Immer auf die Kleinen - Taz

08.07.2016 - Tschechische. Republik. 8. 0. Schweden. 12. 21. Russland. 1. 12. Rumänien. 1987. 1993. 1994. 1995. 1996. 1997. 1998. 1988. 1989. 1990.
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taz vom 8.7.2016 Seite 6-7

Immer auf die Kleinen ABKOMMEN Firmen verklagen Staaten. Weil ihnen ein Gesetz nicht passt, weil sie glauben, dadurch Geld verloren zu haben, weil sie es können. Das ist einer der großen Streitpunkte bei den Freihandelsabkommen Ceta und TTIP. Die taz-Grafik zeigt, welche Länder die Klagen treffen – und wo die Investoren profitieren. Besonders klagefreudig: Firmen aus den USA, den Niederlanden und Großbritannien – Deutschland schafft es nur auf Platz vier. Am häufigsten verklagt: Argentinien, Venezuela und Tschechien KONZEPT UND RECHERCHE: SVENJA BERGT / GRAFIK: INFOTEXT-BERLIN.DE / P. SOBOTTA, S. WEBER

DEUTSCHLAND

USBEKISTAN

Vattenfall verklagt Deutschland wegen des Atomausstiegs. Knapp 5 Milliarden Euro fordert der schwedische Konzern, der an den Kraftwerken Brunsbüttel und Krümmel beteiligt ist. Grundlage ist die Energiecharta, ein Abkommen, das seit 1998 in Kraft ist und das insgesamt 54 Staaten unterzeichnet haben. 93 Klagen haben Unternehmen schon auf Basis dieses Abkommens eingereicht, mitunter in Kombination mit bilateralen Abkommen. Über Vattenfall gegen Deutschland müssen nun drei Schiedsrichter entscheiden.

Ein Unternehmen mit Sitz in Indien klagt über seine Niederlassung in den Niederlanden gegen Usbekistan. Spentex heißt die Firma. Sie verkauft Garne, unter anderem für Teppiche. In Usbekistan wollte sie dafür in drei Fabriken Baumwolle verarbeiten. Doch die usbekische Regierung zog eine Subvention bei der Mehrwertsteuer zurück. Spentex fordert daher 100 Millionen US-Dollar, eine Entscheidung gibt es noch nicht. Klagen über Niederlassungen sind nicht ungewöhnlich: „Treaty shopping“ wird das von Kritikern genannt – Abkommen einkaufen. So können auch Unternehmen aus Ländern, die keine oder weniger bilaterale Abkommen geschlossen haben, den Schutz derselben genießen.

Norwegen

12 8

0

3

Finnland

59

25

Estland Lettland Litauen

Dänemark

Großbritannien

Kanada

80

USA Die USA werden ganz überwiegend von Unternehmen mit Sitz in Kanada verklagt. Von 15 verzeichneten Klagen seit 1998 kam eine von einer mexikanischen Firma, 14 wurden von Unternehmen mit Sitz in Kanada eingereicht. Dabei ging es unter anderem um den Import von Generika, um mutmaßlich mit BSE infizierte Kühe und den Abbau von Edelmetallen. Bei 15 Klagen gab es bislang 10 Schiedssprüche – keinen der Fälle hat das klagende Unternehmen gewonnen. Die letzte Klage wurde im Jahr 2012 eingereicht. Vielleicht weil die Firmen gemerkt haben: Die USA gewinnen sowieso.

1

23 38

0

51

Irland

0

Belgien

Portugal

15

Albanien

Vereinigte Staaten

34

Bermuda

29

Marokko

Der Flughafen Isla de Margarita liegt auf der gleichnamigen Insel, nördlich vor der Küste Venezuelas. 2004 schloss die Region mit einem chilenischen Partner und dem Flughafen Zürich einen Vertrag ab, es ging um den Ausbau und den Betrieb des Flughafens. Zwanzig Jahre sollte der Vertrag laufen, doch schon ein Jahr nach Abschluss war es wieder vorbei: Der Flughafen wurde verstaatlicht, und die Investoren aus der Schweiz und aus Chile verklagten den Staat auf mehr als 80 Millionen US-Dollar. Die Schiedsrichter sprachen den Unternehmen vor zwei Jahren knapp 20 Millionen US-Dollar zu. Abgeschlossen ist der Fall damit aber noch nicht: Venezuela hat Beschwerde gegen das Urteil eingereicht. Erleichtert gewesen sein dürften sie jedenfalls in Frankfurt: Der Flughafenbetreiber Fraport war ursprünglich auch in Gesprächen für die Übernahme.

Japan

Pakistan

26

Vereinigte Arabische Emirate

Katar SaudiArabien

3

17

Indien

Bangladesch

Myanmar (Birma)

1

Ghana FranzösischGuyana

Sri Lanka

Kamerun Äquatorialguinea

26

0 Gabun

Uganda

26

0

Malaysia

1

KENIA

Kenia

Tansania

11

Peru Bolivien

CHILE

Mosambik

ARGENTINIEN Paraguay

7

3

Chile

Uruguay

3

59

Argentinien

Das lateinamerikanische Land wird weltweit am häufigsten von Unternehmen verklagt. Die meisten Kläger haben ihren Sitz in Europa oder in den USA: Allein acht Klagen stammen von Unternehmen aus Frankreich, sieben aus Spanien, dazu kommen Klagen aus Deutschland, Luxemburg, Großbritannien, Österreich und den Niederlanden. 20 der insgesamt 59 Klagen kommen von Unternehmen aus den USA.

Simbabwe

Singapur

Das britische Unternehmen Cortec Mining hatte in Kenia verschiedene Investitionen im Minensektor getätigt, unter anderem eine Lizenz zum Abbau seltener Erden erworben. Nun beschuldigt es die kenianischen Behörden, die Lizenz ohne rechtliche Grundlage wieder zurückgezogen zu haben. Die Klage wurde 2015 eingereicht, der Fall ist noch nicht abgeschlossen. Der Investor fordert 2 Milliarden US-Dollar.

Demokratische Republik Kongo Burundi

2

Von Gesundheitsexperten bekommt Australien regelmäßig Lob für seine strenge Rauchergesetzgebung. Nicht nur, dass Werbung und Sponsoring praktisch verboten sind – der Tobacco Plain Packaging Act 2011 schreibt vor, dass Zigarettenschachteln nur in einheitlich grau-grüner Verpackung mit abschreckendem Bild verkauft werden dürfen. Der Tabakkonzern Philip Morris Asia mit Sitz in Hongkong klagte daher gegen das Land. Im vergangenen Dezember urteilten die Schiedsrichter: Australien hat recht. Denn: Als der Konzern Philip Morris Australia im Unternehmen Philip Morris Asia aufgehen ließ – und damit die Klage möglich machte –, habe sich die beanstandete Gesetzgebung schon abgezeichnet.

Philippinen

Äthiopien

Nigeria Guyana

AUSTRALIEN Vietnam

36

Venezuela

1

Thailand

Jemen

Sudan

Hongkong, China SAR Macao, China SAR

Laos

0

3

Ecuador

Das spanische Unternehmen Eduardo Vieira verdient sein Geld mit tiefgekühltem Fisch. Daher sah es seine Geschäftsinteressen bedroht, als Chile 2001 eine Fangquote einführte. Die Firma berief sich bei ihrer Klage auf ein 1994 in Kraft getretenes Abkommen zwischen Chile und Spanien und forderte 22 Millionen US-Dollar. Das Schiedsgericht wies die Klage ab – weil der Konflikt seine Wurzeln in einer Zeit habe, als das Abkommen noch nicht in Kraft getreten war.

2

Iran

Oman

0

4

Barbados

Nicaragua El Salvador Panama Costa Rica

0

Tadschikistan

Kuwait

Senegal Guatemala

Kirgisistan

China

Libyen

2

Cape Verde

Das deutsche Unternehmen Walter Bau war an einer Firma beteiligt, die eine Konzession für Bau und Betrieb einer mautpflichtigen Autobahn in Bangkok erhielt. Doch die Behörden, so der Vorwurf der Kläger, billigten die Maut-Gebühren nicht in der vereinbarten Höhe. Dadurch sei das Projekt weniger rentabel gewesen. Das Schiedsgericht gab schließlich auf Grundlage eines 2002 abgeschlossenen Vertrags zwischen Deutschland und Thailand dem Investor recht – und sprach ihm knapp 30 Millionen Euro zu. Gefordert hatte er knapp 120 Millionen Euro.

Mongolei

Kasachstan

Turkmenistan Aserbaidschan

Armenien

Ägypten

British Virgin Islands

7

15

Usbekistan

Israel Jordanien

23 Dominikanische Republik

0

Libanon

Spanien Algerien

Belize

4

Zypern

Tunesien

Mexiko

VENEZUELA

THAILAND

19

Türkei Griechenland

Malta

Gibraltar

1

8

Ukraine Slowakei Österreich Republik Moldau 1 12 Ungarn Slowenien Rumänien Italien Kroatien Serbien Bosnien und Bulgarien Georgien Herzegowina 11 Mazedonien 19 Montenegro

Frankreich

138

Polen

Deutschland

Niederlande

Schweiz

1

3

Russland

Tschechische Republik

Schweden

39

33

21

Madagaskar

0

6

Indonesien

3

1

Australien

1

1

Lesotho

Südafrika

Zahl der weltweit eingereichten Schiedsgerichtsklagen von 1987 bis 2015 70

66 Anzahl der Fälle, in denen ein Land von ausländischen Unternehmen auf Basis von Handelsabkommen verklagt wurde

Anzahl der Fälle, in denen Unternehmen aus diesem Land andere Staaten auf Basis von Handelsabkommen verklagt haben

Anzahl der Fälle, in denen das Land von Unternehmen aus anderen Staaten auf Basis von Handelsabkommen verklagt wurde, sowie Ausgang/Stand der Verfahren

51 38

Sonstiges * Verfahren läuft noch Staat und Unternehmen haben sich geeinigt Unternehmen hat das Verfahren gewonnen Staat hat das Verfahren gewonnen

0-5 6-10 11-20 21 +

## ##

*(z.B. Ausgang unbekannt oder Verfahren unterbrochen)

Quellen: UNCTAD; Schiedsgerichtsstelle der Weltbank; Permanent Court of Arbitration; School of International Arbitration; miningweekly.com; energycharter.org; Hamilton, Jonathan C. et al (Hrsg.): Latin American Investment Protections, Leiden, Boston, 2012

42

1

0

0

0

0

0

1

2

2

1987

1988

1989

1990

1991

1992

1993

1994

1995

6

7

1996

1997

1998

14

13

1999

2000

38

53

42 35

27

25 10

43

40

54

16

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015