Hintergrundpapier: Abbau der ... - Umweltbundesamt

gang der Beschäftigten im Steinkohlebergbau mit einer solchen Strategie mehr als wett ge- .... tengünstige Option zur Reduzierung der CO2-Emissionen.
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Umweltbundesamt

Berlin, Juli 2003

-Pressestelle-

Hintergrundpapier: Abbau der Steinkohlesubventionen - Ergebnisse von Modellrechnungen

Forderungen nach dem Abbau von Subventionen haben in Zeiten leerer öffentlicher Kassen Hochkonjunktur. Die Vorschläge reichen von Kürzungen nach dem „Prinzip Rasenmäher“ bis hin zur gezielten Abschaffung bestimmter Subventionen. Ein Dauerbrenner in der Diskussion um den Subventionsabbau sind die Steinkohlesubventionen. Die Subventionen des Bundes für den Steinkohlebergbau schlagen mit einem Anteil von fast 30% an den Subventionen für die gewerbliche Wirtschaft insgesamt zu Buche. Allein seit 1980 sind in diesen Bereich rund 100 Milliarden Euro geflossen. Der größte Teil der Subventionen diente dazu, die deutsche Steinkohle künstlich wettbewerbsfähig zu halten. Dazu wurde die Differenz zwischen den hohen Förderkosten für die deutsche Steinkohle und den um etwa 70% niedrigeren Preis der Importkohle durch Subventionen ausgeglichen. Die Bilanz dieser Förderpolitik ist ernüchternd. So sank die Steinkohleförderung von 87 Millionen Tonnen im Jahr 1980 auf 27 Millionen Tonnen im Jahr 2001, während sich die Zahl der Beschäftigten im selben Zeitraum um 72% auf 52.600 verringerte. Der Erhalt der Arbeitsplätze im Steinkohlebergbau wird also teuer erkauft. Umgerechnet auf die Zahl der Erwerbstätigen ergeben sich für das Jahr 2001 etwa 82.000 Euro pro Jahr für jeden Arbeitsplatz. Die Zahlen belegen, dass Erhaltungssubventionen das Grundproblem des deutschen Steinkohlebergbaus - die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit wegen der im internationalen Vergleich sehr kostenintensiven Abbaubedingungen - nicht lösen können. Abbildung 1: Entwicklung des Steinkohlebergbaus von 1990-2005 Produktion (in Mio t)

Beschäftigte (in Tsd.)

80

140

70

120

60

100

50

80

40

60

30 20

40

10

20

0

0 1990

1994

1996

2001

2005

1990

1994

1996

2001

2005

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Subventionen (in Mrd. €)

Subventionen pro Arbeitsplatz (in Tsd. €) 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

6 5 4 3 2 1 0 1990

1994

1996

2001

2005

1990

1994

1996

2001

2005

Für 2005 geplante Größen Quellen: Gesamtverband des deutschen Steinkohlebergbaus, Bundesfinanzministerium (Subventionsberichte)

Rahmenbedingungen der Förderpolitik In Deutschland ist die Steinkohlepolitik gemäß der Kohlevereinbarung von 1997 bis Ende 2005 festgelegt. Bis 2005 sollen die Subventionen von Bund und Land schrittweise auf 2,7 Milliarden Euro reduziert werden, wobei der Beitrag aus dem Bundeshaushalt auf 2,17 Milliarden Euro sinken soll. Dies entspricht etwa einer Halbierung der Subventionen des Jahres 1998. Hieraus resultiert eine Senkung der Steinkohlenförderung auf rund 26 Millionen Tonnen und ein Rückgang der Beschäftigtenzahlen auf etwa 36.000. Mit der im Juli 2002 in Kraft getretenen neuen Beihilfenverordnung der Europäischen Union (EU) ist die deutsche KohleVereinbarung bis 2005 auf europäischer Ebene gesichert. Die neue EU-Verordnung sieht vor, dass Beihilfen zur Rücknahme der Fördertätigkeit nur noch bis zum Jahr 2007 zulässig sind, dann muss - zunächst bis 2010 - eine auf Dauer angelegte Mindestproduktion erreicht werden. Das Gesamtvolumen der Beihilfen muss dabei im Zeitraum bis 2010 einem abnehmenden Trend folgen und zu einem nennenswerten Abbau der Beihilfen führen. Ob und wie die Subventionierung des Steinkohlebergbaus über das Jahr 2005 hinaus gestützt wird, soll noch dieses Jahr entschieden werden. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung aus dem Jahr 2002 heißt es hierzu: „Wir werden die Umstrukturierung des deutschen Steinkohlebergbaus fortführen und über Verhandlungen mit den Bergbauländern, dem Bergbau und der IGBCE die Finanzierung des deutschen Steinkohlebergbaus im Zeitraum von 2006 bis 2010 sichern. Der Beitrag aus dem Bundeshaushalt - der heute 3,05 Mrd. Euro. beträgt und der bis 2005 auf 2,17 Mrd. Euro absinken wird - wird sich dann weiter degressiv entwickeln.“ Die Bundesregierung beabsichtigt, die Steinkohlesubventionen auch über das Jahr 2005 hinaus aufrechtzuerhalten - allerdings mit sinkendem Volumen. Einen festen Plan zum Abbau der Subventionen gibt es bisher noch nicht. Die Vorschläge reichen von einem schrittweisen Abbau der Subventionen bis 2020 über die Beibehaltung eines Sockels jährlicher Fördermenge bis hin zu einem völligen Subventionsabbau nach 2005. Der Gesamtverband des deutschen 2

Steinkohlebergbaus fordert die Festlegung eines langfristig kohlebasierten Mischfinanzierungspakets mit einem Zeithorizont bis mindestens 2015.

OECD und Internationale Energie-Agentur fordern: Kohlesubventionen in Deutschland abbauen In ihrem Umweltprüfbericht 2001 für Deutschland kommt die Organization for Economic Cooperation and Development (OECD) zu dem Schluss, dass etwa 35% der Subventionen in Deutschland als umweltschädlich eingestuft werden können. Einen großen Anteil daran haben die Subventionen für den Steinkohlebergbau. Es wird empfohlen, „ ... die in Gang befindliche allmähliche Abschaffung der Kohlesubventionierung zu beschleunigen.“ Die Internationale Energie-Agentur (IEA) hat die Energiepolitik der IEA-Länder1 analysiert. Mehrere Steinkohleförderländer subventionieren ihre heimischen Erzeuger, wobei Deutschland sowohl absolut als auch relativ – das heißt je Steinkohleeinheit - die höchsten Subventionen aufweist. Die IEA vertritt den Standpunkt, dass die heutigen Kohlemärkte eine angemessene Versorgungssicherheit bieten. Soweit die IEA-Mitgliedsländer sozial und regionalpolitische Gründe zur Rechtfertigung der inländischen Kohlebeihilfen anführen, ist die IEA der Auffassung, dass es effizientere Methoden für die Unterstützung jener Regionen gibt, die von dem Niedergang der einheimischen Steinkohleindustrie betroffen sind. In ihrem Bericht zur Deutschland Prüfung 2002 heißt es: „Die Bundesregierung sollte die Kohlesubventionen mit dem Ziel ihrer völligen Abschaffung weiter reduzieren und eine klare Frist für die endgültige Abschaffung der Subventionen setzen; den Verlust der Beihilfen und den daraus resultierenden Niedergang der Kohleindustrie durch Umstrukturierungsprogramme kompensieren, die den sozialen Auswirkungen Rechnung tragen.“

Die Argumente zum Abbau der Steinkohlesubventionen sind offensichtlich Als Rohstoff wird die Steinkohle weiterhin in Deutschland gebraucht. Kohlekraftwerke sowie die Eisen- und Stahlindustrie benötigen diesen Grundstoff, auch andere Industriezweige werden auf lange Sicht nicht vollständig auf die Steinkohle verzichten können. Dennoch: Die dauerhafte Subventionierung des deutschen Steinkohlebergbaus ist dadurch nicht zu rechtfertigen. Die Subventionen sollten schrittweise auf Null zurückgefahren werden. Hierfür sprechen vor allem folgende Gründe:

Mangelnde Wirtschaftlichkeit Die Kosten der Steinkohleförderung in Deutschland sind im Vergleich zu den Gestehungskosten in anderen Ländern (einschließlich Transportkosten) so hoch, dass der Steinkohlebergbau in Deutschland nur durch dauerhafte Subventionen weiter bestehen könnte. Da es sich nicht 1

Australien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Japan, Kanada, Korea, Luxemburg, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien, Tschechische Republik, Türkei, Ungarn, Vereinigtes Königsreich, Vereinigte Staaten.

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um eine vorübergehende Erscheinung handelt, sondern auf absehbare Zeit keine Änderungen erwartet werden, ist das marktwirtschaftliche Prinzip in Frage gestellt.

Versorgungssicherheit ist auch ohne heimische Steinkohle gegeben Bereits heute wird mehr Steinkohle importiert als in Deutschland gefördert wird. Die für das Jahr 2005 anvisierte Fördermenge (27 Millionen Tonnen) entspricht etwa 5% des Gesamtenergieverbrauchs im Jahr 2000. Die deutschen Vorkommen haben Schätzungen zufolge noch eine Reichweite von 30 bis maximal 50 Jahren. Eine längerfristige Energiekrise könnte durch die heimische Steinkohle ohnehin nicht ausgeglichen werden. Unsicherheiten bei der Versorgung mit Importsteinkohlen sind in Bezug auf die heutigen Hauptlieferanten (Südafrika, Polen, USA, GUS) nicht zu erkennen. Die Kohlevorkommen sind reichhaltig und geografisch über die ganze Welt verstreut, mit großen wirtschaftlich abbaubaren Reserven. Der internationale Steinkohlehandel ist sicher etabliert und sehr wettbewerbsintensiv. Das Risiko einer dauerhaften Versorgungsunterbrechung kann daher als minimal betrachtet werden. Schließlich gibt es auch andere Mittel und Wege die Versorgungssicherheit zu erhöhen, zum Beispiel durch rationellere Energieverwendung, Diversifizierung der Primärenergiequellen, Erhöhung des Anteils heimischer regenerativer Energien, aktive Förderung der europäischen Märkte für Strom und Gas. Die Beibehaltung der Steinkohlesubventionen ist unter Kosten-NutzenAspekten mit Sicherheit nicht die günstigste Variante.

Verlust von Arbeitsplätzen im Steinkohlebergbau kann kompensiert werden Obwohl es unbestritten ist, dass ein Abbau der Subventionen zu einem Verlust der Arbeitsplätze im Steinkohlebergbau führen wird, ist dies kein hinreichender Grund dafür, Subventionen beizubehalten. Mit den eingesparten Geldern können arbeitsmarktpolitische Maßnahmen für die Betroffenen gefördert sowie durch eine Umschichtung eines Teils der Subventionen für Projekte der ökologischen Modernisierung Arbeitsplätze in anderen Bereichen der Wirtschaft neu geschaffen werden. Die Ergebnisse von Modellrechungen belegen, dass der Rückgang der Beschäftigten im Steinkohlebergbau mit einer solchen Strategie mehr als wett gemacht werden kann.

Exportchancen deutscher Kraftwerkstechnologie sind nicht gefährdet Ein Zusammenhang zwischen den Exportchancen deutscher Kraftwerkstechnologie und dem Kohlenabbau ergibt sich durch die Kohlenutzung im Kraftwerksbereich, ist aber nicht an den heimischen Steinkohleabbau gekoppelt.

Eine nachhaltige Energiepolitik erfordert eine Änderung des Energieträgermixes Eine nachhaltige, also dauerhaft umweltgerechte Energienutzung erfordert - vor allem vor dem Hintergrund der notwendigen Reduzierung des klimaschädlichen Kohlendioxid (CO2)Ausstoßes - dass der Anteil der erneuerbaren Energieträger - wie Sonne, Wind, Wasser und 4

Biomasse - in Zukunft deutlich steigt und die Potenziale beim Energiesparen und der rationellen Energienutzung erschlossen werden. Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages hat als Ziel eine Stabilisierung der CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre bei circa 450 ppm (parts per million) bis Ende des Jahrhunderts empfohlen. Dies bedeutet, dass weltweit die CO2 Emissionen bis 2050 halbiert werden müssen. Analysen zeigen, dass der Kohleeinsatz im Jahr 2050 in den Industrieländern unter dieser Voraussetzung stark zurückgehen wird, auch im asiatischen Raum resultieren geringere Einsatzniveaus als heute. Das Niveau des gesamten Kohleeinsatzes dürfte dann zwischen 35% und 60% unter dem heutigen Niveau liegen. Die Rolle der Steinkohle für die Gewährung der Versorgungssicherheit nimmt daher im Lauf der Zeit ab. Um so wichtiger ist es, die Förderung für die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien und zur rationellen Energieverwendung umzuschichten. In den nächsten 20 Jahren erreichen in Deutschland Kraftwerkskapazitäten von 40 bis 70 Gigawatt2 ihre technische und/oder politisch bestimmte Lebensdauer. Neben den Kernkraftwerken gehören hierzu erhebliche Kohlekraftwerkskapazitäten. Um das Klimaschutzziel einzuhalten, ist eine teilweise Substitution dieser Kapazitäten durch regenerative Energieträger oder - noch besser - durch Energieeinsparungen unerlässlich.

Negative ökologische Wirkungen des Steinkohlebergbaus Neben der ökonomischen Unsinnigkeit dauerhafter Erhaltungssubventionen rücken auch die Umweltprobleme durch den Kohleabbau und die damit einhergehenden Folgekosten stärker in den Mittelpunkt des Interesses: Bergehalden müssen aufwändig abgedichtet werden, um eine Gefährdung des Grundwassers zu verhindern, Deiche müssen gebaut werden, um die Beeinträchtigungen durch Bergsenkungen zu verringern, die Überschwemmungsrisiken steigen, es entstehen erhebliche Schäden an Gebäuden und Verkehrsanlagen, die Beispiele ließen sich erweitern. Während in der Vergangenheit diese negativen Wirkungen weitgehend klaglos hingenommen wurden, zeigt sich derzeit ein zunehmender Protest der betroffenen Bevölkerung. So wurden zum Beispiel bei der Erschließung eines neuen Abbaufeldes im Raum Lünen-Werne-Nordkirchen sowie im Raum Walsum-Voerde-Rheinberg im Jahr 2001 etwa 13.000 Einwände gegen den Entwurf des Rahmenbetriebsplans bei der zuständigen Bezirksregierung Arnsberg eingebracht. Die Bergbaugeschädigten haben sich zu Bürgerinitiativen zusammengeschlossen und zum Beispiel ihre Forderungen in einer „Brüsseler Resolution“3 an die EU Kommission gerichtet.

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Derzeit sind in Deutschland ca. 115 Gigawatt Kraftwerksleistung installiert.

3

Brüsseler Resolution der Bürgerinitiativen BIB (Bürgerinitiative Bergbau-Betroffener Niederrhein) und Fulko (Fürstenhausen-Völklinger Union zur Limitierung des Kohleabbaus unter bewohntem Gebiet), siehe http://www.bergschaden-kohlebergbau.de/schwarz/Resolde.htm

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Auszug aus der „Brüsseler Resolution“ der Bergbau-Geschädigten in Deutschland Steinkohlebergbau, der zu erheblichen Auswirkungen auf Mensch und Natur führt, ist unmittelbar einzustellen. Beispielsweise führt ein weiterer Kohleabbau unter dem Rhein – im Falle des Bergwerks Walsum – zu ‚ewigen’ Folgekosten. Berechnungen für den aktuell beantragten Rahmenbetriebsplan haben zudem gezeigt, dass infolge dauerhaft notwendiger Grundwasserpumpwerke durch dieses Abbauvorhaben ein ständiger Energiebedarf von 330 Millionen kWh pro Jahr entstehen wird. Das führt dazu, dass die gesamte Energiemenge, die innerhalb von 18 Jahren aus den geförderten 50 Millionen t Steinkohle gewonnen werden kann, nicht einmal den absehbaren Energiebedarf der aus diesem Abbauvorhaben resultierenden Folgemaßnahmen deckt. Das Bergwerk Warndt-Luisenthal (Raum Völklingen) baut Kohle vorwiegend unter stark bewohntem Gebiet ab. Die Konsequenz: Siedlung und Ortskern von Völklingen-Fürstenhausen (850 Häuser) sind stark betroffen: Gaswarnanlagen schon in fast 500 Häusern, Hausabrisse, u.a. drei Wohnblöcke mit 48 Familien. Erdbebenähnliche seismische Erschütterungen, verursacht durch den Kohleabbau des Bergwerks Ensdorf, versetzen die Bewohner in Lebach und Umgebung fast jeden Tag und Nacht in Angst; erhebliche Bergschäden sind bereits vorhanden und ein Biotop ist gefährdet.

Modellrechnungen im Auftrag des Umweltbundesamtes zeigen: Umschichtung der Steinkohlesubventionen bringt Vorteile für Wirtschaft und Umwelt Von zentraler Bedeutung für die Durchsetzung einer umweltorientierten Subventionspolitik ist eine nachvollziehbare Analyse der mit einer Reform einhergehenden Wirkungen auf Umwelt, Wirtschaft und für besonders betroffene Bevölkerungsgruppen. Für die Beurteilung der Folgewirkungen der Umschichtungen der Steinkohlesubventionen sind Simulationen mit ökonometrischen Modellen besonders geeignet.

Mit ökonometrischen Modellen, die über Verknüpfungen zwischen Umweltdaten und ökonomischen Daten verfügen, können ökonomische und ökologische Wirkungen einer Reform simultan abgebildet werden. Hierzu wird zunächst ein Trend-Szenario formuliert, das die ökonomische Entwicklung und die Entwicklung umweltschutzrelevanter Variablen – wie Kohlendioxid-Emissionen – unter gleichbleibenden Bedingungen enthält. Dieses Szenario wird mit einem Reformszenario verglichen, das beispielsweise die Entwicklung bei einem Abbau der Steinkohlesubventionen aufzeigt. Aus dem Vergleich dieser beiden Szenarien lassen sich vielfältige Aussagen, z.B. zu den Nettobeschäftigungswirkungen, der Änderung des Bruttoinlandsproduktes oder auch den hieraus resultierenden Umweltwirkungen ziehen. Die Modellanalysen erlauben neben einer gesamtwirtschaftlichen Wirkungsschätzung auch eine disaggregierte Darstellung der mit einer Reform verbundenen ökonomischen Effekte (z.B. Änderung des Bruttoproduktionswertes gegliedert nach Wirtschaftsbereichen).

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Das Umweltbundesamt hat Berechnungen zu den Wirkungen des Abbaus der Steinkohlesubventionen mit dem Panta Rhei Modell4 anstellen lassen. Das Panta Rhei Modell ist ein disaggregiertes ökonometrisches Simulationsmodell. Neben dem ökonomischen Teil enthält es ein tief gegliedertes Energie- und Luftschadstoffmodell. Daher ist es für umweltökonomische Analysen besonders gut geeignet.

Rahmenbedingungen der Modellierung Das Referenzszenario geht von der Annahme aus, dass die Steinkohlesubventionen nach dem Jahr 2005 eingefroren werden, das heißt bei 2,7 Milliarden Euro verbleiben. Das Maßnahmenszenario unterstellt dagegen, dass nach dem Jahr 2005 eine weitere Reduzierung der Subventionen erfolgt und die Subventionen bis zum Jahr 2010 vollständig zurückgefahren werden. Exemplarisch werden unterschiedliche Varianten für die Verwendung der eingesparten Gelder dargestellt: Haushaltskonsolidierung, Verwendung zur Förderung erneuerbarer Energien, Verwendung für Maßnahmen zur Gebäudesanierung. Aus Gründen der Einfachheit wird bei den Simulationen unterstellt, dass jeweils die gesamten eingesparten Subventionen umgeschichtet werden. Diese Annahme erlaubt es, die spezifischen Wirkungen der unterschiedlichen Verwendungsmöglichkeiten zu analysieren. Ein realistischer Reformvorschlag zur Umschichtung der Subventionen müsste allerdings eine Mischung verschiedener Verwendungsmöglichkeiten berücksichtigen – zum Beispiel Verwendung jeweils eines Teils der Gelder zur Haushaltskonsolidierung, zur Förderung verschiedener Projekte der ökologischen Modernisierung sowie zur Finanzierung von notwendigen Anpassungsmaßnahmen für besonders betroffene Regionen.

Variante 1: Verwendung der eingesparten Subventionen zur Haushaltskonsolidierung Verwendet man die eingesparten Subventionen zur Haushaltskonsolidierung, dann zeigen die Modellrechnungen, dass gesamtwirtschaftlich die Zahl der Erwerbstätigen geringfügig sinkt. Dies ist nahezu ausschließlich auf den Rückgang der Beschäftigten im Steinkohlebergbau zurückzuführen, dass heißt, mit weiteren gesamtwirtschaftlichen Einbußen ist nicht zu rechnen. Gleichzeitig gehen die CO2-Emissionen - gegenüber einer Situation mit Beibehaltung der Subventionen - geringfügig zurück5. Die Modellrechnungen beruhen auf der Annahme, dass in dem betrachteten Zeitraum (bis zum Jahr 2010) die nicht mehr im Inland produzierte Steinkohle durch Importkohle ersetzt wird. Mittel- bis langfristig ist diese Annahme nicht haltbar, da auch eine Substitution durch inländische Energieträger erfolgen wird. Vor diesem 4

Das Panta Rhei Modell wurde im Rahmen eines Forschungsprojektes um umweltrelevante Daten erweitert. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts werden in Kürze im Physika-Verlag veröffentlicht (Frohn, J. u.a.: „Wirkungen umweltpolitischer Maßnahmen – Abschätzungen mit zwei ökonometrischen Modellen“). 5

Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde als weiteres Szenario die Verwendung der eingesparten Subventionen zur Senkung der Sozialversicherungsbeiträge untersucht. Hierbei ergeben sich weitgehend vergleichbare Wirkungen wie bei der Verwendung der Mittel zur Haushaltskonsolidierung, so dass auf eine ausführliche Darstellung verzichtet wird. Die Beschäftigungswirkungen sind allerdings günstiger, da die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge die Lohnnebenkosten verringert und dies beschäftigungsfördernd wirkt.

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Hintergrund können die Ergebnisse als „worst case“ interpretiert werden. Eine Substitution durch inländische Energieträger würde sowohl die ökonomischen Verluste verringern als auch die positiven ökologischen Effekte verstärken. Dies träfe vor allem dann zu, falls gleichzeitig eine weitere Förderung der Nutzung erneuerbarer Energien und eine Förderung von Energieeinsparmaßnahmen erfolgen würde.

Umschichtung der eingesparten Subventionen zur Förderung der ökologischen Modernisierung bringt positive Impulse für Wirtschaft und Umwelt Eine solche Subventionsumschichtung würde unter dem Strich - das heißt unter Berücksichtigung der negativen Beschäftigungswirkungen des Abbaus der Kohlehilfen - die Wirtschaft ankurbeln, Arbeitsplätze schaffen und zudem ökologisch positive Wirkungen erbringen.

Variante 2: Förderung von Solarwärme und Biomasse zur Wärmeerzeugung: eine kostengünstige Option zur Reduzierung der CO2-Emissionen

Durch die vermehrte Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien werden konventionelle Energien wie Gas und Heizöl - substituiert. Daher können CO2-Emissionen in erheblichem Umfang vermieden werden. Die sich hieraus ergebenden gesamtwirtschaftlichen Effekte sind leicht positiv, da die Bauinvestitionen das Bruttoinlandsprodukt und die Beschäftigung (etwa + 9.000) erhöhen. Des Weiteren zeigen die Modellrechnungen einen drastischen Rückgang von fast 50 Mio t. CO2-Emissionen bis zum Jahr 2010 an, der vor allem auf den Einsatz der Biomasse zur Wärmeerzeugung zurückgeführt werden kann.

Was wird gefördert? Bei der Förderung der Solarkollektoren wird in den Modellrechnungen unterstellt , dass pro m² Kollektorfläche Fördergelder in Höhe von 87 Euro (170 DM) eingesetzt werden und dass pro Fördervolumen von 1 Mrd. Euro 5,9 Mio. m² Kollektorfläche installiert werden. Des Weiteren wird angenommen, dass pro m² Kollektorfläche 300 kWh Nutzwärme pro Jahr gewonnen werden können. Bei der Förderung der Biomasse für Wärmeerzeugung wird davon ausgegangen, dass pro 50 Euro Fördergelder ein kW Heizungsleistung installiert wird.

Dies entspricht in etwa jener Menge an CO2-Emissionen, die das Verarbeitende Gewerbe, die Energiewirtschaft und der Verkehr laut Nationalem Klimaschutzprogramm vom 16.10.2000 einsparen sollen.

Variante 3: Förderung der energetischen Gebäudesanierung Besonders im Altbaubestand besteht ein beträchtliches Potenzial, Energie einzusparen und damit die CO2-Emissionen und die Heizkosten zu senken. Die Gesellschaft für Rationelle Energieverwendung hat berechnet, dass durch konsequenten Einsatz bau- und haustechnischer Energiesparmaßnahmen bei der Renovierung eines durchschnittlichen Einfamilienhauses der Energieverbrauch um 90 Prozent verringert werden könnte. Die Förderung der energe8

tischen Sanierung des Altbaubestandes ist daher ein wichtiges Strategieelement, um das Klimaschutzziel der Bundesregierung zu erreichen. Mit dem Bausektor wird darüber hinaus ein Wirtschaftszweig gefördert, der sich durch eine hohe Beschäftigungsintensität auszeichnet. Um Hausbesitzern einen Anreiz zu geben, in Energieeinsparmaßnahmen zu investieren, haben der Bund und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) im Januar 2001 das "KfW-CO2Gebäudesanierungsprogramm" gestartet. Es ist zugleich ein Beitrag für zukunftsträchtige Jobs in der Baubranche und im Handwerk. Mit dem Programm unterstützt der Bund umfangreiche Investitionen zur Minderung des Kohlendioxid-Ausstoßes und zur Energieeinsparung in Wohngebäuden, die im Jahr 1978 oder vorher errichtet wurden (Altbaubestand).

Die Förderung der energetischen Gebäudesanierung gibt einen Anreiz, Maßnahmen der Gebäudesanierung vorzuziehen und/oder im Rahmen ohnehin anstehender Maßnahmen zusätzliche Investitionen zur Energieeinsparung zu tätigen, um die Förderung zu erhalten. Die Ergebnisse der Modellrechnungen zeigen, dass die Verwendung der eingesparten Subventionen sowohl ökologisch als ökonomisch eine lohnende Alternative darstellt. Der Beschäftigungsrückgang im Kohlebergbau wird durch die Impulse für die Bauwirtschaft mehr als kompensiert.

Was wird gefördert? Die Modellierung beruht auf der Annahme, dass die eingesparten Subventionen in ein Gebäudesanierungsprogramm fließen, wobei die wesentlichen Parameter und Annahmen über die Wirkungen des Förderprogramms aus den Erfahrungen der KfW Förderprogramme abgeleitet wurden 6. Es wird davon ausgegangen, dass Maßnahmen gefördert werden , die mindestens 40 Kilogramm CO2 pro Jahr und Quadratmeter Wohnfläche einsparen. Die Förderhöhe beträgt bis zu 255 Euro (500 DM) pro Quadratmeter Wohnfläche.

Insgesamt ist eine leichte Erhöhung des Bruttoinlandsproduktes zu verzeichnen. Die Zahl der Arbeitsplätze steigt in diesem Szenario bis zum Jahr 2010 netto um etwa 30.000 Beschäftigte an bei gleichzeitigem Rückgang der CO2-Emissionen um etwa 6 Millionen Tonnen. Die Ergebnisse stellen eine konservative Schätzung dar, da angenommen wurde, dass nur ein Fünftel der geförderten Wohnungsbauinvestitionen zusätzlicher Natur ist.

Die Ergebnisse der Modellrechungen im Überblick Die folgende Übersicht gibt einen zusammenfassenden Überblick über die Ergebnisse der Modellrechungen für das Jahr 2010. Hierbei sind jeweils die Abweichungen von der geschätzten Referenzentwicklung angegeben, dass heißt einer Entwicklung, bei der die Kohlesubventionen auf dem Niveau des Jahres 2005 (2, 7 Mrd. Euro) beibehalten werden. Es

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Für diese Förderprogramme stellt die Bundesregierung seit 2001 im Rahmen ihres Klimaschutzprogramms

insgesamt 1 Mrd. Euro Haushaltsmittel bis 2005 für Klimaschutzmaßnahmen im Wohngebäudebestand zur Verfügung. Das Programm wurde im Mai 2003 um 160 Millionen Euro aus dem Ökosteueraufkommen aufgestockt.

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subventionen auf dem Niveau des Jahres 2005 (2, 7 Mrd. Euro) beibehalten werden. Es handelt sich daher um Nettoeffekte.

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Übersicht:

Ergebnisse

der

Modellrechnungen

für

das

Jahr

2010

Umschichtung der Steinkohlesubventionen zur Förderung der Abweichungen vom Referenzszenario

Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien

der energetischen Gebäudesanierung

Differenz dukt

Bruttoinlandsproin Mrd. Euro + - in % + 0,15

2,99 + + 0,20

4,13

Differenz

Arbeitsplätze + - in % + 0,02

8.870 + + 0,08

30.120

Differenz

CO2-Emissionen in Mio. t - in % - 5,61

49,45 - 0,67

5,9

Fazit Die Subventionierung des Steinkohlebergbaus ist ein Auslaufmodell. Sowohl aus ökonomischer als auch aus ökologischer Sicht sind auf Dauer angelegte Subventionen für die Steinkohleförderung nicht zu rechtfertigen. Es ist unbestritten, dass ein Abbau der Steinkohlesubventionen zu einem Verlust von Arbeitsplätzen im Bergbau führt. Soziale Härten lassen sich jedoch vermeiden, indem ein Teil der eingesparten Gelder für sozialverträgliche Anpassungsmaßnahmen in den betroffenen Regionen verwendet wird. Zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung sollte zumindest ein Teil der freiwerdenden Finanzmittel zur Förderung der ökologischen Modernisierung umgeschichtet werden. Beispielsweise können hiermit Investitionen in die Energieeinsparung im Gebäudebestand oder die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärmeerzeugung gefördert werden. Die im Auftrag des Umweltbundesamtes durchgeführten Modellrechnungen zeigen, dass die Umschichtung der Steinkohlesubventionen für Projekte der ökologischen Modernisierung sowohl ökonomisch als auch ökologisch lohnend ist. Per Saldo fördert eine solche Reform das Wirtschaftswachstum, es entstehen neue Arbeitsplätze und die klimaschädlichen CO2Emissionen werden deutlich verringert. ___________________________________________________________________________ Herausgeber: Umweltbundesamt Pressestelle Postfach 33 00 22 14191 Berlin Tel. 030/89 03-2226 Fax 030/89 03-2798 www.umweltbundesamt.de

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