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Hansjörg Anderegg

Strohöl Thriller

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© 2015 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2015 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Coverbild: Hansjörg Anderegg Printed in Germany

AAVAA print+design Taschenbuch: Großdruck: eBook epub: eBook PDF: Sonderdruck:

ISBN 978-3-8459-1609-5 ISBN 978-3-8459-1610-1 ISBN 978-3-8459-1611-8 ISBN 978-3-8459-1612-5 Mini-Buch ohne ISBN

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KAPITEL 1

ÜBERLINGEN Judith – was für ein bescheuerter Einfall, dachte Emma. Es war nicht ihr erster Einsatz unter falschem Namen aber mit Abstand der dümmste. Sie wollte nur weg. Barbarossa reichte es noch nicht, obwohl sie den Kanister sichergestellt hatten, ihn nur ins Auto schaffen und verschwinden mussten. Im Scheinwerferlicht der Versuchsanlage leuchtete sein roter Vollbart, als stünde er in Flammen. Breitbeinig, mit erhobener Faust, stand er vor der Fracking Bohrstelle wie Hagen vor Siegfried, bevor er ihm den Speer zwischen die Schulterblätter rammte. »Judith, wir werden uns nicht verdrücken wie Blagen aus Nachbars Garten«, sagte er feierlich. »Wir erfüllen eine wichtige Mission. Denen müssen wir zeigen, wer da war.« 4

»Du bist verrückt. Lass uns abhauen! Dein Verdacht wird sich bestätigen, sobald der Inhalt des Kanisters untersucht ist. Du hattest recht. Du bist der Größte. Was willst du mehr?« Im Schatten der Stahltanks rannte sie mit dem Kanister übers Feld in die Richtung, wo sie ihr Auto vermutete. Ihre Hände fühlten sich klamm an trotz der trockenen Hitze der Hochsommernacht. Angstschweiß. Sie wagte erst, sich umzusehen, als sie das Streulicht der Scheinwerfer nicht mehr streifte. Die Versuchsanlage glich entfernt einer mobilen Erdölraffinerie im Kleinformat, als hätte jemand die Container, Stahlgerüste, Trucks, Tanks, Pumpen und Rohrleitungen mit ihren mannshohen Ventilen als Kulisse für einen Katastrophenfilm aufs Feld gestellt. Nur die zwei zwanzig Meter hohen Bohrtürme deuteten darauf hin, dass hier tatsächlich gearbeitet wurde. Das Bohrgestänge hatte sich wohl schon kilometerweit ins Gestein gefressen, um dem Tonschiefer mit allen Mitteln noch den 5

letzten Rest gefangenen Erdgases zu entreißen. So genau wollte sie es gar nicht wissen. Das Auto in Reichweite, gab es nur ein Ziel: abfahren. Barbarossa hatte den Zündschlüssel in der Tasche, doch er war nirgends zu sehen, wie vom Erzboden verschluckt. »Dieser verdammte Idiot!«, rief sie und schleuderte den Kanister wütend gegen das Auto. Der Verrückte musste ins Magazin zurückgekehrt sein, ins Lager, wo sie das Beweisstück gefunden hatten und wo jetzt ein Blitz einschlug, der alles überstrahlte. Die Detonation ließ den Boden unter ihren Füßen zittern, dass sie vor Schreck beinah das Gleichgewicht verlor. Die Explosion musste bis nach Überlingen zu hören sein. Die Lagerhalle, ein einziger Feuerball, spie dichten, schwarzen Rauch in ihre Richtung. Es stank nach Diesel, Ruß und faulen Eiern. Die Zeit blieb stehen. Sekundenlang starrte sie wie gelähmt auf die Lagerhalle, die sich vor ihren Augen im Fun6

kenregen in Rauch und Asche verwandelte, als hätten die Bohrer der Fracking Anlage den Deckel der Hölle durchstoßen. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander wie die Rauchschwaden im Licht der Scheinwerfer. Unfähig, sich zu rühren, musste sie sich eingestehen, dass sie die neue Lage vollkommen überforderte. Eine Alarmsirene begann zu heulen. Wie auf einen Schlag wimmelte es von Arbeitern, die aus den Wohncontainern strömten und aufs freie Feld flohen. Eine Kolonne blinkender Blaulichter näherte sich vom See her, während erste Wasserstrahlen aus dem Tanklöschfahrzeug der Versuchsanlage in den Himmel schossen. Das Horn der anrückenden Feuerwehr rief ihr endlich in Erinnerung, dass sie nicht allein hierhergekommen war. »Barbarossa!«, keuchte sie entsetzt. Wie in Trance zerrte sie den Feuerlöscher aus dem Kofferraum. Ihr Kopf stieß an den Deckel. Die scharfe Metallkante hinterließ eine blutige Schramme, doch sie bemerkte den Schmerz nicht. Die erste Welle der Gluthitze 7

traf sie auf halben Weg zum Feuer. Die Knie gaben nach. Sie stolperte, fiel der Länge nach hin. Der Feuerlöscher entglitt ihr. Als sie ihn vor sich im Gras liegen sah, begriff sie die Aussichtslosigkeit ihres Vorhabens. Sie ließ das lächerliche Gerät liegen, raffte sich auf und näherte sich vorsichtiger der Stelle, wo einmal das Tor der Halle gestanden hatte. »Barbarossa!«, schrie sie unentwegt. Sie kannte seinen richtigen Namen nicht, genauso wie er sie vor Kurzem nur als Judith kennengelernt hatte. Das Lager war nicht mehr zu retten. Die Feuerwehr richtete ihre Strahlrohre und Schaumkanonen auf die nahen Stahltanks und Druckleitungen, um weiteren Schaden zu verhindern. Sie rief aus Leibeskräften. Die Rufe verhallten ungehört im Zischen und Prasseln des Feuers. Glühende Balken verbogen sich singend. Ein Knall wie von einer zweiten Explosion fuhr ihr in die Glieder, dass sie ein paar Schritte rückwärts taumelte, gerade rechtzeitig, um dem Stahlträger auszuweichen, der zwei Meter vor ih8

ren Füßen auf den Boden krachte. Zitternd wich sie weiter zurück. Die Flammen sprangen auf einen Eimer über. Der Inhalt explodierte in einem grellen Blitz, der die Umgebung für einen Sekundenbruchteil taghell erleuchtete. Sie sah es dennoch deutlich: die schwarze Sonnenblume, das Zeichen der Umweltaktivisten, deren Anführer Barbarossa war. Nur er konnte es ans Tor gesprayt haben. »Barbarossa!« Verzweifelt rannte sie an der brennenden Fassade entlang, direkt in die Arme eines Feuerwehrmannes. »Sie sind verletzt«, sagte er. »Ich bringe Sie zum Notarzt.« »Barbarossa«, antwortete sie. Ihr verängstigtes Gesicht mit den weit aufgerissenen Augen erschreckte ihn. »Sie stehen unter Schock«, schloss er messerscharf, griff ihr unter die Arme und führte sie weg aus der Gefahrenzone. Sie hing an ihm wie ein Sack Kartoffeln vom nahen Acker, während sie die Umgebung 9

verzweifelt nach einer Spur ihres Begleiters absuchte. »Er muss hier irgendwo sein«, murmelte sie kaum verständlich. »Vermissen Sie jemanden? Waren Sie in der Halle, als es passierte?« »Barbarossa war da.« »So wird das nichts.« Er schulterte sie mit dem Rettungsgriff. »Schlingen Sie die Arme um meinen Hals. Halten Sie sich fest. Geht das?« Er trug sie im Laufschritt huckepack zum Rettungswagen, wo er sie in die Arme des Sanitäters gleiten ließ. Ohne ein weiteres Wort rannte er zum Löschtrupp zurück, um das Phantom Barbarossa zu suchen. Der Notarzt stellte sich als Frau in ihrem Alter heraus. Kaum hatte sie begonnen, Fragen zu stellen, erregte eine zweite Gruppe Nothelfer ihre Aufmerksamkeit. Ein scheinbar lebloser Mann lag auf der Trage. Sie stand bei ihnen, bevor sie den Rettungswagen erreichten. ‼Barbaros…※ 10

Der Schwerverletzte war nicht ihr Begleiter. Ein zweiter Unbekannter hing bereits im Auto am Tropf, Sauerstoffmaske über Mund und Nase. Er war bei Bewusstsein. Sie beugte sich zu seinem Ohr hinunter. »Haben Sie einen Mann mit rotem Haar und Vollbart in der Halle gesehen?« Er blickte sie mit zugekniffenen Augen an und stöhnte. Die Ärztin zog sie ärgerlich beiseite. »Was fällt Ihnen ein?« Sie murmelte eine Entschuldigung und entfernte sich. Der Verletzte hatte ihre Frage beantwortet. Sein Kopfschütteln war nicht zu übersehen gewesen. »Warten Sie!«, rief die Ärztin. »Ihre Wunde am Kopf muss versorgt werden. Bleiben Sie stehen.« Sie wankte weiter wie eine Schlafwandlerin auf die Gruppe Zuschauer zu, die sich von Minute zu Minute vergrößerte. Barbarossa war untergetaucht. Eine andere Erklärung fiel ihr nicht ein. Die Gaffer hatten keinen roten 11

Vollbart gesehen. Von Weitem bemerkte sie, wie die Polizei Barbarossas Auto durchsuchte. Das Fahrzeug konnte sie sowieso vergessen – ohne Zündschlüssel. Sie war zwar geübt, in rechtlichen Grauzonen zu operieren, aber die Kunst des Autoknackens beherrschte sie nicht. Vielleicht wartete er aufs erste Schiff nach Konstanz Wallhausen. Sie brauchte dringend einen Transport zum See. Ein Zuschauer im Trainingsanzug, der genug gesehen hatte, nahm sie mit nach Überlingen. Kein Barbarossa weit und breit. Einmal mehr hörte sie die zwei Akkorde von Mötörhead auf seinem AB. Sie verzichtete auf eine weitere Nachricht. Der feine Herr blieb wie vom Erdboden verschwunden. Er würde ihr einiges zu erklären haben. Kein Zweifel: Es war ihr dümmster Einsatz seit Langem. Sie erschrak ob der Fratze, die sich im ersten Licht des Tages im Fenster einer Bäckerei spiegelte. So durfte keine Mutter eines Fünfjährigen aussehen, wollte sie ihr Kind behalten. Sie strich sich das Haar notdürftig mit 12

den Fingern glatt, worauf das eingetrocknete Blut auf der Stirn wie Besenreiser hervortrat. Als das Schiff endlich ablegte, fiel ihr Äußeres dem Personal und den wenigen Fahrgästen kaum noch auf. Sie stand während der kurzen Überfahrt an der Reling und starrte unentwegt ins Wasser, damit niemand auf den Gedanken kam, mit ihr über die Explosion in der nahen Fracking Anlage zu sprechen. Kaum hatte sie festen Boden unter den Füßen, sprang sie ins nächste Taxi. Im letzten Moment unterdrückte sie die automatische Ansage »Paradies«, wo sie mit der jüngeren Schwester und dem kleinen Julian wohnte, die wie immer nichts von ihrem nächtlichen Ausflug ahnten. Sie durfte noch nicht nach Hause zurückkehren. Erst musste sie wissen, in welches Schlamassel sie geraten war. »Mittelzell, Reichenau«, sagte sie und schloss die Augen.

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INSEL REICHENAU »Hier wollen Sie aussteigen?«, fragte der Taxifahrer verwundert. Das einsame Holzhaus an der Feldstraße glich eher einem verlassenen Stall denn einem Wohnhaus. Von der Straße aus war der üppige Garten mit den Hängematten und dem Froschteich nicht zu sehen. Sie drückte dem Fahrer einen Zwanzigeuroschein in die Hand. »Stimmt so«, sagte sie und stieg aus. Sie wartete, bis er außer Sichtweite war, bevor sie das Haus betrat. Bauer Lorenz rammte sie beinahe unter der Tür, so eilig hatte er es, sein Haus zu verlassen. »Die spinnen doch alle zusammen«, knurrte er. »Was ist denn los?« »Ihre Kollegen schwirren im Haus herum, als hätte ich ins Wespennest gestochen. Dabei starren sie auf ihre Handys und haben Stöpsel in den Ohren, dass sie kein Wort verstehen.« »Ein Wespennest?« 14

Lorenz nickte. »Unter dem Dach. So was kommt halt vor auf dem Land. Ihr könnt mich ja anrufen, wenn ihr euch beruhigt habt, falls euch das Nest dann immer noch stört.« Damit trat er ins Freie und schlug die Tür zu. Während sie den Traktor wegfahren hörte, bereitete sie sich geistig aufs doppelte Wespennest im Haus vor. Barbarossas Truppe bestand aus überzeugten Umweltschützern, Aktivisten für eine bessere Zukunft, wie sie sich bezeichneten, grüner als jede grüne Partei. Die vier Männer und zwei Frauen, alle mindestens zehn Jahre jünger als sie, hatten sich im notdürftig zu Wohnungen umgebauten Stall von Bauer Lorenz als Studenten eingenistet. Bei Dreien stimmte die Berufsbezeichnung ungefähr, obwohl sie bisher nicht herausgefunden hatte, was die Kollegen eigentlich studierten. Jedenfalls trieben sie sich regelmäßig auf dem Campus der Uni Konstanz herum. Dort hatte sie den Anführer dieser weltfremden Ökologen entdeckt. Er wäre ihr nicht aufgefallen, hätte er nicht mit seinen intimen 15