In der Hand des Killers

Training beobachtet. Keiner der anderen Sportler hatte eine Chance gegen ihn. Seine Leidenschaft sind Autos und Motorräder. Die haben ihn aller- dings vor ...
287KB Größe 3 Downloads 348 Ansichten
Claudia Richards

In der Hand des Killers Thriller

© 2012 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2012 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag, Berlin Printed in Germany ISBN 978-3-8459-0147-3 AAVAA Verlag, Hohen Neuendorf, bei Berlin www.aavaa-verlag.com eBooks sind nicht übertragbar! Es verstößt gegen das Urheberrecht, dieses Werk weiterzuverkaufen oder zu verschenken! Alle Personen und Namen innerhalb dieses Romans sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

2

Kapitel 1 San Francisco, 1995. In der Millionenstadt am Pazifischen Ozean hatte Paul Harbey vor über zwanzig Jahren begonnen, ein Syndikat aufzubauen, das ihn mittlerweile zum reichen Mann gemacht hatte. Drogen, Waffen, Prostitution, Kapitalverbrechen und illegale Glücksspiele – es gab nichts, wovor er zurückschreckte. Er war genial und skrupellos. Mittlerweile beherrschte er den Markt in ganz Kalifornien und sein Netzwerk erstreckte sich über weite Teile Nordamerikas. Konkurrenten pflegte er gnadenlos auszuschalten. An diesem Tag, es war ein Mittwoch Ende Juni, saß er zuhause in seinem Arbeitszimmer am Schreibtisch und sah einige Papiere durch. Seine prachtvolle Villa lag gut 100 Meilen außerhalb der Stadt, inmitten eines parkähnlichen, etwa 20 Hektar großen Geländes, das durch Wachposten und einen elektrischen Zaun wie ein Militärstützpunkt abgesichert wurde. Sein Büro war kostbar eingerichtet, teure Teppiche bedeckten den Boden, an 3

den Wänden hingen wertvolle Bilder und die Schränke waren aus massivem Mahagoniholz. Er war ein mittelgroßer schlanker Mann mit grauem, gepflegtem Haar, Mitte fünfzig. Er trug nur maßgeschneiderte Anzüge aus feinstem Garn. Sein Gesichtsausdruck war ärgerlich. Jemand klopfte an der Tür und er rief unwirsch: „Herein!“ Ein großer bulliger Mann mit einem Boxergesicht und vollem braunem Haar trat ein. Er trug einen schwarzen Anzug und eine umgehängte Maschinenpistole, in seinem Mundwinkel steckte eine Zigarre. „Guten Morgen, Boss!“, sagte er und schob dabei seinen mächtigen Unterkiefer vor. „Pünktlich wie immer, Frankie“, sagte Paul Harbey, „nimm bitte Platz. Ich habe etwas mit dir zu besprechen.“ Frankie war sein bester Mann, auf ihn war hundertprozentig Verlass. Ein Kerl wie ein Bär mit Riesenkräften, ein Scharfschütze und Killer Par Excellance, der jeden Menschen ohne Zögern liquidierte, präzise wie eine Maschine. Er war die rechte Hand von Paul Harbey und nur wenige 4

Jahre jünger als dieser. Als er sich ihm gegenüber in dem bequemen Ledersessel niedergelassen hatte, zeigte Paul Harbey auf die Unterlagen. „Ich weiß jetzt, wer dahintersteckt, Frankie“, sagte er, „es ist dieser verdammte Patrick Rynn. Er macht mir mein Wettgeschäft kaputt. Vor drei Jahren hat er damit angefangen, ein ausgeklügeltes System einzuführen. Es läuft hauptsächlich über das Internet. Mit diesem neumodischen Kram ist er mir im Moment überlegen. Dieser Mistkerl macht meine ganzen Einnahmen kaputt!“ „Aber er hat seine Finger nur im Glücksspiel? Oder auch woanders?“, fragte Frankie. „Nein, sonst nirgends. Er arbeitet auch alleine, soweit ich weiß. Kein Vergleich zu meiner Organisation – aber ich kann es mir nicht gefallen lassen! Ich will ihn da weg haben. Und ich weiß auch schon wie!“ Er machte eine bedeutungsvolle Pause und fixierte Frankie eindringlich. „Patrick ist ein alter Bekannter“, erzählte er dann gedehnt, „ich habe noch eine Rechnung mit ihm offen, die teuer für ihn wird. Frankie, was 5

ich dir jetzt anvertraue, bleibt unter uns. Niemandem habe ich dies je erzählt. Klar?“ „Klar, Boss“, nickte Frankie. Er konnte schweigen wie ein Grab. Paul Harbey trommelte wütend mit den Fingern auf die Schreibtischplatte. „Er war mal mein bester Kumpel. Dann hat er mir meine Freundin ausgespannt. Marilyn. Es ist jetzt gut 25 Jahre her. Sie war die Liebe meines Lebens. Das habe ich den beiden nie verziehen. Ich wollte sie oft dafür bezahlen lassen, aber ich hab es nie getan. Nun ist die Zeit reif.“ „Die beiden sind inzwischen verheiratet?“, wollte Frankie wissen. „Ja, sie haben sich damals schnell vermählt. Nur mit dem Nachwuchs wollte es nicht so recht klappen. Ich weiß, dass Marilyn sich immer von Herzen ein Kind gewünscht hat. Sie haben erst fünf Jahre später einen Sohn bekommen. Und es gab Komplikationen, beide wären fast bei der Geburt gestorben. Bei Gott, ich hätte es mir so gewünscht!“ Frankie spürte den Hass, der in seinem Boss brodelte.

6

„Sie konnte keine anderen Kinder mehr bekommen“, fuhr Harbey fort, „und sie haben den Kleinen gehegt und gepflegt, obwohl sie immer arm waren. Patrick konnte ihnen nichts bieten, dieser Versager. Aber trotzdem war Marilyn glücklich mit ihm. Zehn Jahre lang habe ich sie heimlich observiert, wollte oft den Jungen beseitigen lassen, um mich zu rächen. Es hat mich beinahe krank gemacht! In den letzten Jahren habe ich mich dann nicht mehr damit beschäftigt. Und nun taucht Patrick wieder auf. Jetzt werde ich ihn vernichten! Das ist die Gelegenheit!“ „Gut, Boss, verstehe. Aber bitte vergessen Sie nicht, dass Sie ebenfalls mit einer tollen Frau verheiratet sind – Lucille ist ein Prachtweib. Und Ihr Sohn, Paul junior, ist doch Ihr ganzer Stolz! Sind Sie denn nicht glücklich?“ „Doch“, presste Harbey heraus, „schon. Lucy habe ich kurz nach dieser ganzen Misere kennengelernt, sie war phänomenal im Bett, aber auch gleich schwanger. Na ja, ich habe nicht bereut, dass sie meine Frau geworden ist. Aber ich konnte Marilyn nie vergessen. Warte.“ 7

Aus der untersten Schreibtischschublade kramte er ein Mäppchen mit alten Fotos hervor und schob Frankie eines davon hin. Es zeigte ein junges hellblondes Mädchen mit großen blauen Augen und einem strahlenden Lächeln. „Nicht übel, die Schnecke“, brummte Frankie anerkennend und reichte das Bild zurück. Harbey steckte es behutsam wieder ein. „Nun zu meinem Plan, Frankie. Ich habe Johnson, den Detektiv, auf die Familie angesetzt. Es geht mir um den Jungen. Er müsste mittlerweile um die zwanzig sein. Sein Name ist Benjamin Patrick. Ich will ihn haben. Mit ihm als Geisel kann ich Patrick dazu zwingen, sich aus dem Geschäft zurückzuziehen. Ich werde ihm drohen, seinen Sohn zu töten. Er und Marilyn sollen leiden, als Strafe für das, was sie mir angetan haben!“ „Klingt nicht schlecht, Boss“, meinte Frankie, „dürfte kein Problem sein. Aber wollen Sie den Kleinen wirklich umlegen?“ Paul Harbey nickte. „Nächste Woche lasse ich ihn entführen. Du wirst das übernehmen. Ich will ihn dann hier in meinem Haus gefangen hal8

ten. Er wird keine Scherereien machen. Ich verspreche Patrick, dass er ihn wieder zurückbekommt – wenn er mir seine Geschäfte überlässt und mich in alles einweiht, sodass ich diese weiterführen kann. Seine Existenz wird zerstört. Er wird um das Leben seines einzigen Kindes betteln. Um ihn und Marilyn restlos zu vernichten, schicke ich ihnen den Jungen frei Haus zurück – aber als Leiche!“ Er lachte und sein Gesicht glich einer teuflischen Maske. „Alles klar, Boss“, sagte Frankie ohne Zögern, „ganz wie Sie wünschen.“ Der letzte Part war zweifellos sein Job – doch das registrierte er, ohne mit der Wimper zu zucken. Am nächsten Tag, abends gegen 18 Uhr, wurde Frankie abermals zu seinem Boss in dessen Arbeitszimmer gerufen. Johnson war gerade eingetroffen und überreichte Harbey ein Päckchen mit den neuesten Informationen und Fotos der Familie Rynn. Er und Frankie nahmen Paul Harbey gegenüber Platz und Johnson begann mit seinem Bericht.

9

„Hier, Boss, schauen Sie sich die Fotos an. Hier sind Patrick und Marilyn. Und hier habe ich einige Aufnahmen des Jungen. Alle Aufnahmen sind brandneu.“ Paul Harbey betrachtete aufmerksam die Bilder und reichte sie dann an Frankie weiter. Dieser studierte sie ebenfalls interessiert – Patrick war in Pauls Alter, hatte ein sympathisches Haudegengesicht und war von stämmiger Statur. Marilyn war noch immer sehr schön, schlank und blond, nett gekleidet und hatte eine offene, freundliche Ausstrahlung. Wenn die beiden zusammen auf dem Foto waren, konnte man die vollkommene Harmonie zwischen ihnen erkennen. Johnson hatte sie zu mehreren Zeitpunkten abgelichtet, vor ihrem schmucken Häuschen, beim Spaziergang, im Restaurant. Patrick hatte er öfter einzeln fotografiert, vor allem während seiner Arbeit, als weitere Beweismittel für Harbey. Der zweite, kleinere Stapel bestand aus den Fotos des Jungen. Harbey musterte sie mit harter Miene, bevor er sie Frankie überließ. Dieser betrachtete das erste Bild. Es zeigte einen großen schlanken Burschen im Sattel eines Motorrades – 10

einer alten Harley Davidson. Er war braungebrannt und dunkelblond, seine blauen Augen blitzten übermütig. Seine von der Sonne gebleichten Haare wirkten so ungebändigt wie er selbst. Und er war seiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Weitere Bilder dokumentierten, dass er sportlich war – er war ein Läufer, surfte, spielte Volleyball und boxte. „Er hat sich anscheinend prächtig entwickelt“, knurrte Harbey, „als Kind war er oft krank, ein Verreckerling. Was kannst du mir über ihn sagen, Johnson.“ „So gut wie alles. Ich hab auch seine Adresse. Er lebt nicht mehr bei seinen Eltern, sondern hat eine eigene kleine Bude. Er ist 20 Jahre alt und wird am 28. September 21. Von Beruf ist er Automechaniker, im Moment arbeitslos, da sein Meister wegen Krankheit den Laden schließen musste. Er hält sich mit diversen Jobs über Wasser, verdient sich mit Motorradstunts etwas dazu oder hilft in diversen Autowerkstätten aus.“ „Mehr!“, sagte Paul Harbey. „Tja, er ist ein aktiver Bursche. Ein hervorragender Schwimmer und Marathonläufer. Am besten 11

läuft er aber auf der Kurzstrecke. Hab ihn beim Training beobachtet. Keiner der anderen Sportler hatte eine Chance gegen ihn. Seine Leidenschaft sind Autos und Motorräder. Die haben ihn allerdings vor vier Jahren auch mal in den Knast gebracht. Er war nur wenige Wochen dort, als er bei einer Attacke von Mithäftlingen Verletzungen davontrug und in ein Krankenhaus verlegt wurde. Sein Vater hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, sodass er anschließend bis zum Prozess zu Hause bleiben durfte.“ „Was?“, hakte Frankie nach. „Vor vier Jahren war er gerade mal 16! Was hat er denn ausgefressen? Etwa Autos geklaut?“ Johnson nickte. „Bis zur Pubertät war er der reinste Musterknabe. Aber dann war’s vorbei mit dem häuslichen Frieden. Er konnte die Finger nicht von geilen Karossen und Motorrädern lassen. Hat sie sich ‚ausgeliehen’ und damit Spritztouren gemacht. Ohne Führerschein natürlich. Er kam dann mit einer Bewährungsstrafe davon, aber es war eine harte Zeit für die Familie. Später hat sich jedoch alles wieder normalisiert.“

12

„Warum ist er dann zuhause ausgezogen?“, wollte Harbey wissen. „Er blieb in der Gegend, wo er aufgewachsen ist“, antwortete Johnson achselzuckend. „Vielleicht fühlt er sich da wohler. Das Haus auf dem Bild hat Patrick erst Anfang des Jahres gekauft. Seine Geschäfte laufen ja gut. Vorher hat die Familie in einem schäbigen Mehrfamilienhaus gelebt.“ „Gut, das ist für uns natürlich ideal“, bemerkte Harbey. „So können wir uns den Jungen in aller Ruhe greifen. Patrick wird nichts mitbekommen. Er wird aus allen Wolken fallen, wenn er erfährt, dass ich ihn in der Hand habe!“ In diesem Moment wurde die Türe aufgestoßen und ein junger Mann in schwarzer Lederjacke stürmte herein. Er war groß und muskulös, seine Haare rötlich und seine Augen dunkel, fast schwarz. Sein Name war Paul junior, er war Harbeys Sohn und 26 Jahre alt. Von allen wurde er jedoch Big Paul genannt, weil er bärenstark und eiskalt war. Harbey war stolz auf ihn – er schätzte seine Arbeit in der Organisation, die er einmal weiterführen würde. 13

„Hey, Daddy!“, rief Big Paul aus. „Gute Nachrichten! Der Überfall auf die Houston-Bank war ein voller Erfolg! Die Bullen werden sich den Kopf zerbrechen, wie wir die Sicherheitssysteme lahmlegen konnten! Das ganze Geld haben wir erst mal in den Stützpunkt gebracht. Ist das okay?“ „Klar mein Junge, gut gemacht“, lobte Harbey ihn. Paul junior trat näher. „Wer sind die?“, fragte er und sah die Bilder durch. Das Foto von Benjamin auf der Harley starrte er durchdringend an. „Geile Maschine“, sagte er anerkennend, „ne alte Harley Road King. Älter als der Typ, der sie fährt. Wer ist er? Hübscher Knabe. Ganz mein Geschmack.“ „Du wirst ihn bald kennenlernen“, sagte Harbey triumphierend, „sein Vater ist der, der uns zurzeit das Wettgeschäft kaputtmacht. Darum muss der Junge dran glauben. Ich hole ihn mir nächste Woche und er kommt zu uns hierher – in das spezielle Apartment im ersten Obergeschoss!“ „Warum erst nächste Woche?“, maulte Big Paul. „Ich will ihn früher haben. Dann könnte ich mich 14

ein wenig mit ihm beschäftigen, wenn mir langweilig ist.“ „Nichts da“, lehnte sein Vater ab, „du wirst ihn erst mal in Ruhe lassen. Wenn er hier ist, wird Frankie für ihn zuständig sein. Es darf ihm kein Haar gekrümmt werden, bis Patrick mir die Geschäfte übergeben hat!“ „Und dann?“, grinste Big Paul. „Bevor er wieder heimgeht, darf ich da ein wenig mit ihm spielen? Ach komm, Daddy, dann ist es doch egal, oder?“ Paul Harbey hielt es für besser, seinen Sohn über seine wahren Pläne und vor allem über den eigentlichen Hintergrund der Aktion im Unklaren zu lassen. „Du weißt, was ich von deinen sogenannten Spielchen halte, mein Junge. Ich will damit nichts zu tun haben. Aber in diesem speziellen Fall, vielleicht. Nur Geduld.“ „Gut, Daddy.“ Big Paul schien zufrieden. „Darf ich ihn mir holen? Gleich morgen? Warum warten? Ich bring ihn dir. Kein Problem für mich. Du wirst zufrieden mit mir sein!“ „Kommt nicht infrage. Er darf nicht verletzt werden. Darum wird Frankie diese Aufgabe 15