keiner

Sonderdruck: Mini-Buch ohne ISBN. AAVAA Verlag, Hohen Neuendorf, bei Berlin ... ten, Stellungbeziehen. Jeder Berichtende ... 10 gen her? Nichts war verdorben, das konnte nicht sein. Sie krochen aus allen Ecken. Immer noch. Immer neue. Immer mehr. Ekelhaft. Und wenn es still war, hörte ich es surren. Tatsächlich: das ...
369KB Größe 5 Downloads 363 Ansichten
Marco Hoffmann

KEINER Roman

2

© 2014 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2014 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Coverbild: Jürgen Hoffmann / Marco Hoffmann Printed in Germany

AAVAA print+design Taschenbuch: Großdruck: eBook epub: eBook PDF: Sonderdruck:

ISBN 978-3-8459-1363-6 ISBN 978-3-8459-1364-3 ISBN 978-3-8459-1365-0 ISBN 978-3-8459-1366-7 Mini-Buch ohne ISBN

AAVAA Verlag, Hohen Neuendorf, bei Berlin www.aavaa-verlag.com eBooks sind nicht übertragbar! Es verstößt gegen das Urheberrecht, dieses Werk weiterzuverkaufen oder zu verschenken! Alle Personen und Namen innerhalb dieses eBooks sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

3

Vorwort Ein Bericht ist nicht einfach ein Bericht. Ein Bericht ist immer auch ein Auswählen, Werten, Stellungbeziehen. Jeder Berichtende nimmt eine Haltung ein, formuliert einen Standpunkt. Und um diesen hat mein Vater Carl Keiner über Jahrzehnte gerungen. Ich denke, seine Haltung zu dem, was er berichtete, änderte sich fortwährend. Seine Notizen und Kladden bilden die Basis zu diesem autobiografischen Buch, das meine erste und meine letzte schriftstellerische Tätigkeit sein wird. Vielleicht ändere ich meine Meinung eines Tages, wenn die Umstände es so wollen, aber Stand jetzt gehe ich davon aus, dass es keine weiteren Veröffentlichungen von Beatrice Keiner geben wird. Sofern dieses Werk überhaupt das Licht der Welt erblicken wird. Ich habe mit dieser Geschichte Seiten in mir offen gelegt, die ich nicht wieder schließen kann. Ausschlaggebend waren die Notizhefte und 4

Erinnerungen, die ich im Nachlass meines Vaters fand und die ich irgendwie verarbeiten musste. Also erzählte ich die Geschichte meiner Familie und deren Taten nach, tippte sie in meinen Laptop. Warum ich die Mühe auf mich nehme? Ich muss es tun. Um etwas abzuschließen. Ich stelle dies alles unter die Überschrift „Keiner“, weil diese leider wahre Geschichte von mir und meiner Familie handelt. Veröffentlicht wird sie nur, falls jemand diese Datei auf meinem Computer entdeckt. Sollte dies der Fall sein, ist mit mir vermutlich etwas passiert und es sind viele Jahre seit dem Schreiben dieser Worte vergangen. Aber wer weiß, was das Leben für Überraschungen parat hält? Eine Bemerkung zum Schluss: Natürlich konnte ich dieses Werk keinem Lektor zum Lesen geben. Meine Situation ließ es nicht zu. Kleine Fehler bitte ich deshalb zu entschuldigen. 5

Beatrice Keiner Theodor Adorno: Es gibt kein richtiges Leben im Falschen.

6

Prolog

Warum bin ich wie ich bin? Und weshalb werde ich so oft missverstanden und fehlgedeutet? Ich bin meines Vaters Tochter und ich fühle mich schuldig. Dabei hätte ich nichts ändern können, selbst wenn ich etwas geahnt hätte. Ich war noch viel zu klein. Es war bereits vor Monaten der Ratschlag einer Freundin, die als Therapeutin arbeitet, alles aufzuschreiben, was mich beschäftigt. Es ist genau der gleiche Weg, den mein Vater gegangen ist. Auch er schrieb auf, was ihn beschäftigt hat und was er erlebte und getan hat. Ich nehme an, dass es ihm half, schließlich hat er mehrere Notizhefte (man könnte sie auch Tagebücher nennen) mit seinen Erinnerungen gefüllt. Ich hatte gehofft, dass das, was ich dort las, nicht wahr ist, doch mittlerweile habe ich die Realität akzeptiert. Eine Folge war, 7

dass ich mein Leben ändern wollte. Ich habe die Probleme, die mich jahrelang begleiteten, gelöst. Als Abschluss möchte ich nun alles aufschreiben, damit es erzählt ist. Ich schreibe diese Worte wenige Tage nach einem wirklich ekelhaften Erlebnis. Da ich Fatalistin bin, glaube ich, dass alles so kommt, wie es kommen muss. Was wirklich unheimlich wäre.

8

Kapitel 1

1. Es war ein ganz normaler Morgen nach einer ganz normalen Nacht. Ich war alleine, stand auf und ging in die Küche. Aus den Augenwinkeln sah ich schwarze Flecken an meinem Küchenfenster. Und sie bewegten sich! Ich machte die Augen nun tatsächlich auf und sah eine große Anzahl dicker Fliegen, was mich ebenso anekelte wie verwirrte. Es konnte nicht sein … Ich holte eine Fliegenklatsche. Auch in der Wohnzimmergardine sah ich Fliegen sitzen. Ich schlug sie tot, ebenso die am Küchenfenster, holte einen Staubsauger und saugte alle weg. Eigentlich ging es so einfach wie schnell, aber es waren schon wieder neue da. Auch sie tötete ich und ging anschließend auf die Toilette, total schockiert. Etwas später stand ich in meiner Küche, vermutlich leichenblass. Wo kamen all die Flie9

gen her? Nichts war verdorben, das konnte nicht sein. Sie krochen aus allen Ecken. Immer noch. Immer neue. Immer mehr. Ekelhaft. Und wenn es still war, hörte ich es surren. Tatsächlich: das Geräusch kam von hinter den Fußleisten, ich war mir sicher. Horrorvorstellungen von Millionen von Insekten, die dort kreuchten, kamen vor mein inneres Auge. Ich ging aus der Küche, schloss die Tür, atmete tief und hätte heulen können wegen dieses Albtraumes. Aber ich musste etwas unternehmen. Ich rief den Hausmeister. Er kam nach einigen Minuten und wusste gar nicht, wovon ich redete, als ich mein Problem schilderte. Wir lösten die Fußleisten. Tatsächlich: Fliegen und Larven. Und zwar unendlich viele. Sie landeten im Staubsauger. Wo kamen sie her, warum haben sie sich dort ausgebreitet? Der Staubsaugerinhalt landete sofort draußen im Müll. Der Hausmeister ging. Er prophezeite, dass das Problem gelöst sei. 10

Von nun an öffnete ich die Küchentür alle paar Minuten mit einem Schaudern. Zumal, wenn ich wieder Fliegen sah. Und ich sah sie. Sie waren immer noch da. Ich rief abermals den Hausmeister. Er kam mit seiner Frau, die mir beistand. Wir schauten wieder. Eine kleine Fußbodenleiste war dort noch, unter der Heizung. Wir lösten sie. Auch hinter ihr: Fliegen. Fliegen und Larven, die wie kleine Mäuseködel aussahen. Mein Teppich wurde rausgerissen, die kalten Fliesen waren dreckig von den Vormietern. Immer wieder kroch die eine oder andere Fliege über die Fliesen. Manche sah ich regelrecht zum Leben erwachen. Alle Öffnungen in der Küche wurden geschlossen und versiegelt, unter anderem ein alter Ventilator, der nach Außenarbeiten der Grund des Ärgers gewesen sein dürfte. Aber: waren die Fliegen auch hinter der Küchenzeile? Auch dort gab es eine Teppichleiste. Sie konnten sich dort ausgebreitet haben. Wir konnten aber unmöglich meine ganze Küche herausreißen. 11

Es war ein schrecklicher Tag. Ich kam nicht zur Ruhe. Ich hatte Angst meine Küche zu betreten, hatte aber auch Angst im Wohnzimmer zu sitzen, denn auch dort hatte ich Fliegen töten müssen. Die Anzahl pro Stunde verringerte sich, aber es erwachten immer wieder welche zum Leben. So auch am Folgetag. Ich war einige Stunden unterwegs, wollte meine Schwester besuchen. So war der Plan. Sie öffnete natürlich die Tür nicht. Später versprühte ich mehr als eine halbe Dose Insektenspray in meiner Küche, unter jede Öffnung, hinter jedes Loch. Ich nahm das stärkste, das ich bekommen konnte. Und tatsächlich: keine Fliegen an mehreren Tagen. Aber ein Trauma. Selbst das Surren des Kühlschranks unter meinen nackten Füßen erschreckte mich. Ich werde ausziehen. Es war ohnehin mein Plan. Die Fliegen haben mir nun auch die letzten Zweifel genommen.

12

2. Ich glaube nicht an Übersinnliches. Wenn überhaupt bin ich wie erwähnt eine Fatalistin. Ich sage mir, dass alles gut werden wird. Und dabei weiß ich doch ganz genau, dass das nicht so ist, beziehungsweise in meinem Leben nicht so war. Aber die Entscheidungen sind getroffen und unumkehrbar. Das Leben geht in die nächste Runde. Geahnt habe ich immer, dass in meiner Welt nicht alles so ist, wie es sein müsste. Ich wusste auch, dass in meiner Familie etwas nicht stimmt. Aber wie unvorstellbar alles ist, das konnte ich nicht ahnen. Als ich vor ungefähr einem Monat die Tagebücher meines Vaters nach seinem Tod in den Händen hielt und las, da begann ich zu ahnen, dass mein Leben hätte anders verlaufen müssen. Ich muss Passagen aus den Tagebüchern in diesen Bericht übernehmen, denn nur so kann ich erklären, welch unfassbare Geschehnisse meine Familie zerstörten. Die Passagen aus den Berichten meines Vaters Carl Keiner sind auf den fol13

genden Seiten kursiv gekennzeichnet. Ich habe sie an einigen Stellen korrigiert, wenn meinem Vater, der alles in seiner nicht sonderlich schönen Handschrift auf das Papier gebracht hat, ein Fehler unterlaufen ist, in Rechtschreibung oder Grammatik. Die ersten Bücher stammen aus den 90ern. Damals gab es die Rechtschreibreform noch nicht. Während ich die mir wichtigen Passagen abtippte, habe ich automatisch aus einem daß mit ß ein dass mit ss gemacht. Und Ähnliches. Manchmal unterbreche ich die Berichte meines Vaters, ergänze durch meine eigenen Erinnerungen oder die meiner Schwester Linda.

14

Kapitel 2

Alles Kursive auf den folgenden Seiten ist übernommen aus den Tagebüchern, Berichten und Erinnerungen von Carl Keiner, meinem Vater. Ich habe versucht chronologisch vorzugehen, aber auf späteren Seiten gibt es einige Passagen, die ich umgestellt habe. 1. Eigentlich müsste ich dieses Tagebuch mit einem Satz wie: >>Geboren wurde ich in einer stürmischen Novembernacht, als der Uranus in einer seltenen Konstellation zum Saturn und zum Mars stand; es herrschte Vollmond