Kommunikation und Sprache in der Wirtschaftswerbung. Ein ...

2.1 Moral und Moralisieren. 33. 2.2 Kommunikationstheorie .... 15.08.1997) in der Wochenschrift Die Zeit publizierte: In eher künstleri schen, witzigen Beispielen ...
1MB Größe 7 Downloads 466 Ansichten
Wolfgang Eichler  Kommunikation und Sprache in der Wirtschaftswerbung  Ein Studienbuch                                                                IGEL Verlag 

                                                          Wolfgang Eichler  Kommunikation und Sprache in der Wirtschaftswerbung  Ein Studienbuch  1.Auflage 2009  |  ISBN: 978‐3‐86815‐307‐1  © IGEL Verlag GmbH , 2009. Alle Rechte vorbehalten. 

   

Dieses eBook wurde nach bestem Wissen und mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt.    Im Hinblick auf das Produkthaftungsgesetz weisen Autoren und Verlag darauf hin,  dass inhaltliche Fehler und Änderungen nach Drucklegung dennoch nicht auszu‐   schließen sind. Aus diesem Grund übernehmen Verlag und Autoren keine Haftung  und Gewährleistung. Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr.   

 

                                        IGEL Verlag 

Vorwort ObwohlüberWirtschaftswerbungvielgeschriebenwurdeundwirdundes auch periodische Veröffentlichungen (z. B. das Jahrbuch des Deutschen Werberats)gibt,istdieZahlderPublikationen,diesichumfassendmitder Kommunikation und Sprache in der Wirtschaftswerbung befassen, gar nichtsogroß.AußerdemstammenwesentlicheArbeitenbereitsausden späten1960erJahren(z.B.RuthRömerDieSprachederAnzeigenwerbung 1968) und den kritischen 1970er und 1980er Jahren, (z. B. Dieter Flader Strategien der Werbung 1974, Arman Sahihi und Hans D. Baumann,Kauf mich! 1987 oder die Arbeit von Manuela Baumgart zu den rhetorischen Mitteln von 1992). Den aktuellen sprachwissenschaftlichphilologischen ForschungsstandfasstambestendasBuchWerbesprachevonNinaJanich (1.Auflage2001)zusammen,nachdemschonBernhardSowinski1998mit seinemBüchleinWerbungvorangegangenwar. DieweiterführendeForschunginden1980erund1990erJahrengeschah eher in der Soziologie, z. B. zu Frauenbildern (Christiane Schmerl) oder Partnerstereotypen, z. B.in Heiratsanzeigen (Birgit Stolt und Jan Trost), in der Psychologie, (vgl. z. B. den bereits genannten Dieter Flader und IngridBußmann,Werbepsychologie1993),undimwerbestrategischenBe reich,vgl.GabrieleBechstein,HansJürgenRoggeoderWernerKroeber Riel. Heutzutage finden wir insbesondere detailorientierte Forschungen zu ganzspeziellenFragestellungenvor,auchwenndieTitelmanchmaleinen umfassenderenAnsatzversprechen. Es gibt eine schöne, allerdings schon etwas veraltete Bibliographie mit Kommentaren zuunseremThema,erschienen1997imJuliusGroosVer lag (Albrecht Greule und Nina Janich Sprache in der Werbung). Hier war ergänzendzurecherchieren. Das vorliegende Buch soll mit einem weit gefassten Kommunikations begriff die gesellschaftlichen Grundlagen, die Erscheinungsformen der WirtschaftwerbungunddiewesentlichenForschungsansätzeanschaulich dokumentieren.DieDarstellungwirdbelegtmitvielenkonkretenBeispie len aus Anzeigen, aberauchausderFernsehundderbislangwenigbe achteten Katalogwerbung. Ergänzt werden eigene Analysen, die zusam men mit Studierenden erarbeitet wurden und als Analysehilfen für das eigeneTundienenkönnen. EswerdeninteressanteForschungsrichtungeninihrenAnsätzennachge zeichnet, z. B. Ist Werbung überhaupt Kommunikation (Sprachhandlungs

I

theorie, Franz Januschek 1976) oder Zeichentheoretisches (Roland Bar thes u. a., ikonische und ikonographische Botschaft), Tiefenpsychologi sches (frühkindliche Reaktionsschemata, Dieter Flader 1974) oder der ex plizit feministische Ansatz bei Christiane Schmerl (Frauen, gesteckt in Zwangsjacken), die jeweils spannend zu lesen sind und interessante Denkanstößegeben. HierinunddurchdietransdisziplinäreWeiteunterscheidetsichdasvorlie gendeBuchvonanderen.DerGegenstandderWirtschaftswerbungkann, meinerMeinungnach,ineinereinzigenDisziplinnichtadäquatbehandelt werden. Vielmehr sind es die „Abbruchkanten und Übergänge“ der ein zelnenDisziplinenwieSoziologie,PsychologieoderDiskursforschung,an denen sich die interessantesten Fragestellungen finden lassen. Dazu ge hört, gerade auch in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise, die Erörterung vonFragenderEthikundderEnkulturationvonWirtschaftswerbung. Das Buch ist bewußt allgemeinverständlich geschrieben, es will auch in der Aufmachung und sprachlichen Ausführung ein wenig für sich selbst werben. Das Buch ist zunächst einmal für Menschen bestimmt, die mit der Wirt schaftswerbungimAlltagmündigumgehenwollen.Eswendetsichdem nachanalle,diedemPhänomenWirtschaftswerbungeherreflektierend, alskonsumierend,begegnenmöchten. Es werden auch Kolleg/innen an der Universität, Medien wissenschaftler/innen,Germanistikdozent/innenundvorallemauchStu dierende sowie verantwortungsbewusste Werbetreibende darin Wesent lichesfinden.UndeinwenigsindauchPolitiker/innenangesprochen,die Gesetze und Verordnungen zur Einschränkung oder Verbreitung von Wirtschaftswerbungmachen. EinsobreitaufgestelltesBuchwiediesesentstehtnichtohneMithilfe.Es ist in langjähriger, fruchtbarer Zusammenarbeit mit Studierenden in Se minarenzumThemagewachsen.IhnenseivorallemDank.DasBuchwä reaberauchnichtohnedietatkräftigeMithilfevonFrauConstanceHoff mannentstanden.SiehatnichtnurdurchimmerwiederkritischeAnmer kungen praktisch das Lektorat übernommen, sondern darüber hinaus auchmancheRechercheunddiegesamtetechnischeAufbereitung.  OldenburgundWaakeimApril2009WolfgangEichler  

II

 1.Einführung:WirtschaftswerbungalsPhänomen

5

1.1DefinitionundFunktion

5

1.2BerührungspunkteinunseremAlltag

8

1.3ZahlenundFakten 2.ZentraleDimensionenderWirtschaftswerbung

20 33

2.1MoralundMoralisieren

33

2.2Kommunikationstheorie

43

2.3DarstellungsundStrategiemodelle

53

2.4Erscheinungsformen

62

2.5DerZusammenhangvonBildundSprache

71

2.6TiefenpsychologischeArrangements 3.KommunikativeArrangements

84 91

3.1.Suggestion

91

3.2Kommunikatoren

98

4.MenschenbilderundZielgruppenorientierung

108

4.1Stereotype

108

4.2.DieZielgruppederFrauen

111

4.2.1Frauenzeitschriften

112

4.2.2FrauenbilderundFrauenstereotype

116

4.2.2.1FrauenbilderinderWerbung 4.3DieZielgruppederMänner

117 123

4.4.DieZielgruppederKinderundJugendlichen

130

4.5DieZielgruppederGeneration50+

136

5.DiskursanalytischeszuThemeninderWirtschaftswerbung

143

5.1ZumBegriffDiskurs

143

5.2Werte,TrendsundZeitgeistalsDiskurselemente

145

5.2.1DerneuealteGlaubealsbesonderesDiskurselement 6.WerbesprachforschungundsprachlichpragmatischesArrangement

149 152

6.1DieForschungslage

152

6.2LayoutundSprachhandlungen

153

6.3Wortwahl,WortbildungundSatzbau

157

III

6.3.1Wortbildung

158

6.3.2Wortwahl

161

6.3.3Satzbau

166

7.RhetorikinderWirtschaftswerbung

168

7.1ZurRhetorikdesWerbetext/Werbespotaufbaus 7.2RhetorischeMittel

168 169

8.VerblüffungseffektealsbesondereElementederWirtschaftswerbung

180

8.1Verblüffungseffekteallgemein

180

8.2.PragmatischeundsemantischeVerblüffungseffekte

181

8.3Sprachspiele

183

8.3.1Wortspiele

184

8.3.2Kontextspiele

187

9.AnleitungzurAnalysevonWerbespots

188

9.1.BegrifflichkeitundInstrumente

188

9.2AufbaueinerWerbespotanalyse

189

10.FeinanalysemodelleundInterpretation

204

Literaturverzeichnis

222 

IV

1.Einführung:WirtschaftswerbungalsPhänomen DassWirtschaftswerbunginunseremLebenundinunsererarbeitsteiligen Wirtschaftsgesellschafteinegroße,wennnichtsogareinedominierende Rolle spielt, ist mittlerweile ein Gemeinplatz. Wir wollen das Thema in drei Ansätzen behandeln: einmal kurz mit der Fragestellung „Was ist Wirtschaftswerbung?“, dann mit einer Betrachtung über das Wirken von Wirtschaftswerbung in unserem alltäglichen Leben und schließlich an handvonFaktenundZahlen. 1.1DefinitionundFunktion Schon 1887, als Werbung noch Reklame hieß, gab Cronau eine sehr ge naueDefinitiondavon,wasWerbungist,wassiewillundwiesiewirkt(zi tiertnachRudolfSeyffertWerbelehre1966,S.4):  „ManverstehtunterReclameimweiterenSinne,durchirgend ein Mittel, sei es durch Wort, Schrift oder eine That, Interesse füreineSache,einePerson,einenGegenstandodereinUnter nehmen zu erregen; im engeren Sinne versteht man darunter dieempfehlendeAnzeige,beiderimUnterschiedevonderein fachen Annonce die Anwendung raffinierter Mittel zur Erwe ckungdesöffentlichenInteresseswesentlichist.“  Weitere Definitionen sind Legion. So schreibt Carl Hundhausen in Wirt schaftswerbung1963,S.137: „Werbung sind alle Äußerungen, die sich an diejenigen richten, deren Aufmerksamkeit zu gewinnen versucht wird.“, und Rudolf Seyffert defi niertinWerbelehrevon1966aufS.7:  „WerbungisteineFormderseelischenBeeinflussung,diedurch bewussten Verfahrenseinsatz zum freiwilligen Aufnehmen, Selbsterfüllen und Weiterpflanzen des von ihr dargebotenen Zweckesveranlassenwill.“  Karl Christian Behrens (Absatzwerbung 1963, S. 12) grenzt den Bereich Wirtschaftswerbungdadurchaus,indemerdasZieldesAbsatzesinden Vordergrundstellt:

5

„Absatzwerbung umfasst die verkaufspolitischen Zwecken die nende, absichtliche und zwangfreie Einwirkung auf Menschen mitHilfespeziellerKommunikationsmittel.“  Wolfgang Brandt (Die Sprache der Wirtschaftswerbung 1973, S. 19) defi niertWirtschaftswerbungso:  „1. Der Werbende ist ein Unternehmen der Produktion, des HandelsoderderDienstleistung; 2.DieObjekte,fürdiegeworbenwird,sindWarenoderDienst leistungen; 3.DasZielderWerbungistderKaufoderdieentgeltlicheInan spruchnahme der Werbeobjekte, d. h. letztlich: der vom Wer bendendirektangestrebteProfit.“  Susanne Eichholz (Automobilwerbung in Frankreich 1995, S. 14) definiert Wirtschaftswerbung schließlich in Anlehnung an Gabriele Bechstein (WerblicheKommunikation1987S.315)alswerblicheKommunikation,als eine„andieAllgemeinheitgerichteteKommunikation.“ DasThemaKommunikationundderzugrundegelegteKommunikations begriffwerdenunsinKapitel2.2ausführlicherbeschäftigen. WirtschaftswerbungisteineErscheinung,dienichterstmitderIndustria lisierungundderEntstehungeinerarbeitsteiligenWirtschaftsgesellschaft ihren Anfang nahm (vgl. u. a. Günter Schweiger und Gertrud Schrat tenegger Werbung 2005), es hat schon in der Antike und im Mittelalter den Ausrufer und auch Arten von „Wandzeitungen“ und Aufrufe für den ErwerbvonWarenundDienstleistungengegeben,unddiewerblicheDe korationvonWarenoderderProbeausschankwarenlängstgangundgä be. DieWirtschaftswerbungweitetesichmitderIndustrialisierungundAr beitsteilung aber erheblich aus. Mit dem „Auseinandertreten“ von Pro duzentinnen und Konsument/innen wurde es notwendig, systematisch WarenundDienstleistungenbekanntzumachen,sieanzubietenundfür dengeregeltenvorhersagbarenAbsatzzusorgen(zurneuerenGeschich tederWerbungsieheMichaelKriegeskorte100JahreWerbungimWan del1995).DerWettbewerbzwischenProduzent/innengleicheroderähn licher Güter führte darüber hinaus zu einem „Verdrängungswettbe

6

werb“,d.h.eswurdemehrundmehrnötig,überhaupterstdasBedürfnis, einbestimmtesProduktbesitzenzuwollen,zuwecken,seies,dassdie natürlichenBedürfnissebereitsgedecktwaren,wennmanz.B.einnoch funktionierendesProdukt(z.B.einAuto)besaß,oderseies,dassfüreine Ware überhaupt kein natürliches Bedürfnis bestand: „Angebot schafft Nachfrage“heißtesbeidenProduzent/innen,undwerbewirktdieNach frage?DieWerbung. SowurdendieMethodenderWirtschaftswerbungimmerdifferenzierter, die Aufwendungen immer größer, und die aufkommenden Massenme dien,PrintmedienundelektronischenMedien,gabendenWerbetreiben denneuePlattformenundGestaltungsmitteleinschließlichdesbewegten Bildes und des Tons neben der Sprache. Dieter Flader (Strategien der Werbung1974,S.4)schreibt:  „DieökonomischeFunktionderWerbungbestehtdarin,fürdie Massenproduktion der Großbetriebe in den industriell fortge schrittenenLänderneinenrelativstabilenMarktbzw.Marktan teil zu sichern, ihn auszuweiten, und – wenn möglich – einen neuenMarktherzustellen.“  Fassenwirzusammen: Auf der (Ab)Senderseite hat Wirtschaftswerbung in unserer Konsumge sellschaftimWesentlichenfolgendeAufgaben/Funktionen: x BekanntmacheneinerWareoderDienstleistung(Aufklärungs,In formationsfunktion), x Regelung des Zusammenhangs zwischen Waren und Dienstleis tungsproduktionundAbsatz(Regelungsfunktion), x BedürfnisweckungfürWarenundDienstleistungen,soweitfürdie sekeinnatürlichesBedürfnisbesteht(Innovationsfunktion), x Sicherung und Ausbau des Marktanteils (Verdrängungswettbe werb), x Erziehung zur Markentreue und Pflege der Beziehungen zum Kunden/zurKundin(MarktpflegeundPublicRelations), x Bewirkung gesellschaftlicher Veränderungen, Trendsetting, Ver einnahmung(sieheuntenundKapitel5). 

7

DementsprechenaufderEmpfängerseitediefolgendenkommunikativen ErwartungenundFunktionen: x dieErwartung,Informationenzuerhalten, x die Appellfunktion (Ich nehme an, dass die Wirtschaftswerbung mich beeinflussen will.), die Erinnerungs/Bestätigungsfunktion (Ach, das kenne ich ja schon, gut, dass du mich daran erinnerst!), dieKaufaufforderung,heutemeistindirektals„Überredung“emp funden(persuasiveFunktion)sowiezunehmendeineunterhaltende undlebensmitgestaltendeFunktion. 1.2BerührungspunkteinunseremAlltag WirlebenineinerZeitintensiverWirtschaftswerbung.Werbungistinun serer „Informationsgesellschaft“ ein nicht wegzudenkender, lebens(mit) bestimmender Faktor geworden. Wie weit allerdings die verschiedenen ErscheinungsformenderWirtschaftswerbung(NäheressieheKapitel2.4) bereitsunserpersönlichesundunsergesellschaftlichesLebenbestimmen –bösegesagt,wieweitunserDaseinbereitsmitundvonWirtschaftswer bung„durchseucht“ist–,dasmachensichdiemeisten„Wirtschaftsubjek te“ (sind sie nicht eher Wirtschaftsobjekte, die Werbetreibenden wie die Umworbenen?)oftgarnichtklar.DennochgibtesdazueineReiheneue rerStudienu.a.vonHansA.Hartmann(Hrsg.)BilderflutundSprachmagie 1992,RainerGries,VolkerIlgenundDirkSchindelbeckInsGehirnderMas se kriechen! 1995, Herbert Willems Die Gesellschaft der Werbung 2002, GuidoZurstiegeWerbeforschung2007. DazueinkleinerSelbstversuch: Versuchen Sie, lieber Leser, liebe Leserin, einmal, in den zwei Morgen stundenvomZähneputzenüberdieFrühstückssendungeinschließlichdes WegeszurArbeitminutiösdieZahlundArtderWerbungenzuprotokol lieren – den Werbeaufdruck auf der Zahnpastatube ebenso wie den auf der CornflakesTüte, weiter die pseudoredaktionellen Teile und die An zeigeninderMorgenzeitung,dieProspektbeilagendarin,dieWerbespots imRundfunkoderimFrühstücksfernsehen,dieWerbeplakateundLeucht schriftenaufdemWegzurArbeit,dieSchaufensterdekorationenusw.–, dann werden Sie das Ausmaß der Wirtschaftswerbung in Ihrem Leben unschwerbegreifen.SicherhabenSiegutgezählt,aberganzgewisssind Sie nicht auf die Zahl gekommen, die der Spiegel in Heft 52, 1992 in ei nem Beitrag von CordtSchnibben,„DieReklamerepublik“,S.115ineiner großenRecherchezumThemaWerbungkonstatierte:

8

„WermitdemFunkspotwachwird,frühstücktundseineTages zeitungliest,zurArbeitfährt,imJobRadiohört,eineZeitschrift liest und abends fernsieht, der nimmt jeden Tag 1.200 Werbe botschaften mit ins Bett [...]. 436.000 Hörfunkspots wurden 1991 gesendet, 328.000 Fernsehspots füllten die Bildschirme, 220.000mehralsfünfJahredavor.“  Dasistheute,auchdurchdasAuftauchenganzneuerinteraktiverWerbe formen(Internet),nichtwenigergeworden. „WosichdieWerbungmitdemLebenkreuzt“ lautetderTiteleinesAufsat zes, den ein Werbetreibender (Wolfgang Pauser) vor gut 10 Jahren (am 15.08.1997) in der Wochenschrift Die Zeit publizierte: In eher künstleri schen,witzigenBeispielenwirdhierwerbetypischlockerflockigüberden Bezug zwischen Wirtschaftswerbung und dem Leben geschrieben, nicht so,dasseineBotschaft„WerbungistLeben“herüberkommt,eherZufälli ges,künstlerischInteressanteswirdzusammengepackt.Abernochistal lesrechtoptimistisch:Werbungistprima. VielernstersindzweiBeiträgeinderselbenZeitungnurknappzehnJahre später über das so genannte Wohlstandsparadox: Ab einem gewissen Wohlstand erfüllt uns der Konsum nicht mehr mit Glück. Sicherlich ken nenSiedieErfahrung,dassSiesichetwasLanggewünschtesgekauftha benundjustindiesemAugenblickhabenSiekeineFreudemehrdaran.In Die Zeit vom 19.12.2007, S. 1517 gibt es zwei Artikel, der eine, „Vom Glück der Erleuchtung“, von der Redakteurin Iris Radisch und der zweite, „Wirwissennichtmehr,waswirhaben“,einInterviewmitdemSoziologen HartmutRosa,derauchdasbekannteBuchBeschleunigung.DieVerände rung der Zeitstrukturen in der Moderne (2006) geschrieben hat, in denen vondergeradezu„glücksvernichtendenBeschleunigung“unseresLebens durch Überkonsum, veranlasst u. a. durch die Glücksversprechen der WerbungunddenrasendenDurchlaufvonWarenundkommerziellenEr lebnisangeboteninunseremLeben,dieRedeist.DarauszweiZitate: ZunächsteinesvonderRedakteurinIrisRadisch(S.16):  „DasSelberlebenist[...]einunverzichtbarerGrundbausteinfür dieEntwicklungvonIntelligenzunddesGlücksgefühls[...].Und anhaltende Befriedigung kann uns die Vielzahl der Erlebnisse, auchderKaufundBildschirmerlebnisse,erstdannverschaffen, wennsiesichmitunseremLebensoverknüpfen,dassechteEr fahrungendarauserwachsen[...].Konsumkritikistheutenötig,

9

umsichselbervorderWeltundihrenrasendenWarenströmen inSicherheitzubringenundüberhauptwiederSpaßanEinkäu fen zu haben [...]. Auf der aussichtslosen Suche nach dem an haltendenWarenglückkaufenwirimmermehrinimmerkürze renIntervallen.WobeidiemeistenKäufenichtmehrderLustbe friedigungdienen[...],sondernderStatusvermehrung.“  SodanneinZitatausdemInterviewmitHartmutRosa:  „Wir kaufen alle immer mehr. Es gibt kaum jemand, der nicht zwanghaft konsumiert. Ich auch. Ich kaufe zwanghaft CDs, bei anderen sind es Klamotten, Schuhe, Brillen. Viele Männer, die behaupten,immunzusein,kaufensichständigneueBohrero derSchraubenzieher.[...]Jemehrichmirkaufenkann,jekürzer hältdieBefriedigung[...].Wirmüssenvondem,waswirgekauft haben,enttäuschtwerden.“  HierzudiefolgendenErgänzungendesAutors: In den Schränken der Frau des 1986 vertriebenen, philippinischen Dikta tors Ferdinand Marcos soll man 429 Paar Schuhe gefunden haben. Und: EsgibtdasStörungsbildderKaufsucht,imVolksmundauchKaufrausch genannt.IndiesemZusammenhanghatderAutoreinsteinenMediziner beraten,derImmobiliensammelte,biserpleitewar,dannerstkamerzur Beratung.Oder:Konzernvorstände–ManageralsMillionenSammler,die GehälterdienenalsStatussymbol? HeutewirdwiederdieFragegestellt:SolltemandasGeldverdienenund dasWarenBesitzennichteinfachaufdasbeschränken,wasmanwirk lichausgebenbzw.verwendenundgegebenenfallsbeherrschenkann? Wahrhaftig, das durch Werbeglücksversprechen und die MehrMehr IdeologieunseresWirtschaftssystemsverursachteWohlstandsparadoxist oft mehr Qual als Freude und Glück, und eine Kulturelite von immerhin ca.15MillionenMenschenbeginnt,sichzu„entschleunigen“,vorallemim WarenkonsumundbezüglichraschangekaufterEvents.Dassesauchein Phänomen der „Zwangsentschleunigung“ (Sich ergebend aus Arbeitslo sigkeit, Armut) gibt, sei angemerkt und ist keine angenehme Erschei nung. EvaHellerschriebinihrerArbeitWieWerbungwirktbereits1995: 

10

„Die Anmaßung, die Käufer beliebig manipulieren zu können, versagt auch, wenn es um notwendigen Konsum geht. Was notwendigist,kannabernichtbiologischdefiniertwerden,wie eseineaufNaturgesetzeabzielendeArgumentationsuggeriert. Was notwendig ist, ist durch die gesellschaftliche Entwicklung bestimmt,unddersozialeRadiusdesEinzelnenbestimmtseine individuelleAnpassungandieseEntwicklung.–Umimbiologi schen Sinn zu überleben, braucht der Mensch kein Auto und kein Radio, aber um den Anforderungen der Gesellschaft ge recht zu werden, brauchen viele ein Auto und fast alle ein Ra dio.“  Und 2008 wird in dem Buch von Benjamin Barber Consumed. Wie der Markt Kinder verführt, Erwachsene infantilisiert und die Demokratie unter gräbt sinngemäßausgeführt,dassdurcheineentfesselteGüterwirtschaft die Menschen zur Befriedigung „künstlicher Bedürfnisse“ gebracht wer den, dass, angetrieben durch eine gigantische Werbeindustrie die Verbraucher/innenwieKinderdenSeifenblasendesShoppingGlückshin terherlaufenunddasssicheinneuer„Naturzustand“breitmache,indem „GewaltundBetrugdieKardinaltugendensind“. UnsereFragestellungistalsoernst: Kreuzt sich Werbung mit unserem Leben im Sinne einer nur zufälligen, verschieden gerichteten Bewegung (so wie sich Straßen kreuzen) oder kreuztsichWirtschaftswerbungmitunseremLebenbereitsimSinnevon „sich paaren, Lifestyle kreieren (vgl. Barbara Hölscher Lebensstile durch Werbung1998),ineinersymbiotischenVerflechtungsein“(immetaphori schenSinne),unddiesnichtnurmitglücklichen,sondernauchmitfatalen Folgen?Ichmeine,inguterGesellschaftmitanderenAutoren,dasLetzte re ist bereits der Fall: Wir können ohne Wirtschaftswerbung gar nicht mehrleben(sieohneunssowiesonicht),Wirtschaftswerbungisteinges taltenderundmissgestaltenderBestandteilunserespersönlichenwiege sellschaftlichenLebensgeworden,inmanchem einSegenundeinFluch. DazudiefolgendenzwölfThesen: 1.WirtschaftswerbungbestimmtunserLebenundunsereLebensent scheidungen. HeutefallenoftwichtigeLebensentscheidungen,jawerdenLebenspläne mithilfe von Werbung gemacht. Werbung bietet uns Selbstdefinitionen an,nenntunsdieLebensziele,nachdenenwirstrebensollen(„MeinHaus. Mein Auto. Mein Boot.“, Sparkassenwerbung), wichtige Dinge und

11