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nicht als Feinde betrachten. ‡ Faire Vergütung kreativer Leis- tungen im Netz? ... die gesamte Bevölkerung unter Ver- dacht. Es ist auch zu bezweifeln, dass.
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>> Verein „Digitale Gesellschaft“ ist für eine „kluge“ Internetregulierung

„Der kleinste gemeinsame Nenner ist ein Netzzugang“ Interview mit Markus Beckedahl, Gründer von netzpolitik.org und Vorsitzender des Vereins „Digitale Gesellschaft”

Die Gründung einer Lobby-Organisation der Internetblogger im April stieß auf ein breites Interesse der Medien und im Internet auf eine kontroverse Debatte über den Sinn und die Struktur eines solchen Vereins. „Die heutige Netzpolitik ist schlecht, sie orientiert sich nicht an den Interessen der Nutzer und schadet oft mehr als sie nützt”, so Markus Beckedahl, Gründer von netzpolitik.org und Vorsitzender des neuen Vereins „Digitale Gesellschaft”. Die „Digitale Gesellschaft”, so Beckedahl, wolle deshalb mehr Druck auf die politischen Akteure ausüben.

>> Markus Beckedahl Geboren 1976 2002 Gründung Blog netzpolitik.org über Politik in der digitalen Gesellschaft Mitgründer der Agentur newthinking communications Seit 2007 Veranstalter der re:publica-Konferenzen Lehrbeauftragter für digitale Themen an verschiedenen Hochschulen Seit 2010 Mitglied in der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages sowie des Medienrates der Medienanstalt Berlin-Brandenburg

promedia: Herr Beckedahl, Die Gründung der „Digitalen Gesellschaft“ hat ein zwiespältiges Echo ausgelöst, von „hervorragend“ bis      Sie die Notwendigkeit? Beckedahl: Unsere Grund- und Verbraucherrechte werden in der digitalen Welt immer weiter abgebaut. Ein Grund dafür ist, dass es viele einflußreiche Lobbys gibt, aber Internetnutzer noch keine starke Interessenvertretung aufgebaut haben. Hier will der Verein „Digitale Gesellschaft“ helfen, zusammen mit vielen anderen die

Interessen von Internetnutzern in die politische und gesellschaftliche Debatte zu kommunizieren und mit einer visuell und kommunikativ anderen Ansprache auch mal nicht-internetaffine Kreise für digitale Bürgerrechte interessieren und begeistern. promedia: Wozu eine „Digitale Gesellschaft“ in einer digitalen Gesellschaft? Beckedahl: Wir haben uns bewusst für den Namen „Digitale Gesellschaft“ entschieden, weil wir seit Jahren im Besitz der Domain waren, den Begriff

im deutschsprachigen Raum mitgeprägt haben und ihn einprägsam fanden, um z.B. unseren Eltern schon im Namen erklären zu können, was unser Thema ist und wofür wir uns einsetzen. Wir wollen eine lebenswerte und offene digitale Gesellschaft in Zeiten mitgestalten, wo Freiheiten immer weiter abgebaut werden. promedia: Wer ist die „Digitale Gesellschaft“? Beckedahl: Ein Verein, dessen Mitglieder schon seit Jahren mit Netzpolitik in Berührung sind und viele Freiwillige, die mitmachen möchten. Wir sind von Mitmachwünschen nach der re:publica erst einmal überrannt worden. Geplant ist, Strukturen und Prozesse aufzubauen, um später mittels Crowdsourcing offene Partizipationsmöglichkeiten zu bieten und viel mehr Menschen in Kampagnen für eine lebenswerte digitale Umwelt und eine bessere Interessenvertretung für Nutzerrechte einzubinden. promedia: Es wird immer von der „Netzgemeinde“ gesprochen. Wie homogen ist diese Gemeinde? Beckedahl: Die Netzgemeinde ist vergleichbar homogen zur Fernseh-

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gemeinde. Der kleinste gemeinsame Nenner ist ein Zugang zum Netz. In der politischen Debatte sind mit diesem Begriff vermutlich weitgehend Menschen gemeint, die eines eint: Das Erkennen von Chancen in den digitalen Medien, die der Gesellschaft zur Verfügung stehen, und das Einsetzen für Freiheits- und Bürgerrechte statt mehr Überwachung und Kontrolle. promedia: Die Bundesjstizministerin hat jüngst gesagt: „Selbstregulierung an Stelle des staatlichen Eingriffs ist potentiell der beste Weg, um die bestehende Regelungslücke zu füllen.“ Bei welchem Thema wäre eine Selbstregulierung sinnvoll und möglich? Beckedahl: Eine alleinstehende Selbstregulierung kann immer nur „on-top“ sein, also beispielsweise für deutlich über den gesetzgeberischen Stand hinausgehende Bereiche Anwendung finden. Das kann für Best-Practice und Qualitätssiegel sinnvoll sein. Selbstregulierung hat aber immer das Problem der Sanktionierung: was passiert, wenn ein Schaf plötzlich den Wolfspelz überstülpt? Eine koregulierte Selbstregulierung könnte hier weiterhelfen - nur ist das für viele in der Wirtschaft so unattraktiv, dass sie sagen, dass man dann doch gleich alles per Gesetz regeln solle. promedia: Wie will sich die „Digitale Gesellschaft“ in den Diskurs über das Internet einmischen? Beckedahl: Wir wollen den bestehenden netzpolitischen Initiativen eine Kampagnenplattform bieten. Damit wollen wir auch Kampagnen durchführen, die auch Menschen erreichen, die noch nicht ständig online sind. Dazu braucht es eine andere visuelle und kommunikative Ansprache, als es in der Vergangenheit versucht wurde. Und wir wollen eine Interessenvertretung aufbauen und uns mit Stellungnahmen und Pressearbeit in die Debatten einmischen und dort Nutzerinteressen vertreten.

promedia: Über welche Internetwenn sie klug und weitsichtig ist. Der Themen müsste gegenwärtig vor Erhalt von Netzneutralität ist beispielsallem diskutiert werden? weise eine notwendige Regulierung, Beckedahl: Die wichtigsten aktuellen die Schaffung von NetzzensurinfraThemen sind sicherlich der Erhalt der strukturen lehnen wir wiederum ab. Netzneutralität und damit der Erhalt eines offenen und innovationsfreund‡ Datenspeicherung? lichen Netzes; ein anderes UrheberEine Vorratsdatenspeicherung stellt recht, das an die gesellschaftliche die gesamte Bevölkerung unter VerRealitäten angepasst wird und hier u.a. dacht. Es ist auch zu bezweifeln, dass mit einem Recht auf Remix analog zu sie tatsächlich einen Nutzen erbringt, den Fair-Use-Regeln im anglo-ameridie bisherigen Evaluierungen sprekanischen Copyright als Weiterentchen nicht gerade für einen Erfolg, wicklung der digitalen der diesen GrundPrivatkopie; ein Abbau rechtseingriff legiSELBSTREGUvon Überwachungstimiert. Der Staat LIERUNG HAT IMmaßnahmen und will ja auch nicht MER DAS PROBLEM die Rückgewinnung in der analogen DER SANKTIONIEvon Grundrechten im Welt speichern, RUNG. digitalen Raum, sowie wer gerade mit mehr Transparenz und wem und wo beim Partizipationsmöglichkeiten durch Kaffeekränzchen sitzt. Opendata und die maschinenlesbare Regierung. promedia: In der Erklärung der Content Allianz heißt es, dass sich promedia: Wie ist Ihre Meinung zu: der Wert medialer Inhalte auch in ‡ Netzneutralität?       Beckedahl: Netzneutralität ist die se. Diese Position müssten sie doch unverhandelbare Grundlage für ein eigentlich unterstützen? funktionierendes Netz im Sinne aller. Beckedahl: Ja, aber nicht die ErFür den Rest haben wir schon Ferngebnisse, die die Content Allianz in sehen. dieser Debatte anstreben würde. Ich denke, dass die Debatte mit einem ‡ Internetpiraterie? Ergebnis geführt werden wird, das Ein Phänomen der Transition in ein die Content Allianz früher oder neues Zeitalter, in dem „geistiges später als historisches Phänomen Eigentum“ anders verstanden werden erscheinen lassen wird. wird und in dem Firmen ihre Kunden nicht als Feinde betrachten. promedia: Zwischen der Gründung der „Digitalen Gesellschaft“ und ‡ Faire Vergütung kreativer Leisder Content Allianz wurde bisher tungen im Netz? vor allem ein Gegensatz gesehen. Wer kreativ ist, soll für seine Werke Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten auch entlohnt werden. Hier gibt es und wo das Trennende? interessante Ansätze, über die sich Beckedahl: Es sind die gleichen Gemehr nachzudenken lohnt als über meinsamkeiten und Unterschiede, die die immer gleichen Forderungen nach die Wörter „Chancen“ und „Risiken“ Nutzerverfolgung, Schutzfristenverlänverbinden und trennen. Vielleicht gibt gerungen und Enteignung der Nutzer. es noch Überschneidungen bei dem Erhalt der Netzneutralität, der blumig im ‡ Internetregulierung? Papier der Content Allianz beschrieben Wir sprechen uns nicht explizit gegen ist. Aber hier steckt der Teufel wahreine Regulierung des Internets aus, scheinlich im Detail. (JG)