im Spielfilm

Insbesondere medialen Darstellungen von Wissenschaftlern und Wis- senschaftlerinnen ist im Zusammenhang mit dem Schlagwort »Public. Understanding of ...
3MB Größe 3 Downloads 447 Ansichten
Populäre Medien thematisieren häufig Aspekte professioneller Rollen, die dem Publikum nachhaltiges Unbehagen bereiten. Das beharrliche Interesse an Psychoanaly-

sedarstellungen im Film kann daher aus soziologischer Perspektive als anhaltendes Unbehagen der Gesellschaft gegenüber der Psychoanalyse interpretiert werden. Silvia Herb untersucht im vorliegenden Band eine Reihe bekannter Hollywoodfilme der letzten 30 Jahre – wie Analyze This, Nuts oder What about Bob? – und arbeitet das darin zum Ausdruck kommende Verhältnis zwischen Psychoanalyse und Gesellschaft detailliert heraus.

Psychoanalytiker im Spielfilm

Silvia Herb Seit Anbeginn der Filmgeschichte bevölkern Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytiker die Leinwand. Wie kann man dieses anhaltende Interesse erklären? Was fasziniert die Gesellschaft an diesem Beruf?

Silvia Herb

Psychoanalytiker

im Spielfilm

Mediale Darstellungen einer Profession

Silvia Herb, Dr., studierte in Hagen und Bielefeld und promo-

vierte an der Bielefeld Graduate School of History and Sociology. Heute arbeitet sie an der Universität Bielefeld.

www.psychosozial-verlag.de 

Psychosozial-Verlag

Silvia Herb Psychoanalytiker im Spielfilm

I MAG O Psychosozial-Verlag

Silvia Herb

Psychoanalytiker im Spielfilm Mediale Darstellungen einer Profession

Psychosozial-Verlag

Bielefeld, Univ., Diss., 2011, gekürzte Fassung Soweit möglich, wurden die Rechteinhaber der verwendeten Bilder kontaktiert. Sollten darüber hinaus von uns nicht berücksichtigte Urheberrechtsansprüche bestehen, werden die Rechteinhaber gebeten, sich mit dem Verlag bzw. der Autorin in Verbindung zu setzen. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. E-Book-Ausgabe 2014 © der Originalausgabe 2012 Psychosozial-Verlag Walltorstr. 10, D-35390 Gießen Fon: 06 41 - 96 99 78 - 18; Fax: 06 41-969978-19 E-Mail: [email protected] www.psychosozial-verlag.de Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Umschlagabbildung: Filmstills aus den im Buch behandelten Filmen Umschlaggestaltung & Satz: Hanspeter Ludwig, Wetzlar www.imaginary-world.de ISBN Print-Ausgabe 978-3-8379-2173-1 ISBN E-Book-PDF 978-3-8379-6657-2

Inhalt

1

Untersuchungsgegenstand: Psychoanalytiker im Spielfilm

2

Professionelle Leistungsrollen und populärmediale Gegenentwürfe: Theoretischer Zugriff

13

3

Von Dr. Evil bis Dr. Horny: Stand der Forschung

27

4

Filmauswahl und Methode

45

5

Normalformerwartungen ins Bild gesetzt

51

6

Expertise zwischen Wissen und Macht

99

7

Empathie zwischen sozialer Ähnlichkeit und Differenz

167

8

Interaktionsbeziehung zwischen Nähe und Distanz

243

9

Zusammenfassung und Einordnung in den Forschungsstand

319

Literatur

7

341

5

1

Untersuchungsgegenstand: Psychoanalytiker im Spielfilm

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit medialen Darstellungen des Berufsbilds von Psychoanalytikern und Psychoanalytikerinnen in populären Spielfilmen des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts. Ideengeber war das Bundeskriminalamt, das sich im Jahr 2005 veranlasst sah, als Reaktion auf häufig eingehende Anfragen nach einer Ausbildung zum »Profiler« auf seinen Internetseiten eine elfseitige Erklärung zu veröffentlichen. In der Einleitung dazu heißt es: »Bei den OFA-Dienststellen (OFA = Operative Fallanalyse) des Bundes und der Länder gehen häufig Anfragen von ambitionierten Interessenten (oftmals Studenten) ein, die gerne eine Ausbildung zum ›Profiler‹ machen möchten. Zwischen den Wünschen und Hoffnungen dieser jungen Leute, die oft von den realitätsfernen Darstellungen der Medien gespeist werden, und den tatsächlichen Rahmenbedingungen im polizeilichen Alltag liegen oftmals Welten« (Vick/Dern 2005, S. 2).

Dieser Beleg für den Einfluss von Unterhaltungsmedien auf die Berufsvorstellungen junger Menschen überrascht, weil deren souveräner Umgang mit Medienwirklichkeiten im gegenwärtigen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskurs oft als selbstverständlich gilt. Lange schon ist die Auffassung der älteren Mediensoziologie von der direkten Beeinflussung der Menschen durch kulturindustrielle Produkte abgelöst worden durch eine differenziertere Vorstellung vom Rezeptionsprozess medialer Darstellungen. Die neuere Sicht geht davon aus, 7

1  Untersuchungsgegenstand: Psychoanalytiker im Spielfilm

dass Zuschauer Medieninhalte keineswegs unkritisch als Spiegelbild der Realität wahrnehmen, sondern vielmehr aktiv im Umgang mit den Inhaltsangeboten eine eigene Lesart konstruieren. Und doch legen im oben angeführten Beispiel eine so große Zahl junger Akademiker eine medial vermittelte, für Realität gehaltene Vorstellung eines Berufs an den Tag, dass eine öffentliche Einrichtung es für angeraten hält, eine öffentliche Korrektur des darin zum Ausdruck kommenden Irrtums vorzunehmen. Sicherlich ist nicht davon auszugehen, dass die betreffenden Jungakademiker sämtlich naiv und weltfremd sind. Eher erscheint es denkbar, dass ihr Irrtum darauf zurückzuführen ist, dass den meisten Menschen die Gelegenheit fehlt, reale Kriminalpsychologen bei der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit zu beobachten. Vergleichbares gilt für eine Vielzahl von Berufen. Zwar gibt es eine Reihe von beruflichen Tätigkeiten, die quasi »öffentlich ausgeübt« werden: Verkäufer, Lehrerinnen, Bankangestellte, Ärztinnen etc. sind bei der Ausübung ihrer Berufe ständig den Blicken der Öffentlichkeit ausgesetzt. Aber selbst von diesen öffentlich ausgeübten Berufen nimmt ein Außenstehender nur einen Teil aller dazugehörigen Tätigkeiten und Merkmale wahr. Vieles, was sich auf der »Hinterbühne« abspielt (wie Erving Goffman den nicht-öffentlichen Teil derartiger Tätigkeiten beschrieben hat), bleibt der Öffentlichkeit verborgen. Bei beruflichen Tätigkeiten, die den Blicken Außenstehender fast völlig entzogen sind, weil sie sich aus Gründen der Praktikabilität oder Diskretion in Räumen abspielen, zu denen nur wenige Beteiligte Zugang haben, setzt sich das öffentliche Bild aus mehr oder weniger zufälligen Eindrücken zusammen. Zu diesen tragen mediale Darstellungen wesentlich bei, denn »Wirklichkeit ist in einer von Massenmedien geprägten Gesellschaft […] zunehmend das, was wir über Mediengebrauch als Wirklichkeit konstruieren, dann daran glauben und entsprechend handeln und kommunizieren« (Schmidt 1994, S. 18).

Insbesondere medialen Darstellungen von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen ist im Zusammenhang mit dem Schlagwort »Public Understanding of Science (PUS)« von Wissenschaftssoziologen viel Aufmerksamkeit geschenkt worden. Hintergrund und Namensgeber 8

1  Untersuchungsgegenstand: Psychoanalytiker im Spielfilm

dieses Forschungsansatzes sind die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in den USA, England und auch Deutschland durchgeführten staatlich finanzierten Programme, die dazu dienen, der Öffentlichkeit ein besseres Verständnis von (insbesondere Natur- und Technik-)Wissenschaften zu vermitteln. Zunächst untersuchte die PUS-Forschung vornehmlich den Erfolg dieser Programme. Inzwischen hat sie sich längst zu einem eigenständigen Forschungsgebiet entwickelt, das danach fragt, welches Wissenschaftsbild die Öffentlichkeit hat und wie dieses zustande kommt. In diesem Zusammenhang gibt es immer wieder auch Untersuchungen zu medialen Darstellungen von Wissenschaftsberufen und den Personen, die sie ausüben. So beschäftigte sich etwa eine Studie des Wissenschaftssoziologen Peter Weingart und seiner Mitarbeiter mit der Darstellung von Wissenschaftlern und Wissenschaft in 222 Spielfilmen verschiedener Genres. Nach dieser Untersuchung liegt die Psychologie – was die Häufigkeit ihrer filmischen Darstellung betrifft – hinter Medizin und Physik an dritter Stelle (vgl. Weingart 2005). Eine spezifizierende Unterscheidung zwischen Psychologen, Psychotherapeuten und Psychiatern wird dabei im Film selten vorgenommen. Die dargestellten Repräsentanten von Psychoberufen bewegen sich nicht selten zwischen universitärer Forschungs- und/oder Lehrtätigkeit und medizinischer und/oder psychotherapeutischer Behandlungstätigkeit hin und her. Die korrekte Unterscheidung zwischen den einzelnen psychologiebezogenen Berufsfeldern fällt der Öffentlichkeit äußerst schwer, wie sowohl angelsächsische als auch deutschsprachige Untersuchungen immer wieder belegen (vgl. Thumin/Zebelman 1967; Wood et al. 1986; Rietz 1999; Jaeggi 2004). Auch in Spielfilmen wird sie selten sauber (wenn überhaupt) getroffen. Dennoch wurde der Versuch gemacht, sich im Rahmen der vorliegenden Untersuchung auf solche Filmfiguren zu beschränken, die Psychoanalytikerinnen oder Psychoanalytiker darstellen (sollen). Grund für die Konzentration der Forschungsfrage auf gerade diese Profession ist, dass Psychoanalytiker schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts und bis in das gegenwärtige Jahrtausend hinein zum regelmäßigen Figurenrepertoire des populären Spielfilms gehören – durch alle Veränderungen hindurch, die das öffentliche Bild der Psychoanalyse in diesem Zeitraum erfahren hat, durch die Krise der Psychoanalyse in den 1970er 9

1  Untersuchungsgegenstand: Psychoanalytiker im Spielfilm

und 1980er Jahren und über die zunehmende Konkurrenz durch andere Psychotherapieformen hinweg. Bei der Profession des Psychoanalytikers handelt es sich um einen Beruf, der mehr als andere den Blicken der Öffentlichkeit entzogen ist. Weniger als andere Professionen lassen sich Psychoanalytiker bei ihrer Arbeit über die Schulter sehen und dennoch sind sie im kulturellen Diskurs so präsent, dass sie anhand weniger visueller Erkennungsmerkmale in einem Spielfilm für ein breites Publikum als solche erkennbar sind. Was macht gerade den Beruf des Psychoanalytikers so interessant für den Spielfilm? Welche seiner Merkmale oder Tätigkeitsaspekte sind für die Gesellschaft so nachhaltig von Bedeutung, dass sie bereit ist, sich immer wieder in Unterhaltungsmedien damit auseinanderzusetzen? Wie viel hat die Filmprofession Psychoanalyse mit der realen Profession Psychoanalyse zu tun und worin unterscheiden sie sich? Gibt es – wie im oben angeführten Profiler-Beispiel – anhaltende filmische Fehldarstellungen und worin bestehen sie? Dies sind die Fragen, die den Anstoß für die vorliegende Arbeit gegeben haben. Da Psychoanalyse und Psychoanalytiker in Filmen aus vielen verschiedenen Blickwinkeln untersucht werden können, ist es zunächst wichtig, den Inhalt der vorliegenden Arbeit von verwandten Fragestellungen und Zugriffsweisen deutlich abzugrenzen. So ist weder die filmische Darstellung von psychischer Krankheit noch von psychiatrischen Einrichtungen Gegenstand der vorliegenden Studie. Im Fokus stehen allein die psychoanalytische Profession und die sie repräsentierenden Filmfiguren. Der naheliegendste Irrtum, den der Titel »Psychoanalytiker im Spielfilm« evozieren könnte, bestünde jedoch in der Fehlannahme, die vorliegende Arbeit sei aus dem Blickwinkel psychoanalytischer Filminterpretation geschrieben. Diese Vermutung läge nicht nur nahe, weil sich die psychoanalytische Filminterpretation seit den ersten grundlegenden Arbeiten von Wolfenstein/Leites in den 1950er Jahren zu einer wichtigen methodischen Zugriffsweise der Filmanalyse entwickelt hat. Gegenwärtig ist die lange Tradition psychoanalytischer Filmanalyse nicht nur international – etwa durch die Arbeiten von Slavoj Žižek –, sondern auch national sehr präsent. Kaum ein psychoanalytisches Institut in Deutschland, das nicht regelmäßig Filmreihen mit psychoanalytischen 10

1  Untersuchungsgegenstand: Psychoanalytiker im Spielfilm

Interpretationen durchführt. Auch einschlägige Buchveröffentlichungen finden eine regelmäßige Leserschaft.1 Die Dominanz psychoanalytischer Zugriffsweisen auf das Thema ist verständlich – wen würde die Darstellung der Psychoanalyse im Film mehr interessieren als Angehörige der Profession selbst? Die vorliegende Studie ist jedoch nicht in diese Gruppe von Arbeiten einzuordnen. Sie wurde nicht aus psychoanalytischer, sondern aus soziologischer Sicht verfasst. Das bedeutet unter anderem, dass es für die vorliegende Arbeit weniger wichtig ist, der Frage nachzugehen, ob die psychoanalytische Profession in Filmen zutreffend porträtiert ist oder nicht – eine Frage, die in psychoanalytischen Arbeiten regelmäßig von zentralem Interesse ist. Aus soziologischem Blickwinkel ist interessanter, was filmische Darstellungen über die (zugeschriebene oder tatsächliche) gesellschaftliche Funktion der Psychoanalyse aussagen. Warum tauchen psychoanalytische Situationen überhaupt in Spielfilmen auf? Was macht Psychoanalytiker für die Gesellschaft so bedeutsam, dass sie diese über Jahrzehnte hinweg als Filmfiguren interessant findet? Die Fragestellung dieser Arbeit ist in jedem Moment stärker auf die Gesellschaft und deren (mediale) Reflexion einer Profession als auf die reflektierte Profession selbst gerichtet.

1 Vgl. u.a. die jüngst erschienenen Bände von Zwiebel/Mahler-Bungers (2007), Laszig/ Schneider (2008), Wohlrab (2006), Sabbadini (2003) und Wollnik/Auchter (2008).

11

2

Professionelle Leistungsrollen und populärmediale Gegenentwürfe: Theoretischer Zugriff

Der vorliegende Text versteht sich als produktorientierte, mediensoziologische Arbeit, die mediale Gehalte auf ihren Aussagewert hinsichtlich gesellschaftlicher Phänomen untersucht. Theoretisch nähert sich die Arbeit ihrem Thema vor allem mit einem systemtheoretischen Konzept des Populären, das die Funktion populärmedialer Darstellungen im Zusammenspiel der gesellschaftlichen Teilsysteme zu seinem zentralen Gegenstand macht. Allerdings ergeben sich aus dem Thema »Psychoanalytiker im Spielfilm« vielfältige Bezüge zu verschiedenen Zweigen der Soziologie. Diese Bezüge sollen im Folgenden kurz angerissen werden.

2.1

Bezüge zur Wissenschaftssoziologie

Die Wissenschaftssoziologie, die ursprünglich im Rahmen eines institutionellen Ansatzes nach den Bedingungen zur Erschaffung gesicherten Wissens in der Gesellschaft fragte, konzentriert sich seit einigen Jahrzehnten zunehmend auf die Frage, welche sozialen Faktoren die Entwicklung von Wissenschaft beeinflussen, und nimmt so eine eher wissenssoziologische Ausrichtung an. Insbesondere die »strukturellen Kopplungen des Wissenschaftssystems zur Politik, zur Wirtschaft und neuerdings besonders zu den Medien werden zum neuen strategischen Gegenstand der wissenssoziologischen Forschung«, schreibt der Wissenschaftssoziologie Weingart, und er fährt wenig später fort: 13