.

3.2.4 K  ostenunterschiede Netzausbau ­Übertragungsnetz Wie in Abschnitt 2.4 detailliert beschrieben, sind die hier dargestellten Kosten für den Übertragungsnetzausbau lediglich die zusätzlichen Kosten gegenüber dem Basisszenario. Für das Jahr 2023 enthält dieses Basisszenario bereits ei-

Bei schnellem und vollständigem Netzausbau ergibt sich ein zusätzlicher Ausbaubedarf gegenüber dem Startnetz mit jährlichen Kosten in Höhe von rund 700 Millionen Euro pro Jahr für das Szenario „verbrauchsnahe Erzeugung“ beziehungsweise etwa 740 Millionen Euro pro Jahr im Szenario „beste Standorte“. Der Großteil der erforderlichen Netzausbauprojekte ist in beiden Szenarien identisch und deckt sich im Wesentlichen mit den Ausbaumaßnahmen gemäß Bundesbedarfsplan. Obwohl sich nur ein vergleichsweise geringes Kostendelta zwischen den Szenarien zeigt, gibt es dennoch nennenswerte Unterschiede im Hinblick auf die Lage der Netzausbaumaßnahmen. Aufgrund der lokalen Konzentration der Windkraftanlagen im Norden beim Szenario „beste Standorte“ entsteht ein Ausbaubedarf insbesondere in den Küstenregionen am Ort der Einspeisung sowie auf den Nord-Süd-Achsen des Übertragungsnetzes als Folge des Leistungstransports in Richtung der Lastzentren in Süddeutschland. Im Szenario „verbrauchsnahe Erzeugung“ ist der Zubau an EE-Erzeugung (das heißt Windkraft und PV) eher großflächig über Deutschland verteilt, sodass sich im Vergleich ein

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Jährliche Kosten durch Ausbau der Übertragungsnetze über das Startnetz hinaus im Jahr 2023

in Mio. €/a

„verbrauchsnahe Erzeugung”

Mehrkosten ggü. Basis­ szenario

Einsparungen ggü. Basis­­­­­ szenario

verzögert

„beste Standorte“

schnell und vollständig

verzögert

EE-Ausbaupfad

schnell und vollständig

Annahmen zu Netzausbau

740

700

0

Abbildung 3.7

0

Eigene Darstellung

geringerer Transportbedarf in Nord-Süd-Richtung ergibt, was weniger Netzausbaubedarf im Norden zur Folge hat. Dafür sind mehr Ausbauprojekte im Südwesten Deutschlands erforderlich, weil sich die Schwerpunkte der EE-Erzeugung (hier insbesondere des Windkraft-Ausbaus) in Richtung der Lastzentren verschieben und in diesen Regionen zu einer höheren Netzbelastung beitragen. Ein grundsätzlicher, monetär aber in dieser Betrachtung nicht quantifizierter Vorteil des schnellen und vollständigen Netzausbaus gegenüber dem verzögertem liegt darin, dass ein vollständig ausgebautes Netz (auch aufgrund der Effekte diskreter Ausbaumaßnahmen) in der Vielzahl der Netzbelastungssituationen höhere Betriebsreserven aufweist als ein Ausbauzustand, der präventive Eingriffe in die Flexibilität des Kraftwerkseinsatzes und operative Eingriffe in vermutlich hoher Frequenz erfordert. Gleichzeitig erhöht ein vollständig ausgebautes Netz auch die Robustheit gegenüber den in der Realität eintretenden Änderungen der Randbedingungen im Vergleich zu den bei der Netzauslegung zugrunde gelegten Parametern.

3.2.5 Zusammenfassende Kostenbewertung für das Betrachtungsjahr 2023 In Abbildung 3.8 sind nun analog zu Abbildung 3.1 die einzelnen, zuvor im Detail beschriebenen Kostenblöcke aller vier Szenarien zusammengestellt. Vergleicht man die resultierenden gesamten Kostendifferenzen mit den zuvor diskutierten Einzelkomponenten, so zeigt sich, dass die aus den notwendigen Investitionskosten für den EE-Ausbau (vgl. Abbildung 3.3) resultierenden Differenzen bereits den Großteil der Gesamtdifferenzen erklären. Alle anderen Komponenten haben einen deutlich geringeren Einfluss auf das Gesamtergebnis. Im Vergleich der Szenarien mit verzögertem Netzausbau mit den Szenarien mit schnellem und vollständigem Netzausbau zeigt sich ein Abtausch zwischen den Kosten für den Netzausbau und den zusätzlichen Kosten der residualen Erzeugung (insbesondere aufgrund der Abregelung). Für das betrachtete Jahr 2023 fällt dieser Abtausch im Szenario „beste Standorte“ positiver für den Netzausbau aus als im Szenario „verbrauchsnahe Erzeugung“. Grund hierfür ist insbeson-

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Vergleich aller Differenzkosten der Szenarien im Jahr 2023

Abbildung 3.8

in Mio. €/a Basis

„verbrauchsnahe Erzeugung”

„beste Standorte“

verz.

verzögert

schnell

verzögert

schnell

-1.940

-2.510

-2.510

-1.940

-90

-340

-90

-590

Annahmen zu Netzausbau

700 -90

jährliche Gesamtsystemkosten im Basisszenario EE-Ausbau inkl. Offshore-Netz

EE-Ausbaupfad

Verteilnetz

200

-90

-570

740

resultierende Einsparung residuale Erzeugung

Übertragungsnetz

Eigene Darstellung

dere, dass der Netzausbau stets diskret erfolgt, das heißt, bei einer Leitungsüberlastung ist der gleiche Netzausbau erforderlich, unabhängig davon, ob die Leitung nur gelegentlich und moderat oder häufig und stark überlastet ist. Im ersteren Fall besitzt das Netz nach dem Ausbau mehr „Luft nach oben“ als im letzteren Fall. Dies ist im Szenario „verbrauchsnahe Erzeugung“ in 2023 häufiger der Fall als im Szenario „beste Standorte“, wo die Auslastung der in beiden Fällen notwendigen und neu gebauten Leitungen höher ist. Summiert man die in Abbildung 3.8 dargestellten Kostendifferenzen, so ergibt sich die in Abbildung 3.9 dargestellte Gesamtdifferenz bei den jährlichen Gesamtsystemkosten der betrachteten Szenarien im Vergleich zum Basisszenario für das Jahr 2023. Alle betrachteten alternativen Ausbauszenarien können deutliche Kostenvorteile gegenüber dem Basisszenario erzielen. Sie liegen bei rund 1,9 bis 2,4 Milliarden Euro pro Jahr. Der wesentliche Unterschied ist dabei zwischen dem Basisszenario und den optimierten Szenarien. Alle opti-

mierten Szenarien erlauben deutliche Kosteneinsparungen gegenüber dem Basisszenario. Wie aus Abbildung 3.8 ersichtlich, ist dies insbesondere auf die niedrigeren EE-Ausbaukosten zurückzuführen. Hauptgrund hierfür ist der geringere Ausbau von Offshore-Windkraft und der verstärkte Onshore-Windkraft-Ausbau in beiden optimierten Szenarien. Dominant bezüglich der Gesamtkosten ist also die Fokussierung auf die im Vergleich günstigste EE-Technologie. Von den vier untersuchten Szenarien hat das Szenario „verbrauchsnahe Erzeugung bei schnellem und vollständigem Netzausbau“ mit 1,9 Milliarden Euro pro Jahr etwa 500 Millionen Euro pro Jahr geringere Einsparungen gegenüber dem Basisszenario als die anderen drei Fälle. Wie oben erläutert ist Grund hierfür die Tatsache, dass die Vorteile eines schnellen und vollständigen Netzausbaus zumindest für diesen Betrachtungszeitpunkt durch die entstehenden Kostennachteile aufgrund der Netzausbaukosten aufgewogen werden.

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Studie | Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland

Differenz der jährlichen Gesamtsystemkosten im Vergleich zum Basisszenario im Jahr 2023

Abbildung 3.9

in Mrd. €/a Basis

„verbrauchsnahe Erzeugung”

„beste Standorte“

verzögert

verzögert

verzögert

schnell

EE-Ausbaupfad schnell

80,80

Annahmen zu Netzausbau

1,9 bis 2,4 Mrd. € Einsparungen pro Jahr -2,37

-1,92

-2,40

-2,43

Eigene Darstellung

Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu beachten, dass der Kostenvergleich lediglich harte, das heißt objektiv quantifizierbare Kostenunterschiede beinhaltet. So lässt sich beispielsweise argumentieren, dass die Szenarien mit schnellem und vollständigem Netzausbau gegenüber den Szenarien mit verzögertem Netzausbau zusätzlich den Vorteil einer besseren Zielerreichung beim Ausbau der EE-Erzeugung mit sich bringen, da hier die notwendige Abregelung geringer ausfällt. Insbesondere bei der Interpretation der hier diskutierten Ergebnisse für das Betrachtungsjahr 2023 ist zu berücksichtigen, dass dieses Betrachtungsjahr einen Zwischenschritt in einem System beschreibt, das sich in einer grundsätzlichen Transformation hin zu einer von EE-Erzeugung dominierten Stromversorgung befindet. Bei den dargestellten Ergebnissen handelt es sich um eine Zeitpunktbetrachtung, die bei der Ermittlung der Kostendifferenzen methodisch unterstellt, dass sich das zum Betrachtungszeitpunkt vorhandene System nicht weiter verändert. Dies erklärt beispielsweise, warum – bei einer reinen Betrachtung des Zeitpunkts 2023 – die Szenarien mit schnellem und vollständigem Netzausbau nur geringe oder noch

keine Kostenvorteile erzielen: Der Nutzen eines vollständigen Netzausbaus zeigt sich monetär in geringeren Kosten im Erzeugungssystem (und, sofern quantifizierbar, durch einen höheren EE-Anteil). Tatsächlich – und dies zeigen die im Folgenden diskutierten Ergebnisse für das Jahr 2033 – wachsen diese Kostenvorteile mit fortschreitendem EE-Ausbau in den Jahren 2023 kontinuierlich an. Dieser Effekt ist bei der hier durchgeführten Zeitpunktbetrachtung zwangsläufig nicht berücksichtigt und unterschätzt somit tendenziell den Nutzen der Szenarien mit schnellem und vollständigem Netzausbau.

3.3 E  rgebnisse der Untersuchung für den ­Betrachtungszeitpunkt 2033 3.3.1 Kostenunterschiede bei Investitionen in ­EE-Anlagen Wie im Abschnitt 3.2.1 für das Betrachtungsjahr 2023 dargelegt, ergeben sich in den alternativen EE-Ausbaupfaden Kostenunterschiede in den Investitionen in EE-Anlagen im Vergleich zum Basisszenario. Aufgrund der für die Untersuchungen angenommenen Nutzungsdauern der Anlagen

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Jährliche Mehrkosten/Einsparungen des EE-Zubaus im Vergleich zum Basisszenario im Jahr 2033

Abbildung 3.10

in Mio. €/a „verbrauchsnahe Erzeugung”

730 Mehrkosten ggü. Basis­ szenario

„beste Standorte“

EE-Ausbaupfad

-6.740

3.230

2.500

-1.360 -4.790

Einsparungen ggü. Basis­­­­­ szenario -2.780 -3.660 OnshoreWindkraft

PV

OffshoreWindkraft inkl. Netz

gesamt

OnshoreWindkraft

PV

OffshoreWindkraft inkl. Netz

gesamt

Eigene Darstellung

von 20 Jahren umfassen die berechneten annuitätischen Investitionskosten auch die notwendigen Ersatzinvestitionen für die außer Betrieb gehenden Bestandsanlagen. Die Ersatzinvestitionen für bestehende Anlagen sind aber in allen Szenarien gleich. Deshalb tragen sie zu den in Abbildung 3.10 dargestellten Kostendifferenzen, nicht bei, da sie in allen Szenarien in gleicher Höhe anfallen und somit durch die Differenz herausfallen. Die in Abbildung 3.10 dargestellten Ergebnisse verstärken im Wesentlichen die bereits für 2023 mit Abbildung 3.3 erläuterten Ergebnisse: Bei beiden optimierten EE-Ausbaupfaden lassen sich gegenüber dem Basisszenario erhebliche Kostenvorteile in den Investitionskosten beim EE-Ausbau realisieren. Die Kostenvorteile liegen zwischen 2,78 Milliarden Euro pro Jahr (Pfad „verbrauchsnahe Erzeugung“) und 3,66 Milliarden Euro pro Jahr (Pfad „beste Standorte“). Wesentlicher Treiber ist der Fokus auf den Ausbau von Onshore-Windkraft bei einer gleichzeitigen Reduktion von Offshore-Windkraft beziehungsweise im Szenario „beste Standorte“ einer Reduktion von Offshore-Windkraft und PV.

Analog zu den Ergebnissen im Jahr 2023 unterscheiden sich die Mehrkosten für Onshore-Windkraft zwischen den beiden optimierten Ausbaupfaden – bei insgesamt gleichem Einspeisepotenzial von 250 TWh pro Jahr. Die absolute Höhe der Differenz ist dabei aufgrund des höheren EE-Ausbaus größer als im Jahr 2023. Aufgrund der Wahl ertragreicherer Starkwindstandorte im Pfad „beste Standorte“ gegenüber dem Pfad „verbrauchsnahe Erzeugung“ lassen sich nennenswerte Kosteneinsparungen beim Windkraftausbau an Land erzielen. 2033 liegen diese bei rund 730 Millionen Euro pro Jahr. Insgesamt ist der Ausbaupfad „beste Standorte“ bezüglich der Investitionskosten für die EE-Anlagen rund 880 Millionen Euro pro Jahr günstiger als der Ausbaupfad „verbrauchsnahe Erzeugung“. Die zusätzlichen Kosteneinsparungen, über die Einsparungen im kostengünstigeren Ausbau der Onshore-Windkraft hinaus, resultieren aus dem etwas höheren Offshore-Windkraft- und dafür geringeren PV-Ausbau im Szenario „beste Standorte“.

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3.3.2 Kostenunterschiede Netzausbau Verteilnetze Im Szenario „verbrauchsnahe Erzeugung“ tritt der bereits für den Betrachtungszeitpunkt 2023 festgestellte Effekt auf, dass die hier modellierte verbrauchsnahe Ausrichtung des EE-Ausbaus zwar spezifisch günstigere Netzausbaukosten verursacht, dieser Vorteil aber durch den mit diesem Szenario einhergehenden höheren Zubau an EE-Erzeugungsleistung wieder aufgezehrt wird. Daher weist dieses Szenario für den Zeitpunkt 2033 die höchsten Netzausbaukosten auf: 69 Millionen Euro pro Jahr höher als im Basisszenario. Im Betrachtungsjahr 2033 muss von den Verteilnetzen im Pfad „verbrauchsnahe Erzeugung“ eine 25 bis 30 GW höhere Erzeugungsleistung, die hauptsächlich auf PV-Anlagen entfällt, aufgenommen werden als im Pfad „beste Standorte“, was sich in den um circa 200 Millionen Euro pro Jahr höheren Kosten niederschlägt. Die spezifischen Netzausbaukosten (Netzausbaukosten pro MW installierter EE-Erzeugungsleistung) hingegen liegen im Pfad „verbrauchsnahe Erzeugung“ rund zwei Millionen Euro pro GW und Jahr unterhalb derer im Szenario „beste Standorte“.

Des Weiteren ist zu beobachten, dass die im Vergleich zum Basisszenario etwa 13 GW geringere Photovoltaikleistung im Szenario „beste Standorte“ zu entsprechend geringeren Kosten in der Niederspannungsebene führt. Diese Einsparungen überwiegen die Mehrkosten auf der Hochspannungsebene, die durch den stärkeren Ausbau an OnshoreWindkraft entstehen, und führen dazu, dass dieses Szenario im Betrachtungszeitpunkt 2033 die geringsten Verteilnetzkosten aufweist, die circa 131 Millionen Euro pro Jahr unterhalb derer im Basisszenario liegen. Bei der Interpretation der in Abbildung 3.11 dargestellten Kostenunterschiede je Spannungsebene ist zu berücksichtigen, dass der Ausbaubedarf in höheren Spannungsebene (beispielsweise Hochspannung) nicht ausschließlich durch dort zusätzliche angeschlossene EE-Anlagen, sondern auch durch Zubau von EE-Erzeugung in unterlagerten Spannungsebenen (beispielsweise Niederspannung) ausgelöst werden kann. Dies erklärt unter anderem, warum trotz nur geringfügig höherer Onshore-Windkraft-Leistung im Szenario „verbrauchsnahe Erzeugung“ (88,8 GW gegenüber 85,3 GW im Szenario „beste Standorte“) die Ausbaukosten in

Jährliche Mehrkosten/Einsparungen im Ausbau der Verteilnetze im Vergleich zum Basisszenario im Jahr 2033

Abb. 3.11

in Mio. €/a „verbrauchsnahe Erzeugung”

Mehrkosten ggü. Basis­ szenario

„beste Standorte“

64 20

69

-15

Einsparungen ggü. Basis­­­­­ szenario

-116

Niederspan­ nung

EE-Ausbaupfad

Mittelspannung

Hochspannung

Verteilnetz ­gesamt

Niederspan­ nung

-32

18

Mittelspannung

Hochspannung

-131 Verteilnetz ­gesamt

Eigene Darstellung

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Consentec | Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland

den Hochspannungsnetzen in diesem Szenario im Vergleich zu den anderen Szenarien am höchsten sind.

schüssen zurückzuführen und führt zu einem Abregelungsbedarf von etwa 25 TWh pro Jahr bis 30 TWh pro Jahr.

3.3.3 K  ostenunterschiede im Erzeugungssystem und Unterschiede bei notwendiger Abregelung von EE-Anlagen

In den Szenarien mit verzögertem Netzausbau ist die Rangfolge der EE-Ausbaupfade im Hinblick auf die abgeregelten Mengen gleich wie im Jahr 2023. Im EE-Ausbaupfad „verbrauchsnahe Erzeugung“ ist die Abregelung am geringsten, was auf die verteiltere EE-Erzeugung und zudem damit verbundene regionale Ausgleichseffekte und somit eine insgesamt gleichmäßigere EE-Erzeugung zurückzuführen ist. Im Vergleich zum Betrachtungsjahr 2023 wirkt sich ein verzögerter Netzausbau im Jahr 2033 nun aber auch für diesen EE-Ausbaupfad mit einer deutlichen Erhöhung auf die notwendige Abregelung aus. Der EE-Ausbaupfad „beste Standorte“ weist bei verzögertem Netzausbau im Vergleich auch zum Basisszenario den höchsten Abregelungsbedarf aus, was – wie für 2023 bereits erläutert – insbesondere auf die weniger gleichmäßige EE-Erzeugung der OnshoreWindkraftanlagen in Norddeutschland im Vergleich zur Offshore-Windkraft-Erzeugung im Basisszenario zurückzuführen ist.

Analog zur Darstellung der Ergebnisse für das Betrachtungsjahr 2033 wurde auf Basis der Marktsimulationsergebnisse das Ausmaß der notwendigen Abregelung in Mustrun-Anlagen in Deutschland ausgewertet. Das Ergebnis zeigt Abbildung 3.12. Die grundsätzlichen, bereits in Abschnitt 3.2.3 für das Jahr 2023 diskutierten Effekte zeigen sich auch im Jahr 2033. In den Szenarien mit schnellem und vollständigem Netzausbau ist die Notwendigkeit zur Abregelung erwartungsgemäß geringer als bei einem verzögerten Netzausbau. Im Vergleich zur Situation im Jahr 2023 tritt jetzt aber auch bei einem unverzögerten Netzausbau eine erhebliche Menge an notwendiger Abregelung auf. Diese ist im Wesentlichen auf das vermehrte Auftreten von Stunden mit Systembilanzüber-

Notwendige Abregelung von Erneuerbaren Energien in Deutschland im Jahr 2033

Abbildung 3.12

in TWh/a Basis

verzögert

„verbrauchsnahe Erzeugung”

verzögert

schnell und vollständig

„beste Standorte“

verzögert

EE-Ausbaupfad

schnell und vollständig

Annahmen zu Netzausbau

47,5 40,2

36,8

24,6

27,8

Eigene Darstellung

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Jährliche Mehrkosten/Einsparungen in den variablen Stromerzeugungskosten im Vergleich zum Basisszenario im Jahr 2033 in Mio. €/a

„verbrauchsnahe Erzeugung”

Mehrkosten ggü. Basis­ szenario

Einsparungen ggü. Basis­­­­­ szenario

verzögert

Abbildung 3.13

„beste Standorte“

schnell und vollständig

EE-Ausbaupfad

verzögert

schnell und vollständig

Annahmen zu Netzausbau

370

-250

-250 -480

Eigene Darstellung

Abbildung 3.13 zeigt die resultierenden Auswirkungen auf die ­variablen Stromerzeugungskosten im europäischen Gesamtsystem im Vergleich zum Basisszenario. Wiederum wirken hier die grundsätzlich gleichen Effekte, wie bereits für das Betrachtungsjahr 2023 erläutert. Die resultierenden Kostenunterschiede korrespondieren erwartungsgemäß mit der Höhe der notwendigen Abregelung. Bei den Szenarien mit verzögertem Netzausbau verstärken die Einschränkungen im Einsatz der konventionellen Kraftwerke die Kostenwirkungen, die bereits aus der jeweils höheren Menge abregelter EE-Erzeugung resultieren. Die Tatsache, dass das Szenario „verbrauchsnahe Erzeugung“ in allen betrachteten Varianten die niedrigsten Stromerzeugungskosten aufweist, ist unter anderem auch auf den zuvor bereits beschriebenen Effekt einer insgesamt gleichmäßigeren EE-Erzeugung in diesen Szenarien zurückzuführen.

3.3.4 K  ostenunterschiede Netzausbau ­Übertragungsnetz Analog zu den Betrachtungen für das Jahr 2023 haben wir für 2033 den benötigten Netzausbau, der über den im Basisszenario unterstellten Netzausbauzustand hinausgeht, ermittelt und kostenmäßig bewertet. Für das Jahr 2033 beinhaltet das Basisszenario bereits die Umsetzung der im Bundesbedarfsplan (November 2012) enthaltenen Netzausbauprojekte. Deren Kostenwirkung ist als Teil der Gesamtsystemkosten des Basisszenarios für 2033 berücksichtigt (Abschnitt 3.1) und daher für die Betrachtung der Kostendifferenzen nicht relevant. Im Vergleich zum Basisszenario ist somit bereits ein erheblicher Netzausbau gegenüber dem heutigen Netzausbauzustand enthalten. In Szenarien mit verzögertem Netzausbau fallen darüber hinaus wiederum keine weiteren Kosten für den Ausbau des Übertragungsnetzes an. Die Analysen zum Netzausbaubedarf unter der Annahme eines schnellen und vollständigen Netzausbaus führen im

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Consentec | Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland

Jährliche Kosten durch Ausbau der Übertragungsnetze über den Bundesbedarfsplan hinaus im Jahr 2033

Abbildung 3.14

in Mio. €/a

„verbrauchsnahe Erzeugung”

Mehrkosten ggü. Basis­ szenario

Einsparungen ggü. Basis­­­­­ szenario

verzögert

„beste Standorte“

schnell und vollständig

verzögert

schnell und vollständig

Annahmen zu Netzausbau

280

200 0

EE-Ausbaupfad

0

Eigene Darstellung

Szenario „verbrauchsnahe Erzeugung“ zu zusätzlichen jährlichen Kosten von rund 200 Millionen Euro beziehungsweise knapp 280 Millionen Euro im Szenario „beste Standorte“. Es zeigt sich, dass der zusätzliche Netzausbaubedarf und die damit verbundenen Kostenwirkungen für das Betrachtungsjahr 2033 deutlich geringer ausfallen als für das Jahr 2023. Der wesentliche Grund dafür ist, dass mit der angenommenen Umsetzung des Bundesbedarfsplans bereits erhebliche Anpassungen am Übertragungsnetz an die grundsätzliche Verschiebung der Erzeugungsschwerpunkte in Deutschland erreicht werden. Diese Anpassungen sind grundsätzlich auch für die im Jahr 2033 angenommenen EE-Ausbaupfade geeignet. In Verbindung mit der Tatsache, dass der Netzausbauzustand mit umgesetztem Bundesbedarfsplan über gewisse netztechnische Reserven verfügt, da der Netzausbau in diskreten Maßnahmen erfolgt, ergibt sich ein eher moderater Ausbaubedarf über den Bundesbedarfsplan hinaus.

Viele der erforderlichen Netzausbauprojekte sind in beiden Szenarien deckungsgleich und stimmten zu einem großen Teil mit den Ausbaumaßnahmen des Bundesbedarfsplans überein. Unterschiede zwischen den betrachteten Szenarien ergeben sich sowohl im Umfang als auch in der Lage der erforderlichen Netzausbaumaßnahmen. Bei „verbrauchsnaher Erzeugung“ fokussiert sich der Ausbaubedarf erwartungsgemäß auf Regionen mit hoher Last (vor allem Südwestdeutschland) während im Szenario „beste Standorte“ insgesamt mehr Netzausbau erforderlich ist. Grund dafür ist, dass sich der EE-Ausbau im Wesentlichen auf Onshore-Windkraft im Norden konzentriert, und somit auch hohe Leitungsbelastungen in Küstennähe sowie auf den Transportleitungen in Nord-Süd-Richtung die Folge sind. 3.3.5 Zusammenfassende Kostenbewertung Abbildung 3.15 stellt die einzelnen Kostendifferenzen zusammenfassend dar. Die Differenz der jährlichen Gesamt-

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Vergleich aller Differenzkosten der Szenarien im Jahr 2033

Abbildung 3.15

in Mio. €/a Basis

„verbrauchsnahe Erzeugung”

„beste Standorte“

verz.

verzögert

verzögert

schnell

-3.660

-3.660

schnell -2.780

-2.780

70

-250

70

-480

Annahmen zu Netzausbau

200 -130

jährliche Gesamtsystemkosten im Basisszenario EE-Ausbau inkl. Offshore-Netz

EE-Ausbaupfad

Verteilnetz

370

-130

-250

280

resultierende Einsparung residuale Erzeugung

Übertragungsnetz

Eigene Darstellung

systemkosten in den betrachteten alternativen Ausbauszenarien im Vergleich zum Basisszenario ist als Summe in Abbildung 3.16 gezeigt.

Kostenvorteilen gegenüber alternativen Ausbaustrategien, da für die gleiche Menge an erzeugtem Strom geringere Investitionen nötig sind.

Wie bereits für das Betrachtungsjahr 2023 können in allen betrachteten alternativen Ausbauszenarien deutliche Kostenvorteile gegenüber dem Basisszenario erzielt werden, die sich gegenüber 2023 noch verstärken und in erster Linie aus den Kostendifferenzen bei den direkten EE-Investitionskosten resultieren. Insgesamt liegen die Kosteneinsparungen zwischen drei Milliarden Euro pro Jahr für die Szenarien mit „verbrauchsnaher Erzeugung“ und 3,4 bis 3,75 Milliarden Euro pro Jahr für die Szenarien „beste Standorte“.

Der Vergleich zwischen den Szenarien mit „verzögertem Netzausbau“ und „schnellem und vollständigen“ Netzausbau zeigt, dass der Netzausbau im Jahr 2033 in beiden Ausbaupfaden die Gesamtkosten der Stromerzeugung senkt. Wie in Abbildung 3.13 und Abbildung 3.14 zu sehen, überwiegen hier unabhängig vom Ausbaupfad der EE die Einsparungen in der residualen Erzeugung (vor allem vermiedene Abregelung) die für den Ausbau der Netze anfallenden Kosten. In der langfristigen Perspektive führt der Ausbau der Netze also zu Kostenvorteilen, unabhängig von der Verteilung der EE-Erzeugung.

Der Vergleich zwischen den Ausbaupfaden „verbrauchsnahe Erzeugung“ und „beste Standorte“ zeigt im Jahr 2033 einen im Vergleich zu 2023 deutlicheren Kostenvorteil des Ausbaupfades „beste Standorte“. Dies ist im Wesentlichen durch die Kostendifferenzen bei den Investitionskosten für den EE-Ausbau (vgl. Abbildung 3.10) bedingt: Der EE-Ausbau an ertragreichen Standorten führt langfristig auch insgesamt zu

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Differenz der jährlichen Gesamtsystemkosten im Vergleich zum Basisszenario im Jahr 2033

Abbildung 3.16

in Mrd. €/a Basis

„verbrauchsnahe Erzeugung”

„beste Standorte“

verzögert

verzögert

verzögert

schnell

EE-Ausbaupfad schnell

83,70

-2,96

Annahmen zu Netzausbau

3 bis 3,8 Mrd. € Einsparungen pro Jahr

-2,99 -3,42 -3,76

Eigene Darstellung

3.4 B  ewertung der Sensitivität PV-Battery-Breakthrough

In einem zweiten Schritt wird dann bestimmt, wie viel die PV-Module und die Batterien „kosten dürfen“.

Wie in Kapitel 1 erläutert, wurde zusätzlich zu den beiden optimierten EE-Ausbaustrategien ein weiteres Szenario untersucht, das einen technologischen Durchbruch bei PVBatterie-Systemen unterstellt. Zentrale Fragestellung der hierzu durchgeführten Untersuchungen ist, welche Kostenentwicklung bei PV-Modulen und Batteriespeichern erforderlich ist, damit dieses PV-Battery-BreakthroughSzenario ein mit den anderen optimierten Szenarien vergleichbares Kostenniveau erreicht.

Für das Betrachtungsjahr 2023 zeigen die Untersuchungen, dass für den erforderlichen Übertragungsnetzausbau im Vergleich zu einer bloßen Umsetzung des „Startnetzes“ (verzögerter Netzausbau) knapp 700 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich erforderlich sind. Dies entspricht in etwa den Resultaten für das Szenario „verbrauchsnahe Erzeugung“, was hauptsächlich auf die grundsätzlich ähnliche Erzeugungsstruktur in diesen Szenarien zurückzuführen ist. Trotz der weitgehenden Übereinstimmung der Netzausbaumaßnahmen in den betrachteten Szenarien und den damit insgesamt ähnlichen Kostenwirkungen ergeben sich nennenswerte Unterschiede für den erforderlichen Ausbaubedarf. Bedingt durch die teilweise Substitution der Windenergieerzeugung durch PV-Anlagen ergibt sich eine regionale Verschiebung der Einspeiseschwerpunkte der EE-Anlagen vom Norden in den Westen und Südwesten Deutschlands. Folglich entstehen weniger windbedingte Netzüberlastungen, was den Ausbaubedarf im Norden gegenüber dem Szenario „verbrauchsnahe Erzeugung“ reduziert. Gleich-

Dabei sind mögliche Kosteneinsparungen im Vergleich zum Basisszenario in Verteil- und Übertragungsnetzen sowie im residualen Erzeugungssystem zu berücksichtigen. Die Berechnung dieser Einsparungen erfolgt in einem ersten Schritt mit den gleichen Modellen und Verfahren und mit dem gleichen methodischen Vorgehen wie bei den anderen Szenarien. Dies ist möglich, da die Kosten für PV-Module und Batterien keinen Effekt auf diese Einsparungen haben.

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Studie | Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland

zeitig werden zuvor unkritische Leitungen im Westen und Südwesten Deutschlands aufgrund des unterstellten PVZubaus deutlich stärker belastet und lösen dort teilweise neuen Netzausbaubedarf aus. Beide Effekte überlagern sich, sodass die Änderungen der Kostenwirkungen in etwa gleich bleiben. Durch den gezielten Einsatz der Batteriespeicher ist sichergestellt (siehe Kapitel 1), dass sich im Vergleich zum Szenario „verbrauchsnahe Erzeugung“ trotz deutlich höherer installierter Leistung in EE-Anlagen keine Zusatzkosten für den Netzausbau in den Verteilnetzen ergeben. Diese liegen somit, identisch zu den Kosten im Ausbaupfad „verbrauchsnahe Erzeugung“ rund 90 Millionen Euro pro Jahr unter denen des Basisszenarios. Im Erzeugungssystem sind gegenüber dem Basisszenario erhebliche Kosteneinsparungen möglich. Sie liegen bei rund 760 Millionen Euro pro Jahr. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass hier (bei schnellem und vollständigem Netzausbau) fast keine Abregelung von EE-Anlagen erforderlich ist. Die verbleibende Abregelung beträgt rund 1,8 TWh pro Jahr. Zudem können die Batteriespeicher unter Berücksichtigung der genannten Randbedingungen aus Verteilnetzsicht marktgetrieben eingesetzt werden. Dies führt zu zusätzlichen Flexibilitäten im Erzeugungssystem und reduziert dessen Kosten zusätzlich. Im Betrachtungsjahr 2033 befinden sich aufgrund des verbrauchsnah angenommenen Zubaus der zusätzlichen PV-Anlagen die PV-Einspeiseschwerpunkte vor allem im Westen und Südwesten Deutschlands (vgl. Abschnitt 1.3). In Verbindung mit der Verdrängung des in den anderen Szenarien angenommenen Ausbaus der Windenergieerzeugung ergeben sich eine veränderte Einspeisesituation und infolgedessen auch veränderte Lastflusssituationen im Übertragungsnetz. Eine detaillierte Ermittlung des erforderlichen Ausbaubedarfs hat gezeigt, dass in einem solchen Szenario einige im Bundesbedarfsplan enthaltenen Ausbauprojekte in diesem Szenario nicht erforderlich sind. Andererseits ergibt sich zusätzlicher Ausbaubedarf in den Regionen mit hoher Last, bedingt durch die zeitweise sehr hohe Einspeiseleistung aus PV-Anlagen. In Summe ergeben sich um rund

35 Millionen Euro geringere jährliche Netzkosten für den Ausbau des Übertragungsnetzes im Vergleich zum Bundesbedarfsplan. In den Verteilnetzen ergibt sich analog zum EE-Ausbaupfad „verbrauchsnahe Erzeugung“ ein zusätzlicher Ausbaubedarf im Vergleich zum Basisszenario von 70 Millionen Euro pro Jahr. Die Einsparungen im residualen Erzeugungssystem sind 2033 erheblich höher als 2023 und liegen mit rund 1.650 Millionen Euro pro Jahr gegenüber dem Basisszenario erheblich über den Einsparungen der anderen betrachteten Szenarien. Ausschlaggebend hierfür sind drei Effekte: Zunächst die deutlich geringere notwendige EE-Abregelung (rund 27 TWh pro Jahr weniger als im Basisszenario), weiterhin die zusätzliche Flexibilität, die aufgrund der Batteriespeicher im Erzeugungssystem zur Verfügung steht und die es erlaubt, verstärkt Kraftwerke mit niedrigeren Erzeugungskosten einzusetzen, und schließlich die grundsätzlich aus Erzeugungskostensicht günstigere Einspeisecharakteristik des EE-Mixes, da die PV-Einspeisung zu den last­ starken Stunden tagsüber auftritt. Basierend auf diesen Kostendifferenzen, die sich unabhängig von konkreten Kostenannahmen für die PV-BatterieSpeichersysteme ergeben, kann ermittelt werden, welche Kostendegression bei diesen System erforderlich ist, damit ein solches PV-Battery-Breakthrough-Szenario aus Gesamtkostensicht zu den gleichen Kosten führen würde wie die optimierten Ausbaupfade. 37 Bei der Ermittlung der notwendigen Kostendegression wurde angenommen, dass das relative Kostenverhältnis zwischen PV-Modulen und Batteriespeichern konstant bleibt. Dabei wurde die Kostendegression auch für alle anderen PV-Module, die in dem jeweiligen Szenario gebaut werden, gleichermaßen unterstellt. Unter Annahme von Kosten für ein typisches Batteriesystem von heute etwa 4.900 Euro (zwei kW, sechs kWh) ergibt sich somit als Ausgangsniveau für die Kosten eines typischen PV-Batterie-Systems (Vier-kW-Aufdach-PV37 Als Vergleichsmaßstab wurde hier der Mittelwert der Kosten der vier betrachteten Szenarien herangezogen.

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Erforderliche Kostenredegression für ein typisches PV-Batterie-System bei Kostenvergleich bis 2033

Abbildung 3.17

in € 12.000

10.000

8.000 -80 % 6.000

4.000

2.000

0 2013

2023

2033

beispielhaftes PV-Batterie-System für Eigenheim: PV-Modul: 4 kW Aufdachanlage

Batteriespeicher: 2 kW, 6 kWh

Eigene Darstellung

Anlage und Batterie mit einer Anschlussleistung von zwei kW und einer Kapazität von sechs kWh) ein Wert von rund 10.500 Euro. Abbildung 3.17 zeigt nun die notwendige Kostendegression, die erreicht werden müsste, damit ein solches Szenario kostenmäßig ein gleiches Niveau wie die alternativen optimierten Szenarien erreichen kann. Dabei wird die langfristige Perspektive bis 2033 betrachtet. Gegenüber heutigen Kosten wäre eine erhebliche Kostendegression von rund 80 Prozent erforderlich, sodass ein typisches System nur noch 2.100 Euro kosten dürfte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dies auch eine Reduktion bei den Kosten für PV-Module in gleicher Höhe impliziert. Das ist für die Ergebnisse relevant, da bei der Abschätzung des notwendigen Kostensenkungspfades der gesamte PV-Zubau – also auch Anlagen ohne zusätzliches Batteriesystem (rund

70 GW im Jahr 2033 in diesem Szenario) – mit dieser Kostendegression bewertet wurde. 38 Soll ein solches Szenario bereits bis zum Betrachtungsjahr 2023 ein kostenmäßig gleiches Niveau wie die optimierten Szenarien erreichen, so ist bei den getroffenen Annahmen für den EE-Ausbaupfad bis 2023 eine noch erheblichere Kostenreduktion erforderlich, wie Abbildung 3.18 zeigt. Die Kosten für PV-Module und Batteriespeicher müssten um 95 Prozent im Vergleich zum heutigen Niveau sinken. Grund für die deutlich höhere notwendige Kostensenkung ist das hohe heutige (und damit nicht beeinflussbare) Kostenniveau: Eine sehr starke Kostendegression ist erforderlich, um einen erheblichen Zubau (23,4 GW PV-Anlagen mit 11,7 GW Batteriespeichern von heute bis 2023 mit linear steigender 38 Würde man fordern, dass das PV-Battery-BreakthroughSzenario lediglich das Kostenniveau des Basisszenarios erreichen müsste, das um rund 3,3 Milliarden Euro pro Jahr über dem Mittel der optimierten Szenarien liegt, so wäre eine Kostendegression von rund 65 Prozent bis 2033 erforderlich.

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Erforderliche Kostenredegression für ein typisches PV-Batterie-System bei Kostenvergleich bis 2023

Abbildung 3.18

in € 12.000

10.000

8.000 -95 % 6.000

4.000

2.000

0 2013

2023 beispielhaftes PV-Batterie-System für Eigenheim:

PV-Modul: 4 kW Aufdachanlage

Batteriespeicher: 2 kW, 6 kWh

Eigene Darstellung

Zuwachsrate, vgl. Abschnitt 1.3) in kurzer Zeit trotz des hohen Ausgangsniveaus der Kosten wirtschaftlich werden zu lassen. 39

39 Fordert man, dass das PV-Battery-Breakthrough-Szenario lediglich das Kostenniveau des Basisszenarios erreichen müsste, so ist die notwendige Kostendegression mit rund 60 Prozent bis 2023 geringer.

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4. Wesentliche Datenquellen Der Datenanhang steht auf www.agoraenergiewende.de/themen/optimierungdes-gesamtsystems zum Download bereit.

www.netzausbau.de/SharedDocs/Downloads/DE/Szenariorahmen/Eingereichter%20Szenariorahmen%20zum%20 NEP%202013.pdf?__blob=publicationFile

Annahmen zu installierten Kapazitäten in Windkraft- und PV-Anlagen im Basisszenario 2023 und 2033 Genehmigung des Szenariorahmens zum NEP 2013 www.netzausbau.de/SharedDocs/Downloads/DE/Szenariorahmen/Genehmigung%20des%20Szenariorahmens%20 zum%20NEP%202013.pdf?__blob=publicationFile

Annahmen zur Aufteilung von Windkraft- und PV-Anlagen auf Spannungsebenen (Hoch-, Mittel-, Niederspannung) EEG-Anlagenstammdaten zum 31.12.2011 www.eeg-kwk.net/de/file/2011_Anlagenstammdaten.zip

Annahmen zu installierten Kapazitäten von konventionellen Kraftwerken (hydraulische und thermische Kraftwerke) und sonstigen EE-Anlagen in Deutschland Genehmigung des Szenariorahmens zum NEP 2013 www.netzausbau.de/SharedDocs/Downloads/DE/Szenariorahmen/Genehmigung%20des%20Szenariorahmens%20 zum%20NEP%202013.pdf?__blob=publicationFile Annahmen zum Stromverbrauch in Deutschland Genehmigung des Szenariorahmens zum NEP 2013 www.netzausbau.de/SharedDocs/Downloads/DE/Szenariorahmen/Genehmigung%20des%20Szenariorahmens%20 zum%20NEP%202013.pdf?__blob=publicationFile Kostenannahmen Übertragungsnetz Der Netzentwicklungsplan 2012, 2. Entwurf www.netzentwicklungsplan.de/system/files/documents/ NEP2012_2_Kapitel_9.pdf Projekte des „Startnetzes“ und Projekte des „Bundesbedarfsplans“ Bestätigung Netzentwicklungsplan 2012 nvonb.bundesnetzagentur.de/netzausbau/Bestaetigung_ Netzentwicklungsplan_Strom_2012.pdf Annahmen zu Brennstoffpreisen und Emissionszertifikatspreisen Szenariorahmen für den NEP 2013 (ÜNB-Entwurf)

Annahmen zur EE-Erzeugung in Europa (2023) Scenario Outlook & Adequacy Forecast 2012-2030 www.entsoe.eu/fileadmin/user_upload/_library/SDC/ SOAF/120705_SOAF_2012_Dataset.zip Annahmen zur Windkraft- und PV-Erzeugung in Europa (2033) Connecting the Sun – Solar Photovoltaics on the Road to Large-Scale Grid Integration www.connectingthesun.eu/wp-content/uploads/reports/ Connecting_the_Sun_Full_Report.pdf Annahmen zur sonstigen EE-Erzeugung in Europa (2033) Scenario Outlook & Adequacy Forecast 2012-2030 www.entsoe.eu/fileadmin/user_upload/_library/SDC/ SOAF/120705_SOAF_2012_Dataset.zip Annahmen zur konventionellen Stromerzeugung in Europa Scenario Outlook & Adequacy Forecast 2012-2030 www.entsoe.eu/fileadmin/user_upload/_library/SDC/ SOAF/120705_SOAF_2012_Dataset.zip Statistics and Prospects for the European Electricity Sector 37th Edition - EURPROG 2009 www.eurelectric.org/media/43813/2009-180-00042009-180-0004-01-e.pdf Eurelectric – Power Statistics & Trends 2012 Edition www.eurelectric.org/powerstats2012/

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Annahmen zur Lastentwicklung in Europa Scenario Outlook & Adequacy Forecast 2012-2030 www.entsoe.eu/fileadmin/user_upload/_library/SDC/ SOAF/120705_SOAF_2012_Dataset.zip Annahmen zum Netzausbau im europäischen Ausland Ten-Year Network Development Plan 2012 www.entsoe.eu/major-projects/ten-year-network-development-plan/tyndp-2012/

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Publikationen von Agora Energiewende 12 Thesen zur Energiewende Ein Diskussionsbeitrag zu den wichtigsten Herausforderungen im Strommarkt (Lang- und Kurzfassung, erstere auch auf Englisch verfügbar)

Brauchen wir einen Kapazitätsmarkt? Dokumentation der Stellungnahmen der Referenten der Diskussionsveranstaltung am 24. August 2012 in Berlin

Die Zukunft des EEG – Evolution oder Systemwechsel? Dokumentation der Stellungnahmen der Referenten der Diskussionsveranstaltung am 13. Februar 2013 in Berlin

Erneuerbare Energien und Stromnachfrage im Jahr 2022 Illustration der anstehenden Herausforderungen der Energiewende in Deutschland. Analyse auf Basis von Berechnungen von Fraunhofer IWES

Kapazitätsmarkt oder Strategische Reserve: Was ist der nächste Schritt? Eine Übersicht über die in der Diskussion befindlichen Modelle zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit in Deutschland

Lastmanagement als Beitrag zur Deckung des Spitzenlastbedarfs in Süddeutschland Zusammenfassung der Zwischenergebnisse einer Studie von Fraunhofer ISI und der Forschungsgesellschaft f­ ür Energiewirtschaft

Kritische Würdigung des Netzentwicklungsplanes 2012 Kurzstudie des Büros für Energiewirtschaft und technische Planung (BET)

Steigende EEG-Umlage: Unerwünschte Verteilungseffekte können vermindert werden Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW)

Zusammenhang von Strombörsen und Endkundenpreisen Studie von Energy Brainpool

Alle Publikationen finden Sie auf unserer Internetseite: www.agora-energiewende.de

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014/04-S-2013/DE

Wie gelingt uns die Energiewende? Welche konkreten Gesetze, Vorgaben und Maßnahmen sind notwendig, um die Energiewende zum Erfolg zu führen? Agora Energiewende will den Boden bereiten, damit Deutschland in den kommenden Jahren die Weichen richtig stellt. Wir verstehen uns als Denk- und Politiklabor, in ­dessen ­Mittelpunkt der Dialog mit den ­relevanten energiepolitischen Akteuren steht.

Agora Energiewende Rosenstraße 2 | 10178 Berlin T +49. (0)30. 284 49 01-00 F +49. (0)30. 284 49 01-29 www.agora-energiewende.de [email protected] Agora Energiewende ist eine gemeinsame Initiative der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation.

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