Keine Schlampe

Coverbild: Stella d´Alberti. Printed in Germany. AAVAA Verlag. Taschenbuch: ISBN 978-3-8459-1699-6. Großdruck: ISBN 978-3-8459-1700-9. eBook epub:.
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Stella d´Alberti

Keine Schlampe Roman

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© 2015 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2015 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Coverbild: Stella d´Alberti Printed in Germany

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ISBN 978-3-8459-1699-6 ISBN 978-3-8459-1700-9 ISBN 978-3-8459-1701-6 ISBN 978-3-8459-1702-3 Mini-Buch ohne ISBN

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Kapitel 1

„Wie Romy Schneider in ihren besten Jahren‚, hatte neulich mal jemand über ihr Äußeres gesagt. Carolin Wagner stand nachdenklich vor dem Spiegel und sinnierte halblaut. In den besten Jahren? Was sollte denn das bitte sein? Wann waren denn die besten Jahre? Hing das nicht davon ab, was man vom Leben erwartete? Oder was die Lebensumstände zu bieten hatten? Für ein Topmodel waren sicher die Jahre die besten, in denen es jung und knackig war und infolgedessen gut gebucht wurde. Obwohl: Konnte man wirklich von besten Jahren sprechen, wenn es einem in dieser Zeit gerade einmal gestattet war, pro Tag vielleicht zwei bis drei mit fettarmem Dressing garnierte Salatblätter zu sich zu nehmen, allerdings nur unter der Voraussetzung, das Ganze dann mit anstrengendstem Workout zu kompensieren 4

oder wahlweise den Finger in den Hals zu stecken? Wohl kaum. Romys beste Jahre waren zumindest nicht die gewesen, als sie noch blutjung und äußerst knackig ihre größten Erfolge in Deutschland feierte. Es war inzwischen allgemein bekannt, dass sie es später nur schwer ertrug, immer wieder auf die süße Sissi reduziert zu werden und dieses kitschig-hohle Image eigentlich nur hasste. Eine ganz große und überaus charismatische Schauspielerin, ein wirklicher Star wurde sie erst während ihrer Zeit in Frankreich. Doch waren das dann ihre besten Jahre? Die Frau wurde gerade mal 43 Jahre alt, und bis dahin war ihr Privatleben überschattet von Tragödien. „Also ich möchte ganz sicher nicht an gebrochenem Herzen sterben‚, murmelte Carolin vor sich hin. Schlagzeilen dieser Art hatte es reichlich anlässlich Romy Schneiders Tod gegeben. Sie 5

wurden ihrem zuletzt tragischen Dasein damals aber auch eher gerecht als „Todesursache: Herzversagen‚. Doch ganz offensichtlich hatte der Jemand, der Carolin mit seiner Bemerkung vermutlich nur ein Kompliment und eine Freude hatte machen wollen, nicht so intensiv über seinen Vergleich nachgedacht, sondern ausschließlich eine gewisse Ähnlichkeit in der äußeren Erscheinung gemeint. Damit hatte er dann zweifellos auf Romys reifere Jahre angespielt, in denen ihre Gesichtszüge zwar oft immer noch mädchenhaft und fragil wirkten, gleichzeitig aber etwas sehr Geheimnisvolles ausstrahlten. Einen solchen Vergleich ließ man sich dann doch gerne gefallen, zumal sich Regisseur Claude Sautet einmal zu der Bemerkung hatte hinreißen lassen, Romy verkörpere im Gegensatz zu anderen Diven ihrer oder vergangener Zeit nicht einen bestimmten Frauentyp, sondern sei die „Synthese aller Frauen‚. 6

Hier stand sie also nun, nicht Romy Schneider, sondern Carolin Wagner, und blickte in den antiken Messingspiegel über der Schlafzimmerkommode. Das Gesicht einer schönen Frau blickte ihr entgegen. Leuchtende, eisblaue Augen, eine aristokratische Nase und ein schön geschwungener Mund stellten mit leicht hervorgehobenen Wangenknochen eine perfekte Einheit dar. Doch etwas störte die Harmonie ihrer feinen Gesichtszüge im Augenblick empfindlich: Da teilte eine steile Zornesfalte den Bereich ihrer Stirn oberhalb besagter aristokratischer Nase in zwei fast symmetrische Hälften. „Entspann dich, Carolin‚, murmelte sie in den Spiegel. „Er ist es echt nicht wert, dass du jetzt schon über Botox nachdenkst.‚ Ihr strenger Gesichtsausdruck milderte sich ein wenig, zurück blieb eine zarte, kaum sichtbare Linie. Carolin zog sie mit Daumen und Zeigefinger glatt und klopfte dann mit ein wenig sündhaft teurer Anti-Aging-Creme auf der Stelle herum. 7

„Das muss für's Erste genügen.‚ Sie bürstete noch schnell ihr kastanienbraunes, schulterlanges Haar, streckte sich dann selbst die Zunge heraus und drehte sich um. Ihr Schlafzimmer war in jedem Detail bis in den kleinsten Winkel perfekt gestaltet und beherbergte ausschließlich edelste Designermöbel. Vor ein paar Jahren hatten sie das Haus von Grund auf renoviert und alle Zimmer komplett neu eingerichtet. „Wir brauchen jetzt etwas ganz Exklusives. Der alte Kram passt überhaupt nicht zu meiner Position. Ist ja peinlich, wenn man Leute in diesen Hartz IV-Möbeln empfängt.‚ Dieser Satz hallte immer noch in ihren Ohren. Die „Hartz IV-Möbel‚ hatten sie zu Beginn ihrer Ehe gemeinsam gekauft. Jetzt standen sie im Keller und erinnerten Carolin an bessere Zeiten, als es noch nicht notwendig gewesen war, einen Innenarchitekten mit der Ge8

staltung ihres Zuhauses, damals noch eine Dreizimmer-Wohnung, zu betrauen. Abgesehen davon hielten sich Anlässe, zu denen sie Gäste empfingen, in sehr überschaubaren Grenzen. „Gemütlich und gleichzeitig sehr edel‚ hatte der Berater nach Beendigung seines Werkes über das Schlafzimmer geschwärmt. „Hier werden Träume wahr!‚ „Albträume vielleicht‚, knurrte Carolin jetzt und verließ den Ort der Tristesse, wie sie das eheliche Schlafzimmer insgeheim seit längerem bezeichnete. Auch im unteren Stockwerk war rein optisch alles perfekt: das Wohnzimmer stil- und geschmackvoll, die Küche individuell und multifunktional. „Wie in Schöner Wohnen sieht es bei dir aus‚, neckte ihre beste Freundin Marie sie gerne und wie zur Bestätigung waren im Flur die Worte „Home, sweet home!‚ in kunstvoll gestalteten Lettern zu lesen. 9

„Scheiße‚, dachte Carolin, „war ich wirklich so geistig umnachtet, das aufzuhängen?‚ Diese blöde Floskel musste ihr bei Gelegenheit mal jemand erklären. Was sollte da süß sein an diesem Home? Nichts als ein goldener Käfig war die für ihren Geschmack deutlich zu protzige Villa inzwischen. Und sie mittendrin, auch an diesem Tag wieder in einer Endloswarteschleife, weil er es natürlich wieder einmal nicht für notwendig erachtete, anzurufen oder wenigstens eine Nachricht zu schicken, dass es später werden würde. Er, das war Markus Wagner, ihr Angetrauter und Vater ihrer drei halbwüchsigen Töchter Isa, Hanna und Lara. Geheiratet hatten Carolin und Markus aus Liebe. So hatte sie zumindest lange Zeit gedacht. Na gut, vielleicht hätten sie nicht sofort geheiratet, wenn Lara nicht bereits unterwegs gewesen wäre. Aber immerhin hatten sie sich gut verstanden damals. Er war ein junger, aufstrebender Angestellter, der seine Zeit sowohl im Büro als auch zu 10

Hause überwiegend am Computer verbrachte. Carolin hatte ihm gerne und immer den Rücken frei gehalten. Sie hatte klaglos und voller Überzeugung das gemanagt, was im TVWerbespot gerne als „kleines, aber erfolgreiches Familienunternehmen‚ bezeichnet wurde. Markus hatte es ihr auch oft auf entzückende Weise gedankt. Damals. Carolin seufzte. War der unangenehm selbstverliebte Mann tatsächlich derselbe, der früher zu ihrem Geburtstag immer ihren Platz am Esstisch – am Hartz IV-Esstisch - mit Gänseblümchen dekoriert hatte? Derselbe, der mit den Mädchen im Garten das tollste Zelt gebaut und mit ihnen darin gezeltet hatte? Derselbe, der ihnen in Rekordzeit das Schwimmen beigebracht hatte? Das alles war allerdings gewesen, bevor er den Job gewechselt hatte. Seitdem schien alles anders geworden zu sein. Er hatte begonnen, sich auf allen Ebenen mit Kollegen zu messen und größten Wert darauf gelegt, bestmöglich 11

im Vergleich abzuschneiden. Hatte Carolin sein recht ausgeprägtes Geltungsbedürfnis lange Zeit noch als liebenswerten Spleen abgetan, stieß es ihr nach seinem Jobwechsel zunehmend unangenehm auf. Je älter und selbstständiger die Mädchen wurden, desto größer wurde daher auch ihr Wunsch, selbst wieder zu arbeiten. Markus jedoch, der zwischenzeitlich in dem neuen Unternehmen eine ansehnliche Karriere gemacht hatte und sich daher gerne „SelfmadeManager‚ nannte (was in ihren Ohren ebenso aufgeblasen wie unsinnig klang), war nicht davon zu überzeugen, dass Carolin durchaus auch selbst wieder arbeiten könnte. „Das haben wir doch gar nicht nötig‚, war der Standardspruch, mit dem er jeden ihrer Vorstöße gleich abbügelte und ihren Wunsch nach Selbstverwirklichung schlicht ignorierte. Irgendwann begann Carolin die Enge ihres goldenen Käfigs zu hassen. Gleichzeitig war sie dankbar für jede Stunde, die er ihr nicht mit seiner Anwesenheit vergällte. Während 12

Markus sich nämlich in seinem Job von einem anfangs eher wortkargen und fast schon linkischen Auftragserfüller zu einem offensichtlich dynamischen, eloquenten Macher entwickelt hatte, gab er zu Hause inzwischen nur noch den ewigen Nörgler und selbstgerechten Querulanten. Scheinbar hatte er völlig verdrängt, dass sein Aufstieg in dem neuen Unternehmen nicht zuletzt der Tatsache geschuldet war, dass man dank seiner klugen und charmanten Frau überhaupt erst in der Chefetage auf ihn und sein fundiertes Fachwissen aufmerksam geworden war. Ihrer kommunikativen Kompetenz und einem glücklichen Zufall war es in erster Linie zu verdanken, dass er in der Hierarchie so schnell aufgestiegen war. Das sah er natürlich in keiner Weise so. Ihm war sein beruflicher Erfolg regelrecht zu Kopf gestiegen. So war er inzwischen der Ansicht, dass sie doch recht froh sein könne, von seinem Geld ihr Tennis, ihren Friseur, das Nagelstudio, die Kosmetik und zusätzlich noch 13

die Fremdsprachenkurse, die sie seit geraumer Zeit belegte, bezahlen zu können. Das sollte doch nun wirklich Selbstverwirklichung genug sein. Eine Zeitlang hatte sich Carolin aus einer Mischung von Frust und Langeweile heraus den Luxus einer Affäre geleistet. Dem anfänglichen Prickeln und Herzklopfen waren aber sehr bald auch wieder die innere Leere und die ernüchternde Einsicht gefolgt, dass sie eine denkbar schlechte Besetzung für die Rolle der wartenden Geliebten war. Als sich der Mann schließlich doch recht unerwartet von seiner Frau getrennt hatte, war es zu spät für sie beide gewesen. Manchmal fragte sie sich heute, ob sie besser mit Jürgen durchgebrannt wäre. Aber sie wusste, dass sie dazu nicht in der Lage gewesen wäre. Damals nicht. Draußen hörte sie Autoreifen auf der mit Rosenbüschen gesäumten Kieseinfahrt knir14

schen. Das satte Motorengeräusch seines Sportwagens war unverkennbar. Carolin seufzte und beschloss, wie so oft gute Miene zu bösem Spiel zu machen. Lächelnd öffnete sie ihm die Tür. „Da bist du ja. Wie war dein Tag?‚ „Stress, wie immer.‚ Markus hatte offenbar nicht vor, sich lange mit Small Talk aufzuhalten. „Was gibt’s zu essen?‚ „Die Mädchen essen heute bei ihren Freundinnen. Ich habe deshalb für uns beide dein Leibgericht vorbereitet: Rinderfilet mit Penne in Cognac-Rahmsauce.‚ Carolin lächelte immer noch und entkorkte eine Flasche Rotwein. Markus verzog angewidert das Gesicht. „Schon wieder dieses schwere, fettige Zeug. Geht denn eigentlich jeder Trend an dir vorbei? Wer kocht denn heute noch mit Sahne? Mein Cholesterinwert ist ohnehin beschissen von den vielen Geschäftsessen. Musst du da auch noch zu Hause meine Gesundheit ruinieren? Man könnte doch meinen, du wüsstest aus den ganzen Blättchen, die du beim 15