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r schaut seine schlafende Frau an. Die Freude, die er bei ihrem Anblick spürt, vermag er nicht in Worte zu fassen. Vor einer Stunde hat sie seinen Sohn geboren ...
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Rita Maffini Triplum Drei Leben, ein Weg. Roman

Alter schützt vor Schreiben nicht. Für Jens und Remo. Ihre Skepsis war mein Ansporn.

Inhalt PROLOG ............................................................................ 6 TEIL 1 ............................................................................... 8 2011 ................................................................................ 8 Kapitel 1 ....................................................................... 9 Kapitel 2 ..................................................................... 12 Kapitel 3 ..................................................................... 17 Kapitel 4 ..................................................................... 40 Kapitel 5 ..................................................................... 42 Kapitel 6 ..................................................................... 86 Kapitel 7 ................................................................... 100 Kapitel 8 ................................................................... 107 Kapitel 9 ................................................................... 111 Kapitel 10 ................................................................. 122 Kapitel 11 ................................................................. 129 Kapitel 12 ................................................................. 135 Kapitel 13 ................................................................. 140 Kapitel 14 ................................................................. 142 Kapitel 15 ................................................................. 157 Kapitel 16 ................................................................. 167 Kapitel 17 ................................................................. 191 Kapitel 18 ................................................................. 197 TEIL 2 ........................................................................... 202 2012 ............................................................................ 202 Kapitel 1 ................................................................... 203 Kapitel 2 ................................................................... 211 Kapitel 3 ................................................................... 229 Kapitel 4 ................................................................... 231 Kapitel 5 ................................................................... 238 Kapitel 6 ................................................................... 245 Kapitel 7 ................................................................... 248

Kapitel 8 ................................................................... 253 Kapitel 9 ................................................................... 255 Kapitel 10 ................................................................. 258 Kapitel 11 ................................................................. 275 Kapitel 12 ................................................................. 280 TEIL 3 ........................................................................... 287 2033 ............................................................................ 287 Kapitel 1 ................................................................... 288 Kapitel 2 ................................................................... 293 Kapitel 3 ................................................................... 310 Kapitel 4 ................................................................... 313 Kapitel 5 ................................................................... 317 Kapitel 6 ................................................................... 319 Kapitel 7 ................................................................... 323 Kapitel 8 ................................................................... 330 Kapitel 9 ................................................................... 336 Kapitel 10 ................................................................. 342 Kapitel 11 ................................................................. 349 Kapitel 12 ................................................................. 351 Kapitel 13 ................................................................. 352 Kapitel 14 ................................................................. 362 Kapitel 15 ................................................................. 366 Kapitel 16 ................................................................. 368 Kapitel 17 ................................................................. 372 Kapitel 18 ................................................................. 373 Epilog ........................................................................... 374 Autorenvita .................................................................. 376 Impressum ................................................................... 377 Unsere Leseempfehlung ............................................... 379 Unsere Leseempfehlung ............................................... 381

PROLOG

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r schaut seine schlafende Frau an. Die Freude, die er bei ihrem Anblick spürt, vermag er nicht in Worte zu fassen. Vor einer Stunde hat sie seinen Sohn geboren. Die Geburt war sehr schwer. Die Ärzte haben der Mutter nun ein Schlafmittel gegeben, damit sie wieder zu Kräften kommen kann. Der Kleine liegt neben dem Bett in einer Wiege und ist ganz still, so als ob er die Mutter nicht aufwecken möchte. Er schaukelt ihn leicht hin und her, bis auch das Baby vom Schlaf übermannt wird. Alles ist nun ruhig im Zimmer. Er setzt sich auf den einladenden Sessel, der am Kopf des Bettes steht; so kann er gleichzeitig das Kind und seine Frau beobachten. Müdigkeit verspürt er nicht, obwohl er die ganze Zeit im Kreißsaal ihre Hand gehalten hat, sie streichelte, als die Schmerzen unerträglich waren, mit ihr zwischen den Wehen liebevoll gesprochen, mit ihr gepresst hat, wenn die Hebamme sie dazu aufforderte, und bei den letzten Minuten vor der Geburt hat er ihr bei dem grässlichen Schmerz Trost zugesprochen. Als der Kopf des Kindes aus ihrem Leib austrat, fühlte er sich wie im Siebten Himmel, und als sein Sohn den ersten Schrei ausstieß, lachte er mit seiner Frau vor Glück und Dankbarkeit. Die Hebamme legte das Baby auf ihre Brust, und der glückliche Papa streichelte seinen Kopf. Sein Herz quoll in diesem Moment über – vor lauter Liebe für beide. Jetzt sitzt er im Sessel und denkt an die letzten zwanzig

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Jahre. Er erinnert sich an die vielen schrecklichen, hoffnungsvollen, traurigen, eindrucksvollen, unvergesslichen und überglücklichen Momente, die ihn bis zum heutigen Tag begleitet haben. Es ist soweit. Er hat das erreicht, was viele ein ganzes Leben lang suchen und niemals finden: Das perfekte Glück!

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TEIL 1 2011

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KAPITEL 1

D

as Ticken der Uhr weckt sie auf. Sie hört es schon im Traum, weiß aber nicht das Geräusch einzuordnen, denkt, es sind Wellen, die ganz sanft gegen einen Felsen schlagen oder Regentropfen, die auf das Dach fallen. Es ist angenehm gleichmäßig, fast wie eine leise Einschlafmusik. Sie will nicht aus dem Traum herausgerissen werden, aber die Augen öffnen sich wie von selbst, und sie ist wieder wach. Sie schaut sich um, es ist dunkel im Zimmer. Im ersten Moment weiß sie nicht genau, wo sie sich befindet, braucht ein paar Minuten, um zu verstehen, dass sie auf ihrem Sofa im Wohnzimmer liegt, angezogen. Sogar die Schuhe hat sie noch an. Wie spät mag es sein? Sie reibt sich die Augen, schaltet die Lampe auf dem Beistelltisch an und schaut auf die Alabasteruhr. Es ist 22:10 Uhr. Ihr pechschwarzer Kater Leo schaut sehr vorwurfsvoll. Er hätte schon gegen 19:30 Uhr sein Fressen haben müssen – und nun so spät! »Frauchen«, scheint er zu sagen, »du bist auch nicht mehr so toll wie du mal warst! Nun beeil dich, mir hängt der Magen schon unter den Pfoten …« Margot springt auf, geht in die Küche und gibt dem armen Kater sein Lieblingsfutter. Die Erinnerung kommt zurück: Es ist der 21. August, ihr fünfundsiebzigster Geburtstag. Es war ein sehr schönes

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Fest, das von ihrer Tochter veranstaltet worden ist. Das Essen bei ihrem Lieblingsitaliener war hervorragend, so wie immer, mit viel Liebe zum Detail und mit den frischesten Zutaten zubereitet. Der Tisch elegant, aber nüchtern gedeckt, nicht mit so viel Schnickschnack wie in anderen Restaurants üblich, weiße Tischdecke, weiße Porzellanteller, weiße Stoffservietten, Silberbesteck und in der Mitte eine große flache Vase mit wunderschönen roten Rosen – ihre Lieblingsblumen, seit Jahrzehnten für sie der Inbegriff der Schönheit. Ihr Garten ist voller Rosenbüsche in vielen Farben, aber die rote Sorte ist ihr ganzer Stolz. Sie würde sich eher von einem ihrer wertvollsten Schmucktücke trennen, niemals aber von ihren Rosen, die gehegt und gepflegt werden, als wären sie ihre eigenen Kinder. Es saßen sieben Personen am runden Tisch: ihre Tochter Iva mit ihrem Mann Martin, ihre Enkelin Rosa, ihre Freundin Wilma, ihre Nachbarn Renate und Kurt, mit denen sie schon seit zehn Jahren befreundet ist und ihre Wenigkeit. Das Treffen fand um 11:30 Uhr im Restaurant statt. Es wurde in Ruhe ein Aperitif getrunken, geplaudert, gescherzt, gelacht. Man hatte ihr Komplimente gemacht, ihr versichert, wie frisch und fröhlich sie trotz ihres Alters noch aussehen würde. Bei so vielen Schmeicheleien war sie rot geworden und hatte alles mit dem Satz »Ich kann mich selber auf den Arm nehmen« quittiert. Was für eine nette Gesellschaft! Alle liebten sie! Das war der richtige Rahmen, um das Erreichen des Fünfundsiebzigsten zu feiern. Margot Truasiem fühlte sich richtig wohl zusammen mit ihren Allerliebsten, und während der wenigen Stunden des geselligen Zusammenseins empfand sie einen Frieden und

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ein Glücksgefühl wie seit Langem nicht mehr. Ja, der Tag war rundum gelungen. Das Wetter erlaubte sogar das Essen unter freiem Himmel – auf der gemütlichen Terrasse des Restaurants. Rote und weiße Geranien in verschiedenen Terrakotta-Gefäßen vervollständigten das Ambiente und ein zwei Meter hoher Olivenbaum thronte in der Mitte des Freisitzes und verströmte ein angenehmes und wohltuendes mediterranes Flair. Wie anregend und toll die Feier war! Es war schon fast 18.00 Uhr, als sich die Gesellschaft auflöste. Alle waren etwas beschwipst. Sättigung und Zufriedenheit spiegelten sich auf den Gesichtern, aber alle, besonders Margot, waren etwas müde. Also wurde beschlossen, nach Hause zu fahren, sich etwas auszuruhen und sich später noch bei Margot zu Hause zu treffen. Doch daraus wurde nichts: Margot war eingeschlafen, kaum dass sie sich auf das Sofa gesetzt hatte. Nun steht sie in der Küche, der Kater schmatzt zufrieden, doch da fällt ihr Blick auf die Uhr. Es ist inzwischen 22:20 Uhr.

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KAPITEL 2

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argot geht zum Telefon und wählt die Nummer ihrer Tochter. Iva meldet sich sofort nach dem zweiten Klingelton. »Hallo, Iva.« »Hallo, Mama, schön dich zu hören.« »Du, es tut mir leid, ich bin eingeschlafen. Der Tag war doch etwa stressig für mich.« »Das weiß ich schon. Ich habe gegen 20:00 Uhr versucht, dich zu erreichen, aber du bist nicht ans Telefon gegangen. Da habe ich Renate gebeten, bei dir vorbeizuschauen, aber du hast nicht aufgemacht. Also ist sie mit ihrem Schlüssel hereingekommen und ist beruhigt wieder gegangen, als sie dich auf dem Sofa hat liegen sehen. Ich habe auch schon allen Bescheid gesagt, dass es heute kein weiteres Treffen mehr geben wird. Und soll dich lieb von allen grüßen.« »Danke, Iva«, sagt Margot erleichtert. »Der Tag war wunderschön. Ich weiß nicht, wann ich zuletzt so einen angenehmen Tag verbracht habe. Danke von Herzen dafür!« »Gerne, Mama, für dich würde ich doch alles tun, das weißt du. Für uns alle war die Feier ganz toll. Nur schade, dass du nicht jeden Monat Geburtstag hast«, lacht Iva. »Na, na, Gott sei Dank nicht, sonst würde ich viel zu schnell alt werden! Ich wollte mich auch noch bei dir für das Geschenk bedanken, obwohl ich immer noch nicht verstehen

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kann, was ich in einem Fitnessstudio soll. Ich bin fünfundsiebzig Jahre lang auch ohne gut zurecht gekommen. Habe ich nicht genug Bewegung in meinem Garten?« »Nein, Mama, in deinem Garten hast du zwar Bewegung, aber keine Fitness. Du sollst etwas für deine Muskeln tun, damit sie so stark werden, dass die Knochen gut geschützt sind. Falls du fallen solltest, kommt es nicht so schnell zu einem Bruch. Du weißt ja, ältere Leute sind manchmal noch gesund und fit, dann fallen sie hin, brechen sich einen Knochen und ab dem Zeitpunkt fängt der Verfall an. Ich will eben nicht, dass dir so etwas auch passiert, deshalb das Jahresabo im Fitnessstudio. Außerdem kräftigst du bei bestimmten Übungen auch dein Herz. Und du weißt selbst, dass das bei dir auch nötig ist. Das Studio befindet sich übrigens gleich um die Ecke, du kannst zu Fuß dorthin gehen. Wart’s ab, es wird dir Spaß machen.« »Das ist ja alles schön und gut, aber ich weiß gar nicht, was ich da machen soll.« »Du gehst einfach hin, sprichst mit einer Trainerin, lässt dir einen persönlichen Termin geben und sie zeigt dir alles, was du wissen musst.« »Iva, ich glaube, es wird mir keinen Spaß machen. Kannst du nicht das Abo wieder zurückgeben? Ich wäre sehr froh, wenn ich nicht dahin müsste.« »Auf keinen Fall! Du gehst dahin und redest mit der Trainerin. Ich habe schon alles organisiert. Sie heißt Hanna und ist sehr nett und einfühlsam. Sie wird dir bestimmt sympathisch sein. Versuch es zumindest ein paar Mal! Ich bin fest davon überzeugt, dass dein Körper es dir danken wird. Martin und ich gehen seit zwei Jahren dorthin und sind

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wirklich glücklich; es gefällt uns dort ausgezeichnet. Man ist an keine Zeiten gebunden und kann das Studio besuchen, wenn man Lust und Laune hat. Zweimal die Woche würde dir sowieso reichen. Also, versuch es bitte, Mama, mir zuliebe.« »Okay, Iva, dir zuliebe, aber ich kann dir nicht versprechen, dass ich es ein Jahr lang aushalten werde.« »Gut, Mama, probieren geht über studieren, nicht wahr!? Versuche es einfach und sag mir Bescheid, wie es läuft.« »Okay, danke. Und nun: Gute Nacht. Grüß mir Rosa und Martin. Ein Kuss und bis demnächst.« »Gute Nacht, Mama, schlaf gut. Bis bald.« Margot legt mit einem komischen Gefühl auf, so, als ob mit dem Fitnessstudio etwas Seltsames zusammenhängen würde. Blödsinn, denkt sie, was soll mit einem Fitnessstudio sein? Ich habe Iva versprochen, es zu versuchen. Also werde ich morgen oder übermorgen dort vorstellig werden und dann sehen wir weiter. Auf jeden Fall will sie das Ganze mit ihrer besten Freundin Wilma besprechen. Vielleicht kann sie sie dazu bringen, mit ihr auch dorthin zu gehen. *** Wilma und sie lernten sich vor vielen Jahren während eines Urlaubes auf Mallorca kennen. Margot war nach dem Tod ihres Mannes Alfred total fertig gewesen, und auf Anraten ihrer Tochter gönnte sie sich einen Wanderurlaub auf der Insel. Alfred und sie waren begeisterte Wanderer. Seine

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langjährige schwere Krankheit setzte dieser Leidenschaft aber ein jähes Ende. Also flog Margot allein nach Mallorca, in dem Bewusstsein, dass ihr der Urlaub gut tun würde. Sie brauchte Abwechslung und frische Luft, um die abgestandene und degoutante Krankenhausluft zu vergessen. Sie kam in Palma de Mallorca mit einer Reisegruppe gemischten Alters an und wurde von der dortigen Reiseleiterin des Unternehmens begrüßt. Diese Reiseleiterin war Wilma Vossent. Sie mochten und verstanden sich auf Anhieb und waren seit diesem Tag quasi unzertrennlich. Wilma war nicht mit einem Menschen, sondern mit ihrem Beruf verheiratet. Sie ist drei Jahre jünger als Margot, doch die Gemeinsamkeiten und Übereinstimmungen, die sie schnell feststellten, waren unglaublich. Sie waren eben auf einer Wellenlänge. Margot nannte die neue Freundin ›Wilmachen‹, weil sie etwas kleiner und jünger war, und Wilma nannte Margot ›meine Beste‹, denn Margot war für sie tatsächlich das Beste, zumindest was eine Freundschaft anging, was ihr passieren konnte. Und auch nach dem Urlaub wollten sie sich nicht mehr trennen. Also kaufte Wilma in der kleinen Stadt bei Frankfurt am Main, in der Margot, ihre Tochter und die Familie wohnten, eine Eigentumswohnung, und nun waren sie seit Jahren eine eingeschworene Gemeinschaft. Wilma ist zweiundsiebzig, schon seit zehn Jahren in Rente, aber dies hält sie nicht davon ab, auch heute noch manchmal für das Reiseunternehmen, bei dem sie dreißig Jahre beschäftigt war, als Reiseleiterin zu fungieren. Sie betreut von Zeit zu Zeit eine Gruppe Touristen aus dem Aus-

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