kommt wieder zu Ehren

24.03.2012 - mit Tarot und Wahrsagerei zu tun? Es gibt einen esoterischen Kontext, der beim Cego freilich keine Rolle spielt. Rückwärts gelesen leitet sich ...
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SÜDKURIER NR. 71 | TG SAMSTAG, 24. MÄRZ 2012

Cego kommt wieder zu Ehren ➤ Altes badisches Kartenspiel erlebt Wiedergeburt ➤ Junge begeistern sich für Stieß, Pagat und Babberle ➤ Schwarzwald-Meisterschaft steht vor dem großem Finale VON CHRISTINA NACK

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Piek (Schippe)

Herz

Nicht nur der Anblick ist kurios, auch die Geräuschkulisse. Gut ein Dutzend Männer und Frauen sitzen wie an jedem Dienstabend in Dreier- und Vierergrüppchen im DJK-Vereinsheim in Donaueschingen-Allmendshofen, klopfen lautstark seltsame Karten auf die Tische und kommentieren einander in einem Vokabular, das an eine Geheimsprache erinnert. Sie spielen Cego, das badische Nationalspiel, das von Skat und elektronischen Unterhaltungsmedien ins Abseits gedrängt worden war und jetzt einen ungeahnten Höhenflug erlebt. Das ist das Verdienst von Cego-Enthusiasten wie Rolf Erbert, Lothar Neugart und Josef Sieber aus VS-Pfaffenweiler, die vor elf Jahren die CegoSchwarzwaldmeisterschaft ins Leben gerufen haben. Dem Turnier am morgigen Sonntag in Unterbränd fiebern rund 100 Cego-Verrückte entgegen, zum großen Finale Anfang April werden rund 150 Spieler in der Freiburger Ganter-Brauerei erwartet, die seit einem Jahr Hauptsponsor der Cego-Bewegung ist. Nach Abschluss der Saison werden rund 800 Spieler bei den fünf Einzelturnieren mit „Stieß“, „Pagat“, „Babberle“ und Co. getrumpft haben. Das Männer-Trio aus Pfaffenweiler hat das traditionsreiche Spiel von Vätern und Großvätern gelernt, bedauerte dessen geringe Popularität und initiierte nebst Turnieren auch Spielanleitungskurse etwa unter dem Dach der Volkshochschule. Problematisch bei

Zur Person Professor Gerold Blümle hat in Freiburg Mathematik, Physik und Chemie studiert und Erfahrungen im Schuldienst gesammelt, bevor er sich zu einem Zweitstudium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Basel entschloss. Dort promovierte er und habilitierte sich, bevor er einem Ruf an die Universität Freiburg folgte und einen Lehrstuhl für Mathematik übernahm. Insbesondere seit seiner Emeritierung erforschte er die Geschichte des Cego-Spiels und publizierte die heute am meisten verbreitete Spiel-Anleitung. Diese wurde unter anderem notwendig, nachdem sich in verschiedenen Orten unterschiedliche Spielweisen herausgebildet hatten.

Spielen mit Cego-Fans aus dem Simonswälder Tal oder dem Hochschwarzwald war bisher, dass unterschiedliche Kartenblätter kursierten und auch die Regeln nicht einheitlich waren. „Es haben sich überall lokale Eigenheiten herausgebildet, über die wir uns am Turniertisch verständigen mussten“, sagt Rolf Erbert, der die Resultate nach jeder Runde übersichtlich im Laptop notiert. Mit dem Karten- und Regel-Chaos ist’s seit einem Jahr vorbei, denn die Brauerei Ganter hat sich in Gestalt von Albrecht Ganter zum Cego-Mäzenatentum entschlossen und die ersten neuen Spielkarten nach 20 Jahren samt einheitlichem Regelwerk herausgebracht. Das stammt von Professor Gerold Blümle, Cego-Papst mit Mandat im Aufsichtsrat von Ganter, der den Brauerei-Chef heiß gemacht hat. Längst ist der selbst leidenschaftlicher Spieler und freut sich über neue Stammtische, die im badischen Bier- und Cego-Imperium wie die Pilze aus dem Boden schießen. Den werblichen Nebeneffekt von Einführungsabenden und Geburtshilfe für neue Cego-Runden leugnet Albrecht Ganter nicht und versichert zugleich: „Es ist ein tolles Spiel, das mehr Bekanntheit verdient hat.“ Als „gesellige Alternative zum Fernsehen“ werde es zunehmend auch von Studenten entdeckt: „Es verbindet Generationen.“ Das Spiel besteht aus 54 Karten, jeder Spieler erhält elf, der Rest liegt verdeckt als „Blinder“ in der Mitte (daher auch der Name: das spanische „ciego“ bedeutet „blind“). „Tarocks“ heißen die 22

Trümpfe, zudem gibt es je vier Könige, Damen, Reiter und Buben und je vier „leere Karten“ in den vier Spielfarben. Verwirrenderweise sticht bei den schwarzen Farben (Pik, Kreuz) die höhere Karte, während es bei rotem Herz und Karo genau umgekehrt ist. Beim Cego spielt jeder gegen jeden oder drei gegen einen, Ziel sind nicht immer, möglichst viele Punkte. Beim „Räuber“ geht’s um möglichst wenige, wer einen „Bettel“ meldet, darf keinen einzigen Stich machen. Wer auf diese Ansage mit einem „Piccolo“ reagiert, behauptet genau einen Stich machen zu wollen, kein Stich oder mehr als einer bedeuten die Niederlage. Mit dem Ziel ändert sich natürlich auch die Strategie, was das Spiel so spannend macht, findet der Mundelfinger Franz Trenkle. Er ist zweifacher Schwarzwaldmeister, was er auf Erfahrung und sein „Pokerface“ zurückführt. „Du hast nur Glück mit den Karten“, frozzelt Lucie Schürmann aus Dittishausen – temperamentvolle Neckereien und nicht ernst gemeinte Wutanfälle gehören zum Spiel. Ihr gefällt das „mit-

B ILD MONTA GE : WE NK

einander im Gegeneinander“ und auch Wolfgang Förderer liebt den „unkomplizierten und vergnüglichen Wettstreit“. Er ist Regionaleiter der Raiffeisen-Zentralgenossenschaft (ZG) in Donaueschingen, die in Aasen ein eigenes Turnier ausrichtet und nicht mit attraktiven Preisen geizt. Bei den wöchentlichen Cego-Abenden wird um Geld gespielt, aber die Einsätze sind niedrig, mehr als ein paar Euro kann man nicht verlieren. Bei den drei Cego-Freunden in Pfaffenweiler geht’s um höhere Beträge. Sie spielen allerdings in eine gemeinsame Kasse, von der sie sich einmal im Jahr einen Urlaub gönnen. Zuletzt waren sie in der Türkei – natürlich mit einem Cego-Spiel im Gepäck.

Karo

Das Turnier am Sonntag, 25. März, richtet die Feuerwehr Unterbränd im Gemeindehaus aus (Beginn 14 Uhr). Das Finale der Schwarzwaldmeisterschaft 2012 am Donnerstag, 5. April, in der Freiburger Brauerei Ganter beginnt um 19.30 Uhr. Informationen im Internet: www. facebook.com/cegospiel www.fc-pfaffenweiler.de Kreuz

Sie trumpfen mit Stieß, Mond und Babberle: Wolfgang Förderer, Lucie Schürmann, Alberecht Ganter, Rolf Erbert und Franz Trenkle (von links) sind eingeschworene Cego-Fans. B ILD : NACK

„Eine neue Sehnsucht nach Heimat und nach Verwurzelung“ Gerold Blümle über seine Cego-Leidenschaft, die ihn seit Jugend an begleitet Wie lernten Sie Cego kennen? Ich bin auf dem Dorf groß geworden. Gegenüber von unserem Haus war eine Wirtschaft, in der eifrig Cego gespielt wurde. Ich schaute als Bub zu und war von den Karten mit den Tierfiguren fasziniert. Darum wollte ich früher Zoodirektor oder Tierarzt werden.

Wann begannen Sie, Cego zu spielen? Anfang der 1970er Jahre. Ich war in Freiburg in einer Studentenverbindung, der ein Haus in Hinterzarten gehört. Der dortige Hausverwalter war ein leidenschaftlicher Cego-Spieler und hat es uns beigebracht.

Seither spielen Sie regelmäßig? Na klar! Früher habe ich meine Assistenten an der Uni angelernt, jetzt spiele ich im Schwarzwaldverein bei uns in Schopfheim.

Auffälligerweise wird Cego nur in Baden gespielt, warum? Vermutlich haben badische Soldaten, die Anfang des 19. Jahrhunderts mit Napoleon in den Spanienfeldzug ziehen mussten, das Spiel entwickelt. Sie nahmen zum Zeitvertreib in Gefechtspausen die Tarock-Karten mit, die von Österreich in vorderösterreichische Gebiete und also ins Badische gelangt waren. In Spanien lernten sie ein Spiel kennen, für das sich die Tarock-Karten ebenfalls eigneten. Elemente beider Spiele wurde vermischt, eigene Ideen hinzugefügt, so entstand allmählich ein neues Spiel.

Wie verbreitete sich das? Zunächst über badische Militärs, dann über das Beamtentum und zweifellos auch über die Geistlichen der Erzdiözese Freiburg, deren Grenzen bis heute annähernd identisch mit denen des Verbreitungsgebiets von Cego sind. Auch Heimatdichter wie Heinrich

Hansjakob haben zur Popularität von Cego beigetragen.

Die ebbte aber irgendwann ab … Ja, es war wie mit so vielem, dem das Fernsehen zur Konkurrenz wurde. Das Spiel geriet aus der Mode.

Und warum erlebt es jetzt eine Renaissance? Kann man von einem Boom sprechen? Unbedingt, Cego erfreut sich wachsender Beliebtheit auch bei der jüngeren Generation. Überall entstehen neue Stammtische und Spielervereinigungen. Ich denke, das liegt an einer neuen Sehnsucht nach Heimat und nach Verwurzelung, die die Menschen in diesen Zeiten der Globalisierung, Anonymität und Orientierungslosigkeit empfinden. Es gibt wieder ein Bedürfnis, sich lokal zu verankern.

Haben die Tarock-Karten etwas mit Tarot und Wahrsagerei zu tun?

Es gibt einen esoterischen Kontext, der beim Cego freilich keine Rolle spielt. Rückwärts gelesen leitet sich „Tarot“ vom hebräischen „Tora“ ab. Die Karten beziehen sich auf die jüdische Zahlenlehre Kabbala, in der beispielsweise die Zahl 21 „Le monde“, also „Die Welt“, bedeutet. In fehlerhafter Deutung wurde im Cego daraus der „Schwarzwälder Mond“ und ein Mond auf die Karte gedruckt.

Was macht die Magie des Spiels aus? Es ist originell, unterhaltsam, du kannst es zu dritt oder zu viert spielen, mancherorts gibt es auch eine Variante für fünf. Es ermöglicht viele verschiedene Strategien, vor allem ist es locker. Du lernst deine Mitspieler kennen, ihre Eigenheiten, Stärken und Schwächen, aber auf einer völlig entspannten Ebene. Spielerisch eben. FRAGEN: CHRISTINA NACK